Schadensersatzanspruch eines Grundstückskäufers wegen eines (vermeintlichen) Beseitigungsanspruchs des Nachbarn
letzte Aktualisierung: 5.11.2021
OLG Rostock, Beschl. v. 26.1.2021 – 3 U 3/20
BGB §§ 437 Nr. 3, 440, 912, 1004 Abs. 1
Schadensersatzanspruch eines Grundstückskäufers wegen eines (vermeintlichen) Beseitigungsanspruchs des Nachbarn
1. Der Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass der Beklagte für die
Beeinträchtigung als Störer verantwortlich ist. Dazu reicht der bloße Umstand des Eigentums an
demjenigen Grundstück, von dem die Einwirkung ausgeht, nicht aus. Die Beeinträchtigung muss
vielmehr wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers zurückgehen.
2. Handlungsstörer ist, wer die Beeinträchtigung durch seine Handlung oder pflichtwidrige
Unterlassung adäquat verursacht hat.
3. Zustandsstörer ist der Eigentümer/Besitzer oder Verfügungsbefugte einer Sache, von der eine
Beeinträchtigung ausgeht, wenn die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf seinen Willen
zurückgeht. Ausreichend ist, dass der das Eigentum beeinträchtigende Zustand durch den
maßgebenden Willen des Eigentümers aufrechterhalten wird.
Gründe
I.
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg
vom 05.12.2019, Az. 4 O 336/19, gemäß
einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg
hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung
des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die
Berufung nicht geboten ist.
Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses
Hinweises.
II.
1.
Die Kläger begehren von den Beklagten Schadensersatz aufgrund eines Grundstückskaufes.
Die Kläger erwarben mit notariellem Vertrag vom 24.08.2012 von den Beklagten das im
Grundbuch von P., Blatt 879, Gemarkung P., Flur 27, Flurstück 491/5 verzeichnete
Grundstück.
Auf dem Nachbargrundstück befindet sich ein Zaun nebst Hecke, welche vor Übergabe des
Grundstücks errichtet worden waren. Vor Abschluss des Kaufvertrages sahen die Kläger die
dem Kaufvertrag beigefügte Flurkarte ein. Aus dieser war für sie der Grenzverlauf
ersichtlich, während Zaun und Hecke vollständig auf dem nachbarlichen Grundstück
belegen sind. Die tatsächliche Grundstücksgrenze ist durch Grenzsteine markiert und
entspricht derjenigen, die in der Flurkarte verzeichnet ist.
Die Kläger haben behauptet, 2017 von den Nachbarn darauf hingewiesen worden zu sein,
dass sich Zaun und Hecke auf deren Grundstück befinden. Auf diesen Umstand hätten die
Nachbarn Jahre zuvor bereits die Beklagten hingewiesen.
Für die Rodung und Entsorgung der Hecke, die Entfernung und Entsorgung des
Maschendrahtzaunes, das Umsetzen der Beeteinfassung und des Komposthaufens, die
Lieferung und das Setzen eines neuen Maschendrahtzauns, die Rasenansaat sowie die
Lieferung und Pflanzung von neuen Heckengehölzen würden Kosten von 6.064,60 € netto
entstehen.
Die Kläger haben behauptet, dass der Zaun von den Beklagten gesetzt worden sei, hierfür
aber keinen Beweis angeboten.
Die Beklagten haben die Ansicht vertreten, dass sich die genaue Lage des Grundstücks aus
der Flurkarte ergebe und dieses daher nicht mangelhaft sei. Es sei auch allein Sache der
Nachbarn, auf ihrem Grundstück einen Zaun aufzustellen oder zu dulden.
Mit Urteil vom 05.12.2019 hat das Landgericht Neubrandenburg die Klage abgewiesen. Es
hat einen Schadensersatzanspruch verneint, weil das Grundstück nicht mangelhaft sei. Dies
würde einen Beseitigungsanspruch der Nachbarn gegenüber den Klägern voraussetzen,
welcher nicht ersichtlich sei. Wegen der weitergehenden Entscheidungsgründe, der
erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen sowie der erstinstanzlichen Anträge nimmt der
Senat auf das angefochtene Urteil Bezug.
Mit ihrer Berufung verfolgen die Kläger ihre erstinstanzlichen Anträge weiter.
Durch die Kläger sei ein Haus nebst Grundstück von den Beklagten gekauft worden.
Mitverkauft sei auch die Umfriedung worden in Gestalt von Zaun und Hecke, die sich
unstreitig auf dem Nachbargrundstück befinde. Es sei nunmehr bestritten worden, dass sich
der Zaun teilweise auf dem Grundstück der Kläger befinde. Da die mitverkaufte
Umfriedung die Nachbarn teilweise von ihrem Besitz ausschließe, hätten diese einen
Anspruch nach § 1004 BGB bzw. nach
dar.
Das Landgericht habe nicht hinreichend geprüft, ob ein Mangel vorliege, obwohl es
zwischen den Parteien unstreitig gewesen sei, dass sich der Zaun nebst Hecke auf der
Grundstücksseite der Nachbarn befunden habe und diese einen Anspruch auf Beseitigung
gehabt hätten.
Bereits in der Klageschrift sei vorgetragen worden, dass eine Beeteinfassung und ein
Komposthaufen versetzt werden müssten. Dies sei nicht in den Tatbestand des
angefochtenen Urteils aufgenommen worden, obgleich sich hieraus ergebe, dass die Kläger
einen Teil des nachbarlichen Grundstücks nutzen würden.
Es dürfte auch feststehen, dass dann, wenn sich auf dem nachbarlichen Grundstück ein
Zaun und eine Hecke befänden, die Nachbarn an der Nutzung eines Teils ihres
Grundstücks gehindert seien.
Auf die Abgrenzung des Landgerichtes, ob sich der Zaun allein auf dem nachbarlichen oder
auch auf dem Grundstück der Kläger befinde, komme es nicht an, weil der Zaun Zubehör
sei, welches miterworben worden sei.
Auch hätte der Vortrag der Kläger, dass sich der Zaun auch teilweise auf ihrem Grundstück
befinde, nicht als verspätet zurückgewiesen werden dürfen.
anzuwenden, weil sich die Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht darauf berufen
hätten, dass sie zunächst noch Erkundigung würden einholen müssen.
Mit Schriftsatz vom 06.05.2020 haben die Kläger vorgetragen, dass eine umschließende
Umzäunung gegeben sei, die sich teils auf dem Grundstück der Kläger sowie teils auf dem
Grundstück der Nachbarn befinde.
Wegen des weiteren Vorbringens des Klägers nimmt der Senat auf die
Berufungsbegründung vom 04.02.2020 und den Schriftsatz vom 06.05.2020 Bezug.
Die Beklagten begehren die Zurückweisung der Berufung und verteidigen das angefochtene
Urteil.
2.
Der von den Klägern geltend gemachte Schadensersatzanspruch steht diesen unter keinem
rechtlichen Gesichtspunkt zu. Insbesondere können die Kläger sich nicht auf eine
Mangelhaftigkeit des durch sie von den Beklagten erworbenen Grundstücks berufen.
Ist die Kaufsache mangelhaft, kann der Käufer vom Verkäufer gemäß § 437 Nr. 3 BGB
nach den
der Kaufsache – wie dies vorliegend die Kläger geltend machen – auch in einem
Rechtsmangel liegen. Gemäß
in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte geltend
machen können. Hieran fehlt es schon deshalb, weil keine Rechte in Bezug auf das
Kaufgrundstück durch Dritte geltend gemacht werden. Auch die Voraussetzungen eines
Sachmangels liegen nicht vor, da die Geltendmachung von Ansprüchen durch Nachbarn
keine Frage der Beschaffenheit der Kaufsache ist.
Die Kläger möchten ihren Schadensersatzanspruch darauf stützen, dass sie von ihren
Grundstücksnachbarn auf Beseitigung eines Zaunes und einer Hecke von deren
Grundstück sowie der Räumung des nachbarlichen Grundstückes von einem
Komposthaufen und einer Beeteinfassung in Anspruch genommen werden könnten. Ein
solcher Beseitigungsanspruch steht den Eheleuten G. als den Grundstücksnachbarn der
Kläger diesen gegenüber jedoch nicht zu.
Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes
beeinträchtigt, kann der Eigentümer gemäß § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB von dem Störer die
Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Der Anspruch ist gemäß § 1004 Abs. 2 BGB
jedoch ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist, weil sich die
Beeinträchtigung nicht als rechtswidrig darstellt.
Der Eigentümer einer Sache kann gemäß
Dritter entgegenstehen, mit dieser nach Belieben verfahren und andere von jeder
Einwirkung ausschließen. Die Grenzen des Eigentumsrechts für Grundstücke regeln im
Wesentlichen die
Regelungen ergänzt werden. Ein ergänzendes Nachbarschaftsrecht ist in Mecklenburg-
Vorpommern nicht erlassen worden.
Ein Anspruch der Eheleute G. gegen die Kläger auf Beseitigung von Zaun und Hecke aus §
1004 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass diese Eigentümer des Grundstücks sind, auf welchem
sich diese befinden. Die Beklagten haben die Eigentümerstellung der Eheleute G. nicht in
Abrede gestellt. Die Kläger ihrerseits haben dies wiederholt vorgetragen. Dass dieser Teil
des nachbarlichen Grundstückes ihnen rechtswirksam übereignet worden sei, haben sie zu
keinem Zeitpunkt substantiiert vorgetragen, so dass der Senat die Eigentümerstellung der
Eheleute G. voraussetzen kann.
Gleichzeitig aber müssen die Kläger Störer im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB sein. Der
Beseitigungsanspruch setzt voraus, dass der Beklagte für die Beeinträchtigung als Störer
verantwortlich ist. Dazu reicht nach der Rechtsprechung des BGH der bloße Umstand des
Eigentums an demjenigen Grundstück, von dem die Einwirkung ausgeht, nicht aus. Die
Beeinträchtigung muss vielmehr wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers
zurückgehen (BGH, Urt. v. 18.04.1991, III ZR 1/90, a.a.O.; BGH, Urt. v. 12.02.1985, VI
ZR 193/83,
Als Handlungsstörer kommen die Kläger nicht in Betracht. Handlungsstörer ist, wer die
Beeinträchtigung durch seine Handlung oder pflichtwidrige Unterlassung adäquat
verursacht hat (Palandt/Herrler, BGB, 80. Aufl., § 1004, Rn. 16). Es ist unstreitig, dass die
Kläger Zaun und Hecke nicht errichtet haben. Somit scheiden sie als Handlungsstörer aus.
Ob hingegen die Beklagten, als diese noch Eigentümer des klägerischen Grundstücks waren,
Zaun und Hecke errichtet haben, kann dahinstehen, denn sie werden von den Nachbarn im
vorliegenden Prozess nicht in Anspruch genommen.
Die Kläger sind auch nicht Zustandsstörer. Zustandsstörer ist der Eigentümer/Besitzer
oder Verfügungsbefugte einer Sache, von der eine Beeinträchtigung ausgeht, wenn die
Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf seinen Willen zurückgeht (Palandt/Herrler,
a.a.O., § 1004, Rn. 19). Ausreichend ist, dass der das Eigentum beeinträchtigende Zustand
durch den maßgebenden Willen des Eigentümers aufrechterhalten wird, von dessen
Grundstück die Beeinträchtigung ausgeht und damit die Beseitigung von dessen Willen
abhängt (BGH, Urt. v. 22.09.2000, V ZR 443/99,
26.01.2017, III ZR 465/15, juris). Die Beeinträchtigung der Eheleute G., welche darin
besteht, dass sich Zaun, Hecke und Beeteinfassung sowie Komposthaufen auf deren
Grundstück befinden, geht nicht vom Grundstück der Kläger aus. All jene Gegenstände,
deren Beseitigung die Kläger ihrem Schadensersatzanspruch zugrunde legen möchten,
befinden sich auf dem Grundstück der Eheleute G.
Die Beeinträchtigungen hängen darüber hinaus nicht maßgeblich vom Willen der Kläger ab.
Sie können zwar die Nutzung des zwischen ihrem Grundstück und dem Zaun liegenden
Grundstücksteils des Nachbargrundstückes einstellen. Bestandteile des Grundstückes – wie
Zaun und Hecke – können sie jedoch nicht ohne Zustimmung der Eheleute G. von deren
Grundstück entfernen, erstrecht nicht gegen deren Willen.
Darauf, ob sich der Zaun vollständig auf dem Grundstück der Eheleute G. befindet, wie
dies die Kläger in erster Instanz bis zur mündlichen Verhandlung vorgetragen und auch
wieder zum Gegenstand ihres Berufungsvorbringens gemacht haben, kann für diese
rechtliche Beurteilung dahinstehen. Der Beseitigunganspruch der Eheleute G. kann sich
allein auf den Teil von Zaun und Hecke beschränken, der sich auf deren Grundstück
befindet. An einem sich ggf. auf dem Grundstück der Kläger befindenden Teil des Zaunes
steht ihnen ein solcher Anspruch mangels Eigentümerstellung nicht zu.
Auch aus den nachbarrechtlichen Vorschriften der
Beseitigungsanspruch nicht in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 BGB herleiten.
Aus § 912 BGB könnten die Nachbarn der Kläger nichts für sich herleiten. Die Norm setzt
voraus, dass der Grundstückseigentümer ein Gebäude über eine Grenze gebaut hat. Bei
Zaun, Hecke und Komposthaufen handelt es sich bereits nicht um ein Gebäude.
Auch der Vortrag der Kläger in der mündlichen Verhandlung erster Instanz, der Zaun
verlaufe auch zu einem kleinen Teil auf ihrem Grundstück, ist ungeeignet, einen
Beseitigungsanspruch der Eheleute G. zu begründen, dem sich die Kläger ausgesetzt sehen
wollen. Der Senat kann es daher auch offenlassen, ob das Landgericht diesen Vortrag
zurecht als verspätet und damit nicht mehr berücksichtigungsfähig behandelt hat. Zwar
können Zäune und Hecken durchaus Grenzanlagen sein. Das aber setzt voraus, dass sie
ganz oder zumindest zu einem beachtlichen Teil unmittelbar auf der Grenze stehen, also
von dieser geschnitten werden. Überdies regelt § 921 BGB lediglich die Befugnis zur
Benutzung einer Grenzanlage und
Beseitigung enthalten die nachbarrechtlichen Vorschriften des BGB nicht. Handelt es sich
um eine Grenzanlage, gehört jedem Grundstückseigentümer der auf seinem Teil stehende
Teil ohne Beteiligung des Nachbarn (Palandt/Herrler, a.a.O., § 921, Rn. 4). Auch bei einer
Grenzanlage kann sich ein Beseitigungsanspruch nur aus § 1004 BGB ergeben, wenn diese
ohne Zustimmung des Nachbarn errichtet worden ist. Auch hierzu wäre nichts vorgetragen.
35 Schließlich hilft den Klägern ihre Behauptung nicht weiter, sie hätten den Zaun als Zubehör
zum Grundstück erworben. Ein Maschendrahtzaun erfüllt bereits nicht die
Voraussetzungen des § 97 BGB. Er ist vielmehr in der Regel Bestandteil des Grundstückes,
auf welchem er errichtet ist.
III.
Im Interesse der Meidung von Kosten wird anheim gegeben die Rücknahme der Berufung
zu prüfen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Rostock
Erscheinungsdatum:26.01.2021
Aktenzeichen:3 U 3/20
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
Kaufvertrag
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
BGB §§ 437 Nr. 3. 440, 912, 1004 Abs. 1