BGH 27. September 2019
V ZR 1/18
BGB §§ 154 Abs. 2, 679, 742, 745 Abs. 2, 748, 1020 S. 2

Grunddienstbarkeit; Beteiligung der Anlieger eines Privatwegs an Unterhaltungs- und Instandhaltungskosten; Kosten für Haftpflichtversicherung, Immobilienverwaltungsgesellschaft und Kontoführung

BGB §§ 154 Abs. 2, 679, 742, 745 Abs. 2, 748, 1020 S. 2
Grunddienstbarkeit; Beteiligung der Anlieger eines Privatwegs an Unterhaltungs- und Instandhaltungskosten; Kosten für Haftpflichtversicherung, Immobilienverwaltungsgesellschaft und Kontoführung

1. Die Nichtunterzeichnung der Vertragsurkunde führt nach der Auslegungsregel des § 154 Abs. 2 BGB im Zweifel zum Scheitern des Vertragsschlusses, wenn die Vertragsurkunde nach dem Willen der Vertragsbeteiligten konstitutive Bedeutung hat. § 154 Abs. 2 BGB ist auch auf privatschriftliche Urkunden anzuwenden.

2. Sind die Berechtigten einer Grunddienstbarkeit und der Eigentümer des dienenden Grundstücks zur gleichberechtigten Mitbenutzung des Grundstücks befugt, so können sie voneinander in entsprechender Anwendung des § 745 Abs. 2 BGB eine Regelung verlangen, wonach die Unterhaltungspflicht für die der Ausübung der Dienstbarkeit dienenden Anlagen einheitlich wahrgenommen wird, wenn anders eine geordnete und sachgerechte Erfüllung dieser Pflicht nicht gewährleistet ist. Die Kosten für die einheitliche Wahrnehmung der Unterhaltungspflicht tragen in einem solchen Fall entsprechend §§ 748, 742 BGB anteilig die Dienstbarkeitsberechtigten und der mitnutzungsberechtigte Grundstückseigentümer. (Leitsätze der DNotI-Redaktion)

BGH, Urt. v. 27.9.2019 – V ZR 1/18

Problem
Der Kläger ist Eigentümer eines Privatwegs, der 2008 zu Erschließungszwecken ausgebaut wurde. An diesen Privatweg grenzen zahlreiche Grundstücke (weit über 100). Der Beklagte ist Eigentümer eines dieser Anliegergrundstücke. Zugunsten der Anliegergrundstücke ist auf dem Privatweggrundstück eine Vielzahl von Grunddienstbarkeiten eingetragen.

Um die Beteiligung der Anlieger an Unterhaltungs- und Anliegerkosten zu sichern, vereinbarte der Kläger mit den Anliegern teils die Bestellung von Reallasten, teils schloss er mit ihnen schriftliche Vereinbarungen über die Kostenbeteiligung.

Auch dem Beklagten legte der Kläger eine entsprechende schriftliche Vereinbarung vor. Die Parteien unterschrieben diese Vereinbarung jedoch nicht, da sie sich über die Höhe und den Umfang der Kostenbeteiligung nicht einig waren. Auch die Bestellung einer Reallast vereinbarten die Parteien nicht.

Gleichwohl wurde zugunsten des Anliegergrundstücks des Beklagten eine Grunddienstbarkeit eingetragen und der Beklagte beteiligte sich bis einschließlich 2010 an den Unterhaltungs- und Instandhaltungskosten.

Gegenstand der geltend gemachten Unterhaltungs- und Instandhaltungskosten waren u. a. Kosten für eine Haftpflichtversicherung, eine Immobilienverwaltungsgesellschaft und die Kontoführung. Aufgrund eines im Berufungsverfahren zwischen den Parteien geschlossenen Teilvergleichs hatte der BGH nur noch über diese Kosten zu entscheiden.

Entscheidung
Die Vorinstanz verneinte einen Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Beteiligung an den Unterhaltungs- und Instandhaltungskosten. Ein Anspruch auf vertraglicher Grundlage bestehe nicht, weil keine entsprechende Vereinbarung zustande gekommen sei. Gegen das Zustandekommen spreche bereits die Auslegungsregel des § 154 Abs. 2 BGB. Allein der Umstand, dass die Grunddienstbarkeit im Grundbuch eingetragen sei und der Beklagte sich anfänglich an den Unterhaltungs- und Instandhaltungskosten beteiligt habe, genüge für die Begründung eines Vertragsverhältnisses nicht. Auch ein Anspruch nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag sei zu verneinen. Zwar treffe den Beklagten aufgrund der bestellten Grunddienstbarkeit gem. § 1020 BGB eine Erhaltungspflicht, Haftpflichtversicherung, Verwaltungskosten und Kontoführungsgebühren dienten jedoch nicht dem Erhalt des Privatwegs.

Nach Auffassung des BGH hält die Ansicht des Berufungsgerichts rechtlicher Prüfung nicht stand: Das Berufungsgericht habe zwar zunächst rechtsfehlerfrei festgestellt, dass ein Vertrag zwischen den Parteien nicht zustande gekommen sei. Gem. § 154 Abs. 2 BGB, der auch für privatschriftliche Urkunden gelte, führe die Nichtunterzeichnung einer Vertragsurkunde nämlich im Zweifel zum Scheitern des Vertragsschlusses. Voraussetzung sei, dass die Vertragsunterzeichnung nach dem Willen der Vertragsparteien konstitutive Wirkung habe, die Unterzeichnung also z. B. nicht nur Beweiszwecken diene (Letzteres könne der Fall sein, wenn die Vertragsparteien durch den Vollzug des Vertrags zu erkennen gäben, dass dieser wirksam werden solle). Nach diesen Maßstäben sei die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden.

Der BGH bejaht jedoch einen Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Beteiligung an den Unterhaltungs- und Instandhaltungskosten dem Grunde nach entsprechend §§ 745 Abs. 2, 748, 742 BGB. Der Berechtigte einer Grunddienstbarkeit und der Eigentümer des dienenden Grundstücks könnten voneinander gem. § 745 Abs. 2 BGB analog eine Regelung verlangen, wonach die Unterhaltung der dienenden Anlagen einheitlich wahrgenommen werde, wenn der Berechtigte der Grunddienstbarkeit und der Eigentümer in gleicher Weise zur Nutzung berechtigt seien und ohne einheitliche Wahrnehmung der Unterhaltungspflicht deren geordnete und sachgerechte Erfüllung nicht möglich sei. Die Kosten trügen in diesem Fall der Dienstbarkeitsberechtigte und der Eigentümer des dienenden Grundstücks jeweils anteilig.

Die Voraussetzungen einer solchen Regelung seien im vorliegenden Sachverhalt wegen der erheblichen räumlichen Ausdehnung des dienenden Grundstücks, dessen Bedeutung für die Erschließung der Anliegergrundstücke und der Vielzahl der Dienstbarkeitsberechtigten (weit über 100) gegeben. Der Kläger könne auf dieser Grundlage auch verlangen, dass die Unterhaltungspflicht allein durch ihn erfüllt werde. Dies entspreche billigem Ermessen. Bereits bisher habe der Kläger die Unterhaltungspflichten mit dem Einverständnis des Beklagten wahrgenommen. Die schriftliche Vereinbarung über die Beteiligung an den Unterhaltungs- und Instandhaltungskosten sei nicht daran gescheitert, dass der Kläger diese Pflichten erfülle, sondern wegen des Umfangs und der Höhe der umgelegten Kosten.

Über die genaue Höhe des Anspruchs konnte der BGH mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden. Er hat das Urteil deshalb aufgehoben und mangels Entscheidungsreife an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

27.09.2019

Aktenzeichen:

V ZR 1/18

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Dienstbarkeiten und Nießbrauch

Erschienen in:

DNotI-Report 2019, 180-182

Normen in Titel:

BGB §§ 154 Abs. 2, 679, 742, 745 Abs. 2, 748, 1020 S. 2