Geschäftswert im Grundbuchverfahren; Bodenrichtwert
letzte Aktualisierung: 20.2.2025
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.12.2024 – 19 W 18/23 (Wx)
GNotKG §§ 22, 46 Abs. 2 Nr. 3, 52, 83
Geschäftswert im Grundbuchverfahren; Bodenrichtwert
Ist für ein Grundstück ein Bodenrichtwert veröffentlicht, kann dieser für die Schätzung des
Geschäftswerts im Grundbuchverfahren auch dann in vollem Umfang herangezogen werden, wenn
das betroffene Grundstück ebenso wie die benachbarten Grundstücke nur teilweise bebaubar ist.
Gründe
Die Beteiligten zu 1 und 2 wenden sich gegen die Wertfestsetzung des Amtsgerichts Mannheim
- Grundbuchamt - für den Eigentumswechsel und die Einräumung eines Nießbrauchrechts an
den beiden im Tenor genannten Grundstücken.
1. Die Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 2 gemäß
und auch im Übrigen zulässig. Sowohl der Beteiligte zu 1 als auch der Beteiligte zu 2 sind durch
die Geschäftswertfestsetzung beschwert, da der Eintragungsantrag des Beteiligten zu 3 als im
Namen beider Beteiligten gestellt auszulegen ist und diese daher Kostenschuldner nach § 22
GNotKG sind. Gibt der Notar nicht an, für wen er den Antrag stellt, gilt der Antrag als im
Namen aller Antragsberechtigten gestellt (OLG München
Korintenberg/Wische, GNotKG, 22. Aufl., § 22 Rn. 6). Dies sind hier sowohl der Beteiligte zu
1 (für die Eintragung des Nießbrauchsrechts und der Vormerkung) als auch der Beteiligte zu 2
(für die Eintragung des Eigentumswechsels). Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt
200,00 EUR. Die Beschwerde wurde von den Beteiligten zu 1 und 2 in der Frist des §§ 83
Abs. 1 Satz 3, 79 Abs. 2 Satz 2 GNotKG eingelegt.
2. Die Beschwerden sind teilweise begründet.
a. Der Geschäftswert für die Eigentumsübertragung an dem Grundstück W. wird auf 900.000,00
EUR festgesetzt.
Soweit die Beteiligten zu 1 und 2 vereinbart hatten, dass das Eigentum an diesem Grundstück
von dem Beteiligten zu 1 auf den Beteiligten zu 2 übertragen wird, gingen sie im Vertrag (§ 9
Abs. 1) übereinstimmend von einem Wert von 400.000,00 EUR aus.
Das Grundbuchamt hat den Wert in dem angefochtenen Beschluss auf 1.735.000,00 EUR
festgesetzt. Hinsichtlich des Grundstückswerts hat es sich auf den Bodenrichtwert gemäß Boris
BW gestützt (735.000,00 EUR, 1.050 qm x 700 EUR/qm). Für das Gebäude hat es einen
Sachwert von 1.000.000,00 EUR mit der Begründung geschätzt, ein Zweifamilienhaus mit
entsprechender durchschnittlicher Ausstattung sei in W. nicht unter diesem Betrag zu
bekommen. Die gesamte B., insbesondere W. mit seiner Altstadt, sei im Bereich von Immobilien
sehr teuer, dies sei allgemein bekannt.
Gemäß
gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit der Sache unter Berücksichtigung aller
den Preis beeinflussenden Umstände bei einer Veräußerung zu erzielen wäre (Verkehrswert).
Steht dieser Verkehrswert nicht fest, kann er gemäß
von amtlich bekannten Tatsachen bestimmt werden; eine Beweisaufnahme zur Feststellung des
Verkehrswerts findet nicht statt,
gelten auch veröffentlichte Bodenrichtwerte; sie ergeben, soweit veranlasst, mit Zu- und
Abschlägen für den Einzelfall Mindestwerte (Korintenberg/Tiedtke, GNotKG, 22. Aufl., § 46
Rn. 35). Ohne Erfolg wendet sich die Beschwerde dagegen, dass das Grundbuchamt in Bezug
auf das gesamte Grundstück den Bodenrichtwert gemäß Boris BW zugrunde gelegt hat. Zwar
mag dieses nur im vorderen Bereich bebaubar sein. Dies hat es jedoch mit den benachbarten
Grundstücken gemeinsam. Als Bodenrichtwert bezeichnet man den durchschnittlichen Lagewert
des Bodens für eine Mehrheit von Grundstücken innerhalb eines abgegrenzten Gebiets, wobei
die Grundstücke nach Art und Maß der Nutzbarkeit weitgehend übereinstimmen müssen
(Korintenberg/Tiedtke, 22. Aufl. 2022, GNotKG § 46 Rn. 15, beck-online). Eine
Differenzierung ist daher nicht geboten, auch nicht im Hinblick auf die möglicherweise
uneingeschränkte Bebaubarkeit der Grundstücke jenseits der F.-straße. Soweit die Beteiligten zu
1 und 2 auf Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Festsetzung des Bodenrichtwerts
verweisen, hat das Finanzgericht Baden-Württemberg diese gerade nicht bestätigt; danach ist der
gemäß § 38 Abs. 1 LGrStG vorgegebene pauschale Ansatz des Bodenrichtwerts des
Richtwertgrundstücks einer Zone für alle Grundstücke dieser Zone ohne Berücksichtigung der
Besonderheiten des einzelnen zu bewertenden Grundstücks, auch bei einer Abweichung des
Verkehrswerts bis zu 30 Prozent verfassungsrechtlich zulässig (Urteil vom 11. Juni 2024, 8 K
2368/22, dort Rn. 90ff.; derzeit im Revisionsverfahren, BFH, II R 27/24). Gründe für eine
abweichende Bewertung im Wertfestsetzungsverfahren sind nicht ersichtlich. Lediglich in Bezug
auf die zugunsten des Nachbargrundstücks übernommene Baulast kommt ein gewisser
grundstücksbezogener Abschlag in Betracht, der mit 10.000,00 EUR anzusetzen ist. Die Baulast
dürfte nach den vorgelegten Unterlagen einen Randstreifen von maximal 15 qm betreffen. Der
Grundstückswert ist daher mit 725.000,00 EUR in Ansatz zu bringen.
Zu Recht wenden sich die Beteiligten zu 1 und 2 jedoch dagegen, dass das Grundbuchamt
zusätzlich einen Sachwert für das Gebäude von 1.000.000,00 EUR in Ansatz gebracht und
diesen zu dem Wert des Grundstücks hinzuaddiert hat. Die Begründung des Grundbuchamts,
ein Zweifamilienhaus mit entsprechender durchschnittlicher Ausstattung sei in W. nicht unter
1.000.000,00 EUR zu erhalten, ist bereits deshalb nicht tragfähig, weil ein solcher Kaufpreis
dann nicht nur den Sachwert des Gebäudes, sondern auch das Grundstück umfasst. Einen
Brandversicherungswert haben die Beteiligten zu 1 und 2 nicht mitgeteilt, ein solcher sei ihnen
nicht bekannt. Anhaltspunkte für die Schätzung des Gebäudewertes ergeben sich daher nur aus
den Angaben der Beteiligten zu 1 und 2. Danach ist das Wohnhaus ein sog. „…haus“ aus dem
Baujahr 1937 und wurde 1980 erweitert und umgebaut. Es hat eine Wohnfläche von 197 qm,
einen Keller und eine Garage älteren Baujahrs. 2011 hat der Beteiligte zu 1 das Grundstück zum
Kaufpreis von 330.000,00 EUR erworben, 2012 wurden Fenster ausgetauscht und eine
Gasheizung eingebaut. Das Gebäude ist ebenso wie das Dach ungedämmt und
sanierungsbedürftig, der Keller ist feucht. Ausgehend von einer durchschnittlichen
Lebenserwartung eines freistehenden Ein- bzw. Zweifamilienhauses von 100 Jahren, damit einer
zu erwartenden restlichen Lebenserwartung zum Zeitpunkt der Beurkundung von 15 Jahren,
und der fehlenden energetischen Ertüchtigung ist der Verkehrswert des bebauten Grundstücks
nur durch eine moderate Erhöhung des Werts des unbebauten Grundstücks zu bestimmen. Dies
scheint auch nach einer vergleichenden Betrachtung der bei www.immobilienscout24.de in
näherer Umgebung des hier maßgeblichen Grundstücks angebotenen Häuser plausibel.
Der Geschäftswert für die Eigentumsübertragung wird daher auf 900.000,00 EUR festgesetzt.
b. Der Geschäftswert für den Nießbrauch an dem Grundstück in W. wird gemäß § 52 Abs. 4, 5
GNotKG mit 450.000,00 EUR bewertet (Jahreswert 5 % = 45.000,00 EUR; 10facher Wert
gemäß
c. Nicht zu beanstanden ist, dass das Grundbuchamt den Wert für die Eigentumsübertragung an
dem Grundstück G. auf der Grundlage des Bodenrichtwerts auf 7.314,00 EUR festgesetzt hat
(1.219 qm x 6,00 EUR).
Zwar hatten die Beteiligten zu 1 und 2 diesen Wert im Vertrag mit 4.000,00 EUR angegeben.
Auch insofern ist jedoch aus den unter a. genannten Gründen der Bodenrichtwert
heranzuziehen, der sich für dieses Grundstück auf 6,00 EUR/qm beläuft. Dass - wie die
Beteiligten zu 1 und 2 vortragen - nach Rücksprache mit Landwirten ein Preis von 3,00 bis 6,00
EUR erzielbar sei und nur Liebhaber für bestimmte Grundstücke Höchstpreise bezahlten,
gebietet für die Geschäftswertfestsetzung ebenfalls keine andere Bewertung.
d. Der Geschäftswert für den Nießbrauch an dem Grundstück in G. wird gemäß § 52 Abs. 4, 5
GNotKG auf 3.657,00 EUR festgesetzt.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Karlsruhe
Erscheinungsdatum:19.12.2024
Aktenzeichen:19 W 18/23 (Wx)
Rechtsgebiete:Kostenrecht
Normen in Titel:GNotKG §§ 22, 46 Abs. 2 Nr. 3, 52, 83