Keine Falschbeurkundung im Amt bei unrichtiger Angabe über Art der Personenfeststellung in der Urkunde
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Dokumentnummer: 2str241_04
letzte Aktualisierung: 30.09.2004
BGH, 06.08.2004 - 2 StR 241/04
Keine Falschbeurkundung im Amt bei unrichtiger Angabe über Art der
Personenfeststellung in der Urkunde
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 241/04
vom
6. August 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Falschbeurkundung im Amt
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 6. August 2004 gemäß
1. Auf die Revision des Angeklagten L. wird das Urteil des Landgerichts
Limburg (Lahn) vom 6. Februar 2004 - auch hinsichtlich des
Angeklagten R. - mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über
die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten L. wegen Falschbeurkundung im
Amt zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung
zur Bewährung ausgesetzt wurde. Seine auf die Verletzung formellen und
materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.
1. Nach den Feststellungen beurkundete der als Rechtsanwalt und
Notar tätige Angeklagte auf Veranlassung des Mitangeklagten Werner R. am 1.
Juli 1999 einen Gesellschaftsvertrag zwischen dem Mitangeklagten und dessen
Sohn Thomas R. über die Gründung einer GmbH. In der notariellen Urkunde
stellte der Angeklagte fest, daß die genannten Personen vor ihm erschienen und
daß sie ihm jeweils von Person bekannt seien.
Tatsächlich nahm der geistig behinderte Sohn des Mitangeklagten an
dem Termin nicht teil; er befand sich aufgrund eines schweren Schädel-HirnTraumas zum Zeitpunkt der Beurkundung in intensivmedizinischer stationärer
Behandlung. Die Beurkundung fand entweder in der Kanzlei des Angeklagten
oder in einem Pkw im Hof der Kanzlei statt. Außer dem Angeklagten nahm
daran entweder nur der Mitangeklagte Werner R. oder dieser und der –
inzwischen verstorbene - G. D. oder eine andere dritte Person teil, die als
Thomas R. auftrat. Die Urkunde wurde daher nicht von Thomas R., sondern
entweder von seinem Vater oder von der dritten Person mit verstellter Schrift
unterzeichnet.
Das Landgericht konnte nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen,
welche der genannten Sachverhaltsvarianten vorlag. Es konnte ebenfalls nicht
feststellen, ob dem Angeklagten für den Fall, daß eine dritte Person erschienen
war, bewußt war, daß es sich bei dieser Person nicht um Thomas R. handelte,
oder ob er dies irrig annahm; der Tatrichter hat daher letzteres zu Gunsten des
Angeklagten angenommen. Die Verurteilung wegen Falschbeurkundung im Amt
hat das Landgericht auf die Feststellung gestützt, der Angeklagte habe gewußt,
daß er die Identität der möglicherweise als Thomas R. auftretenden Person
nicht wie von ihm beurkundet aufgrund eigener Bekanntschaft festgestellt habe;
er habe daher vorsätzlich der Wahrheit zuwider beurkundet, sich über die
Identität des Thomas R. pflichtgemäß Gewißheit verschafft zu haben.
2.
Auf
diese
Feststellungen
konnte
der
Schuldspruch
wegen
Falschbeurkundung im Amt gemäß
Dies würde, wie das Landgericht im Grundsatz nicht verkannt hat, voraussetzen,
daß sich die inhaltlich unrichtige Beurkundung auf eine Tatsache bezieht, die in
der Urkunde mit Beweiswirkung für und gegen jedermann festgestellt wird
(ständ. Rspr.; vgl.
f.). Dazu gehören insbesondere solche Tatsachen, deren Angabe gesetzlich
zwingend vorgeschrieben ist; in der Regel nicht dagegen solche Tatsachen, die
weder nach dem Gesetz noch nach anderen Vorschriften zwingend nach dem
Gesetz noch nach anderen Vorschriften zwingend anzugeben sind und deren
unwahre
Kundgabe
die
Wirksamkeit
der
Beurkundung
nicht
berührt
(Senatsurteil vom 25. Mai 2001 - 2 StR 88/01 =
a) Die Feststellung, auf welche Weise der Notar sich Gewißheit über die
Identität der Beteiligten verschafft hat, gehört - anders als die Identität der
Personen selbst - nicht zu den rechtlich erheblichen Tatsachen im Sinne von §
348 Abs. 1 Satz 1 StGB.
Nach
ob der Notar die Beteiligten kennt oder wie er sich Gewißheit über ihre Person
verschafft hat. Selbst wenn der Notar sich diese Gewißheit nicht verschaffen
kann, ist die Niederschrift auf Verlangen der Beteiligten aufzunehmen; in diesem
Fall soll gemäß
Niederschrift angeben. Hieraus folgt, daß noch nicht einmal der Umstand, daß
der Notar sich über die Identität der erschienenen Personen nicht sicher ist,
zwingend in die Niederschrift aufzunehmen ist. Dann kann aber, wenn er - wie
hier unterstellt - subjektive Gewißheit über die Identität tatsächlich erlangt hat,
nicht mit Beweiskraft für und gegen jedermann beurkundet sein, ob er die
Person kannte, ob ihm ein Personaldokument vorgelegt wurde oder ob er sich
die Gewißheit auf irgendeine andere Weise verschafft hat. Dagegen spricht
auch die Irrtumsanfälligkeit dieser Feststellungen.
b) Dies hat das Landgericht nicht zutreffend gesehen. Es hat
ausgeführt,
die
Bedeutung
der
Identitätsfeststellung
erfordere
es,
die
Beweiskraft der öffentlichen Urkunde "auf die pflichtgemäße Überprüfung der
Identität der Beteiligten" zu erstrecken (UA S. 35). Diese Erwägung läßt die
kaum
lösbare
Verbindung
zwischen
Identitätsprüfung
und
subjektiver
Vorstellung von der Identität außer Betracht: Wenn, wie das Landgericht hier entgegen einer Vielzahl von Indizien - unterstellt hat, der Notar subjektiv davon
überzeugt ist, die Identität einer erschienenen Person zu kennen, so könnte sich
sein Vorsatz allenfalls dann auf eine pflichtwidrige Gewinnung dieser
Überzeugung beziehen, wenn die Identitätsfeststellung bestimmten formalen
Regeln zu folgen hätte. Das ist aber nicht der Fall. Davon geht auch das
Landgericht inzident aus: Wenn der Angeklagte den Thomas R. weder
persönlich kannte noch sich einen Ausweis vorlegen ließ, so muß er seine
Überzeugung, es handele sich bei der erschienenen Person um Thomas R., auf
andere, im Urteil nicht genannte Weise gewonnen haben. Nach dem
Zusammenhang der Feststellungen drängt sich die Annahme auf, daß der
Mitangeklagte Werner R. die - möglicherweise – erschienene dritte Person als
seinen Sohn vorstellte. Dies könnte aber grundsätzlich zur Identitätsfeststellung
ausreichen und auch die Feststellung rechtfertigen, der Erschienene sei dem
Notar "von Person bekannt". Da der Angeklagte den Mitangeklagten Werner R.
persönlich seit langem kannte und dieser das Erscheinen seines Sohnes möglicherweise - angekündigt hatte, könnte dies auch die Aufnahme der
Formulierung in die vorbereitete Urkunde erklären.
Das angefochtene Urteil äußert sich hierzu nicht und läßt daher im
Ergebnis offen, auf welcher tatsächlichen Grundlage die - nach den im übrigen
festgestellten Umständen eher fern liegende - Annahme beruht, der Angeklagte
sei, wenn denn überhaupt eine dritte Person an dem unter dubiosen Umständen
durchgeführten
Beurkundungstermin
teilnahm,
hinsichtlich
ihrer
Identität
gutgläubig gewesen. Mit dieser gleichsam "in der Luft" hängenden Unterstellung
zugunsten des Angeklagten hat sich das Landgericht aber zugleich die
tatsächlichen Grundlagen für die Verurteilung entzogen, denn wenn der
Angeklagte sicher war, die erschienene Person sei Thomas R., so mußte er
diese Gewißheit in irgendeiner - von ihm als ausreichend angesehenen - Weise
gewonnen haben; in diesem Fall konnte er aber nicht zugleich annehmen, sich
diese Gewißheit nicht pflichtgemäß verschafft zu haben.
c) Soweit der Generalbundesanwalt darauf hingewiesen hat, die
Beweiskraft der notariellen Urkunde beziehe sich auch auf die Personenidentität
der Erklärenden, so trifft dies den hier vorliegenden Sachverhalt nicht, denn
hinsichtlich der unzweifelhaft objektiv falsch beurkundeten Identität der Person
handelte der Angeklagte nicht vorsätzlich.
3. Eine Entscheidung nach
weil neue Feststellungen möglich sind, welche eine Verurteilung nach § 348
Abs. 1 StGB tragen. Das wäre offensichtlich der Fall, wenn sich in der neuen
Verhandlung herausstellte, daß eine dritte Person nicht anwesend war, aber
auch dann, wenn der neue Tatrichter unter zusammenfassender Würdigung der
Beweisanzeichen zur Feststellung gelangen würde, der Angeklagte habe
zumindest billigend in Kauf genommen, daß die - möglicherweise – erschienene
Person nicht Thomas R. war.
4. Die Aufhebung war gemäß
Werner
R.
zu
erstrecken.
Diesen
hat
das
Landgericht
wegen
Urkundenfälschung, wahlweise Anstiftung zur Urkundenfälschung, in Tateinheit
mit
versuchter
mittelbarer
Falschbeurkundung,
wahlweise
Beihilfe
zur
Falschbeurkundung im Amt, unter Einbeziehung von fünf Einzelstrafen aus einer
früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem
Monat verurteilt.
Die Verurteilung wegen Urkundenfälschung oder Anstiftung zur
Urkundenfälschung ist von dem Rechtsfehler, der zur Aufhebung des Urteils
gegen den Angeklagten L. führt, zwar nicht berührt. Dagegen liegt der
tateinheitlichen Verurteilung wegen versuchter mittelbarer Falschbeurkundung
oder Beihilfe zur Falschbeurkundung im Amt dieselbe rechtsfehlerhafte Ansicht
zugrunde, die Methode der Feststellung der Personenidentität sei eine rechtlich
erhebliche Tatsache im Sinne von
tateinheitlichen Zusammenhangs war die Verurteilung des nicht revidierenden
Angeklagten Werner R. daher im Wege der Erstreckung gemäß
insgesamt aufzuheben.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:06.08.2004
Aktenzeichen:2 StR 241/04
Rechtsgebiete:Beurkundungsverfahren
Erschienen in:
DNotZ 2005, 213-214
NJW 2004, 3195-3196
StGB § 348; BeurkG § 10