Handelsregisteranmeldung eines angefochtenen Hauptversammlungsbeschlusses; Rechtsmissbräuchlichkeit eines Squeeze-out
letzte Aktualisierung: 4.1.2024
KG, Beschl. v. 16.10.2023 – 2 AktG 1/23
AktG §§ 142, 327a; HGB § 322
Handelsregisteranmeldung eines angefochtenen Hauptversammlungsbeschlusses; Rechtsmissbräuchlichkeit
eines Squeeze-out
1. Die Durchführung eines Squeeze Out (§§ 327a ff. AktG) kann bei Vorliegen der gesetzlichen
Voraussetzungen nur in eklatanten Fallgestaltungen als rechtsmissbräuchlich angesehen werden.
Dies kommt etwa in Betracht, wenn deutliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der
gesetzgeberische Zweck entfremdet und stattdessen ein anderweit aufgestelltes Verbot unterlaufen
wird oder die beabsichtigte Maßnahme in ihrer Benachteiligung der Minderheit über das vom
Gesetz vorgesehene Maß deutlich hinausgeht, wobei an den von den Minderheitsaktionären zu
führenden Nachweis einer Zweckentfremdung hohe Anforderungen zu stellen sind.
2. Aktionäre, die die gerichtliche Bestellung eines Sonderprüfers begehren (§ 142 Abs. 2 AktG),
müssen ihren Aktienbesitz bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung über die
Sonderprüfung halten. Erfolgt ein sie betreffender Squeeze Out vor diesem Zeitpunkt, wird der
Antrag unzulässig.
3. Wird durch einen Squeeze Out einem noch nicht rechtskräftig beschiedenen Antrag auf
Sonderprüfung auf diesem Wege der Boden entzogen, kann dies den Squeeze Out
rechtsmissbräuchlich machen, wenn konkreter tatsächlicher Anhalt dafür besteht, dass die
Hauptaktionärin den Squeeze Out mit dem Ziel des Unterlaufens der Sonderprüfung betreibt.
4. Die Beschlussfassung über den Squeeze Out erfordert u. a. die Auslegung der festgestellten
Jahresabschlüsse, nicht aber eines Jahresabschlusses, der lediglich vom Vorstand aufgestellt, jedoch
bislang weder geprüft noch vom Aufsichtsrat gebilligt wurde.
5. Die Nichtabgabe eines Prüfungsurteils durch den Abschlussprüfer (§ 322 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 5
HGB) ermöglicht – anders als der Abbruch der Prüfung – eine formal ordnungsgemäße Beendigung
der Prüfung und erlaubt damit auch die Feststellung des Jahresabschlusses.
Gründe
I.
Die Antragstellerin – eine börsennotierte Aktiengesellschaft mit Sitz in Berlin – nimmt die
Antragsgegner in einem aktienrechtlichen Freigabeverfahren in Anspruch. Das Grundkapital der
Antragstellerin ist in insgesamt 109.416.860 Stückaktien zu je 1 EUR eingeteilt. Am 22.3.2023
hatte sie im Bundesanzeiger u.a. veröffentlichen lassen (vgl. Anlage 1 zur Anlage ASt22):
„A. AktiengesellschaftBerlin, WKN / ISIN pp.
Einladung zur außerordentlichen Hauptversammlung 2023
Wir laden die Aktionäre unserer Gesellschaft zur außerordentlichen Hauptversammlung am
Freitag, den 28. April 2023, um 10:00 Uhr (MESZ) in das Hotel S., Berlin, ein.Die
außerordentliche Hauptversammlung findet als Präsenzversammlung statt.
TAGESORDNUNG
1. Beschlussfassung über die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der A.
Aktiengesellschaft auf die A. S.A. als Hauptaktionärin gegen Gewährung einer angemessenen
Barabfindung gemäß §§ 327a ff. AktG
Gemäß § 327a AktG kann die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft auf Verlangen eines
Aktionärs, dem Aktien der Gesellschaft in Höhe von 95 % des Grundkapitals gehören
(Hauptaktionär), die Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) auf
den Hauptaktionär gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung beschließen (sog.
aktienrechtlicher Squeeze-Out).
Das Grundkapital der A. Aktiengesellschaft beträgt EUR 109.416.860,00 und ist eingeteilt in
109.416.860 auf den Inhaber lautende Stückaktien mit einem anteiligen Betrag am Grundkapital
von EUR 1,00 je Aktie. Die A. S.A., mit Sitz in L., hält derzeit 106.027.869 Aktien der A.
Aktiengesellschaft. Dies entspricht einem Anteil von rund 96,90 % am Grundkapital der A.
Aktiengesellschaft. Die A. S.A. ist damit Hauptaktionärin im Sinne des § 327a Absatz 1 Satz 1
AktG.
Die A. S.A. beabsichtigt, nach Veröffentlichung dieser Einladung, jedoch vor Durchführung
dieser Hauptversammlung, von ihr an der A. Aktiengesellschaft gehaltene Aktien im Umfang
von 86,80 % des Grundkapitals der A. Aktiengesellschaft auf eine 100-prozentige
Tochtergesellschaft der A. S.A., die A. S.à r.l., eine (…) Gesellschaft mit beschränkter Haftung
(société à responsabilité limitée) mit Sitz in L., zu übertragen. Unmittelbar nach der Übertragung
der Aktien der A. Aktiengesellschaft von der A. S.A. auf die A. S.à r.l. sollen die von der A. S.à
r.l. gehaltenen Aktien der A. Aktiengesellschaft in Höhe von 86,80 % des Grundkapitals der A.
Aktiengesellschaft auf ihre 100-prozentige Tochtergesellschaft, die A. 3 S.à r.l., eine (…)
Gesellschaft mit beschränkter Haftung (société à responsabilité limitée) mit Sitz in L., übertragen
werden. Im Anschluss an die Übertragungen hält die A. S.A. unmittelbar 11.051.103 Aktien der
A. Aktiengesellschaft (entsprechend einer Höhe von 10,1 % des Grundkapitals der A.
Aktiengesellschaft) und 94.976.766 Aktien (entsprechend einer Höhe von 86,80 % des
Grundkapitals der A. Aktiengesellschaft) mittelbar über ihre Tochtergesellschaft, die A. S.à r.l.
und ihre mittelbare Tochtergesellschaft, die A. 3 S.à r.l. Der A. S.A. gehören somit nach
Übertragung der Aktien der A. Aktiengesellschaft weiterhin insgesamt rund 96,90 % des
Grundkapitals, und sie ist damit unverändert Hauptaktionärin im Sinne des §§ 327a Absatz 1
Satz 1, 327a Absatz 2, 16 Abs. 4 AktG.
Mit Schreiben vom 23. Juni 2022 hat die A. S.A. der A. Aktiengesellschaft das förmliche
Verlangen gemäß § 327a Absatz 1 Satz 1 AktG übermittelt, dass die Hauptversammlung der A.
Aktiengesellschaft über die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die A. S.A.
gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung beschließen soll.
Die angemessene Barabfindung hat die A. S.A. auf der Grundlage eines Bewertungsgutachtens
der P. GmbH, Frankfurt am Main, vom 17. März 2023 ermittelt und auf EUR 8,76 je auf den
Inhaber lautende Stückaktie der A. Aktiengesellschaft festgesetzt.
Nach Festlegung der Höhe der angemessenen Barabfindung hat die A. S.A. mit Schreiben vom
17. März 2023 ein konkretisiertes Übertragungsverlangen unter Angabe der von ihr festgelegten
Höhe der Barabfindung an die A. Aktiengesellschaft gerichtet.
In einem schriftlichen Bericht an die Hauptversammlung mit Datum vom 20. März 2023 hat die
A. S.A. die Voraussetzungen für die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre dargelegt
und die Angemessenheit der von ihr festgesetzten Barabfindung erläutert und begründet
(sogenannter Übertragungsbericht). Die Angemessenheit der Barabfindung wurde durch die
Am. GmbH, München, die durch das Landgericht Berlin mit Beschluss vom 26. Juli 2022 zum
sachverständigen Prüfer für die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung bestellt wurde,
geprüft und bestätigt. Die Am. GmbH, München, hat hierüber gemäß § 327c Absatz 2 Satz 2 bis
4 AktG einen Prüfungsbericht mit Datum vom 18. März 2023 erstattet.
Zudem hat die A. S.A. dem Vorstand der A. Aktiengesellschaft eine Gewährleistungserklärung
der Q. AG vom 20. März 2023 gemäß § 327b Absatz 3 AktG übermittelt. Durch diese
Erklärung übernimmt die Q. AG die Gewährleistung für die Verpflichtung der A. S.A., den
Minderheitsaktionären nach Eintragung des Übertragungsbeschlusses im Handelsregister,
unverzüglich die festgelegte Barabfindung für die übertragenen Aktien der A. Aktiengesellschaft
zuzüglich etwaiger gesetzlicher Zinsen gemäß § 327b Absatz 2 AktG zu zahlen.
Von der Einberufung der Hauptversammlung an werden den Aktionären die folgenden
Unterlagen über die Internetseite der Gesellschaft unter https://... zugänglich gemacht und
stehen dort zum Abruf bereit:
• der Entwurf des Übertragungsbeschlusses,
• die Jahresabschlüsse der A. Aktiengesellschaft, die Konzernabschlüsse sowie die
zusammengefassten Lageberichte der A. Aktiengesellschaft für die Geschäftsjahre 2019, 2020,
2021,
• der Übertragungsbericht mit seinen Anlagen (einschließlich des Bewertungsgutachtens der P.
GmbH sowie der Gewährleistungserklärung der Q. AG) und
• der Prüfungsbericht der Am. GmbH über die Prüfung der Angemessenheit der festgesetzten
Barabfindung.
Die vorgenannten Unterlagen werden auch in der Hauptversammlung zur Einsicht der
Aktionäre ausliegen.
Der Ausschluss der Minderheitsaktionäre erfolgt aufgrund des Beschlusses der
Hauptversammlung und wird mit Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister der A.
Aktiengesellschaft wirksam.
Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, folgenden Beschluss zu fassen:
Die Aktien der übrigen Aktionäre der A. Aktiengesellschaft (Minderheitsaktionäre) werden
gemäß §§ 327a ff. AktG gegen Gewährung einer von der A. S.A. mit Sitz in L.,
(Hauptaktionärin), zu zahlenden angemessenen Barabfindung in Höhe von EUR 8,76 je auf den
Inhaber lautende Stückaktie der A. Aktiengesellschaft auf die Hauptaktionärin übertragen.
(…)
Berlin, im März 2023
A. Aktiengesellschaft
Der Vorstand“
Die Hauptversammlung wurde am 28.4.2023 in Berlin in Präsenz durchgeführt. In der darüber
aufgenommenen Notarurkunde heißt es, zwei Vertagungsanträge seien abgelehnt worden.
Ferner heißt es zu TOP 1 in der Notarurkunde u.a.:
„Sodann stellte der Versammlungsleiter das Ergebnis der Beschlussfassungen fest und
verkündete es wie folgt:
TOP 1
Beschlussfassung über die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der A.
Aktiengesellschaft auf die A. S.A. als Hauptaktionärin gegen Gewährung einer angemessenen
Barabfindung §§ 327a ff. AktG
Zur Abstimmung wurde der Beschlussantrag des Vorstands und des Aufsichtsrats zu TOP 1
gestellt.
Bei der Abstimmung wurden 107.073.692 gültige Stimmen abgegeben, dies entspricht 97,86
Prozent des eingetragenen Grundkapitals.
Ja-Stimmen: 106.591.988, das entspricht 99,55 Prozent der abgegebenen Stimmen und des
vertretenen Kapitals.
Nein-Stimmen: 481.704, das entspricht 0,45 Prozent der abgegebenen Stimmen und des
vertretenen Kapitals.
Der Versammlungsleiter stellte fest und verkündete, dass der am 23. Marz 2023 im
Bundesanzeiger veröffentlichte Beschlussvorschlag zu Tagesordnungspunkt 1 mit der
erforderlichen Mehrheit angenommen worden sei.“
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage ASt22 nebst Anlagen hierzu verwiesen.
Gegen die Beschlussfassung zu TOP 1 haben die Antragsgegner jeweils Anfechtungs- und
Nichtigkeitsklage vor dem Landgericht Berlin erhoben, wobei die Klagen (vormals 2 O 163/23,
56 O 27/23, 91 O 48/23, 94 O 44/23, 94 O 81/23, 95 O 48/23, 95 O 64/23 und 102 O 22/23)
zwischenzeitlich zu dem führenden Geschäftszeichen 94 O 44/23 verbunden worden sind.
Mit der Antragsschrift vom 4.8.2023 begehrt die Antragstellerin die Freigabe der Eintragung des
zu TOP1 gefassten Beschlusses der Hauptversammlung in das Handelsregister. Sie macht u.a.
geltend, dass es hinsichtlich der Antragsgegner zu 5) und 6) bereits an dem erforderlichen
Aktienbesitz fehle und die Antragsgegner zu 4) und 5) ihren Aktienbesitz nicht fristgerecht
nachgewiesen hätten. Die erhobenen und zugestellten Anfechtungsklagen seien zudem bereits
aufgrund des unstreitigen Sachverhalts und damit offensichtlich unbegründet. Sollte es auf eine
Beweisaufnahme ankommen, seien sie jedenfalls mit eindeutig überwiegender
Wahrscheinlichkeit ohne Erfolgsaussicht. Nachdem keine besondere Schwere eines
Rechtsverstoßes vorliege, sei die Freigabe zumindest im Ergebnis der Interessenabwägung
auszusprechen. Hierdurch ersparten die Gesellschaft und ihre Aktionäre den Aufwand für die
ordentlichen Hauptversammlungen, für die Börsennotierung und die Veröffentlichungspflichten
und erzielten gesteigerte Rechtssicherheit. Es ergebe sich eine Kosteneinsparung von etwa
TEUR 525 p.a., hinzu kämen die Kosten einer etwaigen Wiederholung der Hauptversammlung.
Demgegenüber bestünden keine berücksichtigungsfähigen Nachteile der Antragsgegner, die
zusammen lediglich 0,07134 % der Aktien hielten. Unternehmerische Nachteile seien nicht
denkbar, wirtschaftliche Nachteile schon wegen Geringfügigkeit unbeachtlich, jedenfalls aber
durch das Spruchverfahren vollständig geschützt.
Die Antragstellerin beantragt,
gemäß § 327e Abs. 2, § 319 Abs. 6 AktG festzustellen, dass die Erhebung der beim Landgericht
Berlin unter den Aktenzeichen 94 O 44/23, 91 O 48/23, 56 O 27/23 und 95 O 48/23 (vormals
102 O 22/23 und vormals 2 O 163/23) anhängigen Klagen der Antragsgegner gegen den
Beschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der Antragstellerin vom 28. April 2023
zum ersten Tagesordnungspunkt über die Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre
(Minderheitsaktionäre) der Antragstellerin auf die A. S.A. mit Sitz in L., gegen Gewährung einer
angemessenen Barabfindung gemäß §§ 327a ff. AktG, der Eintragung dieses Beschlusses in das
Handelsregister der Antragstellerin beim Amtsgericht Berlin Charlottenburg nicht
entgegenstünden.
Die Antragsgegner die Nebenintervenientinnen beantragen sinngemäß,
den Freigabeantrag zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin zu 1) macht u.a. geltend, die Auslage der Dokumente sei unzureichend
gewesen. Es seien lediglich die Jahresabschlüsse 2019 bis 2021 auf der Website veröffentlicht
worden. Der Jahresabschluss 2019 habe keinen Prüfvermerk für den Einzelabschluss enthalten
und der Jahresabschluss 2021 einen solchen mit Versagung. Der Jahresabschluss 2022 sei nicht
veröffentlicht worden. Die Antragstellerin könne sich nicht darauf berufen, dass die Prüfung
dieses Abschlusses noch nicht erfolgt gewesen sei, weil sie diese durch eine zu kurze
Ausschreibungsfrist selbst hintertrieben habe. Zudem seien auch die Konzernabschlüsse
auszulegen gewesen. Schließlich seien Fragen nach der Verpfändung der Aktien an der
Antragstellerin an Finanzgeber, der Verpfändungsstruktur, der Person der Kreditgeber, dem
Inhalt der Verpfändungsverträge und einer etwaigen Übertragung des Stimmrechts sowie den
Auswirkungen auf die Hauptaktionärseigenschaft der Hauptaktionärin unbeantwortet geblieben.
Angesichts dessen liege ein besonders schwerer Rechtsverstoß vor, der eine Freigabe
ausschließe.
Die Antragsgegner zu 2) und 3) machen u.a. geltend, mit der Umsetzung des Restructuring Plan
in der von den Anleihegläubigern der Hauptaktionärin akzeptierten Fassung sei es um eine
planmäßige Abwicklung durch einen geordneten Verkauf aller Immobilienportfolios und
Beteiligungen außerhalb eines Insolvenzverfahrens gegangen. Die Umsetzung des Lock Up-
Agreements stelle eine Umgehung des Verbots aus § 57 AktG dar. Der Übertragungsbericht
weise die Vollliquidation nicht aus und setze zu Unrecht Fortführungswerte an. Die Ladung zur
Hauptversammlung sei ohne Vorliegen eines Aufsichtsrats- und Vorstandsbeschlusses an den
Bundesanzeiger gegeben worden. Der Jahresabschluss 2022 sei der Hauptversammlung in
schikanöser Weise vorenthalten worden. Zur Vornahme einer Schikane sei die Vollmacht der
Hauptaktionärin aber nicht ausgestellt gewesen, jedenfalls sei die Ausübung treuwidrig. Die
Stimmrechte hätten wegen Nichterfüllung einer durch das Lock Up-Agreement eingetretenen
Mitteilungspflicht geruht. Die Am. GmbH sei eine Scheinprüfungsgesellschaft und habe daher
nicht Übertragungsprüferin sein können. Der Übertragungsbeschluss sei Teilstück eines von der
Hauptaktionärin und ihren Anleihegläubigern geplanten und vereinbarten Bankrotts der
Antragstellerin und der Hauptaktionärin im Jahre 2027.
Der Antragsgegner zu 4) macht u.a. geltend, die Hauptaktionärin wie auch die Antragstellerin
seien über Jahre durch ein mafiaähnliches Netzwerk aus Unternehmern, Managern, Juristen,
Wirtschaftsprüfern und Bankern ausgeplündert worden. Der Squeeze Out erfolge ausschließlich
zur Vereitelung der Bestellung eines Sonderprüfers und zur Finanzierung des
Restrukturierungskonzepts. Das Übertragungsverlangen sei nicht unterzeichnet, sondern nur mit
einer Paraphe versehen. Den Übertragungsbericht habe der Unterzeichnende B. nicht allein
unterzeichnen dürfen. Die Schadensersatzansprüche der Antragstellerin gegen die
Geschäftspartner und ihre handelnden Organe seien darin ebenso wenig angeführt wie die
Auswirkungen der Verweigerung des Testats für 2021 oder der Ermittlungen der
Staatsanwaltschaft. In der Person des B. liege ein Interessenkonflikt vor, weil die
Hauptaktionärin an einem schnellen Abverkauf der Immobilienprojekte zur Tilgung ihrer
Anlageverbindlichkeiten interessiert sei und deswegen Preisabschläge in Kauf nehmen werde.
Der Jahresabschluss 2022 sei zumindest auf Nachfrage auszulegen gewesen. Der Jahresabschluss
2021, bei dem das Testat verweigert sei, genüge jedenfalls dann nicht, wenn – wie hier – die
Verweigerung des Testats auf der aktiven Behinderung durch die Antragstellerin beruhe. Die
Fragen zu den Geschäften mit nahestehenden Personen und zum Restrukturierungskonzept
seien zu beantworten gewesen. Richtigerweise sei die Registersperre der Regelfall und das
Vollzugsinteresse müsse das Aufschubinteresse überwiegen. Dies sei u.a. deswegen nicht der
Fall, weil durch die Durchführung des Squeeze Outs jegliche Sonderprüfung sofort beendet sei.
Die Barabfindung sei offensichtlich zu niedrig, nach dem Abschluss eines Spruchverfahrens sei
aber keine Haftungsmasse mehr zu erwarten.
Der Antragsgegner zu 5) macht u.a. geltend, ein Squeeze Out könne rechtskonform nicht dazu
genutzt werden, das Vermögen der Gesellschaft zugunsten der Befriedigung der Gläubiger der
Hauptaktionären zu realisieren, ohne den Minderheitsaktionären von Anfang an eine volle
Abfindung zukommen zu lassen. So liege es aber hier, weil der Nettovermögenswert je Aktie
(Net Asset Value = NAV) zum Stichtag unstreitig bei ca. 18 EUR gelegen habe. B. habe den
Übertragungsbericht nur mit einem Handzeichen unterzeichnet, was ohne notarielle
Beglaubigung unwirksam sei. Lebensnah sei davon auszugehen, dass die Pfandgläubiger mit der
Antragstellerin Interessenschutzklauseln vereinbart hätten, was zu einem meldepflichtigen acting
in concert führe. Der Jahresabschluss 2022 sei auszulegen gewesen, wohingegen derjenige für
2021 mangels positiven Bestätigungsvermerks ungeeignet gewesen sei. Der abwägungsrelevante
Nachteil der Antragsgegner betrage mindestens 9 EUR pro Aktie.
Die Nebenintervenientinnen sind dem Rechtsstreit auf Seiten der Antragsgegner beigetreten. Sie
machen u.a. geltend, ihr Rechtsschutzinteresse ergebe sich sowohl aus der formalen Stellung als
Aktionäre mit über 339.000 Aktien, als auch aus dem Umstand, dass nach einem Squeeze Out
die vor dem Landgericht erstrittene Sonderprüfung beendet werde. Angesichts dessen sei bereits
die Stellung des Freigabeantrags ein treu-, pflicht- und rechtswidriger Akt. Es handele sich um
einen Fall unerträglicher und verfassungswidriger Risikoaufbürdung. Zudem hätten sie ein
schützenswertes wirtschaftliches Interesse. Die Ausplünderung der Antragstellerin stelle sich
aktienrechtlich als verbotene Einlagenrückgewähr, steuerrechtlich als verdeckte
Gewinnausschüttung und strafrechtlich als Untreuehandlung dar. Die Anfechtungsklagen seien
offensichtlich begründet. Die sachverständige Prüferin sei wegen Vorbefassung befangen. Ein
prioritäres Eintragungsinteresse bestehe nicht, zumindest liege ein besonders schwerer
Rechtsverstoß vor. Später haben die Nebenintervenientinnen die Nebenintervention
zurückgenommen, soweit sie auch der Antragsgegnerin zu 1) beigetreten waren, weil sie u.a. zur
Einschätzung gelangt seien, dass diese ihren Aktienbesitz nicht ordnungsgemäß nachgewiesen
habe.
Die Antragstellerin repliziert u.a., die Mandatsniederlegung der K. als Abschlussprüferin sei für
sie überraschend gekommen, weil im Forensic-Verfahren am Ende lediglich 29 von insgesamt
3,8 Mio. angeforderten E-Mails zur Wahrung des Attorney Client Privilege nicht vorgelegt
worden seien. Die erste Ausschreibung für die Prüfung 2022 sei zudem bereits im Juni 2022 mit
einer Frist von zwei Wochen erfolgt.
Die Akten des Landgerichts Berlin zu den Geschäftszeichen 94 O 44/23 haben vorgelegen und
sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
II.
Der Antrag der Antragstellerin auf Freigabe der Eintragung des in der außerordentlichen
Hauptversammlung vom 28.4.2023 der Antragstellerin gefassten Squeeze Out-Beschlusses ist
gegenüber allen Antragsgegnern zulässig und begründet. Das Freigabebegehren ist zulässig (dazu
1.) und der Antrag ist gegenüber der Antragsgegnerin zu 6) nach §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 Satz
3 Nr. 2 AktG (dazu 2.) und gegenüber sämtlichen Antragsgegnern nach §§ 327e Abs. 2, 319
Abs. 6 Satz 3 Nr. 3 AktG begründet (dazu 3.).
1. Der Freigabeantrag ist nach §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 AktG im Hinblick auf die
rechtshängigen Anfechtungsklagen der Antragsgegner statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Das Kammergericht ist als das Oberlandesgericht am Sitz der Antragstellerin gemäß §§ 327e
Abs. 2, 319 Abs. 6 Satz 7 AktG zuständig. Soweit die Antragsgegnerinnen zu 2) und zu 3)
anführen lassen, dass Rechtsmissbrauch nirgends Rechtsschutz genieße, handelt es sich
unabhängig von der mangelnden Einlassungsfähigkeit einer solch pauschalen Rüge jedenfalls um
eine Beanstandung zur Frage der Begründetheit des Antrags nach den Maßgaben der
Regelungen in
2. Gegenüber der Antragsgegnerin zu 6) ist der Freigabeantrag bereits nach §§ 327e Abs. 2, 319
Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 AktG begründet.
Nach dieser Vorschrift ist ein Freigabebeschluss zu erlassen, wenn ein Antragsgegner nicht
binnen einer Woche nach Zustellung des Antrags durch Urkunden nachgewiesen hat, dass er
seit Bekanntmachung der Einberufung einen anteiligen Betrag von mindestens 1.000 EUR hält.
Dem hat die Antragsgegnerin zu 6) nicht genügt, weil sie keine Bescheinigung eingereicht hat.
Auf den tatsächlichen Bestand kommt es damit ebenso wenig an wie auf die Erfolgsaussichten
der Anfechtungsklage der Antragsgegnerin zu 6) oder eine Abwägung der Interessen.
Die Antragsgegner im Übrigen haben dagegen ihren Aktienbesitz form- und fristgerecht
nachgewiesen. Der Freigabeantrag ist der Antragsgegnerin zu 1) am 10.8.2023, den
Antragsgegnern zu 2) und 3) am 11.8.2023, den Antragsgegnern zu 4) und zu 6) am 14.8.2023
und dem Antragsgegner zu 5) am 17.8.2023 zugestellt worden. Das Erfordernis „durch
Urkunden nachgewiesen“ kann durch eine Bescheinigung der depotführenden Bank erfüllt
werden (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.2.2018 – 5 AktG 1/17 –, Rn. 23 nach juris). Die
Antragsgegner zu 1) bis 5) haben jeweils Bankbestätigungen hinsichtlich ihres Anteilsbesitzes
vorgelegt, die Antragsgegnerin zu 1) eingehend am 14.8.2023, die Antragsgegner zu 2) und 3) am
15.8.2023, der Antragsgegner zu 4) am 18./20.8.2023 und der Antragsgegner zu 5) am 23.8.2023.
Ungeachtet der Ausführungen der Nebenintervenientinnen in ihrem Teilrücknahmeschriftsatz
ist der Nachweis dabei auch der Antragsgegnerin zu 1) gelungen. Zwar mag nach dem optischen
Eindruck tatsächlich einiges dafür sprechen, dass der als Unterschrift erscheinende Namenszug
des Vice President der Bank nicht handschriftlich gesetzt und auch nicht als sog. Faksimile,
sondern vielmehr durch eine maschinenschriftliche Darstellung in einem an Handschrift
angelehnten Zeichensatz entstanden ist. Für die Einordnung als Urkunde im Sinne des
Beweisrechts der ZPO ist jedoch ohne Bedeutung, ob das Schriftstück unterschrieben wurde
(vgl. Musielak/Voit/Huber, 20. Aufl. 2023, ZPO § 416; BeckOK-ZPO/Krafka, 1.9.2023, § 415
Rn. 2; Zöller/Feskorn, 34. Auflage 2022, ZPO vor §§ 415-444 Rn. 2), so dass bspw. auch ein
mit einem Stempel o. dgl. versehenes Schreiben als prozessuale Urkunde anzusehen sein kann
(vgl. BayVGH, Beschluss vom 25.9.2019 – 11 CS 19.1484 –, Rn. 11 nach juris; BGH, Urteil vom
28.9.1987 – II ZR 35/87 –, Rn. 11 nach juris; Anders/Gehle/Gehle, 81. Aufl. 2023, ZPO vor §
415 Rn. 5).
So oder so wäre der Beweis der Echtheit einer Privaturkunde nach §§ 439, 440 Abs. 1 ZPO erst
dann zu führen, wenn der Gegner die Urkunde nicht anerkennt. Wird – wie vorliegend – eine
Erklärung nicht abgegeben, so ist die Urkunde als anerkannt anzusehen, wenn nicht die Absicht,
ihre Echtheit bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht (§ 439
Abs. 3 ZPO). Dies gilt ungeachtet der angemahnten Vorlage des Originals im Termin (§ 420
ZPO), denn eine Beweisführung liegt bereits darin, dass die Privaturkunde in Ur- oder Abschrift
gem. §§ 131 Abs. 1, 133 Abs. 1 ZPO bereits einem vorbereitenden Schriftsatz beigefügt wird
und die Gegenseite deren Echtheit nicht bestreitet (vgl. nur Bierschenk
3. Das Freigabebegehren ist zudem gegenüber sämtlichen Antragsgegnern nach §§ 327e Abs. 2,
319 Abs. 6 Satz 3 Nr. 3 AktG begründet.
Nach diesen Vorschriften ist ein Freigabebeschluss zu erlassen, wenn das alsbaldige
Wirksamwerden des Hauptversammlungsbeschlusses vorrangig erscheint, weil die vom
Antragsteller dargelegten wesentlichen Nachteile für die Gesellschaft und ihre Aktionäre nach
freier Überzeugung des Gerichts die Nachteile für den Antragsgegner überwiegen, es sei denn,
es liegt eine besondere Schwere des Rechtsverstoßes vor, wobei ein Erfolg der
Anfechtungsklage im Hauptsacheverfahren zu unterstellen ist (vgl. RegE eines Gesetzes zur
Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), BT-Drs.
15/5092, S. 29). Hier ist auf der ersten Stufe eine wirtschaftliche Abwägung vorzunehmen, ob
die vom Antragsteller dargelegten wesentlichen Nachteile für die Gesellschaft und ihre
Aktionäre nach freier Überzeugung des Gerichts die Nachteile für den Antragsgegner
überwiegen (vgl. § 319 Abs. 6 Satz 3 Nr. 3 1. HS AktG); erst auf der zweiten Stufe ist zu prüfen,
ob trotz eines vorrangigen Gesellschaftsinteresses der Rechtsverstoß so gravierend ist, dass er
nicht hingenommen werden kann (vgl. KG, Beschluss vom 25.3.2021 – 12 AktG 1/21 –, Rn.
62-63 nach juris, vgl. § 319 Abs. 6 Satz 3 Nr. 3 2. HS AktG).
Durch diese abgestufte Regelung soll verhindert werden, dass Aktionäre mit sehr geringer
Beteiligung durch den Vortrag weniger bedeutender Verstöße wichtige
unternehmensstrukturelle Maßnahmen der Gesellschaft blockieren können. Diese Aktionäre, die
mit ihrem Vorgehen auch keinen Rückhalt bei den übrigen Aktionären haben, weil der
Beschluss ansonsten nicht von der Hauptversammlung gefasst worden wäre, werden dadurch
nicht rechtlos gestellt, sondern können die Rechtswidrigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses
weiterverfolgen, aber nur noch mit dem Ziel auf Schadenersatz (vgl. Begründung zum RegE
eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), BT-Drs. 16/11642, S. 41
re. Sp.). Die Schwere des Rechtsverstoßes ist bei alledem nicht mehr in die Interessenabwägung
aufzunehmen, sondern ist außerhalb der Interessenabwägung zu berücksichtigen, wobei der
Gesetzgeber davon ausgeht, dass die Interessenabwägung bei Aktionären mit geringer
Beteiligung eher nicht zu ihren Gunsten ausgehen wird (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses zum RegE ARUG, BT-Drs. 16/13098, S. 42 li. Sp.). Nach der
obergerichtlichen Rechtsprechung, welcher der Senat folgt, wird die danach vorgezeichnete
Eintragung der Strukturmaßnahme im Regelfall nur ausnahmsweise bei einer besonderen
Schwere des Rechtsverstoßes entfallen (vgl. KG, Beschluss vom 25.3.2021 – 12 AktG 1/21 –,
Rn. 64 nach juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.11.2018 – I-6 AktG 1/18 –, Rn. 181
nach juris; s.a. Hüffer/Koch, 15. Aufl. 2021, AktG § 246a Rn. 21; Lutter/Decher, UmwG, 5.
Auflage 2014, § 16 Rz. 29).
Nach diesen Maßgaben ist im Ergebnis der Abwägung das Eintragungsinteresse der
Antragstellerin vorliegend vorrangig (dazu a.), während sich eine besondere Schwere des
Rechtsverstoßes nicht feststellen lässt (dazu b.).
a) Die Abwägung der wirtschaftlichen Interessen schlägt hier zugunsten der Eintragung aus.
Denn die gebotene Interessenabwägung erfordert eine Abwägung des rein wirtschaftlichen
Interesses der einzelnen Antragsgegner – nicht der Aktionärsgemeinschaft – unter
Außerachtlassen der gerügten Rechtsverstöße gegen die Unternehmensnachteile und die
Nachteile der übrigen Aktionäre (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 13.1.2014 – I-18 U 175/13 –,
Rn. 20, juris; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum RegE ARUG, BTDrs.
16/13098, S. 42 li. Sp., 60 f.). Relevant sind dabei nur wesentliche, d.h. solche Nachteile,
denen einiges Gewicht zukommt (OLG München, Beschluss vom 14.12.2011 – 7 AktG 3/11,
Rn. 60 nach juris).
Nach diesem Maßstab hat die Antragstellerin die durch die Eintragung des Squeeze Out und
einen sich anschließenden Formwechsel einzusparenden Kosten der gegenwärtigen
Konzernstruktur mit ca. 500.000 EUR p.a. glaubhaft gemacht (§ 327e Abs. 2 AktG iVm. § 319
Abs. 6 Satz 6 AktG). Die Ersparnis solcher Kosten ist der Größenordnung nach lebensnah,
wobei sich die anhaltende Auseinandersetzung mit den Minderheitsaktionären jedenfalls nicht
kostensenkend auswirkt. Die laufenden Kostenpositionen, die der Höhe nach plausibel
erscheinen und denen gegenüber den Antragsgegnern konkreter Vortrag zuzumuten gewesen
wäre, sind bei einer Unternehmensgröße wie der hiesigen auch nicht etwa generell unbeachtlich.
In die Abwägung sind auch die Kosten der Wiederholung der Hauptversammlung
einzubeziehen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum RegE ARUG,
BT-Drs. 16/13098, S. 42 li. Sp.). Auch die Kosten des Aufsichtsrats können hier berücksichtigt
werden. Zwar ist mit der Eintragung des Squeeze Out noch kein Formwechsel der
Antragstellerin verbunden. Der Formwechsel und damit der Wegfall des Aufsichtsrats sind aber
wirtschaftlich vernünftig, in der Sache naheliegend, problemlos umsetzbar und auch
angekündigt, so dass dieses Szenario als wahrscheinlich anzusehen ist. Der Berücksichtigung der
Ersparnis steht nicht entgegen, dass – wie der Antragsgegner zu 5) rügt – der Formwechsel
weitere Kosten mit sich bringt, denn diese sind nicht klar konturiert und fallen nur einmalig an.
Dagegen sind die jährlichen Ersparnisse angesichts der erfahrungsgemäß erheblichen Dauer der
Anfechtungsverfahren mit einem Vielfachen anzusetzen.
Demgegenüber haben die Antragsgegner nicht glaubhaft zu machen vermocht (§ 327e Abs. 2
AktG iVm. § 319 Abs. 6 Satz 6 AktG), dass ihnen durch das alsbaldige Wirksamwerden des
Hauptversammlungsbeschlusses ein übersteigender wirtschaftlicher Nachteil drohe.
Im Wesentlichen machen die Antragsgegner geltend, die sofortige Eintragung des Squeeze Out
werde zu ihren Lasten eine angemessene Barabfindung verhindern. Das hiermit angesprochene
Interesse an der Erzielung des richtigen Gegenwerts der Anteile ist aber nach der gefestigten
Rechtsprechung der Obergerichte durch die den ausscheidenden Aktionären zu zahlende
Barabfindung, deren Angemessenheit von ihnen im Spruchverfahren überprüft werden kann,
ausreichend geschützt (vgl. OLG München, Beschluss vom 28.7.2021 – 7 AktG 4/21 –, Rn. 76
nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 18.12.2015 – 18 U 158/15 –, Rn. 59 nach juris; OLG
Köln, Beschluss vom 5.5.2014 – I-18 U 28/14 –, Rn. 27 nach juris). Die Zahlung des bereits
ermittelten und geprüften Betrages ist dabei durch die gestellte Bankgarantie gesichert.
Das Vorbringen ist aber auch in der Sache nicht schlüssig, denn es ist es aus der maßgeblichen
heutigen Perspektive nicht überwiegend wahrscheinlich, dass durch ein alsbaldiges
Wirksamwerden des Hauptversammlungsbeschlusses tatsächlich eine erhebliche Erhöhung der
Barabfindung verhindert würde.
Im Gegenteil entspricht es der Erfahrung des Senats, dass im Spruchverfahren ungeachtet der
teils erheblichen Bemühungen der Minderheitsaktionäre in der Regel – wenn überhaupt –
geringfügige Erhöhungen der Barabfindung erzielt werden können, was daran liegen mag, dass
der beschlossene Abfindungsbetrag zuvor in einem formalisierten Verfahren durch zwei
Sachverständige ermittelt und geprüft worden ist. Die schlüssigen Betrachtungen der
Antragstellerin sowie die Ansätze in Bewertungsgutachten und Prüfungsbericht bringt die
Darstellung der Antragsgegner nicht zu Fall. Mit der Herleitung der Barabfindung setzt sie sich
schon nicht ausreichend auseinander. Die bloße Behauptung, die Barabfindung habe
richtigerweise 100 % des Net Asset Value (fortan: NAV) von 18 EUR je Aktie zu betragen,
reicht zur Glaubhaftmachung der Aussicht auf eine erhebliche Nachzahlung nicht aus, selbst
wenn dieser NAV tatsächlich „unstreitig“ sein sollte. Denn der NAV ist nur Ausgangspunkt der
Ermittlung der Barabfindung und die Geeignetheit des NAV zur Bewertung ist in jedem
Einzelfall zu prüfen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 3.11.2020 – 21 W 76/19 –, Rn. 19
nach juris), wozu sich Bewertungsgutachten (Anlage ASt14 Rn. 192, 331 ff.) und Prüfbericht
(Anlage ASt18 Rn. 272-287 und Anhang …) auch ausführlich verhalten, und dies einschließlich
der durch den Fall für geboten erachteter Modifikationen, welche die vorgenommene
Gleichsetzung ohne belastbare Begründung ausblendet. Jedenfalls – und das ist entscheidend –
ist nicht erkennbar, inwieweit die hier beantragte Freigabe die Antragsteller an einer
Geltendmachung ihrer Einwände im Spruchverfahren hinderte.
Nichts anderes folgt aus den angeführten Schadensersatzansprüchen der Antragsgegnerin gegen
ihre Organe oder gegen Dritte. Solche wären im Spruchverfahren ebenfalls zu berücksichtigen
(vgl. BGH, Urteil vom 9.10.2006 – II ZR 46/05 –,
Köln, Urteil vom 23.6.2022 – I-18 U 213/20 –, Rn. 82 nach juris). Dass sie ihrerseits durch ein
alsbaldiges Wirksamwerden des Hauptversammlungsbeschlusses vereitelt würden, ist nicht
überwiegend wahrscheinlich. Zwar trifft es zu, dass Schadensersatzansprüche
erfolgversprechend nur bei entsprechender Tatsachenkenntnis durchgesetzt werden können.
Dem Antragsgegner zu 4) kann aber gleichwohl nicht darin gefolgt werden, dass der Verlust der
Möglichkeit der Veranlassung von Sonderprüfungen angesichts seines Aktienbesitzes mit einem
wirtschaftlichen Interesse von EUR 1,2 Mio. zu veranschlagen sei. Dass die bereits im Jahr 2022
durch andere Minderheitsaktionäre in Angriff genommene Sonderprüfung ein solches Ergebnis
erbringen werde, liegt nicht nahe, zumal der auch nur teilweise stattgebende Beschluss des
Landgerichts zwischenzeitlich aufgehoben ist. Mangels hinreichender Konkretisierung etwaiger
weiterer Haftungstatbestände ist es aber auch darüber hinaus nicht überwiegend wahrscheinlich,
dass eine Sonderprüfung, die der Antragsgegner zu 4) in dem Zeitraum bis zur regelhaften
Eintragung des Beschlusses noch erstreiten könnte, zu einem solchen wirtschaftlichen Ergebnis
führen werde. Bei der Abwägung kann der Senat ohne konkrete Glaubhaftmachung von
tatsächlichen Anhaltspunkten, an der es fehlt, auch nicht unterstellen, dass sich die offenbar
unkritischen Vorstellungen des Antragsgegners zu 4) von der Durchsetzbarkeit etwaiger
Schadensersatzansprüche gegen dann noch greifbare und ausreichend liquide Dritte
bewahrheiteten.
Für das abzuwägende wirtschaftliche Interesse der Antragsgegner kann schließlich auch nicht
auf die Streitwertbemessung bei einer der Anfechtungsklagen iHv. EUR 1,620 Mio. abgestellt
werden. Denn das Interesse an dem Unterbleiben der Freigabe ist nicht deckungsgleich mit dem
Interesse der Antragsteller zu 2) und zu 3) an der Anfechtung des Beschlusses im ordentlichen
Verfahren. Schon gar nicht wäre dieser – auch nicht hergeleitete – Betrag für den Senat bindend.
b) Tatsachen, aus denen der Senat auf eine besondere Schwere des Rechtsverstoßes (§ 319 Abs.
6 Satz 3 Nr. 3 AktG) zu schließen hätte, sind im Ergebnis ebenfalls nicht glaubhaft gemacht (§
327e Abs. 2 AktG iVm. § 319 Abs. 6 Satz 6 AktG).
Die Anforderungen hieran sind hoch. Denn selbst ein Rechtsverstoß gemäß
zur Nichtigkeit und nicht nur zur Anfechtbarkeit des angefochtenen Beschlusses führt,
rechtfertigt nicht zwingend eine besondere Schwere in diesem Sinne (vgl. KG, Beschluss vom
25.3.2021 – 12 AktG 1/21 –, Rn. 67 nach juris; KG, Beschluss vom 18.5.2010 – 14 AktG 1/10
–, Rn. 30 nach juris). Erforderlich sind vielmehr Sachverhalte, in denen elementare
Aktionärsrechte – etwa durch absichtliche Verstöße gegen das Gleichbehandlungsgebot oder die
Treuepflicht – so massiv verletzt worden sind, dass sie durch Schadenersatz nicht mehr
angemessen ausgeglichen werden können (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 13.1.2014 – 18 U
175/13 –, Rn. 27 nach juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.12.2008 – 5 W 31/08 –, Rn. 21
nach juris; Hüffer/Koch, 15. Aufl. 2021, AktG § 246a Rn. 22 mit Beispielen). Dabei müssen
neben der abstrakten Bedeutung der verletzten Norm auch Art und Umfang des Verstoßes
berücksichtigt werden (vgl. OLG München, Beschluss vom 16.1.2014 – 23 AktG 3/13 –, Rn. 54
nach juris).
Nach diesem Maßstab vermag der Senat im Ergebnis keine besondere Schwere eines
Rechtsverstoßes zu erkennen, soweit die Antragsgegner eine rechtsmissbräuchliche
Inanspruchnahme des Squeeze Out-Verfahrens (dazu aa.), eine ordnungsgemäße
Verfahrensdurchführung (dazu bb.), die Einberufung der Hauptversammlung (dazu cc.), die
Stimmrechtsausübung der Hauptaktionärin (dazu dd.), die Dokumentenauslage (dazu ee.), die
Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung durch die sachverständige Prüferin (dazu ff.)
und die Verletzung von Auskunfts- und Informationsrechten (dazu gg.) rügen.
aa) Die gesetzlichen Vorschriften über den Squeeze Out in §§ 327a ff. AktG sind bei alledem im
Ausgangspunkt wirksam (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30.5.2007 – 1 BvR 390/04
–, BVerfGK 11, 253; HansOLG Hamburg, Beschluss vom 29.9.2004 – 11 W 78/04 –, LS1 nach
juris). Es ist entgegen den Beanstandungen der Antragsgegner auch nicht davon auszugehen,
dass sie von der Antragstellerin vorliegend im Sinne eines besonders schweren Rechtsverstoßes
rechtsmissbräuchlich genutzt würden.
Aus der bloßen Herbeiführung der Voraussetzungen für einen Squeeze Out kann dessen
Rechtsmissbräuchlichkeit nicht hergeleitet werden (vgl. OLG Köln, Urteil vom 23.6.2022 – I-18
U 213/20 –, Rn. 77, juris). Vielmehr hat der Gesetzgeber selbst die Abwägung der
widerstreitenden Interessen vorgenommen, weshalb der Squeeze Out seine Rechtfertigung „in
sich“ trägt (vgl. BGH, Urteil vom 16.3.2009 – II ZR 302/06 –,
juris). Die Regelungen in §§ 327a ff. AktG verfolgen dabei das Ziel, einem Hauptaktionär die
Ausschließung einer Restminderheit im Interesse einer effizienten Unternehmensführung zu
ermöglichen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 23.6.2022 – I-18 U 213/20 –, Rn. 72 nach juris). Der
von einem wenigstens 95 % des Grundkapitals haltenden Hauptaktionär verfolgte Zweck,
mittels Squeeze Out Behinderungen bei der Unternehmensführung durch die Inhaber von
Klein- und Kleinstbeteiligungen zu vermeiden, ist daher grundsätzlich legitim, ohne dass es auf
das Vorliegen zusätzlicher (übergeordneter) unternehmerischer Gründe im Einzelfall ankommt
(vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 19.9.2007 – 1 BvR 2984/06 –, Rn. 8 nach juris).
Eine materiell-rechtliche Kontrolle auf Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit durch das
Gericht findet nicht statt (vgl. nur OLG Köln, Urteil vom 23.6.2022 – I-18 U 213/20 –, Rn. 73
nach juris). Vor diesem Hintergrund können aber nur eklatante Fallgestaltungen als
rechtsmissbräuchlich angesehen werden, wenn etwa deutliche Anhaltspunkte dafür bestehen,
dass der gesetzgeberische Zweck entfremdet und stattdessen ein anderweit aufgestelltes Verbot
unterlaufen wird oder die beabsichtigte Maßnahme in ihrer Benachteiligung der Minderheit über
das vom Gesetz vorgesehene Maß deutlich hinausgeht, wobei an den von den
Minderheitsaktionären zu führenden Nachweis einer Zweckentfremdung hohe Anforderungen
zu stellen sind (vgl. OLG Köln, Urteil vom 23.6.2022 – I-18 U 213/20 –, Rn. 75 nach juris).
Hiervon ausgehend fehlt es jedenfalls an der bewussten Zweckentfremdung des Squeeze Out-
Verfahrens im Sinne eines besonders groben Rechtsverstoßes.
(1) Keine bewusste Zweckentfremdung des Squeeze Out-Verfahrens ergibt sich insbesondere
hinsichtlich der behaupteten Absicht der Antragstellerin, durch den Squeeze Out Anordnung
und Durchführung der bereits seit 2022 u.a. durch den S. e.V. und andere Minderheitsaktionäre
betriebenen Sonderprüfung (§ 142 AktG) zu verhindern.
Entgegen der Darstellung der Antragstellerin wäre allerdings der Squeeze Out zu einer solchen
Verhinderung geeignet, weil durch seine Eintragung dem Begehren der Boden entzogen werden
kann. Aktionäre, die eine gerichtliche Bestellung eines Sonderprüfers begehren, haben nämlich
laufend nachzuweisen, dass sie das dafür erforderliche Quorum an Aktien seit mindestens drei
Monaten vor dem Tag der Hauptversammlung innehaben und dass sie die Aktien bis zur
Entscheidung über den Antrag halten (
Vorschrift ist es, dass die Antragsberechtigung für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens
gesichert erhalten bleibt (vgl. BayObLG, Beschluss vom 15.9.2004 – 3Z BR 145/04 –, LS nach
juris, zu § 142 AktG aF; Koch, 17. Aufl. 2023, AktG § 142 Rn. 23), so dass der Aktienbesitz
folgerichtig bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung über die Sonderprüfung
bestehen muss (vgl. MüKo-AktG/Arnold, 5. Aufl. 2022, § 142 Rn. 122). Erfolgt ein Squeeze
Out vor diesem Zeitpunkt, wird der Antrag unzulässig (vgl. OLG München, Beschluss vom
11.5.2010 – 31 Wx 14/10 –, Rn. 2 ff. nach juris; s.a. OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. Juni 2009
– 20 W 187/07 –, juris zur Verschmelzung). So liegt es aber hier, denn über den Antrag der
Minderheitsaktionäre vom Oktober 2022 ist noch nicht rechtskräftig entschieden. Soweit das
Landgericht mit Beschluss vom 20.6.2023 eine Prüfung hinsichtlich einer faktischen
Geschäftsführung durch C. und hinsichtlich des Upstream Loans angeordnet hatte (Anlage AG7
BA17-19), hat es diesen Beschluss auf die Beschwerde der Antragstellerin am 5.9.2023
aufgehoben und die Anträge auf Bestellung eines Sonderprüfers zurückgewiesen (Anlage
ASt53). Über die hiergegen eingelegte Beschwerde der Minderheitsaktionäre nach § 59 Abs. 2
FamFG ist noch nicht entschieden.
Damit käme es nicht einmal mehr darauf an, dass entgegen der Auffassung der Antragstellerin
zumindest Literaturstimmen einen Abberufungsantrag der Aktiengesellschaft, vertreten durch
den Vorstand, für möglich halten, wenn nachträglich Umstände eingetreten sind, die dafür
sprechen, dass der Prüfung jetzt überwiegende Gründe des Gesellschaftswohls entgegenstehen
(vgl. MüKo-AktG/Arnold, 5. Aufl. 2022, § 142 Rn. 188; Koch/Koch, 17. Aufl. 2023, AktG §
142 Rn. 34), was nach dem gegenwärtigen Gesellschafterbestand zu beurteilen sein dürfte. Dass
demgegenüber vereinzelt die Auffassung vertreten wird, dass nach der Durchführung eines
Squeeze Out eine Aufhebung durch den Alleinaktionär nicht mehr vorgenommen werden
könne, weil anderenfalls die Minderheitsaktionäre vor allem im Spruchverfahren schutzlos
gestellt wären (vgl. BeckOGK-AktG/Mock, 1.7.2023, § 142 Rn. 154.3; ders.
1910), reicht zur Sicherung der Rechte der Minderheitsaktionäre nicht aus, die im
Spruchverfahren keine vergleichbaren Instrumente mehr zur Verfügung haben (vgl. BeckOGKAktG/
Mock aaO. Rn. 233.1).
Allerdings lässt sich – was zu einem besonders groben Rechtsverstoß im Sinne eines
absichtlichen Verstoßes gegen die Treuepflicht aber erforderlich wäre – nicht mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die Hauptaktionärin den Squeeze Out mit dem Ziel des
Unterlaufens der Sonderprüfung betreibe. Ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang
zwischen dem Streit über die Bestellung eines Sonderprüfers und dem Squeeze Out könnte eine
solche zweckwidrige Zielsetzung zwar indizieren (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 14.12.2017 –
18 AktG 1/17 –, Rn. 34 nach juris, zum Unterlaufen der Bestellung eines besonderen
Vertreters), ist jedoch auch im Ergebnis der Erörterung in der mündlichen Verhandlung nicht
klar hervorgetreten. Tatsächlich ist die fragliche Sonderprüfung erstmals am 31.8.2022 beantragt
worden (Anlage ASt36), während das Übertragungsverlangen der Hauptaktionärin bereits vom
23.6.2022 datiert (Anlage ASt7), was auch unter Berücksichtigung des notwendigen Vorlaufs zu
einer Hauptversammlung nicht zu der Annahme nötigt, der Squeeze Out habe in Reaktion auf
die sich abzeichnende Sonderprüfung erfolgen sollen. Hierbei kann der Senat indiziell
berücksichtigen, dass das Sonderprüfungsbegehren im gerichtlichen Verfahren (§ 142 Abs. 2
AktG) bislang nur zu einem geringen Teil der Vorwürfe überhaupt erfolgreich war, und dies
auch nur vorübergehend.
(2) Weiter erscheint es nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der hiesige Squeeze Out in
rechtsmissbräuchlicher Weise der Vereitelung von Schadensersatzansprüchen zu dienen
bestimmt ist. Schadensersatzansprüche in dem dargestellten Sinne „vereiteln“ kann ein Squeeze
Out nicht, weil das Spruchgericht im Rahmen der Bewertung der Höhe der von den
Minderheitsaktionären zu beanspruchenden Abfindung befugt ist, solche
Schadensersatzansprüche zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 9.10.2006 – II ZR 46/05 –,
nach juris). Dementsprechend ist auch kein Rechtsmissbrauch anzunehmen, wenn sich die
Bestellung eines besonderen Vertreters, der Schadensersatzansprüche gegen die
Muttergesellschaft der übernehmenden Tochtergesellschaft geltend machen sollte, infolge eines
Squeeze Outs erledigt (vgl. OLG Köln, Urteil vom 23.6.2022 – I-18 U 213/20 –, Rn. 82 nach
juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.7.2008 – 23 W 14/08 –, Rn. 7 nach juris). Dies gilt
zumindest dann, wenn – wie vorliegend – bei Einleitung des Squeeze Out-Verfahrens die
Bestellung eines besonderen Vertreters noch nicht zur Debatte stand (vgl. OLG München,
Beschluss vom 3.9.2008 – 7 W 1432/08 –, Rn. 114 nach juris).
(3) Im Ergebnis nichts anderes gilt hinsichtlich der Rüge der Antragsgegner, der Squeeze Out sei
rechtsmissbräuchlich, weil die Hauptaktionärin tatsächlich das Ziel verfolge, den gesamten
Immobilienbestand der Antragstellerin zur Rückführung der Verbindlichkeiten der
Hauptaktionärin aus den umgeschuldeten Anleihen abzuverkaufen und damit eine Liquidation
der Antragstellerin anzustreben, ohne dies offenzulegen („Vollliquidation“).
Die Rüge kann so schon nicht durchgreifen, weil eine Alleinaktionärin – nach Ausschluss der
Minderheitsaktionäre und deren Abfindung – das weitere Schicksal der Aktiengesellschaft allein
bestimmen und damit auch die Liquidation beschließen kann. Den gesetzlichen Vorschriften
über den Squeeze Out liegt gerade der Gedanke zugrunde, Behinderungen bei der
Unternehmensführung durch die Inhaber von Klein- und Kleinstbeteiligungen zu verhindern,
ohne dass es auf das Vorliegen zusätzlicher (übergeordneter) unternehmerischer Gründe im
Einzelfall ankommt (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 19.9.2007 – 1 BvR 2984/06 –,
Rn. 8 nach juris).
Nichts anderes ergibt sich aus der Behauptung der Antragsgegner, tatsächlich plane die
Hauptaktionärin die Vollliquidation, obwohl sie wisse und in Kauf nehme, dass der vollständige
Abverkauf des Immobilienportfolios der Antragstellerin zur Begleichung der
Anleiheverbindlichkeiten nicht ausreichen werde, so dass am Ende ein Insolvenzverfahren
folgen werde, was die Aktionäre der Antragstellerin gegenüber den Anleihegläubigern
benachteilige. Auch hier ist nicht ohne weiteres ersichtlich, inwieweit die Hauptaktionärin zu
einer – unterstellt: gewollten – Bevorzugung der Anleihegläubiger eines Squeeze Out bedürfte,
der im Gegenteil durch die Barabfindung jetzt erhebliche Mittel bindet, die nicht zum Ausgleich
der Anleiheverbindlichkeiten zur Verfügung stehen.
Nur vorsorglich sei daher darauf hingewiesen, dass es in Gesamtwürdigung der Umstände
ohnehin nicht überwiegend wahrscheinlich erscheint, dass die Hauptaktionärin eine solche
„Vollliquidation“ mit anschließender Insolvenz tatsächlich anstrebe. Die mit dem Squeeze Out
verfolgten mittelfristigen Absichten der Geschäftsleitung stellen innere Tatsachen dar. Bei
diesen erfordert die Feststellung einer entsprechenden Wahrscheinlichkeit die Anknüpfung an
konkret zutage getretene, sinnlich wahrnehmbare Umstände, die einen Schluss auf die fragliche
Absicht zulassen (vgl. nur BGH, Urteil vom 8.5.2012 – XI ZR 262/10 –,
44 nach juris). Solche Umstände haben die Antragsgegner indes nicht aufzuzeigen vermocht.
Im Ausgangspunkt fest steht, dass die Hauptaktionärin eine Restrukturierung ihrer
Verbindlichkeiten benötigte, deren Rückführung noch eine gewisse Laufzeit erfordern wird. Die
Assets der Antragstellerin mögen dabei den wesentlichen Vermögensgegenstand der
Hauptaktionärin darstellen. Gleichwohl dürfte das wirtschaftliche Schicksal der Antragstellerin
angesichts des von ihr innegehaltenen Immobilienportfolios vor allem von der Entwicklung des
Wirtschaftszweigs abhängen. Bei dieser Sachlage kann eine sichere Angabe dazu, wie es um
Bestand und wirtschaftliche Lage der Antragstellerin und der Hauptaktionärin in Jahren bestellt
sein werde, schon nicht belastbar getroffen werden. Von daher liegt es im Ausgangspunkt fern,
dass bereits bei Einleitung des Squeeze Out konkret festgelegt worden sei, wie man in den
kommenden Jahren agieren wolle.
Anders liegt es auch nicht im Hinblick auf das Geschehen zu TOP 6 der Hauptversammlung
von 2022. Genehmigt werden sollte danach der Verkauf von bis zu 22.301 von insgesamt 23.475
Wohn- und Gewerbeeinheiten zur Reduzierung des Verschuldungsgrads in einer ausdrücklich so
bezeichneten „potenziellen Transaktion“, wobei ausweislich des Hauptversammlungsprotokolls
der Hinweis auf die Wahrung der Grenze des § 179a AktG und zudem darauf gegeben wurde,
dass eine Liquidation oder Auflösung der Gesellschaft nicht beschlossen werden solle (Anlage
ASt36). Danach ist ein in Kauf genommener Verstoß gegen die seitens der Antragsgegner
angeführten Vorschriften zur Kapitalerhaltung (§§ 57, 179a AktG) nicht ersichtlich, schon gar
nicht die Absicht, im Gegensatz zu den Angaben in der Hauptversammlung die Insolvenz der
Antragstellerin anzustreben, diese aber zugunsten der Anleihegläubiger hinauszuschieben.
Für einen geplanten vollständigen Abverkauf mit anschließender Insolvenz sprechen auch die
aus der Entscheidung des England and Wales High Court (fortan: EWHC) [2023] EWHC 916
(Ch) (Anlagen MN4 = AG3, deutsche Übersetzung in Anlage AG8) punktuell herausgegriffenen
Passagen richtigerweise gerade nicht. Dies gilt insbesondere für die Rn. 302, die sich lediglich
mit einem hypothetischen Szenario des Gutachters R. auseinandersetzt (vgl. EWHC aaO., Rn.
159). Dass der EWHC die nicht zustimmenden Anleihegläubiger gegen deren Willen auf eine
beabsichtigte Lösung hätte verpflichten wollen, an deren Ende absehbar Forderungsausfall und
Insolvenzverfahren stehen würden, stünde auch in unauflöslichem Widerspruch zu dessen
eingehenden Erwägungen in der Sache, v.a. zum „No worse off“-Test (Rn. 57-60, 155 ff.). Der
vollständige Abverkauf wird lediglich als hypothetisches Szenario verglichen mit dem im Fall der
Insolvenz eintretenden vollständigen Abverkauf. Für das tatsächliche beabsichtigte Agieren der
Beteiligten bis zum Ende der Laufzeit der umgeschuldeten Anleihen folgt daraus nichts. Die
Ausführungen der Antragsgegner zum Restructuring Plan lassen außer Betracht, dass die
erfolgte Zwischenfinanzierung in Höhe von EUR 937,5 Mio. gerade eine positive
Fortführungsprognose erforderte und ein geordneter Verkauf schon nach der allgemeinen
Lebenserfahrung ertragreicher wäre als die sofortige Zerschlagung oder ein Paketverkauf (mit
dem typischen Paketabschlag) im Rahmen eines Insolvenzverfahrens.
Die Antragstellerin hat im Rahmen ihrer Auseinandersetzung mit den Beanstandungen der
Antragsgegner auch nicht etwa prozessual eingestanden (§ 288 ZPO) oder unbestritten gelassen
(§ 138 Abs. 3 ZPO), dass tatsächlich alle Unternehmensaktiva veräußert werden sollten. Wenn
ein Vortrag bereits bestritten war, muss das Bestreiten insbesondere nicht auf jeden
gegnerischen Vortrag hin wiederholt werden, um seine Wirkung zu behalten (vgl. BGH, Urteil
vom 15.5.2001 – VI ZR 55/00 –, Rn. 7 nach juris; BVerfG, Kammerbeschluss vom 10.7.1991 –
2 BvR 206/91 –, Rn. 19 ff. nach juris; Zöller/Greger, 34. Aufl. 2022, ZPO § 138 ZPO Rn. 10).
Zu keinem anderen Ergebnis führen bei dieser Sachlage die Anträge verschiedener
Antragsgegner, der Antragstellerin die Vorlage des Restructuring Plan, des Comparator Reports,
des Lock-Up-Agreements und des Commitment Letters nach § 319 Abs. 6 Satz 2 AktG iVm. §
423 ZPO oder iVm. §§ 142, 810 BGB ZPO aufzugeben. Zur Begründung ihres Antrags
verweisen die Antragsgegner darauf, aus diesen Unterlagen werde sich die Absicht der
Antragstellerin ergeben, wie von ihnen behauptet zu verfahren. Eine Vorlegungsanordnung
nach § 423 ZPO setzt jedoch voraus, dass der Gegner auf die Urkunde gerade als Beweismittel
und nicht lediglich auf deren Inhalt zur Erläuterung seines Tatsachenvortrages Bezug
genommen hat (vgl. RG, Urteil vom 7.11.1908 – I 638/07 –,
Musielak/Voit/Huber, 20. Aufl. 2023, ZPO § 423 Rn. 1), woran es hinsichtlich sämtlicher der
erwähnten Dokumente fehlt, wobei der Comparator Report kein Dokument der Antragstellerin
oder der Hauptaktionärin darstellt. Ein materiellrechtlicher Vorlegungsanspruch nach §§ 422
ZPO, 810 BGB scheidet aus, weil keine der Urkunden im Interesse der Antragsgegner errichtet
worden sind oder ein zwischen diesen und einem anderen bestehendes Rechtsverhältnis
beurkunden soll.
Können die Antragsgegner vorliegend keinen erfolgversprechenden Beweisantrag stellen, ist
eine Vorlageanordnung nach
Ermessen des Gerichts steht (vgl. BGH, Urteil vom 26.6.2007 – XI ZR 277/05 –, BGHZ 173,
23 Rn. 20-21 nach juris; Musielak/Voit/StA., 20. Aufl. 2023, ZPO § 142 Rn. 7). Der Senat übt
sein Ermessen – wie im Termin eingehend erörtert – hier in dem Sinne aus, dass eine Vorlage
nicht angeordnet werden soll. Denn letztlich beruhen die Behauptungen der Antragsgegner auf
Vermutungen, die sich anhand in den Urkunden neu zu findender tatsächlicher Anhaltspunkte
erst erhärten sollen. Das Gericht soll die Urkundenvorlegung aber nicht zum bloßen Zwecke der
Informationsgewinnung, sondern nur bei Vorliegen eines schlüssigen, auf konkrete Tatsachen
bezogenen Vortrags der Partei anordnen (vgl. BGH, Urteil vom 26.6.2007 – XI ZR 277/05 –,
die sich auf eine Urkunde bezieht, nicht von ihrer Darlegungs- und Substantiierungslast befreit
(vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum RegE eines Gesetzes zur
Reform des Zivilprozesses, BT-Drs. 14/6036, S. 121 li. Sp.).
(4) Ebenso wenig erscheint das Vorbringen des Antragsgegners zu 4) einsichtig, der Squeeze
Out erfolge vorliegend zur Finanzierung des Restrukturierungskonzepts. Aus dem Squeeze Out
fließen der Antragstellerin oder der Hauptaktionärin keine Mittel zu. Im Gegenteil fließen ganz
erhebliche Mittel für die Barabfindung ab.
bb) Auch hinsichtlich des formellen Squeeze Out-Verfahrens (§§ 327a ff. AktG) ergibt sich
nicht die überwiegende Wahrscheinlichkeit eines besonders schweren Rechtsverstoßes.
Das Doppelmandat des Unterzeichners B. als Verwaltungsratsmitglied und CEO der
Hauptaktionärin einerseits und Vorstandsmitglied der Antragstellerin andererseits nahm diesem
nicht die Fähigkeit, das Übertragungsverlangen vom 23.6.2022 (Anlage ASt7) und den
Übertragungsbericht (Anlage ASt19) wirksam zu unterzeichnen. Die Übernahme von
Vorstandsdoppelmandaten im Konzern ist als solche nicht pflichtwidrig (vgl. OLG Köln, Urteil
vom 24.11.1992 – 22 U 72/92 –, LS3 nach juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 3.12.2008 – 20
W 12/08 –, Rn. 271 nach juris). Ein Interessenkonflikt vor dem Hintergrund der
Verschuldungssituation der Hauptaktionärin ist nicht erkennbar. Es liegt nahe, dass ein
Kreditschuldner Vermögen liquidiert, wenn er seiner fälligen Rückzahlungsverpflichtung nicht
aus laufenden Einnahmen nachkommen kann. Die Interessen der Antragstellerin und ihrer
Hauptaktionärin dürften hier gleich gelagert darauf gerichtet gewesen sein, aus dem ja nicht
unendlichen Portfolio der Antragstellerin den maximalen Erlös zu ziehen. Das
Verwaltungsratsmitglied der Hauptaktionärin B. konnte bei Unterzeichnung des
Übertragungsverlangens vom 23.6.2022 für diese auch allein handeln, weil er zu deren CEO
bestellt war (Art. 9 Abs. 2 Satzung Hauptaktionärin = Anlage ASt15).
Der CEO B. hat zudem den Übertragungsbericht, der gemäß § 327c Abs. 2 S. 1 AktG schriftlich
erstattet, also vom Hauptaktionär eigenhändig unterschrieben (§ 126 Abs. 1 BGB) werden muss,
nicht lediglich paraphiert (Anlage ASt19 Seite 40). Eine Unterschrift ist ein Schriftzug, der
individuellen Charakter aufweist und einem Dritten, der den Namen des Unterzeichnenden
kennt, ermöglicht, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauszulesen, der Unterzeichnende
also erkennbar bleibt. Die Unterschrift muss zwar nicht unbedingt lesbar sein, mindestens
einzelne Buchstaben müssen aber – wenn auch nur andeutungsweise – zu erkennen sein, weil es
sonst an dem Merkmal einer Schrift fehlt. Anzulegen ist ein großzügiger Maßstab, wenn im
Übrigen an der Autorenschaft und der Absicht, eine volle Unterschrift zu leisten, keine Zweifel
bestehen. Dagegen stellt ein Schriftzug, der als bewusste und gewollte Namensabkürzung
erscheint (Handzeichen, Paraphe), keine formgültige Unterschrift dar (vgl. BGH, Urteil vom
10.2.2021 – XII ZR 26/20 –, Rn. 22 nach juris; BGH, Beschluss vom 19.10.2011 – XII ZB
250/11 –, Rn. 14 nach juris; BGH, Urteil vom 10.7.1997 – IX ZR 24/97 –, Rn. 7 nach juris).
Für eine bewusste und auch gewollte Namensabkürzung im Sinne eines bloßen Handzeichens
ergeben sich konkrete Anhaltspunkte weder aus dem Zusammenhang der Urkunde noch in
Zusammenschau mit dem sonstigen Vorbringen der Parteien (§§ 419, 286 ZPO). Die der
Unterschrift zugesprochenen Charakteristika der Anfangsbuchstaben des Vor- und Nachnamens
des Unterzeichners bieten jedenfalls keinen durchgreifenden Grund zu der Annahme, er habe
die ersichtlich wichtige und zudem umfangreiche Urkunde auf der für die Unterschrift
vorgesehenen Zeile doch nur paraphieren wollen. Hiergegen spricht auch, dass die Bezeichnung
die gesamte Unterschriftszeile einnimmt und sogar darüber hinaus geht und ein konkreter
Anlass, das in finaler Version vorliegende Dokument nur vorläufig zu unterzeichnen (wie das
bei einem Vorvertrag üblich sein mag, bei dem keine endgültige rechtliche Bindung entstehen
soll), nicht ersichtlich ist. Nachdem zugleich die Autorenschaft nicht in Zweifel steht, ist für die
Beurteilung ein großzügiger Maßstab anzulegen. Demgemäß handelt es sich um eine
Unterschrift im Rechtssinne und es kann dahinstehen, wie der Betreffende auf seinem
Personalausweis und seinem Reisepass geschrieben haben mag.
Der Übertragungsbericht, in dem die Voraussetzungen für die Übertragung dargelegt und die
Angemessenheit der Barabfindung zu erläutern und zu begründen ist (§ 327c Abs. 2 S. 1 AktG),
ist inhaltlich nicht zu beanstanden. Schadensersatzansprüche wären in diesen nur dann
aufzunehmen gewesen, wenn aus der Sicht des Stichtages ein tatsächlicher Zufluss bei der
Antragstellerin mit hinreichender Sicherheit zu erwarten gewesen wäre, was zumindest dann
nicht angenommen werden kann, wenn sie – wie hier – zum Stichtag von Seiten der
Gesellschaft weder gerichtlich noch außergerichtlich geltend gemacht worden sind (vgl. OLG
München, Beschluss vom 5.5.2015 – 31 Wx 366/13 –, Rn. 89 nach juris). Der
Übertragungsbericht leidet auch nicht etwa darunter, dass die tatsächlich gewollte
Vollliquidation nicht erwähnt sei und die deswegen gebotenen Zerschlagungswerte nicht
angesetzt seien. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Soweit
das Fehlen der Auswirkungen der Verweigerung des Testats für das Geschäftsjahr 2021
beanstandet wird, sind solche Auswirkungen schon nicht dargetan. Auf staatsanwaltschaftliche
Ermittlungen erstreckt sich der Übertragungsbericht auch nicht, der kein allgemeiner
Geschäftsbericht ist. Soweit die Antragsgegner geltend machen, anderes müsse jedenfalls im –
hier gegebenen – Falle der Manipulation der Prüfung der Höhe der Barabfindung durch
Täuschung des bestellenden Gerichts gelten, vermag dies ebenfalls nicht zu überzeugen. Die
Antragstellerin soll nach der Darstellung der Antragsgegner zu 2) und zu 3) das bestellende
Gericht über die fehlende Existenz, Eignung und mangelnde Unabhängigkeit des
Bewertungsprüfers getäuscht haben. Dies ist jedoch schon nicht einlassungsfähig dargetan,
zumal sich mangelnde Existenz und mangelnde Eignung ausschließen und die
Bewertungsprüferin in entsprechenden Registern eingetragen war. Ergänzend kann auf die
nachfolgenden Ausführungen zur Bestellung verwiesen werden. Im Übrigen kann die
Anfechtung des Übertragungsbeschlusses ohnehin nicht darauf gestützt werden, dass die durch
den Hauptaktionär festgelegte Barabfindung nicht angemessen sei (§ 327f Satz 1 AktG).
cc) Hinsichtlich der Einberufung der Hauptversammlung (§ 121 Abs. 2 AktG) durch Vorstandsund
Aufsichtsratsbeschluss vom 20.3.2023 und die Bekanntmachung im Bundesanzeiger ergibt
sich ebenfalls kein besonders schwerer Rechtsverstoß. Zwar sind die Unterlagen bereits vor
Beschlussfassung an den Bundesanzeiger weitergegeben worden. Dass dies jedoch
Auswirkungen auf die Veröffentlichung gehabt hätte, ist nicht erkennbar. Insbesondere sind die
Unterlagen nach der erfolgten Beschlussfassung noch elektronisch nachbearbeitet worden, so
dass letztlich der tatsächlich durch die Organe getroffene Einberufungsbeschluss veröffentlicht
worden ist.
dd) Ebenso wenig ist ein besonders schwerer Rechtsverstoß im Hinblick auf die
Stimmrechtsausübung der Hauptaktionärin in der Hauptversammlung glaubhaft gemacht. Wie
sich aus den in der notariellen Niederschrift über die Hauptversammlung verzeichneten
Mehrheitsverhältnissen ergibt, wären bei einer Nichtberücksichtigung der Anteile der
Hauptaktionärin im Umfang von rund 96,90 % (vgl. Anlage 1 zur Anlage ASt22) bei der
Abstimmung über die Vertagungsanträge und den Antrag zum TOP 1 keine anderen
Abstimmungsergebnisse erzielt worden. Ausreichenden rechtlichen Anlass zur
Nichtberücksichtigung der Stimmen der Hauptaktionärin haben die Antragsgegner aber auch
nicht aufzuzeigen vermocht.
Die Verpfändung der Aktien infolge des Restrukturierungsplans stand der Stimmrechtsausübung
durch die Hauptaktionärin nicht entgegen, weil die Verpfändung an der Vollrechtsinhaberschaft
des Aktionärs in der Regel nichts ändert. Die Verpfändung führt nämlich nicht zu einem
Inhaberwechsel durch Abtretung des Rechts. Mitgliedschaftsrechte bleiben untrennbar mit dem
Eigentumsrecht an der Aktie verbunden (vgl. OLG München, Beschluss vom 12.11.2008 – 7 W
1775/08 –, Rn. 42 juris). Soweit es anders liegen kann, wenn anlässlich der Verpfändung
zusätzlich auch Stimmrechtsabsprachen getroffen werden (vgl. etwa BGH, Urteil vom
13.12.2022 – II ZR 14/21 –,
festzustellen.
Insoweit sind die Antragsgegner darlegungs- und glaubhaftmachungsbelastet. Dies übersehen
sie, wenn sie nun die Nichtvereinbarung von Stimmrechtsabsprachen mit Nichtwissen bestreiten
wollen. Mit ihrer Darlegung, warum sie solche Vereinbarungen vermuten, hatten sie zwar die
Last der Antragsgegnerin zu einem sog. substantiierten Bestreiten ausgelöst (§ 138 Abs. 2 ZPO).
Dem hat die Antragstellerin aber mit der eindeutigen Erklärung genügt, dass
Interessenschutzklauseln vorliegend nicht vereinbart seien. Eine weitergehende Darlegung ist
nicht erforderlich, zumal der bereits eindeutig vorgetragene Nichtabschluss einer Vereinbarung
bereits schlüssig ist und nicht weiter substantiiert werden kann. Dass das Vorbringen unplausibel
wäre, folgt auch nicht etwa aus der angeführten Rechtsprechung zu Interessenschutzklauseln
(vgl. BGH, Urteil vom 13.12.2022 – II ZR 9/21 –, Rn. 82 nach juris).
Nichts anderes ergibt sich schließlich aus dem Umstand, dass betreffend Vorgänge, die
außerhalb der Wahrnehmung der beweisbelasteten Partei stattgefunden haben, während der
Beweisgegner alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar wäre, nähere Angaben zu
machen, eine sekundäre Darlegungslast folgen kann, deren Umfang sich nach den Umständen
des Einzelfalls richtet (vgl. BGH, Beschluss vom 16.8.2016 – VI ZR 634/15 –, Rn. 14 nach juris
mwN.). Mehr als die Erklärung, es sei keine Vereinbarung getroffen, kann die Antragstellerin
nicht abgeben und Urkunden muss sie nicht vorlegen. Selbst wenn eine sekundäre
Darlegungslast besteht, kann eine zivilprozessuale Pflicht zur Vorlage von Urkunden durch die
nicht beweisbelastete Partei daraus nicht abgeleitet werden (vgl. BGH, Urteil vom 23.10.2007 –
XI ZR 423/06 –, Rn. 21 nach juris; BGH, Urteil vom 26.6.2007 – XI ZR 277/05 –, BGHZ 173,
23 Rn. 16 nach juris).
Dies zugrunde gelegt kann der Senat auch nicht davon ausgehen, dass die Stimmrechte der
Hauptaktionärin in der fraglichen Hauptversammlung der Antragstellerin nach §§ 59 WpÜG, 44
WpHG wegen eines meldepflichtigen acting in concert (§§ 30 Abs. 2 WpÜG, 34 Abs. 2 WpHG)
mangels dessen Mitteilung nicht bestanden hätten. Auch unter diesem Gesichtspunkt besteht
daher keine Veranlassung zur Anordnung der Vorlage des Restructuriung Plan, des Comparator
Report oder des Lock Up-Agreements. Auf den vorhergehenden Absatz sowie ergänzend auf
die Ausführungen zur sog. Vollliquidation, die entsprechend gelten, wird verwiesen.
Ohne Erfolg erklärt der Antragsgegner zu 5), er bestreite mit Nichtwissen, dass die Vollmacht
des General Counsel S. wirksam gewesen sei und sämtliche versammlungsbezogenen Rechte
enthalten habe, was ohne Vorlage der Vollmachtsurkunde nicht glaubhaft gemacht sei. Dieses
prozessuale Vorgehen verkennt die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast und setzt sich auch
nicht damit auseinander, dass die Vollmacht durch den Versammlungsleiter geprüft wurde.
Ohne Substanz bleibt schließlich der Einwand der Antragsgegner zu 2) und 3), die zu den
Tagesordnungspunkten durch die Hauptaktionärin erteilte Vollmacht habe richtigerweise nicht
die treuwidrige Ausübung von Teilnahmerechten bei schikanösem Vorenthalten von gesetzlich
zwingenden Kerninformationen über wesentliche Aspekte des Ausschlussvorhabens umfasst.
Welche Rechtsfolgen die Antragsgegner hieraus ableiten wollen, bleibt bereits unklar. Jedenfalls
ist nicht einlassungsfähig dargetan, welche gesetzlich zwingenden Kerninformationen ihnen
vorenthalten worden sein sollen. Soweit die Antragsgegner zu 2) und 3) in diesem
Zusammenhang eine fehlende Aufklärung darüber rügen, dass die Gründe für das
Nichtvorliegen des Jahresabschlusses 2022 durch eigenes pflichtwidriges Handeln der Organe
selbst gesetzt worden seien, kann dem ebenfalls nicht beigetreten werden. Denn der
Jahresabschluss 2022 war zur Hauptversammlung bereits nicht nach
auszulegen (vgl. Folgeziffer).
ee) Hinsichtlich der Beanstandungen der Antragsgegner an der erfolgten Dokumentenauslage
(§§ 327c Abs. 3 Nr. 2, Abs. 5, 327d AktG) für die Jahre 2019, 2020 und 2021 ist ebenfalls kein
besonders schwerer Rechtsverstoß zu erkennen.
(1) Insbesondere war am 28.4.2023 nicht schon der Jahresabschluss für 2022 auszulegen und ist
den Antragsgegnern daher auch nicht vorenthalten worden.
Vorzulegen sind die Jahresabschlüsse und Lageberichte „für die letzten drei Geschäftsjahre“ (§
327c Abs. 3 Nr. 2 AktG). Nachdem das Geschäftsjahr der Antragstellerin das Kalenderjahr ist (§
25 Satzung = Anlage ASt1), wäre dem Wortlaut nach zwar die Bedeutung denkbar, dass damit
auch das zur Zeit der Versammlung bereits abgelaufene Geschäftsjahr 2022 erfasst war. Dann
könnte aber ein Squeeze Out erst dann beschlossen werden, wenn die Berichterstattung für das
abgelaufene Geschäftsjahr bereits angefertigt worden ist, wofür wenig spricht (vgl. Kort NZG
2006, 604, 605 f.). Aussagekräftig ist hier der Gleichlauf mit der Vorschrift des § 175 Abs. 2
AktG, die für die ordentliche Hauptversammlung gleichfalls vorschreibt, dass der
Jahresabschluss und der Lagebericht auszulegen sind; hiermit ist aber, wie sich aus § 175 Abs. 1
und Abs. 3 AktG ergibt, nur der festgestellte Jahresabschluss gemeint. Deshalb verlangt bei
Lichte besehen auch
Jahresabschlüsse, nicht aber eines Jahresabschlusses, der lediglich vom Vorstand aufgestellt,
jedoch weder geprüft noch vom Aufsichtsrat gebilligt wurde (vgl. HansOLG Hamburg, Urteil
vom 11.4.2003 – 11 U 215/02,
Nachweise bei Kocher/Thomssen
Auffassung, aber ohne Entscheidung BGH, Beschluss vom 17.7.2006 – II ZR 163/03 –, Rn. 3
nach juris).
Etwas anderes folgt auch nicht aus Treu und Glauben (§§ 226, 242 BGB). Selbst wenn die
Antragstellerin die ursprüngliche gesetzliche Frist des § 264 Abs. 1 Satz 3 HGB (bis zum
31.3.2023) gewahrt hätte, hätte der Jahresabschluss 2022 nur 28 Tage später noch nicht geprüft
und gebilligt vorliegen müssen. Angesichts der dem Grunde nach fehlenden Auslagepflicht kann
die Antragsgegnerseite auch nicht mit Erfolg geltend machen, ihr sei in der Hauptversammlung
wahrheitswidrig mitgeteilt worden, der Abschluss liege immer noch nicht vor, obschon er am
nächsten Tag veröffentlicht worden sei. Eine Schikane (§ 226 BGB) kann hierin nicht liegen,
weil der Jahresabschluss auch im Falle seiner rechtzeitigen Aufstellung mangels Prüfung und
Billigung nicht hätte ausgelegt werden müssen. Daran vermochte – entgegen der Auffassung des
Antragsgegners zu 4) – auch das Verlangen in der Hauptversammlung nichts zu ändern. Es
kommt daher nicht einmal mehr darauf an, dass die Antragstellerin lebensnah damit rechnen
musste, dass die Vorlage des Jahresabschlusses in der bereits seit 10:00 Uhr am Vormittag
andauernden Hauptverhandlung zu erheblicher weiterer Verzögerung geführt hätte. Dann wäre
aber in sachwidriger Weise die offenbar auch aus Sicht der Antragsgegner zu knapp bemessene
Fragezeit den Fragen zu einem nicht auslegungspflichtigen Dokument gewidmet worden, was
die Debatte zu tatsächlich maßgeblichen Dokumenten behindert und verkürzt hätte.
(2) Der Jahresabschluss 2021 ist ungeachtet des Umstandes ordnungsgemäß ausgelegt worden,
dass die Abschlussprüferin K. die Nichtabgabe eines Prüfungsurteils nach § 322 Abs. 2 S. 1 Nr.
4, Abs. 5 HGB erklärt hatte (Anlage AG1-3, Seite 101 = Bd. I Blatt 158). Denn die Nichtabgabe
eines Prüfungsurteils ermöglicht – anders als der Abbruch der Prüfung – eine formal
ordnungsgemäße Beendigung der Prüfung und erlaubt damit auch die Feststellung des
Jahresabschlusses (vgl. MüKo-HGB/Ebke, 4. Aufl. 2020, § 322 Rn. 48; BeckOGKHGB/
Bormann, 15.11.2020, § 322 Rn. 81; Heidel/Schall/Schüppen, 3. Auflage 2020, HGB §
322 Rn. 18). Auf die von dem Antragsgegner zu 4) aufgeworfene Frage, ob die Nichtabgabe des
Prüfungsurteils bei alledem auf ein Verschulden des Vorstands oder eine Behinderung
zurückzuführen ist, kommt es nicht an. Für die Berücksichtigung derartiger Umstände bestünde
aber auch kein praktischer Bedarf, weil die Prüferin oder der Prüfer ggf. die Möglichkeit hat,
durch einen Abbruch der Prüfung die Verwendbarkeit des Jahresabschlusses ganz zu verhindern
(vgl. MüKo-HGB/Ebke, 4. Aufl. 2020, § 322 Rn. 48). Diesen Weg hat die Prüferin vorliegend
aber nicht gewählt, was auch eine indizielle Einschätzung ermöglicht, für wie gravierend sie die
Nichtvorlage einiger E-Mails in dem hier maßgeblichen Gesamtzusammenhang tatsächlich
gehalten haben mag.
(3) Der Jahresabschluss 2019 ist schließlich ungeachtet des Umstandes ordnungsgemäß
ausgelegt worden, dass er keinen ausdrücklichen Prüfvermerk für den Einzelabschluss trägt.
Dass eine Prüfung mit Erteilung des Bestätigungsvermerks für den Einzel-Jahresabschluss 2019
der Antragstellerin tatsächlich und mit positivem Ergebnis stattgefunden hat, ergibt sich aus
dem Bestätigungsvermerk der Prüferin E. (Anlage ASt29 = Bd. II Blatt 161 ff. d.A.). Die
Beanstandungen der BaFin betreffen nur den Konzernabschluss.
(4) Konzernunterlagen waren daneben nicht auszulegen, weil § 327 c Abs. 3 AktG seinem
Wortlaut nach eine solche Vorlagepflicht nicht vorsieht und eine darüber hinausgehende
Auslegung der Vorschrift wegen ihres abschließend enumerativen Charakters nicht in Betracht
kommt (vgl. BGH, Urteil vom 16.3.2009 – II ZR 302/06 –,
HansOLG Hamburg, Urteil vom 8.8.2003 – 11 U 45/03,
Auffassung des OLG Celle (Urteil vom 29.9.2003 – 9 U 55/03 –, OS nach juris) ist damit
überholt. Die Antragstellerin ist auch offensichtlich keine Holdinggesellschaft, sondern vielmehr
selbst operativ tätig.
ff) Ein besonders schwerer Rechtsverstoß ist auch nicht angesichts der Beanstandungen
betreffend die Ordnungsmäßigkeit der Prüfung der Barabfindung durch die sachverständige
Prüferin (§ 327c Abs. 2 Satz 2 AktG) wahrscheinlich. Die Tätigkeit der Prüfungen kann ohnehin
– ausgehend von der Beschränkung in § 327f Satz 1 AktG – nur nach formalen
Gesichtspunkten überprüft werden (vgl. KG, Beschluss vom 10.12.2009 – 23 AktG 1/09 –, Rn.
46 nach juris).
Auf dieser Grundlage geht jedoch die Rüge der Antragsgegner zu 2) und zu 3) ins Leere, die
Prüferin sei tatsächlich eine Scheinprüfungsgesellschaft, welche praktisch mit der Am.
Unternehmensberatung identisch sei. Tatsächlich ist die Auswahl und Bestellung der
sachverständigen Prüferin durch Gerichtsbeschluss nach § 327c Abs. 2 Satz 3 AktG erfolgt, der
Tatbestandswirkung entfaltet, auch wenn er dabei – was dahinstehen kann – wegen mangelnder
Eignung der Prüferin oder wegen einer Täuschung seitens der benennenden Antragstellerin über
deren Eignung rechtswidrig sein sollte. Vorsorglich sei darauf hingewiesen, dass das bestellende
Gericht eine eigene Beurteilung der Eignung vorzunehmen hat, was gerade das Ziel der erst in
der Ausschussberatung aufgenommenen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des
Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum
Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen, BT-Drs. 14/7477, S. 54)
Bestellung durch Gerichtsbeschluss war, während nach der Entwurfsfassung des
der Hauptaktionär den sachverständigen Prüfer noch selbst hatte bestellen sollen (vgl. RegE
eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und
von Unternehmensübernahmen, BT-Drs. 14/7034, S. 24). Mit den Sachargumenten der
Antragstellerin (u.a. Eintragung in Registern) setzen sich die Antragsgegner auch nicht
auseinander. Der nicht einlassungsfähige Hinweis, die Prüferin sei nach der Klageerhebung
durch die Antragsgegner zu 2) und 3) „abgetaucht“ (deren Schriftsatz vom 12.10.2023, Seite 9),
reicht hierzu ersichtlich nicht aus.
Fern liegt auch der Einwand der Nebenintervenientinnen, die sachverständige Prüferin sei
angesichts ihrer Vorbefassung befangen und daher kraft Gesetzes ausgeschlossen gewesen (§§
319 Abs. 1, Abs. 3 HGB). Hierfür gibt es keine konkreten Anhaltspunkte. In einer sog.
Parallelprüfung liegt keine unzulässige Mitwirkung am Bericht der Hauptaktionärin, sondern ein
sinnvolles Vorgehen, das eine frühzeitige Fehlerkorrektur durch den Prüfer ermöglicht und
dessen Unabhängigkeit nicht in Frage stellt (vgl. BGH, Urteil vom 18.9.2006 – II ZR 225/04 –,
Rn. 14 nach juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 3.12.2003 – 20 W 6/03 –, Rn. 20 nach juris).
gg) Kein besonders schwerer Rechtsverstoß liegt schließlich in der gerügten Verletzung von
Auskunfts- und Informationsrechten der Aktionäre in der Hauptversammlung.
Denn tatsächlich ist nach dem Maßstab des § 131 Abs. 1 AktG jedem Aktionär auf sein
Verlangen in der Hauptversammlung vom Vorstand nur insoweit Auskunft über die
Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit sie zur sachgerechten Beurteilung des
Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist, d.h. von einem objektiv urteilenden Aktionär als
Beurteilungselement benötigt wird (vgl. BGH, Urteil vom 23.2.2021 – II ZR 65/19 –, BGHZ
229, 27 Rn. 26 nach juris; BGH, Urteil vom 16.2.2009 – II ZR 185/07 –,
nach juris). Nach § 243 Abs. 4 Satz 1 AktG kann daher ein Beschluss der Hauptversammlung
wegen der Verletzung von Informationspflichten nur angefochten werden, wenn ein objektiv
urteilender Aktionär die zu erteilende Information als wesentliche Voraussetzung für die
sachgerechte Wahrnehmung seiner Teilhabe- und Mitgliedschaftsrechte angesehen hätte.
Maßgeblich ist die Relevanz des Verfahrensverstoßes für das Mitwirkungsrecht des Aktionärs im
Sinne eines dem Beschluss anhaftenden Legitimationsdefizits, das bei einer wertenden, am
Schutzzweck der verletzten Norm orientierten Betrachtung die Rechtsfolge der Anfechtbarkeit
rechtfertigt (vgl. BGH, Urteil vom 23.2.2021 – II ZR 65/19 –,
Nach diesem Maßstab gehen die Beanstandungen ins Leere.
Die Immobiliengutachten der Antragstellerin waren zur sachgerechten Beurteilung des
Gegenstands der Tagesordnung ebenso wenig erforderlich wie die Vorlage des Comparator
Report, bei dem es sich zudem nicht um eine Unterlage der Hauptaktionärin handelt, sondern
um eine solche der AGPS BondCo plc., in welcher die Anleiheverbindlichkeiten restrukturiert
wurden.
Der Restructuring Plan war nicht vorzulegen, zumal dessen wesentlichen Bestandteile im
Übertragungsbericht enthalten waren. Hieran vermag auch die durch nichts unterlegte
Behauptung des Antragsgegners zu 4) etwas zu ändern, der Restructuring Plan sei die Ursache
des Squeeze Out. Auf die Motivation der Hauptaktionärin kommt es nicht an. Nochmals: Der
von einem Hauptaktionär verfolgte Zweck, mittels eines Squeeze Out Behinderungen bei der
Unternehmensführung (einschließlich der Konzernführung) durch die Inhaber von Klein- und
Kleinstbeteiligungen zu vermeiden, ist grundsätzlich legitim, ohne dass es auf das Vorliegen
zusätzlicher (übergeordneter) unternehmerischer Gründe im Einzelfall ankommt (vgl. BVerfG,
Nichtannahmebeschluss vom 19.9.2007 – 1 BvR 2984/06 –, Rn. 8 nach juris).
Es ist auch nicht zu erkennen, dass die Antragstellerin den Aktionären gegenüber in der
Hauptversammlung zu etwaigen Schadensersatzforderungen gegen derzeitige oder frühere
Organmitglieder hätte ausführen müssen. Der Antragsgegner zu 4) stützt sich hier ersichtlich auf
die Nichtabgabe eines Prüfungsurteils nach § 322 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 5 HGB durch die
Abschlussprüferin für den Jahresabschluss des Jahres 2021. Dieser Jahresabschluss war aber
schon nicht Gegenstand der Beschlussfassung zum TOP 1, die in den fraglichen
Anfechtungsklagen angegriffen ist. Vielmehr war zu dieser Frage die Bestellung eines
Sonderprüfers in der virtuellen Hauptversammlung des Jahres 2022 abgelehnt und hierauf ein
Bestellungsverfahren nach § 142 Abs. 2 AktG vor dem Landgericht Berlin eingeleitet worden,
welches zur Zeit der Durchführung der Hauptversammlung des Jahres 2023 in der
Eingangsinstanz anhängig war.
Einen besonders schweren Rechtsverstoß vermag es auch nicht darzustellen, dass die
Antragstellerin – wie die Antragsgegnerin zu 1) geltend macht – die Fragen „Bitte erläutern Sie
die Verpfändung der A.-Aktien an Finanzgeber und die Verpfändungsstruktur. Wer sind die
Kreditgeber? Was ist Inhalt der Verpfändungsverträge? Wurde das Stimmrecht an verpfändeten
Aktien übertragen?“ nicht beantworten mochte. Zunächst ist im Tatsächlichen davon
auszugehen, dass die Frage – die in Textform zu stellen war – so gestellt wurde, dass es statt
„Verpfändungsverträge“ richtig „Verpfändungsrechte“ heißen muss (Anlage ASt22, Seite 9).
Sodann kann auf die obigen Ausführungen zur – fehlenden – Auswirkung der Verpfändung auf
das Stimmrecht verwiesen werden. Ferner ist bei der Beantwortung von Fragen anderer
Aktionäre darauf hingewiesen worden, dass keine Vereinbarung zum Stimmrecht getroffen
worden ist (Anlage ASt31 = Bd. II Blatt 174 d.A.). Daneben erschien eine Beantwortung der
Frage nach dem Inhalt der Verpfändungsrechte nicht zur Beurteilung eines Gegenstands der
Tagesordnung erforderlich. Der hiergegen angeführten Rechtsprechung (vgl. OLG München,
Beschluss vom 12.11.2008 – 7 W 1775/08 –, juris) lässt sich nicht entnehmen, dass
Minderheitsaktionäre über die rechtlichen Auswirkungen einer Verpfändung zu informieren
seien. Im Gegenteil geht das OLG München aaO. davon aus, dass die dort erhobenen
Anfechtungs-/Nichtigkeitsklagen offensichtlich unbegründet sind.
Ein besonders schwerer Rechtsverstoß liegt auch nicht darin, dass die Antragstellerin – wie die
Antragsgegnerin zu 1) geltend macht – den zweiten Teil der Frage mit „Welche Auswirkung hat
die Verpfändung auf die Hauptaktionärseigenschaft der A. S.A. zum heutigen Tag und danach?“
nicht beantworten mochte (Anlage ASt22, Seite 9). Hierbei handelte es sich schon nicht um eine
Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft, sondern um die Bitte um Beantwortung
einer Rechtsfrage. Die entsprechenden Tatsachen – keine Vereinbarung zum Stimmrecht –
waren bereits benannt worden. Insoweit kann auf den vorhergehenden Absatz verwiesen
werden.
Ein besonders schwerer Rechtsverstoß liegt schließlich nicht darin, dass die Antragstellerin – wie
der Antragsgegner zu 4) geltend macht – Fragen zu den Geschäften mit nahestehenden
Personen und zum Restrukturierungskonzept nicht beantworten mochte. Ein Zusammenhang
der Fragen zu Geschäften mit nahestehenden Personen zur anstehenden Beschlussfassung ist
nicht erkennbar, zumal sich das fragliche Geschehen bereits in 2021 zugetragen haben soll.
Hinsichtlich des Restrukturierungskonzepts kann auf die vorstehenden Ausführungen verweisen
werden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Bei Rücknahme
einer Nebenintervention trägt deren Kosten der Streithelfer (vgl. BGH, Beschluss vom
17.1.1995 – X ZR 118/94 –, BPatGE 35, 283, Rn. 5; Musielak/Voit/Foerste, 20. Aufl. 2023,
ZPO § 269 Rn. 12).
Der Beschluss ist nach § 327e Abs. 2 AktG iVm. § 319 Abs. 6 Satz 9 AktG unanfechtbar.
Die Wertfestsetzung folgt aus § 327e Abs. 2 AktG iVm. §§ 319 Abs. 6 Satz 2, 247 Abs. 1 AktG.
Entscheidung, Urteil
Gericht:Kammergericht
Erscheinungsdatum:16.10.2023
Aktenzeichen:2 AktG 1/23
Rechtsgebiete:
Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht
Aktiengesellschaft (AG)
Konzernrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
AktG §§ 142, 327a; HGB § 322