Auslegung einer Grunddienstbarkeit; Wegerecht; Überquerung mit Kfz
letzte Aktualisierung: 17.12.2020
BGH, Urt. v. 18.9.2020 – V ZR 28/20
Auslegung einer Grunddienstbarkeit; Wegerecht; Überquerung mit Kfz
Das durch eine Grunddienstbarkeit gesicherte Recht, ein Grundstück „als Übergang zu benutzen“,
berechtigt auch dazu, dieses mit einem Kraftfahrzeug zu überqueren; etwas anderes gilt nur dann,
wenn sich eine Beschränkung in eindeutiger Weise aus den bei der Auslegung der
Grundbucheintragung berücksichtigungsfähigen Umständen ergibt.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, dem Kläger stehe ein Unterlassungsanspruch
nach
des Flurstücks 141 ergebe sich weder aus der Grunddienstbarkeit noch aus
einem Notwegrecht. Die in der Grundbucheintragung enthaltene Formulierung
"Übergang" spreche dafür, dass mit der Grunddienstbarkeit nur ein Recht zum
Begehen, nicht aber zum Befahren habe eingeräumt werden sollen. Wäre die
Bestellung auch eines Fahrrechtes gewollt gewesen, hätte dies eindeutig formuliert
werden können. Auch vor dem Zweiten Weltkrieg seien Grunddienstbarkei-
ten in der Form eines "Geh- und Fahrtrechts" weit verbreitet gewesen. Der Beklagten
stehe auch kein Notwegrecht zu. Ein Heranfahren an das eigene Grundstück
sei für dessen ordnungsgemäße Nutzung dann nicht erforderlich, wenn
- wie hier - nur ein kurzer Fußweg zurückgelegt werde müsse.
II.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Dem Kläger steht der geltend
gemachte Unterlassungsanspruch nach
weil er das Befahren des Flurstücks 141 mit einem Auto oder einem sonstigen
Fahrzeug infolge der auf seinem Grundstück lastenden Grunddienstbarkeit dulden
muss (
an, dass die Grunddienstbarkeit dem Berechtigten nur ein Gehrecht, nicht aber
auch ein Fahrrecht einräumt.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht noch davon aus, dass zur Ermittlung
des Inhalts einer Dienstbarkeit vorrangig auf Wortlaut und Sinn der Grundbucheintragung
und der nach
abzustellen ist, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als
nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt; Umstände außerhalb dieser
Urkunden dürfen jedoch insoweit mit herangezogen werden, als sie nach den
besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar
sind (st. Rspr. vgl. nur Senat, Urteil vom 12. Juli 2019 - V ZR 288/17, NJWRR
2020, 77 Rn. 6 mwN).
2. Diesen Grundsätzen wird die Auslegung der Eintragung der Grunddienstbarkeit
durch das Berufungsgericht, die in vollem Umfang der revisionsrechtlichen
Nachprüfung unterliegt (st. Rspr., vgl. zuletzt Senat, Urteil vom
12. Juli 2019 - V ZR 288/17,
a) Nach dem Wortlaut der Grundbucheintragung berechtigt die Grund-
dienstbarkeit dazu, das heutige Flrustück 141 "als Übergang zu benutzen". Ent-
gegen der Ansicht des Berufungsgerichts folgt hieraus nicht, dass Inhalt der
Grunddienstbarkeit nur ein Gehrecht ist. Richtig ist zwar, dass der Begriff "Übergang"
dahingehend verstanden werden kann, dass damit der Vorgang des Über-
schreitens oder Hinübergehens gemeint ist. Darin erschöpft sich die Bedeutung
des Begriffs aber nicht. Vielmehr wird unter ihm auch eine Verbindung von getrennt
Liegendem verstanden. Insoweit wird mit ihm eine Stelle, Einrichtung oder
Fläche beschrieben, die zum Überqueren oder Passieren dient. Diese Bedeutung
kommt etwa in den Begriffen des Grenz- oder Bahnübergangs zum Ausdruck.
Für ein derartiges, die Funktion einer Fläche als Verbindung beschreibendes Verständnis
spricht im vorliegenden Zusammenhang die Formulierung, wonach das Recht eingeräumt ist,
das belastete Flurstück "als Übergang zu benutzen". Mit
welchen Mitteln das Überqueren der Fläche des belasteten Flurstücks erfolgen
kann, wird mit der verwendeten Formulierung nicht eingegrenzt. Es ist allgemein
von einer Benutzung die Rede. Wie auch das Wort "Zugang" beschränkt sich der Begriff "Übergang"
nicht auf zum Beschreiten eingerichtete Zukömmlichkeiten,
sondern umfasst im Grundsatz alle zum Erreichen des anderen Grundstücks üblicherweise
zur Verfügung stehenden Möglichkeiten (vgl. OLG Hamburg, OLGE
12, 128; MüKoBGB/Mohr, 8. Aufl., § 1018 Rn. 33). Soweit das Berufungsgericht
auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (
verweist und meint, dass ein "Zugangsrecht" die Benutzung des Weges mit
mehrspurigen Fahrzeugen nicht umfasse, ergibt sich nichts Abweichendes. Nach
dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt konnte ein Befahren des
Weges mit mehrspurigen Fahrzeugen aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse
nicht erfolgen. Hier ist dies anders (vgl. 2. b) bb)). Eine Dienstbarkeit, die zur Nutzung
einer Fläche des dienenden Grundstücks "als Übergang" zu einem
Grundstück berechtigt, steht regelmäßig einem Wegerecht gleich. Dieses umfasst
auch das Befahren mit einem üblichen Fahrzeug (vgl. OLG Karlsruhe,
b) Das durch eine Grunddienstbarkeit gesicherte Recht, ein Grundstück
"als Übergang zu benutzen" berechtigt daher auch dazu, dieses mit einem Kraft-
fahrzeug zu überqueren; etwas anderes gilt nur dann, wenn sich eine Beschränkung
in eindeutiger Weise aus den bei der Auslegung der Grundbucheintragung
berücksichtigungsfähigen Umstände ergibt (vgl. Senat, Urteil vom 26. Oktober
1984 - V ZR 67/83,
aa) Eine Beschränkung auf ein bloßes Recht zum fußläufigen Überqueren
des dienenden Grundstücks ergibt sich nicht aus der Eintragungsbewilligung.
Diese ist in der Grundbucheintragung nicht in Bezug genommen und enthält unabhängig
davon keine weitergehenden Erläuterungen als die im Grundbuch enthaltene
schlagwortartige Bezeichnung.
bb) Auch lässt sich aus den tatsächlichen Verhältnissen der beteiligten
Grundstücke eine Beschränkung des Wegerechts nicht entnehmen. Die tatsächlichen
Verhältnisse gehören zu den bei der Auslegung einer Grundbucheintragung
zu berücksichtigenden ohne weiteres erkennbaren Umständen (Senat,
Urteil vom 11. April 2003 - V ZR 323/02,
bezieht sich der Ausübungsbereich der Grunddienstbarkeit auf eine Fläche,
die - nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts -
mit einer Breite von rund 2,40 m und einer Länge von rund 25 m einen wegeartigen
Zuschnitt hat und damit auch mit mehrspurigen Fahrzeugen genutzt werden
kann.
cc) Auf die Hilfserwägungen des Berufungsgerichts zu den Vereinbarungen
in dem Kaufvertrag vom 7. April 1936 kommt es nicht an, da dessen Inhalt
nicht für jedermann erkennbar ist. Er kann daher auch nicht bei der Auslegung
der Grundbucheintragung berücksichtigt werden.
3. Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben und ist aufzuheben
(
sind, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (
Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts ist, soweit dieses den
Klageantrag zu 2 (Unterlassung des Befahrens des Flurstücks 141 mit Fahrzeugen)
abgewiesen hat, zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:18.09.2020
Aktenzeichen:V ZR 28/20
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
NJW 2021, 1397-1398
Normen in Titel:BGB § 1018