Wirtschaftliche Neugründung; Offenlegung ggü. dem Registergericht
letzte Aktualisierung: 16.2.2023
KG, Beschl. v. 14.10.2022 – 22 W 48/22
GmbHG §§ 7, 8
Wirtschaftliche Neugründung; Offenlegung ggü. dem Registergericht
1. Von einer wirtschaftlichen Neugründung ist auszugehen, wenn die Kapitalgesellschaft eine „leere
Hülse“ ist, also kein aktives Unternehmen betreibt, an das die Fortführung des Geschäftsbetriebs –
sei es auch unter wesentlicher Umgestaltung, Einschränkung oder Erweiterung seines
Tätigkeitsgebiets – in irgendeiner wirtschaftlich noch gewichtbaren Weise anknüpfen kann
2. Eine wirtschaftliche Neugründung ist gegenüber dem Registergericht offenzulegen und der
Geschäftsführer hat mit der Anmeldung der weiteren Eintragungsgegenstände entsprechend § 8
Abs. 2 GmbHG zu versichern, dass die in
auf die Stammeinlagen bewirkt sind und der Gegenstand der Leistungen sich – weiterhin oder
jedenfalls wieder – in seiner freien Verfügung befindet.
Gründe
I.
Die seit dem 24.02.2022 im Handelsregister des Amtsgerichts Charlottenburg, Abteilung B,
eingetragene Beteiligte, ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die die Eintragung ihrer
am 30.03.2022 angemeldeten Änderungen der Firma sowie des
Unternehmensgegenstands begehrt.
Die ursprünglich seit dem 10.07.2003 gemäß ihrem vormaligen Sitz in K im
Handelsregister des Amtsgerichts Rostock, Abteilung B, eingetragene Beteiligte, verlegte Anfang
des Jahres 2022 ihren Sitz nach Berlin. In der Gesellschafterversammlung vom 19.01.2022, in
der die Sitzverlegung beschlossen wurde, wurde zugleich die Bestellung des Herrn AD zum
Geschäftsführer sowie die Entpflichtung der bis zu diesem Zeitpunkt geschäftsführenden
Gesellschafter, der Herren HF und AS, beschlossen. Eine in den Registerordner aufgenommene
Gesellschafterliste vom 25.02.2022 weist Herrn AD zudem als Alleingesellschafter der
Beteiligten aus.
Mit notariell beglaubigter elektronischer Erklärung vom 30.03.2022 meldete der zwischenzeitlich
als Geschäftsführer eingetragene Herr AD die Änderung der Firma und des
Unternehmensgegenstandes zur Eintragung an. Beigefügt war der notariell beurkundete
Gesellschafterbeschluss von diesem Tag, demzufolge die Firma der Gesellschaft nicht mehr „F
GmbH“ sondern „D GmbH“ lauten sollte und der Gegenstand des Unternehmens statt „die
Konstruktion, die Produktion und die Montage von Wintergarten und Wintergartenanlagen; der
Vertrieb von Zubehör für Wintergärten; alle mit dieser Produktion im Zusammenhang
stehenden Tätigkeiten.“ die „sonstige Verwaltung und Führung von Unternehmen und
Betrieben“ sein sollte.
Mit Schreiben vom 19.04.2022 wies das Registergericht darauf hin, dass die Summe der
erkennbaren Umstände, insbesondere Firmen- und Gegenstandsänderung, darauf schließen
ließe, dass ein Fall einer wirtschaftlichen Neugründung in der Form der Mantelverwendung
gegeben sei. Die wirtschaftliche Neugründung sei offenzulegen und die Versicherung
entsprechend
letzten Wirtschaftsjahres aufgestellte und durch die Geschäftsführung unterzeichnete Bilanz
nebst Gewinn- und Verlustrechnung.
Mit Schreiben vom 30.05.2022 setzte das Amtsgericht der Beteiligten zu 1) eine Frist zur
Einreichung von zwei Wochen, die fruchtlos verstrich, und wies die Anmeldung mit Beschluss
vom 27.06.2022 zurück, der am 29.06.2022 zugestellt wurde. Der hiergegen durch den die
Anmeldung einreichenden Notar eingelegten Beschwerde vom 30.06.2022, der eine auf den
Dezember 2021 bezogene Summen- und Saldenliste der Gesellschaft beigefügt war, half das
Amtsgericht mit Beschluss vom 08.08.2022 nicht ab. Der vom Registergericht zuvor erteilte
Hinweis im Schreiben vom 18.07.2022, erforderlich sei eine auf das Ende des letzten
Wirtschaftsjahres aufgestellte und durch die Geschäftsführung unterzeichnete Bilanz nebst
Gewinn- und Verlustrechnung nicht vorgelegt worden sei, blieb unberücksichtigt.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Beschwerde vom 30.06.2022, für die der einreichende Notar nicht der in der Verfügung
vom 15.08.2022 mitgeteilten Auslegung des Senats entgegengetreten ist, er habe sie im Namen
der Gesellschaft eingelegt, ist zulässig. Sie ist nach
fristgerecht erhoben (§§ 64 Abs. 2; 63 Abs. 1 FamFG). Der Beschluss vom 27.06.2022 wurde
am 29.06.2022 zugestellt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist am
30.06.2022 eingegangen.
Die Beteiligte ist auch unmittelbar in ihren eigenen Rechten im Sinne des
beeinträchtigt, da die Zurückweisung der Anmeldung ihre Firma und ihren
Unternehmensgegenstand betrifft. Auch der Beschwerwert nach
Maßgebend ist insoweit die wirtschaftliche Bedeutung, die bei Kapitalgesellschaften in der Regel
mit einem über den nach
Beschluss vom 17.01.2022 – 22 W 79/21 – n. v.).
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die Zurückweisung der Anmeldung vom
30.03.2022 durch Beschluss vom 27.06.2022 in der Form des Nichtabhilfebeschlusses vom
08.08.2022 ist nicht zu beanstanden. Da der Geschäftsführer der Beteiligten keine Versicherung
entsprechend
anlässlich der Anmeldung offengelegt hat (Melchior/Böhringer, in: Gustavus,
Handelsregisteranmeldungen, VII. Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), 101
Wirtschaftliche Neugründung einer GmbH, S. 248), war die Eintragung entsprechend §§ 9c
Abs. 1 Satz 1; 7 Abs. 2, 3 GmbHG abzulehnen.
Mit der Anmeldung der Veränderung der Firma und des Gesellschaftsgegenstands war der
Geschäftsführer der Beteiligten verpflichtet, entsprechend
dass die in
und der Gegenstand der Leistungen sich – weiterhin oder jedenfalls wieder – in seiner freien
Verfügung befindet (BGH, Beschluss vom 07.07.2003 – II ZB 4/02 – Rn. 7, 6 zitiert nach juris;
Melchior/Böhringer, in: Gustavus, Handelsregisteranmeldungen, VII. Gesellschaft mit
beschränkter Haftung (GmbH), 101 Wirtschaftliche Neugründung einer GmbH, S. 248) (a.).
Dies hat der Geschäftsführer der Beteiligten entgegen der Auflage des Registergerichts nicht
getan. Die von ihm mit der Beschwerde eingereichte Summen- und Saldenliste bestätigt nicht,
dass die Beteiligte noch ein Unternehmen führte. Im Gegenteil ergibt sich daraus, dass dies im
Dezember 2021 nicht der Fall war (b.).
a. Grundsätzlich hat das Registergericht die Eintragungsfähigkeit einer Anmeldung allein auf
Grundlage der vorzulegenden Unterlagen zu prüfen. Erst wenn sich Anhaltspunkte ergeben, die
eine weitere Prüfung erfordern, darf es insoweit ermitteln (
Nachweise erfordern (Senat, Beschluss vom 27.04.2022 – 22 W 19/22 – n.v.). So liegt der Fall
hier.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 07.07.2003 – II ZB 4/02 –
Rn. 7; Beschluss vom 18.01.2010 – II ZR 61/09 – Rn. 6, beide zitiert nach juris; vgl. auch Senat,
Beschluss vom 27.04.2022 – 22 W 19/22 – n.v.) sind die Regeln der sog. „wirtschaftlichen
Neugründung“ anwendbar, wenn die Gesellschaft eine „leere Hülse“ ist, also kein aktives
Unternehmen betreibt, an das die Fortführung des Geschäftsbetriebs – sei es auch unter
wesentlicher Umgestaltung, Einschränkung oder Erweiterung seines Tätigkeitsgebiets – in
irgendeiner wirtschaftlich noch gewichtbaren Weise anknüpfen kann. Auf diese Weise soll im
Sinne eines wirksamen Gläubigerschutzes die Umgehung von Gründungsvorschriften
vermieden werden. Dies hätte sonst zur Folge, dass die gesetzliche und gesellschaftsvertragliche
Kapitalausstattung bei Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht gewährleistet ist. Indizien
hierfür können sein, dass die Firma oder der Unternehmensgegenstand geändert, der Sitz
verlegt, die Geschäftsführung ausgetauscht und bzw. oder die Geschäftsanteile veräußert
werden, wobei diese Umstände mit einer wirtschaftlichen Neugründung einer Mantelgesellschaft
einhergehen können, aber nicht müssen (BGH, Beschluss vom 07.07.2003 – II ZB 4/02 –
Rn. 17, zitiert nach juris; Bärwaldt/Balda,
So liegt der Fall hier. Die Beteiligte hat nicht dargelegt, dass es sich bei den seit Anfang des
Jahres 2022 in die Wege geleiteten Veränderungen nicht lediglich um eine wirtschaftliche
Neuausrichtung handelte. Im Gegenteil lassen sämtliche durch die Beteiligte nicht entkräfteten
Indizien den Schluss zu, dass ein Fall der wirtschaftlichen Neugründung in der Form der
Mantelverwendung vorlag. Nicht nur wurden die Geschäftsanteile der Beteiligten veräußert und
die Geschäftsführung ausgetauscht, sondern es wurde auch der Sitz der Beteiligten verlegt.
Dabei legt der ursprüngliche Unternehmensgegenstand ein primär handwerkliches und
ortsbezogenes Unternehmen nahe. Bereits dies lässt die Übernahme beispielsweise eines
Kundenstamms nach Berlin zum neuen Sitz der Gesellschaft eher fernliegend erscheinen. Vor
allem der nunmehr angemeldete Unternehmensgegenstand, der sich auch in der angemeldeten
Firma der Beteiligten widerspiegelt, lässt den Schluss zu, dass hier der alte GmbH-Mantel der
Beteiligten unternehmenslos geworden war und nunmehr mit einem Unternehmen ausgestattet
werden sollte. Denn die Änderung des Unternehmensgegenstandes führt zu einer vollständigen
Änderung der
Unternehmensausrichtung, die eine Übernahme von Personal- und Sachausstattung nahezu
ausschließt (vgl. für den umgekehrten Fall einer bisher im Bereich Unternehmensberatung
tätigen Gesellschaft, die nach Änderung im Bereich Garten- und Landschaftsbau tätig werden
soll: Senat, Beschluss vom 27.04.2022 – 22 W 19/22 – n.v.).
b. Anderes ergibt sich auch nicht aus der mit der Beschwerde eingereichten Liste der „Summen
und Salden (pro Monat) Dezember 2021“. Danach sind für den Monat Dezember keine
Eintragungen vorhanden, die eine relevante unternehmerische Tätigkeit der Beteiligten
nahelegen würden. Bereits der Umfang der Eintragung spricht im Gegenteil für eine
„inhaltslose Hülle“.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Die Verpflichtung der Beteiligten zur Tragung der
Gerichtskosten ergibt sich aus dem Gesetz. Eine Kostenerstattung kommt nicht in Betracht.
Die Voraussetzungen der Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Die Sache hat
weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, da es sich
um eine Einzelfallentscheidung handelt (
Der Festsetzung eines Verfahrenswertes bedurfte es im Hinblick auf die Festgebühr (GV zu § 1
Satz 1 HRegGebV in Verbindung mit § 58 Abs. 1 Satz 1, Nr. 19112 KV-GNotKG) nicht.
Entscheidung, Urteil
Gericht:Kammergericht
Erscheinungsdatum:14.10.2022
Aktenzeichen:22 W 48/22
Rechtsgebiete:
GmbH
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
GmbHG §§ 7, 8