OLG Düsseldorf 17. Dezember 1979
3 W 296/79
BGB §§ 139, 154

Gewährleistung der Lastenfreiheit des Kaufgrundbesitzes als Auffangbestimmung im Kaufvertrag

Gesetzesauslegung widerspricht. Dem Zweck der Vorschrift
wird nunmehr ein angemessenes Gewicht als Auslegungskriterium zugemessen, ohne dabei jedoch den Gesichtspunkt der
Rechtssicherheit bei der Anwendung des § 181 BGB aus den
Augen zu verlieren; es handelt sich also stets um eine Erweiterung oder Einschränkung des Anwendungsbereichs aufgrund
von generell abstrakten und für den Rechtsverkehr im Einzelfall erkennbaren Kriterien.
Eine Folge dieser veränderten Betrachtung des § 181 BGB
durch die Rechtsprechung ist das aus dem Jahre 1971 stammende Urteil des BGH41, demzufolge diese Vorschrift nicht für
In-sich-Geschäfte des geschäftsführenden Alleingesellschafters einer GmbH gilt; damit ist der BGH von seiner früheren
Rechtsprechung zu dieser Frage abgewichen42. Er weist in der
Begründung zu diesem Urteil zu Recht darauf hin, daß eine
Interessenkollision zwischen Vertreter und vertretener GmbH
typischerwelse nicht auftreten könne, da wegen der wirtschaftlichen Übereinstimmung der Interessen beider Beteiligten eine Interessenkollision ausgeschlossen sei. Die Rechtsslcherheit sei dadurch nicht gefährdet, da der Anwendungsbereich des § 181 BGB nach einem objektiv und einwandfrei
feststellbaren Merkmal generell eingeschränkt werde.
Der Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes stehe dem nicht
entgegen, da § 181 BGB als Mittel gegen diese Gefahr weder
erforderlich noch geeignet sei. Einerseits bleibe es dem
Gesellschafter nicht erspart, für den maßgeblichen Zeitpunkt
auch seine alleinige Gesellschafterstellung auf Verlangen
einwandfrei nachzuweisen. An diesen Nachweis seien besonders strenge Anforderungen zu stellen, wenn eine Benachteiligung von Gläubigern in Betracht komme, weil dann nach der
Lebenserfahrung der Gedanke an vorgetäuschte oder manipulierte Geschäfte naheliege; mindestens sei eine ordnungsgemäße Verbuchung erforderlich43. Andererseits stelle § 181
BGB kein ernstliches Hindernis für Geschäfte des Gesellschafter-Geschäftsführers mit sich selbst dar, da dieser jedenfalls durch Bestellung eines von ihm abhängigen Geschäftsführers sein Ziel erreichen könne.
Rechtsprechung
1, Allgemeines — Gewährleistung der Lastentrelhelt des
Kaufgrundbesitzes als Auffangbestimmung im Kaufvertrag
(OLG Düsseldorf. Beschluß vom 17. 12. 1979 — 3 W 296 /79 —
mitgeteilt von Notar Ulf Scharrelmann, Düsseldorf)
BGB §§ 139, 154 Abs_ 1
Die Regelung In einem Kaufvertrag, nach der der Verkäufer
Gewähr für die lastenfreie Übertragung von Grundbesitz
leistet, stellt eine Auffangbestimmung für den Fall dar, daß bei
den Vertragsvereinbarungen über das Schicksal eines aul dem
Kaufgrundbesitz lastenden Grundpfandrechts keine ausdrückliche Regelung über dessen Ablösung oder Übernahme
getroffen worden Ist. Der Vertrag besagt dann eindeutig, daß
der Verkäufer aufgrund dieser Bestimmung zur Freistellung
des Grundbesitzes von diesem Grundpfandrecht verpflichtet
ist, Er enthält Insbesondere keinen Einigungsmangel.
(Leitsätze nicht amtlich)
Zum Sachverhalt:
f3ie Beteiligten zu 1 bis 4 sind die im Grundbuch eingetragenen
Eigentümer eiries Wohnungseigentums, das in Abt. III des Wohnungsgrundbuchs unter lfd. Nr. 1 mit einer Hypothek uber 49.000 DM. unter
lfd. Nr.3 mit einer Hypothek über 27.800 DM und unter lfd. Nr. 4 mit
einer Hypothek über 21.552 DM belastet ist. Am 24. 7. 1979 schlossen
die Beteiligten zu 1 bis 4 mit den Beteiligten zu 5 und 6 einen
Kaufvertrag über dieses Wohnungseigentum Die Beteiligten haben
u. a. vereinbart, daß die Käufer unter Anrechnung auf den Kaufpreis
von 123.000 DM die unter lfd. Nr. 1 eingetragene Hypothek von
49.000 DM übernehmen sollten, während die unter laufender Nr. 3
eingetragene Hypothek aus dem Restkautpreis abgelöst werden sollte.
Hierbei haben dis Beteiligten übersehen, daß unter lfd. Nr. 4 eine
weitere Hypothek eingetragen war und so hinsichtlich dieser Hypothek
keine ausdrückliche Regelung getroffen. Im weiteren Text der notariellen Urkunde heißt es darin aber unter Ziffer 4.
.Der Verkäufer leistet dafür Gewehr. daß der verkaufte Grundbesitz
übertragen wird, frei von nichtübernommenen, im Grundbuch
eingetragenen und nicht eingetragenen Belastungen und Beschränkungen, rückständigen Zinsen, Steuern und Abgaben.'
Die Erklärungen der Beteiligten zu 1 für ihren minderjährigen Sohn U.,
den Beteiligten zu 2, sinn am 23. 8. 1979 vom AG L. vormundsohaltsgorichtlich genehmigt worden.
Am 24.8. 1979 beantragte der Notar die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten der Beteiligten zu 5 und 6. Durch die angefochtene Zwischenverfügung vom 29. 8. 1979 hat der Rechtspfleger — unter
anderem — darauf hingewiesen. daß in dein notariellen Kaufvertrag die
r Abt. IR unter lfd. Nr. 4 eingetragene Hypothek übersenen worden ist
und hat dem Noter aufgegeben, eine berichtigende Urrunde einzureichen und die Ergänzungsurkunde ebenfalls vormundschaftsgerichtiich genehmigen zu lassen. Die hiergegen gerichtete und nach Nichtabhilfe als Beschwerde geltende Erinnerung der Beteiligten nee das
Landgericht durch den angefochtenen Bescnluß zuruckgewiesen,
Hiergegen wenden sich die Beteiligten mit ihrer weiteren Beschwerde.
Aus den Gründen:
Das gemäß § 78, 80, 73 GBO zulässige und mangels anderweitiger Bestimmung im Namen sämtlicher Beteiligter eingelegte Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Entgegen der vom
Landgericht vertretenen Meinung sind die vom Rechtspfleger
in der Zwischenverfügung geäußerten Bedenken aegen die
Eintragung der Auflassungsvormerkung, soweit sie Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, unbegründet
Das Landgericht hat ausgeführt: Ein wirksamer Kaufvertrag
sei nicht nachgewiesen, weil es an einer Einigung über einen
wesentlichen Punkt, nämlich das Schicksal der unter lfd. Nr. 4
der Abt. III eingetragenen und im notariellen Kaufvertrag
übersehenen Hypothek, fehle. Da die Beteiligten sowohl die
Übernahme der unter lfd. Nr. 1 eingetragenen Hypothek als
auch die Nichtübernahme der unter lfd. Nr. 3 eingetragenen
Hypothek ausdrücklich geregelt hätten, ergabe sich, daß die
Beteiligten auch über das unter lfd. Nr. 4 eingetragene Recht
eine ausdrückliche Regelung getroffen hatten. wenn ihnen
das Bestehen dieses Rechtes bekannt gewesen wäre. Diese
fehlende Einigung führe gemäß § 139 BGB im Zweifel auch zur
Nichtigkeit der anderen Regelungen, auch zur Nichtigkeit der
Bewilligung der Auflassungsvormerkung. Die deshalb nötige
Ergänzungsurkunde bedürfe abermals einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, da mit der Vereinbarung über
das Schicksal der übersehenen Hypothek zugleich eine Bestätigung des bisher wegen des Elnigungsmangels nicht zustandegekommenen Kaufvertrages vorgenommen werden müsse
(§ 141 Abs, 1 BGB).
Diese Ausführungen begegnen durchgreifenden rechtlichen
Bedenken (§ 78 GBO).
Zu Unrecht hat das Landgericht. das auf zulässige Erstbe,
schwerde hin entschieden hat, den notariellen Kaufvertrag als
nichtig angesehen. Der vom Landgericht angenommene Eini42 BGHZ 33, 189 = DNotZ 1961. 488. 43 Es Ist vorgesehen, im Zuge der Reform des GmbH-Rechts die
Schriftform derartiger Geschäfte zu verlangen.
6 Haff Nr_ 1/2 MittRhNetk Januar/Februar 1980


aungsmangel besteht nicht. Der notarielle Vertrag enthält
trotz des offensichtlichen Ubersehens einer weiteren hypothekarischen Belastung keine Regelungslücke,
Der wesentlichste Punkt, ob die bestehenden Belastungen auf
den Kaufpreis zu verrechnen sind oder neben dem Kaufpreis
7L1 ubernehmen sind. ist Im Vertrag eindeutig geklärt: Sowohl
die zu übernehmende Belastung (lfd. Nr. 1) als auch die
abzulösende Belastung (lfd. Nr. 3) sind kraft ausdrucklicher
Regelung vom Kaufpreis abzuziehen Da hiernach aer vereinbarte Kaufpreis von 123.000 DM auf den Wert der Eigentumswohnung ohne Belastungen in Abt. III bezogen war, ergibt
s:ch schon aus dem Teil des notariellen Kaufvertrages, der die
konkreten Vertraasvereinbarungen enthält, daß auch die
übersehene Belastung (lfd. re. 4) vom Kaufpreis in Abzug zu
bringen ist, Der Wille der Beteiligten bleibt nach dem lnhalt der
konkreten Vereinbarungen allerdings insofern zweifelhaft, als
unklar bleibt, ob die übersehene Belastung von den Beteiligten zu 5 und 6 unter Anrechnung auf den Kaufpreisübernommen oder aus dem Kaufpreis abgelöst werden sollte. Die
MSeweit nötige Regelung, die ohnehin mehr die technische
Durchführung als den wirtschaftlichen Gehalt oes Vertrages
betrifft, enthält aber der Abschnitt 4 des Vertrages, in dem es
heißt, der Verkäufer leiste Gewähr dafür, daß der verkaufte
Grundbesitz frei von nicht übernommenen Belastungen ubertragen werde. Diese Klausel ist gerade eine Auffangbestimmung für den hier eingetretenen Fait. daß das Schicksal von
Belastungen des Wohnungseigentums zuvor nicht ausdrücklich geregelt worden ist. Diese Belastungen hat der Verkäufer
zu beseitigen, also im vorliegenden Fall die Hypothek abzulösen. Daß sich die Beteiligten insoweit keine Gedanken gemacht haben, berührt den eindeutigen Inhalt ihrer Erklärungen nicht: Das übersehen der dritten Hypothek könnte insoweit allenfalls — was hier aber wenig naheliegend ist — den
Beteiligten das Recht geben, sich durch Anfechtung oder in
sonstiger Weise vom Vertrag zu lösen. Von einem solchen
Recht haben die Beteiligten aber bisher keinen Gebrauch
gemacht.
An der vorstehenden Auslegung der notariellen Urkunde ist
der Senat nicht entsprechend § 561 ZPO gehindert. Zwar ist
die Auslegung von Urkunden grundsätzlich tatrichterliche
Aufgabe. aber die Binouno des Rechtsbeschwerdegerichts an
die Auslegung entfällt, wenn und soweit das Beschwerdegericht nicht alle vertraglichen Bestimmungen in seine Würdigung einbezogen oder den klaren Sinn der Urkunde außer
acht gelassen hat. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben:
Unter Einbeziehung der vorn Beschwerdegericht nicht ausdrucklieh gewurdigten Bestimmungen unter 4 des notariellen
Vertrages besteht nach dem Inhalt der Urkunde kein Auslegungsspielraum, urd Umstände außerhalb der notariellen
Urkunde hat auch das Beschwerdegericht nicht herangezogen.
Aus diesem Grunde mußten we Vorentscheidungen aufgehoben und das Grundbuchamt angewiesen werden. von den
erorterten Bedenken abzusehen.
2 Allgemeines — Schenkung von Wohnungseigentum an
Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft
(BayObLG. Beschluß vom 30. 7. 1979 — BReg. 2 Z 1/79 — mit
Gründen abgedruckt ir MittBayNot 1979. 150)
BGB §§ 107, 181
WEG §§ 10 tt.
Der mit dem Erwerb eines Wohnungseigentums verbundene
Eintritt in eine Gemeinschaftsordnung, die wesentlich
strengere Pflichten als das Gesetz selbst begründet. sowie in
den Verwaltervertrag bringt nicht lediglich einen rechtlichen
Vorteil. Der Vertrag, durch den der Vater seinem beschränkt
geschäftsfähigen Sohn ein solches Wohnungseigentum unHen Nr. 1/2 MIttehNorK Januar/Februar 1981/
entgeltlich überläßt, kann nicht losgelöst von dem dinglichen
Erlüllungsgeschäft betrachtet werden; der Vater ist daher an
der Vertretung als verhindert anzusehen und es bedarf der
Bestellung eines Ergänzungspflegers (Vorlage an den Bundesgerichtshof wegen Abweichung von BGHZ 15. 168, 170 s
DNotZ 1955, 72).
3. Sachenrecht — Gesetzlicher Löschungsanspruch bei Nachverpfändung mit „Altrecht'
(OLG Köln, Beschluß vom 26. 3. 1979

2 Wx 142/78)
BGB § 1179a
1. Erfolgt nach dem 1, 1. 1978 eine Nachverpfändung, so
kann zweifelhaft sein, ob durch die Nachverpfändung ein
der Gläubigerin früher nicht zustehender gesetzlicher Löschungsanspruch nach § 1179a BGB erwachsen ist.
2. Diese Zweifel begründen ein schutzwürdiges Interesse der
Gläubigerin auf Eintragung einer Löschungsvormerkung
im Grundbuch.
(Leitsätze nicht amtlich)
Zum Sachverhalt:
An dem Grundstück stand den Beteiligten zu 1) 4ruher eln Erbbaurecht
zu, Jas unter .111/1 mit einer Hypothek zugunsten der Stadt. der
darneilgen Grundstuckselgenturnedn, in Höhe von 2896,87 DM und
unter ei /2 mit einer Hypothek zugunsten der Beteiligten zu 2) in Höhe
von 4500 DM belastet war. Bezüglich der Hypothek 111/1 war 1959 für
den Glaublger der Hypothek 111/2 eine Löschungsvormerkung eingetragen worden
Mit notariellem Vertrag vorn 29, 9.1977 übertrug die Stadt des vorbezeichnete Grundstück den Beteiligten zu 1) zu Eigentum. Das Erbbaurecht sollte gelöscht und das Erbbeuarundouch geschlossen werden.
Es wer vorgesehen, die Belastungen des Erbbaurechts in der früheren
Rangfolge im Grundbuch des Grundstücks selbst einzutragen. Nachcem cie Beteiligte zu 21 unter dem 27.2 1978 ihre Zustimmung zur
Aufhebung des Erbbaurechts erteilt hatte, beantragte der Noter die
Eigentumsumschreibung hinsichtlich des Grundstücks, die Nachverpfändung des Grundstücks für die Belastungen 111/1 und 111/2 des
Erbbaurechts mit Eintragung der Löschungsvormerkung sowie die
Löschung des Erbbaurechts_ Den Antrag auf Eintragung der Löschungsvormerkung nahm der Notar nach Beanstandung durch das
Grundbuchamt mit Rücksicnt auf die Einführung des gesetzlichen
Löschungsansprucns zum 1. 1 1978 wieder zurück. Die üorigen vorn
Noter beantragten Eintragungen wurden sämtlich em 31.5. 1978 vollzogen,
Die Heteiiigte 7L1 '21 hat beantragt zu ihren Gunsten auch die Löschungsvormerkung einzutragen, weil Ihr wegen der früheren Eintragung der Hyportex m Erbbangrundeuch ein gefetzlicncr Löschungsanspruch n ci1 zustehe Der Rechtspfleger oes Grundbuchamts hat
diesen Antrag zu'uckgowiesen. D e Beteiligte zu 2) hat Erinnerung
eingelegt. der von- Rechtspfleger richt abgeholter und vorn Grundbuchrichter räum stattgegeben worden ist. De danach als Beschwerde
geltende Erinnerung hat das Landgericht durch Beschluß zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat die Beteiligte zu 2) weitere
Beschwerde erhoben. Diese hatte in der Sache Erfolg.
Aus den Gründen:
Das Grundbuchamt hat die Eintragung Ger LöscnungsvormerKUng mit der Begründung abgelehnt, bei einer Nachverpfändung sei die Frage der Löschungsvormerkung für jedes
Pfandobjekt gesondert zu prüfen, so daß der Beteiligten zu 2)
als Gläubigerin des erst im Jahre 1978 zur Eintragung beantragten Pfandrechts am Grundstück ein gesetzlicher Löschungsanspruch zustehe. Das Landgericht ist der Auffassung, es liege eine Auswechselung des Pfandobjektes vor, da
das am Erbbaurecht bestehende Pfandrecht mit der Aufhebung des ersteren untergegangen und das Pfandrecht am
Grundstück neu begründet worden sei. Es bezieht sich dabei
auf eine Entscheidung des Kammergerichts in einer Grundbuchkostensache (vgl. HRR 1936, Nr. 1113). Ob der Ansicht
des Kammergerichts in dem von ihm entschiedenen Falle zu
folgen ist, mag dahinstehen. Im vorliegenden Falle läßt sich
jedenfalls nicht feststellen, daß das Erbbaurecht vor der
Eintragung der Hypothek im Grundbuch des Grundstücks

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Düsseldorf

Erscheinungsdatum:

17.12.1979

Aktenzeichen:

3 W 296/79

Erschienen in:

MittRhNotK 1980, 6-7

Normen in Titel:

BGB §§ 139, 154