OVG Saarlouis 02. Dezember 2019
2 A 5/19
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1; BauNVO § 23 Abs. 3, 4 u. 5; VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1

Zu den Anforderungen des Einfügens des Bauvorhabens

letzte Aktualisierung: 28.05.2020
OVG Saarlouis, Beschl. v. 2.12.2019 – 2 A 5/19

BauGB § 34 Abs. 1 S. 1; BauNVO § 23 Abs. 3, 4 u. 5; VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
Zu den Anforderungen des Einfügens eines Bauvorhabens in die nähere Umgebung

1. Dass die Beurteilung der Überschreitung einer hinteren faktischen Baugrenze im Zusammenhang
mit der zunächst erforderlichen Bestimmung des der maßgeblichen Umgebungsbebauung zu
entnehmenden Rahmens unter Berücksichtigung der auch insoweit heranzuziehenden Wertung in
§ 23 Abs. 5 BauNVO und die anschließende Beurteilung, ob eine solche Überschreitung wegen
eines im Einzelfall feststellbaren Fehlens städtebaulich bewältigungsbedürftiger Spannungen sich
(ausnahmsweise) trotzdem insoweit in die Eigenart der näheren Umgebung „einfügt“ (§ 34 Abs. 1
Satz 1 BauGB), in aller Regel die Verschaffung eines eigenen Eindrucks von den konkreten örtlichen
Gegebenheiten voraussetzt und daher von einem Rechtsmittelgericht im Zulassungsverfahren bis
auf Ausnahmefälle selbst nicht abschließend allein auf Grund der Aktenlage beurteilt werden kann,
rechtfertigt nicht bereits die Annahme, das auf einer Ortsbesichtigung beruhende Ergebnis der
Beurteilung des Verwaltungsgerichts unterläge ernstlichen Zweifeln hinsichtlich seiner Richtigkeit.

2. Hat sich das Verwaltungsgericht einen Eindruck von dem Baugrundstück und seiner Umgebung,
insbesondere auch von der baulichen Situation auf benachbarten Grundstücken, verschafft, so ist
die Zulassung der Berufung nur gerechtfertigt, wenn das Antragsvorbringen besondere Aspekte des
Falles aufzeigt, die eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Unrichtigkeit des von ihm
festgestellten Ergebnisses begründen können. Ob die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, was
die Beantwortung der Anforderungen an ein Einfügen des Vorhabens unter dem Aspekt der
überbaubaren Grundstücksfläche angeht, im konkreten Fall im Ergebnis mit Gewissheit richtig ist,
ist nach dem Wortlaut des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO keine sich in einem Zulassungsverfahren
stellende Frage.

3. Hinsichtlich so genannter faktischer rückwärtiger Baugrenzen ist entsprechend dem
Rechtsgedanken des § 23 Abs. 4 Satz 2 BauNVO die vorhandene Bebauungstiefe von der
tatsächlichen Grenze der jeweils als Erschließungsanlage gewählten öffentlichen Straße aus zu
ermitteln, wobei die Bautiefe dem jeweiligen Straßenverlauf folgt und gegebenenfalls entsprechend
von Straßengrenzen gebildeten Kurven und Winkeln verspringt.

4. Für die Abgrenzung der hinsichtlich jedes der vier in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB aufgeführten
städtebaulichen Kriterien gesondert zu bestimmenden maßgeblichen, weil unter dem jeweiligen
Aspekt prägenden Umgebungsbebauung kommt es in aller Regel auf die konkrete
Erschließungsstraße und regelmäßig auch (nur) auf die Straßenseite an, der das jeweilige
Baugrundstück zugeordnet ist.

5. Bei dem an faktische Gegebenheiten anknüpfenden § 34 Abs. 1 BauGB kommt es auf die
Verläufe der katastermäßigen, in der Örtlichkeit als solche regelmäßig nicht in Erscheinung
tretenden Grundstücks- und Parzellengrenzen grundsätzlich nicht an.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Versagung einer Baugenehmigung für die Erweiterung
seiner vorhandenen Schreinerei auf dem Anwesen A-Straße in A-Stadt (Parzelle Nr. 129/3
in Flur 1 der Gemarkung E).

Bereits im Oktober 1996 war ein rückwärtiger beziehungsweise seitlicher Anbau mit
Ausstellungsflächen und Werkstattnutzung an das damals bereits vorhandene
Schreinereigebäude genehmigt worden. Auf einen Antrag auf Verlängerung des
Bauscheins forderte der Beklagte im November 1999 zunächst weitere Unterlagen für die
Beurteilung des Vorhabens an und wies im Juni 2000 die damalige Bauherrin darauf hin,
dass die Baugenehmigung wegen Nichtgebrauchs erloschen sei.

Im März 2016 beantragte der Kläger die Erteilung der Baugenehmigung für die
„Wiederherstellung von Schreinereiteilbereichen nach Brandschaden“. Nach den
Planvorlagen sollte rückwärtig an ein vorhandenes Schreinereigebäude auf dem
Grundstück ein unterkellerter Anbau mit einer Breite von 12,85 m und einer Tiefe
einschließlich Vordach von etwa 15 m errichtet werden.

Im März 2016 teilte die Beigeladene mit, dass für den Teilbereich, der jetzt als
„Wiederaufbau“ bezeichnet werde, bereits im Jahr 1980 ein Vorbescheid für die
Erweiterung der Schreinerei abgelehnt worden sei. Der ohnehin erloschene Bauschein aus
dem Jahr 1996 habe eine andere Form der Erweiterung betroffen. Der rückwärtige Anbau
einer Schreinerei, der nun einem Brand zum Opfer gefallen sei, sei also nie genehmigt
gewesen und illegal erbaut worden. Eine Stellungnahme zu einem Wiederaufbau einer
nicht rechtmäßig genehmigten Schreinerei sei nicht erforderlich.

Im August 2016 lehnte der Beklagte den Bauantrag ab.(vgl. den Bescheid vom 22.8.2016
– Az.: 03-63 – G/00008/16 –) In der Begründung heißt es, der rückwärtige Anbau der
Schreinerei, der einem Brand zum Opfer gefallen sei, sei zu keinem Zeitpunkt genehmigt
und damit illegal errichtet worden. Die Erweiterung der Schreinerei solle 30 m hinter der
in der Örtlichkeit vorhandenen rückwärtigen Baugrenze errichtet werden und
widerspreche somit den Bestimmungen des § 34 BauGB bezüglich der Bautiefe. Die
geplante Vergrößerung widerspreche auch wegen der Nutzungsart den Bestimmungen.

Wenn auch die vorhandene Schreinerei, die in einem Allgemeinen Wohngebiet nicht
zulässig sei, einen gewissen Bestandsschutz genieße, so könne eine Vergrößerung, bei
der zwangsläufig mit mehr Immissionen zu rechnen sei, nicht zugelassen werden.
Zur Begründung des dagegen erhobenen Widerspruchs führte der Kläger aus, seinem
Vater sei 1996 eine Baugenehmigung erteilt worden. Da damals die Baubeginnanzeige
versäumt worden sei, habe die Bauaufsicht drei Jahre später mitgeteilt, dass die
Baugenehmigung erloschen sei. Im Jahr 2014 sei das Gebäude in Brand gesteckt und
nach dem Brand notdürftig in Stand gesetzt worden. In Abstimmung mit der Unteren
Bauaufsichtsbehörde sei dann ein neuer Bauantrag gestellt worden, der nun abgelehnt
worden sei. Diese Entscheidung sei rechtswidrig, da die „Baulinie“ zum Zeitpunkt der
Errichtung des Gebäudes so nicht bestanden habe und das Gebäude im alten Bestand
wieder errichtet werden solle.

Der Widerspruch wurde im Februar 2017 zurückgewiesen.(vgl. den auf die mündliche
Verhandlung vom 8.2.2017 ergangenen Widerspruchsbescheid des Rechtsausschusses
des Beklagten – B-130/16 –) In der Begründung heißt es, das Vorhaben liege innerhalb
der im Zusammenhang bebauten Ortslage von A-Stadt. Als maßgebliche nähere
Umgebung seien der Bereich der G Straße zwischen den den Kurvenbereich
begrenzenden Hausnummern ab Nummer 13 bis zum Vorhabengrundstück – Nummer 37
– und darüber hinaus der im Weiteren über eine (Links-)Abknickung der G Straße ab
Hausnummer 39 bis Hausnummer 51 verlaufende Straßenbereich anzusehen. Letzterer
sei verkehrsberuhigt als Spielstraße angelegt. Die Bebauung sei im Wesentlichen durch
Wohnnutzung geprägt und als Allgemeines Wohngebiet einzuordnen. Dort seien nur nicht
störende Handwerksbetriebe zulässig. Hierzu zähle eine Schreinerei wegen der hiermit
üblicherweise verbundenen Lärmimmissionen nicht. Der Kläger könne sich auf
Bestandsschutz nicht berufen. Der in Rede stehende Teilbereich der Werkstatt sei zu
keinem Zeitpunkt genehmigt worden. Bereits 1980 sei ein Antrag auf Erteilung eines
Vorbescheides hinsichtlich der rückwärtigen Erweiterung der Schreinerwerkstatt, welche
jetzt als (Teil-)Wiederaufbau der Schreinerei beantragt werde, abgelehnt worden. 1996
sei die „Erweiterung der Schreinerei mit einer Werkstatt und einem Ausstellungsraum“
unter Befreiungen genehmigt worden. Dazu sei das Einverständnis aller 13 betroffenen
Nachbarn erforderlich gewesen. Hierbei habe es sich um die Genehmigung einer
Erweiterung im seitlichen und im rückwärtigen Bereich des Anwesens gehandelt. Das
Vorhaben sei indes nicht wie genehmigt ausgeführt worden. In der Folge seien weder eine
Baubeginnanzeige noch die Benennung des Bauleiters vorgelegt worden. Nachdem die
damalige Bauantragstellerin die Verlängerung der Baugenehmigung um zwei Jahre
beantragt habe, sei sie aufgefordert worden, verschiedene Unterlagen nachzureichen.
Dem sei sie nicht nachgekommen. Daraufhin sei festgestellt worden, dass die
Baugenehmigung bis zum 18.10.1999 gültig gewesen sei, der Verlängerungsantrag nicht
vor Fristablauf bei der Unteren Bauaufsichtsbehörde eingegangen und die
Baugenehmigung erloschen sei. In einem Schreiben des damals in das Bauvorhaben
involvierten Architekten vom 31.3.1999 an den Beklagten sei ausgeführt:

„Am 29.3.1996 wurde (...) ein Bauantrag zur Erweiterung des
bestehenden Werkstattgebäudes gestellt. Als Planer im
Ingenieurbüro (...) hatte ich dieses Bauvorhaben betreut. Hierbei
ging es in erheblichem Maße um die nachträgliche Genehmigung
eines ohne Baugenehmigung errichteten Werkstattgebäudes. Dieser
Anbau verstößt in erheblichem Maße gegen bestehende
Brandschutzauflagen. Zufällig sah ich vor Ort, dass keine der
beantragten und genehmigten Maßnahmen von der Bauherrin
realisiert wurden. Um evtl. Regressansprüchen gegen meine Person
vorzubeugen, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass der jetzige
Bestand nicht genehmigt ist, meines Wissens keine Statik vorliegt,
kein ausreichender Brandschutz erfüllt ist, keine der Auflagen Ihrer
Baugenehmigung erfüllt sind."

Festzustellen sei – so weiter der Widerspruchsbescheid – daher, dass für den
rückwärtigen Anbau der Schreinerei, der dem Brandereignis 2015 zum Opfer gefallen sei
und der jetzt wieder aufgebaut werden solle, keine Baugenehmigung existiere. Auf
Bestandsschutz könne sich der Kläger bei dieser Sachlage nicht berufen. Im Übrigen sei
zu berücksichtigen, dass das zur Genehmigung gestellte Vorhaben eine Erweiterung der
Schreinerei über die Wiederherstellung des von dem Brand betroffenen Teils hinaus
beinhalte. Eine Ersetzung des rechtmäßig versagten Einvernehmens der Beigeladenen
durch den Rechtsausschuss komme nicht in Betracht. Eine anderweitige Beurteilung
ergebe sich auch nicht, wenn das Vorhabengebiet nicht über die Qualifizierung als
faktisches Allgemeines Wohngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB, sondern nach § 34 Abs. 1
BauGB beurteilt werde. Maßgeblich sei insoweit, dass in der näheren Umgebung
immissionsträchtige Betriebe nicht vorhanden seien. Wenn auch die vorhandene
Schreinerei einen gewissen Bestandsschutz genieße, könne eine Vergrößerung nicht
zugelassen werden. Darüber hinaus solle die vorgesehene Erweiterung 30 m hinter der in
der Örtlichkeit vorhandenen faktischen Baulinie und hinter der rückwärtigen Baugrenze
errichtet werden und widerspreche somit den Bestimmungen des § 34 BauGB bezüglich
der Bautiefe.

Im April 2017 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, seine
genehmigte Schreinerei werde in diesen Gebäuden bereits seit Jahrzehnten betrieben.

Ungeachtet des Gebietscharakters genössen der Betrieb und seine Gebäude
Bestandsschutz. Das gelte auch angesichts des Umstandes, dass sich die in der
Umgebung des fraglichen Objektes vorhandene Bebauung über die Jahre vom
Mischgebiet oder Dorfgebiet zum Allgemeinen Wohngebiet mit deutlich sichtbaren
Relikten früherer Bauernhäuser, Warengeschäften und dorftypischen Handwerksbetrieben
gewandelt habe. Das gesamte Betriebsgebäude füge sich nach dem Maß der Bebauung in
die Umgebung ein. Das gelte auch unter Berücksichtigung der „vorzufindenden
Baulinien“. Die Abgrenzung sei rechtsfehlerhaft erfolgt. So müsse der gesamte
Ortsbereich von der Straße „An der K" im Norden bis zum „S Weg" im Süden und der
Bereich südwestlich seines Anwesens betrachtet werden. Der Schwerpunkt der
Betrachtung gelte dabei für den östlichen Teil der Straße, der zum Tal der R und zur
Landesgrenze hin unmittelbar hinter den linksseitigen Häusern der G Straße stark abfalle.

Dieser östliche Bereich des Ortsteils weise keine einheitliche vordere Baulinie auf und sei
durchgehend von zurückliegender Bebauung bis hin zum Vorhandensein von Hinterliegern
geprägt. Die hinter der vorderen Baulinie befindlichen rückwärtigen Bebauungen im Osten
der G Straße seien für die unmittelbare Umgebung typisch und würden von der von ihm
geplanten Bebauung allenfalls unwesentlich überschritten. Davon sei erst Recht
auszugehen, wenn auf die Bebauung im „S Weg" abgestellt werde, die den rückwärtigen
Bereich der G Straße riegelartig abschließe und die Tiefe der verfahrensgegenständlichen
Bebauung nach Osten deutlich übertreffe. Auch die Bebauung nördlich seines Anwesens
sei überwiegend von der Straße zurückgesetzt und rage deutlich in den hinteren Bereich
der Grundstücke hinein. Nicht anders stelle sich die hier zur Prüfung gestellte Bebauung
des Anwesens Nr. 39 dar. Die vorhandene Bebauung werde in der unmittelbaren
Umgebung seines Anwesens durch Gebäude mit vergleichbar großen Baukörpern geprägt.
Dazu gehöre insbesondere das direkt südlich an sein Grundstück angrenzende Anwesen
einer Gastwirtschaft, deren Baukörper von der Straßenseite her die Bebauung regelrecht
beherrsche, indem es in den sich dort zu einem innerörtlichen Platz öffnenden
öffentlichen Raum von Osten her hineinrage. Sein jenseits der Einfahrt zu seinem
Grundstück nördlich davon befindliches Gebäude trete dahinter deutlich zurück. Das gelte
auch angesichts des sich nördlich an sein Anwesen in geschlossener Bauweise
anschließenden Häuserblocks. Ähnlich beherrschend wirke sich das südwestlich
befindliche öffentliche Gebäude der Gemeinde A-Stadt mit seinem massiven Baukörper
aus. Das nachbarliche Gaststättenanwesen sei auch auf der westlichen Seite der G Straße
im hier maßgeblichen Bereich prägend und weise eine Hinterhausbebauung auf, die der
rückwärtigen Bebauung seines Grundstücks entspreche. Ergänzend sei darauf
hinzuweisen, dass der zur Genehmigung anstehende Teil des Betriebsgebäudes hinter der
1996 genehmigten Erweiterung der Bestandsgebäude zurückbleibe. Die damalige,
inzwischen erloschene Baugenehmigung habe bereits die Bautiefe, die der spätere Anbau
erreicht habe, erlaubt. Allerdings sei im Wesentlichen auf die dort ebenfalls genehmigte
Erweiterung des Bestandes nach Süden verzichtet worden. Angesichts der vorfindlichen
rückwärtigen Bebauung in der näheren Umgebung sowie der nördlichen und südlichen
„Einrahmung" der zu betrachtenden Umgebung durch die Bauten des nach Osten das
dortige Wiesengelände zur französischen Grenze hin – wie es auch hinter seinem
Anwesen entlang verlaufe – erschließenden Straße „S Weg" im Süden und dem ebenfalls
den rückwärtigen Bereich Richtung Osten prägenden Ortsbereich „An der K" im Norden
überschreite das streitbefangene Vorhaben keineswegs den aus der hier vorhandenen
Bebauung abzuleitenden Rahmen. Aus dem Schreiben der Beigeladenen vom 22.3.2016
sei zu folgern, dass die Beigeladene die ihr allein obliegende Entscheidung über das
gemeindliche Einvernehmen nicht getroffen habe. Demzufolge gelte das Einvernehmen
auf Grund der gesetzlichen Fiktion als erteilt. Die Nichtbefassung des Gemeinderates mit
seiner Bauangelegenheit halte er für eine Amtspflichtverletzung des Bürgermeisters.
Zudem sei zu berücksichtigen, dass sich östlich seines Anwesens – nur durch die Bachaue
getrennt – auf französischem Staatsgebiet eine große Kläranlage befinde, von der
deutlich spürbare Emissionen ausgingen, die den rückwärtigen Bereich aller Grundstücke
in den Straßen um sein Grundstück stärker beeinträchtigten als der Betrieb der
Schreinerei. Ferner seien ständig Geruchsbelästigungen durch die BIO-Anlage M
vorhanden. Die Jahrzehnte bestehenden Klagen der Bürgerinnen und Bürger über die
Belästigungen durch Kläranlage und Biogasanlage seien dem Beklagten bekannt. Diese
Belastungen halte er für viel größer als diejenigen durch seinen nach Art und Umfang
kleinen Handwerksbetrieb. Die Schreinerei sei seit 1958 fester Bestandteil des Ortsbildes
von E. Es habe nie irgendwelche Beschwerden über Lärmbelästigungen und
Geruchsbelästigung gegeben. Viele Menschen hätten im Betrieb gelernt und gearbeitet.
Er empfinde insbesondere den Hinweis des Beklagten auf Lärmemissionen und sonstige
Immissionen durch den Betrieb der Schreinerei für einseitig und den bestehenden
Gebietscharakter in keiner Weise treffend.

Das Verwaltungsgericht hat eine Ortsbesichtigung durchgeführt und die Klage im
Anschluss daran im November 2018 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es
unter anderem, der Kläger habe keinen Anspruch auf die Erteilung der begehrten
Baugenehmigung. Unter Berücksichtigung der bei der Besichtigung der Örtlichkeit
gewonnenen Erkenntnisse sei das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass das Vorhaben
an dem gewählten Standort bauplanungsrechtlich unzulässig sei, weil es sich nach dem
Merkmal der überbaubaren Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren
Umgebung einfüge. Der zur Genehmigung gestellte Anbau an die vorhandene Schreinerei
auf dem zur Ortslage von E zählenden Vorhabengrundstück überschreite die faktische
hintere Baugrenze und es bestehe ein städtebaulich relevantes Interesse an seiner
Nichtausführung. Bei dem Merkmal der überbaubaren Grundstücksfläche stelle das
Städtebaurecht Anforderungen an die räumliche Lage der Baukörper auf den
Grundstücken und fordere eine Prüfung, ob sich der als Vergleichsmaßstab
heranzuziehenden Umgebungsbebauung Beschränkungen in Form faktischer Baulinien
und/oder Baugrenzen entnehmen ließen, welche bei der Realisierung eines
hinzutretenden Bauvorhabens beachtet werden müssten. Dabei sei hinsichtlich so
genannter faktischer rückwärtiger Baugrenzen entsprechend dem Rechtsgedanken des §
23 Abs. 4 Satz 2 BauNVO die vorhandene Bebauungstiefe von der tatsächlichen Grenze
der jeweils als Erschließungsanlage gewählten öffentlichen Straße aus in Orientierung an
dem jeweiligen Straßenverlauf zu ermitteln. Entsprechend der Wertungsvorgabe in § 23
Abs. 5 Satz 1 BauNVO seien dabei in rückwärtigen Grundstücksteilen vorfindliche
Gebäude, die räumlich und funktional als untergeordnete Nebenanlagen zu qualifizieren
seien, nicht in die Betrachtung mit einzubeziehen. Vorliegend sei deswegen für die Frage
der zulässigen Bautiefe allein auf die Bebauung entlang der G Straße abzustellen.
Unerheblich seien dagegen die Gebäude, die entlang der Straßen „An der K“ und „S Weg“
stünden. Hierbei handele es sich um selbstständige öffentliche Straßen, die für die dort
stehenden Gebäude jeweils eine eigenständige Erschließungsstraße bildeten und damit
für die Frage der Bautiefe der Bebauung an der G Straße unerheblich seien. Die
Bebauung auf der östlichen Seite der G Straße, wobei insoweit selbst bei einer zugunsten
des Klägers großzügigen Grenzziehung als prägend allenfalls die Bebauung zwischen den
Straßen „An der K“ und „S Weg“ herangezogen werden könne, erreiche rückwärtig einen
maximalen Abstand zur Straße von etwa 30 m am Anwesen G Straße Nr. 25 und etwa 40
m bei dem in zweiter Reihe stehenden Anwesen G Straße Nr. 41a. Das auf dem
Grundstück G Straße Nr. 53 im rückwärtigen Bereich stehende Gebäude könne dagegen
für die Frage der zulässigen Bebauungstiefe nicht herangezogen werden. Dabei handele
es sich, wie bei der Ortsbesichtigung habe festgestellt werden können, nur um einen
überdachten Carport, also eine Nebenanlage, die für die Bestimmung der überbaubaren
Grundstücksfläche keine Berücksichtigung finde. Der zur Genehmigung gestellte Anbau
erreiche dagegen eine Tiefe von circa 50 m und überschreite damit die vorhandene
faktische Baugrenze erheblich. Ein Vorhaben im unbeplanten Innenbereich, das den in
seiner Umgebung bisher gewahrten Rahmen überschreite, könne indes trotzdem zulässig
sein, wenn es nicht geeignet sei, bodenrechtlich beachtliche und erst noch
ausgleichsbedürftige Spannungen zu begründen oder zu erhöhen. Solche könnten sich
insbesondere aus einer Vorbildwirkung des Vorhabens in naheliegender Zukunft ergeben,
die zu einer grundsätzlich das harmonische Einfügen hindernden Verschlechterung der
städtebaulichen Situation führen könne. Vorliegend bestehe die Gefahr einer
Vorbildwirkung für die benachbarten Grundstücke. Würde das Vorhaben des Klägers
errichtet, so wäre für die in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks gelegenen
Grundstücke in planungsrechtlicher Hinsicht der Weg für eine Bebauung der derzeit noch
unbebauten rückwärtigen Grundstücksflächen geebnet. Sie alle eigneten sich von den
tatsächlichen Verhältnissen her in gleicher Weise wie das Vorhabengrundstück für eine
Bebauung durch Anbauten oder auch mit Gebäuden in der zweiten Reihe wie auf dem
Anwesen G Straße Nr. 41a. Der Kläger könne auch nichts aus der im Jahr 1996 erteilten
Genehmigung herleiten. Diese sei nach § 80 Abs. 1 LBO 1996 erloschen. Dabei könne
dahinstehen, ob die genehmigten Arbeiten überhaupt nicht begonnen oder, wie vom
Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgetragen, nur nicht angezeigt und
abgeschlossen worden seien. Es stehe fest, dass jedenfalls die Bauarbeiten auch nach
den Angaben des Klägers nach dem Jahr 2000 nicht fortgeführt worden seien. Der
Beklagte sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung verpflichtet, dem
Kläger eine Baugenehmigung für ein Gebäude zu erteilen, das eine vergleichbare Bautiefe
wie bei dem 1996 genehmigten Vorhaben habe. Der Art. 3 Abs. 1 GG verpflichte die
Bauaufsichtsbehörde nicht, eine rechtswidrige Baugenehmigung erneut zu erteilen. Da
sich das Vorhaben des Klägers bereits wegen des Merkmals der überbaubaren
Grundstücksfläche bauplanungsrechtlich nicht einfüge, könne offen bleiben, ob das
Vorhaben auch nach der Art der baulichen Nutzung bauplanungsrechtlich unzulässig sei.

Dabei sei allerdings nach dem vor Ort gewonnenen Eindruck davon auszugehen, dass sich
die Umgebung des Vorhabengrundstücks als Allgemeines Wohngebiet im Sinne des § 4
BauNVO darstelle, in dem die vorhandene Schreinerei als störendes Gewerbe nicht
zulässig und wohl als Fremdkörper anzusehen sei, der sich nicht prägend auf die
Umgebung auswirke. Daher genieße die vorhandene Schreinerei wohl in dem Maße
Bestandsschutz, in dem sie genehmigt worden sei. Jedoch falle hierunter keine
Erweiterung des Bestands. Die vom Kläger genannten Anlagen in Frankreich, eine
Kläranlage und eine Biogasanlage, seien für die Frage der bauplanungsrechtlichen
Zulässigkeit seiner Schreinerei ohne Bedeutung. Für die Einstufung einer maßgeblichen
Umgebung sei nur auf das Gebiet der jeweiligen Gemeinde abzustellen. Eine Erstreckung
auf die bebauten Gebiete einer angrenzenden Gemeinde sei dagegen nicht möglich. Das
gelte erst recht für eine Bebauung, die sich außerhalb des Staatsgebiets der
Bundesrepublik Deutschland befinde.

Der Kläger begehrt die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil.

II.

Dem Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung (§§ 124a Abs. 4, 124 Abs. 1 VwGO)
gegen das seine Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer
Baugenehmigung für die „Wiederherstellung von Schreinereiteilbereichen nach
Brandschaden“ auf dem Anwesen A-Straße in A-Stadt (Parzelle Nr. 129/3 in Flur 1 der
Gemarkung E) abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts vom 28.11.2018 – 5 K 586/17
– kann nicht entsprochen werden.

Dem den gerichtlichen Prüfungsumfang mit Blick auf das Darlegungserfordernis (§ 124a
Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO) begrenzenden Antragsvorbringen des Klägers
lässt sich kein Zulassungsgrund im Verständnis des § 124 Abs. 2 VwGO entnehmen.
Dabei mag dahinstehen, ob der Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 11.1.2019 den
genannten Darlegungserfordernissen genügt.(vgl. dazu etwa OVG des Saarlandes,
Beschlüsse vom 20.3.2008 – 2 A 33/08 –, und vom 20.11.2018 – 2 A 830/17 –, jeweils
bei juris, wonach es nicht Aufgabe des Oberverwaltungsgerichts ist, anstelle des
Antragstellers im Zulassungsverfahren aus Darlegungen, die in der Form einer
Berufungsbegründung ohne konkreten Bezug zu einem der Tatbestände des § 124 Abs. 2
VwGO für die Zulassung der Berufung vorgebracht werden, mit Überlegungs- und
Auslegungsaufwand zu ermitteln oder auch nur zu „vermuten“, welcher Teilaspekt des
Vorbringens sich welchem Zulassungsgrund – zutreffend – zuordnen lassen könnte)
Insoweit bedarf es nach der Rechtsprechung des Senats neben einer konkreten
Benennung von Zulassungsgründen der näheren Erläuterung, aus welchen Gründen die
konkret geltend gemachten Zulassungsgründe vorliegen sollen.(vgl. dazu zuletzt
Beschluss vom 7.10.2019 – 2 A 357/18 –, bei juris) Der Kläger nennt in der
Antragsschrift keinen der in § 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 VwGO enumerativ aufgeführten
Zulassungsgründe und gibt einen solchen auch nicht in der Formulierung wieder.

Des ungeachtet lägen die Voraussetzungen für die begehrte Rechtsmittelzulassung auch
dann nicht vor, wenn man die einleitende Formulierung, das erstinstanzliche Urteil halte
„in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einer Überprüfung nicht stand“, dem Sinne nach
dahingehend interpretiert, dass damit – weitergehend – „ernstliche Zweifel“ an der allein
am Maßstab der Fehlerhaftigkeit im Ergebnis zu beurteilenden Richtigkeit der
erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO)(vgl. dazu allgemein OVG des
Saarlandes, Beschluss vom 21.6.2002 – 1 Q 55/01 –, SKZ 2002, 289, Leitsatz Nr. 15, st.
Rspr.) geltend gemacht werden sollten. Solche ernsthaften Zweifel begründet das
Antragsvorbringen nicht.

Das gilt zunächst, soweit der Kläger lediglich die gesetzlichen Anforderungen an das
Einfügen eines in der unbeplanten Ortslage vorgesehenen Bauvorhabens (§ 34 Abs. 1
Satz 1 BauGB) in die Eigenart der näheren Umgebung mit Blick auf das städtebauliche
Kriterium der überbaubaren Grundstücksfläche wiedergibt und dann darauf verweist, das
Verwaltungsgericht gehe insoweit in seiner Beurteilung „fehl“, weil es „zweifelhaft
erscheine“, ob ansonsten in rückwärtigen Grundstücksteilen in der Umgebung vorfindliche
Gebäude in diese Betrachtung nicht (doch) einzubeziehen seien.

Dass die Beurteilung der Überschreitung einer hinteren faktischen Baugrenze im
Zusammenhang mit der zunächst erforderlichen Bestimmung des der maßgeblichen
Umgebungsbebauung zu entnehmenden Rahmens unter Berücksichtigung der auch
insoweit heranzuziehenden Wertung in § 23 Abs. 5 BauNVO und die anschließende
Beurteilung, ob eine solche Überschreitung wegen eines im Einzelfall feststellbaren
Fehlens „städtebaulich bewältigungsbedürftiger „Spannungen“ sich (ausnahmsweise)
trotzdem insoweit in die Eigenart der näheren Umgebung „einfügt“ (§ 34 Abs. 1 Satz 1
BauGB),(vgl. dazu insgesamt Bitz, „Die Zulässigkeit so genannter Hinterlandbebauung
auf nicht überplanten Grundstücken in der Ortslage“ mit Fallbeispielen, SKZ 2012, 26 ff.)
in aller Regel die Verschaffung eines eigenen Eindrucks von den konkreten örtlichen
Gegebenheiten voraussetzt und daher von einem Rechtsmittelgericht im
Zulassungsverfahren bis auf Ausnahmefälle selbst nicht abschließend allein auf Grund der
Aktenlage beurteilt werden kann, rechtfertigt nicht bereits die Annahme, das auf einer
Ortsbesichtigung beruhende Ergebnis der Beurteilung des Verwaltungsgerichts unterläge
ernstlichen Zweifeln hinsichtlich seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Hat sich
das Verwaltungsgericht – wie hier im Mai 2018 – einen Eindruck von dem
„Baugrundstück“ und seiner Umgebung, insbesondere auch von der baulichen Situation
auf benachbarten Grundstücken, verschafft, so ist die Zulassung der Berufung nur
gerechtfertigt, wenn das Antragsvorbringen besondere Aspekte des Falles aufzeigt, die
eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Unrichtigkeit des von ihm festgestellten
Ergebnisses begründen können.(vgl. zu vergleichbaren Konstellationen in baurechtlichen
Verfahren OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 4.7.2016 – 2 A 161/16 –, SKZ 2017, 67,
Leitsatz Nr. 28 (Rücksichtnahmegebot), vom 6.4.2016 – 2 A 148/15 –, SKZ 2016, 116,
zur Abgrenzung von Innen- und Außenbereich; ebenfalls für die unter dem Aspekt des
Rücksichtnahmegebots vorzunehmende Interessenbewertung: Beschlüsse vom 4.12.2008
– 2 A 228/08 –, LKRZ 2009, 142, vom 30.3.2012 – 2 A 317/11 –, SKZ 2012, 171,
Leitsatz Nr. 22, und vom 24.5.2012 – 2 A 395/11 –, SKZ 2012, 173, Leitsatz Nr. 25;
ebenso für die Frage des „Einfügens“ anhand der in § 34 Abs.1 Satz 1 BauGB genannten
städtebaulichen Kriterien OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 20.7.2001 – 2 Q 10/01 -,
SKZ 2002, 159, Leitsatz Nr. 35, und vom 2.11.2004 – 1 Q 69/04 -, SKZ 2005, 96,
Leitsatz Nr. 38; zur Frage des Vorliegens einer wesentlichen Beeinträchtigung des
Erscheinungsbilds eines Baudenkmals im Sinne von § 10 Abs. 2 SDSchG Beschluss vom
25.10.2019 – 2 A 325/18 –, bei juris) Das ist hier nicht der Fall. Ob die Einschätzung des
Verwaltungsgerichts, was die Beantwortung der Anforderungen an ein Einfügen des
Vorhabens unter dem Aspekt der überbaubaren Grundstücksfläche angeht, im konkreten
Fall im Ergebnis "mit Gewissheit" richtig ist, ist nach dem Wortlaut des § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO – anders als in einem Berufungsverfahren – keine sich in dem insoweit
prozessrechtlich vorgeschalteten Zulassungsverfahren stellende Frage.

Das Verwaltungsgericht hat auf der Grundlage der zu diesen Fragen vorliegenden
Rechtsprechung sowie unter Bezugnahme auf seine Feststellungen vor Ort
nachvollziehbar begründet, weshalb das vom Kläger zur Genehmigung gestellte
Erweiterungsbauvorhaben für seinen Schreinereibetrieb den durch eine so genannte
faktische rückwärtige Baugrenze (§ 23 Abs. 3 BauNVO entspr.) von der maßgeblichen
Umgebungsbebauung vorgegebenen Rahmen im Realisierungsfall überschreiten und – mit
Blick auf die sich aus dem Vorhandensein für eine weitere bauliche Nutzung vorhandenen
Freiflächen ergebende „Vorbildwirkung“ – städtebaulich bewältigungsbedürftige
Spannungen begründen würde.(vgl. dazu beispielsweise OVG des Saarlandes, Urteil vom
12.3.2002 – 2 R 1/01 –, SKZ 2002, 299, Leitsatz Nr. 48 wonach auch bei einer
„Hinterlandbebauung“ auf sogenannten Hammer- oder Pfeifenstielgrundstücken nicht
generell angenommen werden, dass eine solche per se, also gewissermaßen um ihrer
selbst willen städtebaulichen Ordnungsvorstellungen widerspricht oder von vorneherein
städtebaulich als „unerwünschte“ und von daher unzulässige Verteilung von Baumassen
anzusehen wäre) Was der Kläger im Zulassungsverfahren inhaltlich dagegen einwendet,
begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit dieser Einschätzung.

Das gilt zunächst, soweit der Kläger in dem Zusammenhang einwendet, das
Verwaltungsgericht habe es bei der Festlegung der maßgeblichen näheren Umgebung
versäumt, auch die Bebauung entlang der Straßen „An der K“ und „Sonnenweg“
miteinzubeziehen. Bei dem Merkmal der überbaubaren Grundstücksfläche, das den
Standort des Bauvorhabens im Sinne von § 23 BauNVO betrifft, stellt das Städtebaurecht
Anforderungen an die räumliche Lage der Baukörper auf den Grundstücken und verlangt
eine Prüfung, ob sich der als Vergleichsmaßstab heranzuziehenden Umgebungsbebauung
Beschränkungen in Form faktischer Baulinien (§ 23 Abs. 2 BauNVO) und/oder Baugrenzen
(§ 23 Abs. 3 BauNVO) entnehmen lassen, die bei der Realisierung eines hinzutretenden
Bauvorhabens beachtet werden müssen. Dabei ist hinsichtlich so genannter faktischer
rückwärtiger Baugrenzen entsprechend dem Rechtsgedanken des § 23 Abs. 4 Satz 2
BauNVO die vorhandene Bebauungstiefe von der tatsächlichen Grenze der jeweils als
Erschließungsanlage gewählten öffentlichen Straße aus zu ermitteln, wobei die Bautiefe
dem jeweiligen Straßenverlauf folgt und gegebenenfalls entsprechend von
Straßengrenzen gebildeten Kurven und Winkeln verspringt.(vgl. dazu etwa OVG des
Saarlandes, Urteile vom 27.5.2014 – 2 A 2/14 –, SKZ 2014, 204, Leitsatz Nr. 34, vom
19.9.2005 – 2 R 7/05 –, BRS 69 Nr. 99) Das bedeutet, dass es dabei für die Abgrenzung
der hinsichtlich jedes der vier in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB aufgeführten städtebaulichen
Kriterien gesondert zu bestimmenden maßgeblichen, weil unter dem jeweiligen Aspekt
prägenden Umgebungsbebauung hierfür in aller Regel auf die konkrete
Erschließungsstraße und regelmäßig auch (nur) auf die Straßenseite ankommt, der das
jeweilige Baugrundstück zugeordnet ist. Das hat das Verwaltungsgericht zu Recht
hervorgehoben und seiner Betrachtung auch konsequent zugrunde gelegt. Weshalb hier
einer der in der Rechtsprechung unter dem Aspekt der „wechselseitigen Prägung“
anerkannten eng begrenzten Ausnahmefälle(vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom
21.11.1980 – 4 C 30.78 –, BRS 36 Nr. 56 zu einer Blockbebauung, OVG des Saarlandes,
Urteil vom 30.9.2003 – 1 R 22/03 –,) vorliegen sollte, erschließt sich nicht und Gründe
dafür lassen sich auch dem Vortrag in der Antragsschrift nicht entnehmen.

Dass das Verwaltungsgericht „nicht einmal“ eine in Metern bemessene rückwärtige
Baugrenze benannt, sondern – insofern ausreichend – festgestellt hat, dass das
Erweiterungsvorhaben des Klägers die Rückfront der maßgeblichen Gebäude mit der
größten Bautiefe überschreiten würden, ist entgegen der Ansicht des Klägers ebenso
unbedenklich wie der Umstand, dass der Carport im rückwärtigen Bereich der Parzelle Nr.
144/11 (Anwesen Nr. 53) als nach § 23 Abs. 5 BauNVO nicht zu berücksichtigende
Nebenanlage ausgeklammert wurde (vgl. Seite 14/15 des Urteils). Soweit der Kläger in
dem Zusammenhang das Fehlen (auch) „katasterlicher Feststellungen“ bemängelt, bleibt
festzuhalten, dass es dabei, wie auch sonst bei dem an faktische Gegebenheiten
anknüpfenden § 34 Abs. 1 BauGB auf die Verläufe der katastermäßigen, in der Örtlichkeit
als solche regelmäßig nicht in Erscheinung tretenden Grundstücks- und Parzellengrenzen
grundsätzlich nicht ankommt.(vgl. dazu etwa OVG des Saarlandes, Urteil vom 12.3.2002
– 2 R 1/01 –. SKZ 2002, 299, Leitsatz Nr. 48) Die vom Verwaltungsgericht unter dem
Aspekt der „städtebaulichen Spannungen“ angenommene Vorbildwirkung ist sicher nicht
davon abhängig, ob andere Nachbarn die hinteren Bereiche ihrer Grundstücke in der
Vergangenheit baulich genutzt haben. Die Betrachtung der Vorbildwirkung bezieht sich
gerade auf künftige Tatbestände und Verhaltensweisen nach Realisierung des Vorhabens,
weswegen diese Feststellung des Verwaltungsgerichts schon von daher entgegen der
Ansicht des Klägers nicht als „völlig abwegig“ bezeichnet werden kann. Dass auch die
Bebauung auf dem Baugrundstück bei Realisierung der aus Sicht des Verwaltungsgerichts
vorbildgebenden Erweiterung der Schreinerei „näher an die Kläranlage“ auf
angrenzendem französischem Gebiet „heranrücken“ würde, dürfte im Übrigen unstreitig
sein. Auf die Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der wegen Nichtgebrauchs
beziehungsweise abweichender Bauausführung nach § 80 Abs. 1 LBO 1996 erloschenen
Baugenehmigung aus dem Jahr 1996 muss nicht eingegangen werden. Ob die
kommunalen Gremien der Beigeladenen im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens
überhaupt und ausreichend beteiligt worden sind beziehungsweise ob – wie der Kläger
vorträgt – aufgrund des Schreibens des Bürgermeisters vom 22.3.2016 von einem
fingierten Einvernehmen nach § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB ausgegangen werden könnte,
spielt für die rechtliche Beurteilung der Zulässigkeit des Vorhabens nach § 34 BauGB im
gerichtlichen Genehmigungsstreit keine Rolle.

Ist daher zusammengefasst nach den hier anzulegenden Maßstäben des § 124 Abs. 2 Nr.
1 VwGO davon auszugehen, dass das Verwaltungsgericht in seinem Urteil die
Genehmigungsfähigkeit des Bauvorhabens des Klägers zu Recht (schon) mit Blick auf das
Nichteinfügen unter dem Kriterium der „überbaubaren Grundstücksfläche“ (§ 34 Abs. 1
Satz 1 BauGB) verneint hat, so wird deutlich, dass es auf die vom Verwaltungsgericht
letztlich offen gelassene Frage, ob sich dieses zusätzlich auch unter dem Aspekt der Art
der baulichen Nutzung vom Gebietscharakter her als nicht genehmigungsfähig erweist, im
vorliegenden Zulassungsverfahren für die Beurteilung der Ergebnisrichtigkeit der
erstinstanzlichen Entscheidung nicht ankommt.

Da dem Vortrag des Klägers kein Grund für die von ihm beantragte Zulassung der
Berufung im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO zu entnehmen ist, ist der Antrag
zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die
Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1, 47 GKG.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OVG Saarlouis

Erscheinungsdatum:

02.12.2019

Aktenzeichen:

2 A 5/19

Rechtsgebiete:

Öffentliches Baurecht

Normen in Titel:

BauGB § 34 Abs. 1 S. 1; BauNVO § 23 Abs. 3, 4 u. 5; VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1