Zulässigkeit eines notariellen Anderkontos; Differenzierung zwischen Verwahrungsanweisung und Verwahrungsvereinbarung; Prüfungsmaßstab des Notars bei Abtretung des Kaufpreisanspruchs
letzte Aktualisierung: 11.9.2023
BGH, Beschl. v. 2.8.2023 – VII ZB 28/20
BeurkG §§ 57 Abs. 2, 60;
Zulässigkeit eines notariellen Anderkontos; Differenzierung zwischen
Verwahrungsanweisung und Verwahrungsvereinbarung; Prüfungsmaßstab des Notars bei
Abtretung des Kaufpreisanspruchs
1. Der Verstoß des Notars gegen die lediglich an ihn gerichtete Verbotsnorm des § 57 Abs. 2 Nr. 1
BeurkG gebietet es nicht, die regelmäßig im Grundgeschäft enthaltene öffentlich-rechtliche
Verwahrungsanweisung an den Notar und die davon zu unterscheidende zivilrechtliche
Verwahrungsvereinbarung zwischen den Vertragsparteien, die ebenfalls regelmäßig Bestandteil des
Grundgeschäfts ist, für unwirksam zu erachten.
2a. Bei einer Abwicklung der Kaufpreiszahlung über ein Notaranderkonto erstreckt sich das mit der
Pfändung des Kaufpreisanspruchs entstandene Pfandrecht auf den Auszahlungsanspruch des
Verkäufers gegen den Notar. Der Auskehrungsanspruch gegen den Notar ist im Verhältnis zur
Kaufpreisforderung als ein Nebenrecht im Sinne von § 401 BGB einzuordnen (Anschluss an BGH,
Beschluss vom 9. Juni 2016 – V ZB 37/15,
Kaufpreisanspruchs – auch wenn sie zur Sicherung erfolgt – gilt nichts anderes.
2b. Soweit die Wirksamkeit der Abtretung des Kaufpreisanspruchs oder sonstige Vorfragen der
Empfangsberechtigung im mehrseitigen Verwahrungsverhältnis zu klären sind, ist der
Prüfungsmaßstab des Notars im Rahmen einer auf Auszahlung des hinterlegten Geldes gerichteten
Beschwerde nach
Gründe:
I.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 20. Oktober 2016
(UR-Nr. des Notars W. B. ) veräußerte die S.
GmbH (nachfolgend: Verkäuferin) die von ihr noch zu errichtenden
Eigentumswohnungen Nrn. 81 und 88 der Wohnungseigentumsanlage
Sp. in B. nebst den Sondernutzungsrechten an zwei Stellplätzen
zu einem Kaufp an den Beteiligten zu 1.
In § 3 Nr. 4 des Vertrages wurde die Zahlung von Kaufpreisraten nach
Baufortschritt gemäß § 3 Abs. 2 der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV)
vereinbart. Zahlungen sollten nach § 3 Nr. 5 des Vertrages auf ein Konto der
Verkäuferin geleistet werden.
§ 7 Nr. 2 enthält folgende Vertragsklausel:
"Verkäufer übergibt Erwerber den Besitz nach Bezugsfertigkeit gegen vollständige
Zahlung der geschuldeten Vertragssumme ... Ist der Vertragsgegenstand
bei Bezugsfertigkeit noch nicht vollständig fertig gestellt oder sind noch Mängel
zu beseitigen, ist Erwerber berechtigt, noch ausstehende Raten, insbesondere
die letzte Rate von 3,5 % der geschuldeten Vertragssumme bei dem Notar auf
Anderkonto zu hinterlegen mit der Weisung, diesen Betrag erst an Verkäufer auszuzahlen,
wenn Erwerber dem Notar schriftlich bestätigt, dass die Bauleistungen
für die ausstehenden Raten jeweils erbracht sind und bezüglich der letzten Rate
von 3,5 %, dass der Vertragsgegenstand ohne wesentliche Mängel rechtzeitig
fertig gestellt und die im Abnahmeprotokoll festgestellten Mängel beseitigt sind.
Mit Hinterlegung der ausstehenden Raten einschließlich der letzten Rate von
3,5 "
Soweit Zahlungen auf ein Anderkonto des beurkundenden Notars erfolgten,
wurde der Notar nach § 3 Nr. 6 des Vertrages unwiderruflich angewiesen,
die Auszahlung entsprechend den Voraussetzungen des Ratenplans und unter
Beachtung etwaiger Zurückbehaltungsrechte des Beteiligten zu 1 vorzunehmen.
Der Beteiligte zu 1 zahlte den gesamten Kaufpreis auf das Anderkonto des
Notars B. ein. Dieser Betrag wurde entsprechend dem vereinbarten Ratenplan
bis auf einen 8,5 % des Gesamtkaufpreises entsprechenden Restbetrag von
Dieser Restbetrag setzte sich zusammen
aus einer vereinbarungsgemäßen Reduzierung der ersten Kaufpreisrate um
5 % als Sicherheitseinbehalt des Beteiligten zu 1 bis zur rechtzeitigen Herstellung
des Objekts ohne wesentliche Mängel sowie weiteren 3,5 %, die als letzte Kaufpreisrate
gemäß § 3 Nr. 4 Buchst. k des Vertrages erst nach vollständiger Fertigstellung
und Beseitigung der im Abnahmeprotokoll aufgeführten Mängel zu
zahlen waren.
Am 20. September 2017 gab die Verkäuferin gegenüber der Beteiligten zu
2 ein notariell beurkundete . Zur Sicherung
dieser Forderung erklärten die Verkäuferin und die Beteiligte zu 2 in derselben
Urkunde die Abtretung "fälliger Kaufpreisforderungen" der Verkäuferin an die
Beteiligte zu 2, unter anderem aus dem Kaufvertrag zwischen der Verkäuferin
und dem Beteiligten zu 1 betreffend die Eigentumswohnung Nr. 81 nebst dem
zugehörigen Sondernutzungsrecht an einem der beiden Stellplätze in Höhe von
8,5 % (= ). Weiter wies die Verkäuferin den Notar B. an, auf seinem
Anderkonto eingehende Beträge bis zu dieser Höhe an die Beteiligte zu 2 auszuzahlen,
sobald sie nach dem Kaufvertrag zur Auszahlung an die Verkäuferin
fällig seien.
Am 11. März 2019 wurde über das Vermögen der Verkäuferin das Insolvenzverfahren
eröffnet. Nachdem der Insolvenzverwalter am 20. November 2019
den auf dem Notaranderkonto befindlichen Restkaufpreis zugunsten des Beteiligten
zu 1 freigegeben hatte, überwies Notar K. (nachfolgend: Notar),
dem die Verwahrung der Notariatsakten des zwischenzeitlich aus dem Amt geschiedenen
Notars B. übertragen worden war, das auf dem Anderkonto vorligten
zu 1. Mit Schreiben vom 28. November 2019 teilte der Notar dem Beteiligten
zu 1 mit, diesen Betrag nur mit Zustimmung der Beteiligten zu 2 an den Beteiligten
zu 1 auszahlen zu können, welche nicht vorliege.
Dagegen hat der Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt und die Auszahlung
des auf dem Anderkonto verbliebenen Betrages an sich verlangt. Der Notar
hat der Beschwerde mit Schreiben vom 16. Januar 2020 nicht abgeholfen. Auf
die Beschwerde hat das Landgericht ihn angewiesen, den auf dem Anderkonto
noch befindlichen Restbetrag von 82.025 ten zu 1 auszuzahlen.
Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 2 mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
Die nach § 15 Abs. 2 Satz 3 BNotO i.V.m.
und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2 ist
begründet.
1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren
von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Pflicht des Notars zur Auskehr des auf dem Notaranderkonto befindlichen
Restbetrags an den Beteiligten zu 1 folge aus § 57 Abs. 2 BeurkG. Der
Betrag sei an den Einzahler zurückzuzahlen, da es jedenfalls an einer wirksamen
Verwahrungsanweisung für den Restbetrag fehle und auch nicht damit zu
rechnen sei, dass eine solche noch nachträglich erteilt werde.
Als Verwahrungsanweisung im Sinne von § 57 Abs. 2 Nr. 2 BeurkG
komme nur die Bestimmung in § 7 Nr. 2 des notariellen Kaufvertrags in Betracht.
Diese sei unwirksam, weil für eine Verwahrung mit dieser Anweisung kein berechtigtes
Sicherungsinteresse nach § 57 Abs. 2 Nr. 1 BeurkG bestehe, weshalb
der Notar sie nicht annehmen dürfe. Beide Vertragsparteien hätten bei einem
Bauträgervertrag wie dem vorliegenden kein rechtliches Sicherungsinteresse an
der notariellen Verwahrung des Kaufpreises.
Unabhängig davon sei die Verwahrungsanweisung auch deshalb unwirksam,
weil die Verkäuferin durch die Verwahrung der noch nicht fälligen Kaufpreisteilbeträge
gegen das gesetzliche Verbot des § 3 Abs. 2 MaBV verstoße,
wonach sie als Bauträgerin vor Eintritt der dort festgelegten Voraussetzungen
keine Vermögenswerte des Auftraggebers zur Ausführung des Auftrags entgegennehmen
dürfe. Wenngleich nicht der Bauträger, sondern der Notar die auf
das Anderkonto eingezahlten Zahlungsmittel entgegennehme, begründe die den
Bauträger zum Empfangsberechtigten bestimmende Verwahrungsanweisung für
diesen bereits eine rechtlich gesicherte Auszahlungsanwartschaft.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Notar hat sein Tätigwerden
nicht ohne ausreichenden Grund verweigert.
Die Verweigerung der Amtsausübung durch den Notar ist nur zulässig und
damit pflichtgemäß, wenn sie auf einen ausreichenden Grund gestützt werden
kann (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 BNotO). Das nach
der Verweigerung einer notariellen Amtstätigkeit zuständige Beschwerdegericht
ist hierbei nicht an die Beschwerdebegründung gebunden, sondern hat das Ersuchen
im Hinblick auf alle Umstände zu prüfen, die der Beschwerde zum Erfolg
verhelfen können (BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2021 - V ZB 25/21 Rn. 5,
9,
a) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts lässt sich die Verpflichtung
des Notars zur Auskehr des auf dem Anderkonto befindlichen Restbetrags
an den Beteiligten zu 1 nicht auf ein fehlendes Sicherungsinteresse an der Verwahrung
im Sinne von § 57 Abs. 2 Nr. 1 BeurkG und eine damit einhergehende
Unwirksamkeit der in § 7 Nr. 2 des notariellen Kaufvertrags enthaltenen Verwahrungsanweisung
stützen.
Nach § 57 Abs. 2 BeurkG darf der Notar Geld zur Verwahrung unter anderem
nur entgegennehmen, wenn hierfür ein berechtigtes Sicherungsinteresse
der am Verwahrungsgeschäft beteiligten Personen gegeben ist (Nr. 1) und ihm
ein Antrag auf Verwahrung verbunden mit einer Verwahrungsanweisung näher
geregelten Inhalts vorliegt (Nr. 2).
Inwieweit für die Abwicklung von Kaufpreisraten über ein Notaranderkonto
bei einem Bauträgervertrag ein entsprechendes berechtigtes Sicherungsinteresse
besteht (vgl. zum Streitstand Basty, Der Bauträgervertrag, 10. Aufl., Kap. 1
Rn. 94; Kämper in Bremkamp/Kindler/Winnen, BeurkG, § 57 Rn. 31 ff.; jeweils
m.w.N.), kann für den Streitfall dahinstehen. Denn ein Notar, der - wie hier - einen
Verwahrungsantrag angenommen hat, hat die mit dem Verwahrungsantrag verbundene
Verwahrungsanweisung auch dann zu beachten, wenn ein berechtigtes
Sicherungsinteresse der Beteiligten fehlt.
Das Erfordernis eines berechtigten Sicherungsinteresses gemäß § 57
Abs. 2 Nr. 1 BeurkG soll einer "formularmäßigen" - kostenpflichtigen - Verwahrung
entgegenwirken und die Zahl der Verwahrungsgeschäfte niedrig halten
(vgl. BT-Drucks. 13/4184, S. 37 f.; BGH, Urteil vom 16. November 2020
- NotSt (Brfg) 2/19 Rn. 27,
Nr. 1 BeurkG a.F. als Vorgängerregelung von § 57 Abs. 2 Nr. 1 BeurkG). Ein
berechtigtes Sicherungsinteresse ist anzunehmen, wenn die notarielle Verwahrung
gegenüber der Direktzahlung eine Absicherung der Beteiligten zumindest
deutlich erleichtert (BGH, Urteil vom 16. November 2020 - NotSt (Brfg) 2/19
Rn. 29,
berechtigten Sicherungsinteresse zwar die Amtspflicht, die Verwahrungstätigkeit
abzulehnen (BGH, Urteil vom 16. November 2020 - NotSt (Brfg) 2/19 Rn. 33,
Verbotsnorm des § 57 Abs. 2 Nr. 1 BeurkG gebietet es indes nicht, die
regelmäßig im Grundgeschäft enthaltene öffentlich-rechtliche Verwahrungsanweisung
an den Notar und die davon zu unterscheidende zivilrechtliche Verwahrungsvereinbarung
zwischen den Vertragsparteien, die ebenfalls regelmäßig Bestandteil
des Grundgeschäfts ist, für unwirksam zu erachten (allg. Meinung; vgl.
BeckOGK BeurkG/Franken, Stand: 1. September 2022, § 57 Rn. 32; Hertel in
Frenz/Miermeister, BNotO, 5. Aufl., § 57 BeurkG Rn. 24; Mayer in Armbrüster/
Preuß, BeurkG mit NotAktVV und DONot, 9. Aufl., Vor §§ 57 ff. BeurkG Rn. 26).
Aus einem fehlenden berechtigten Sicherungsinteresse der Beteiligten
folgt daher nicht, dass der Notar den verwahrten Kaufpreisteilbetrag wieder an
den Beteiligten zu 1 als diejenige Vertragspartei auszahlen muss, die den Teilkaufpreis
auf das Notaranderkonto eingezahlt hat. Die vom Beschwerdegericht
für seine gegenteilige Auffassung als alleiniger Beleg angeführte Literaturstelle
("vgl. Winkler, BeurkG, 19. Aufl., § 57 Rdn. 59") bezieht sich auf § 57
Abs. 5 BeurkG und den hier nicht gegebenen Fall der Rückzahlung bei
- von vorneherein - fehlendem Treuhandauftrag.
b) Eine Pflicht des Notars zur Auszahlung des Restkaufpreises auf dem
Anderkonto an den Beteiligten zu 1 folgt, anders als vom Beschwerdegericht angenommen,
auch nicht aus einem - etwaigen - Verstoß der Regelung zur
Hinterlegung der Kaufpreisraten in § 7 Nr. 2 des Kaufvertrags gegen materiellrechtliche
Vorschriften, insbesondere § 3 Abs. 2, § 12 MaBV.
Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 MaBV darf ein Bauträger Vermögenswerte des
Auftraggebers nur entsprechend dem Bauablauf in bis zu sieben Teilbeträgen
entgegennehmen oder sich zu deren Verwendung ermächtigen lassen. Ein von
Es kann dahinstehen, ob die in § 7 Nr. 2 des Kaufvertrags getroffene
Regelung zur notariellen Verwahrung der Kaufpreisraten nach § 134 BGB i.V.m.
§ 3 Abs. 2, § 12 MaBV unwirksam ist. Denn ein etwaiger Verstoß gegen § 3
Abs. 2, § 12 MaBV, der zur Unwirksamkeit der zivilrechtlichen Verwahrungsvereinbarung
der Parteien führt (vgl. Hertel in Ganter/Hertel/Wöstmann, Handbuch
der Notarhaftung, 5. Aufl., Kap. 4 Rn. 79 f.), ist vom Notar nur zu beachten und
die Verwahrung nicht weiter durchzuführen, wenn die Unwirksamkeit der Verwahrungsvereinbarung
für ihn evident ist. Eine evidente Unwirksamkeit der Verwahrungsvereinbarung
liegt hier indes nicht vor. Dies gilt gleichermaßen im Hinblick
auf einen etwaigen Verstoß gegen die Klauselverbote nach §§ 305 ff. BGB.
aa) Im Rahmen einer auf Rückzahlung des hinterlegten Geldes an den
Käufer gerichteten Beschwerde nach
zwischen dem Notar und den Zivilgerichten ein beschränkter Prüfungsmaßstab.
Es ist nicht Aufgabe des Notars und damit nicht Aufgabe der über
eine Notarbeschwerde entscheidenden Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
über materiell-rechtliche Fragen zu befinden. Diese sind daher nicht in einem
Beschwerdeverfahren nach
der Beteiligten untereinander zu entscheiden. Anders verhält es sich nur dann,
wenn die Unwirksamkeit einer vertraglichen Regelung für den Notar ohne jeden
vernünftigen Zweifel erkennbar ist. Eine evident unwirksame Vertragsbestimmung
darf ein Notar weder beurkunden noch vollziehen (BGH, Beschluss vom
9. Dezember 2021 - V ZB 25/21 Rn. 5,
1. Oktober 2015 - V ZB 171/14 Rn. 21,
Verwahrungsvereinbarung für den Notar evident unwirksam, ist die Verwahrung
für den Notar undurchführbar und darf nicht mehr abgewickelt werden (vgl.
Brambring,
Notars, Rn. 94; Zimmermann,
bb) Es ist nicht davon auszugehen, dass die Klausel in § 7 Nr. 2 des Kaufvertrags
offensichtlich und ohne jeden vernünftigen Zweifel unwirksam ist und
der Notar dies erkennen musste. Zur Frage der Wirksamkeit einer Verwahrungs-
vereinbarung wie derjenigen in § 7 Nr. 2 des Kaufvertrags besteht in Rechtsprechung
und Schrifttum kein einheitliches Meinungsbild. Die Klausel räumt dem
Beteiligten zu 1 die Möglichkeit (" ") ein, die bei Bezugsfertigkeit
der Wohnungen noch ausstehenden Raten auf einem Notaranderkonto
zu verwahren, sofern das Kaufobjekt zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig
fertiggestellt ist oder noch Mängel zu beseitigen sind; macht er von dieser
Option Gebrauch, erhält er nach § 7 Nr. 2 Abs. 2 Satz 1 des Vertrages einen
Anspruch auf Besitzübertragung gegen den Bauträger. Zwar stößt die Übernahme
einer Verpflichtung des Käufers zur Einzahlung der Raten auf ein
Notaranderkonto bei einem Bauträgervertrag vor dem Hintergrund der § 3 Abs. 2,
§ 12 MaBV sowie der Klauselverbote nach §§ 305 ff. BGB in Rechtsprechung
und Schrifttum unter bestimmten Voraussetzungen auf Bedenken (vgl. BGH,
Urteil vom 11. Oktober 1984 - VII ZR 248/83,
§ 11 Nr. 2a AGBG [jetzt § 309 Nr. 2a BGB]; zum Streitstand allgemein Hertel in
Ganter/Hertel/Wöstmann, Handbuch der Notarhaftung, 5. Aufl., Kap. 4 Rn. 80;
Mayer in Armbrüster/Preuß, BeurkG mit NotAktVV und DONot, 9. Aufl.,
§ 57 BeurkG Rn. 26 ff.). Die bloße Option zur Hinterlegung von Kaufpreisraten
auf einem Notaranderkonto soll aber eine - auch formularvertraglich - zulässige
Gestaltung sein können (vgl. etwa Basty, Der Bauträgervertrag, 10. Aufl., Kap. 1
Rn. 103; siehe auch Brambring,
497, 513 ff.).
cc) Nach alledem kann offenbleiben, ob dem Notar im Falle einer - hier
nicht vorliegenden - evident unwirksamen Verwahrungsvereinbarung über die
Einstellung der weiteren Vertragsabwicklung hinaus überhaupt gestattet ist, den
hinterlegten Kaufpreis kraft seines Amtes wieder an den Einzahlenden zurückzuüberweisen
(in diesem Sinne wohl KG, Beschluss vom 30. Juli 2002 - 1 W 59/02,
juris Rn. 3 ff. für den Fall des einseitigen Widerrufs mehrseitiger Verwahrungsanweisungen
nach § 54c Abs. 3 BeurkG a.F.; anders Mayer in Armbrüster/Preuß,
BeurkG mit NotAktVV und DONot, 9. Aufl.,
3. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts stellt sich auch nicht aus
anderen Gründen als richtig dar (§ 15 Abs. 2 Satz 3 BNotO i.V.m. § 74
Abs. 2 FamFG).
Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1 ist der Notar nicht verpflichtet,
einem vom Beteiligten zu 1 und dem Insolvenzverwalter übereinstimmend
erklärten Widerruf der Verwahrungsanweisung Folge zu leisten und den auf dem
Anderkonto befindlichen Restkaufpreis wunschgemäß an den Beteiligten zu 1
auszuzahlen. Der Notar ist vielmehr berechtigt, die Auszahlung wegen fehlender
Zustimmung der Beteiligten zu 2 zu verweigern.
Nach § 60 Abs. 2 BeurkG hat ein Notar den Widerruf einer von mehreren
Anweisenden erteilten Anweisung - vorbehaltlich einer abweichenden Regelung
(§ 60 Abs. 4 BeurkG) - nur zu beachten, wenn er durch alle Anweisenden gemeinsam
erfolgt. Diese Voraussetzung liegt nicht vor.
a) Bei der in § 7 Nr. 2 des Kaufvertrags erteilten Verwahrungsanweisung
handelt es sich um eine mehrseitige Anweisung der Verkäuferin und des Beteiligten
zu 1.
aa) Für die Abgrenzung einer einseitigen von einer mehrseitigen Verwahrungsanweisung
kommt es entscheidend darauf an, wessen Sicherungsinteresse
die mit der Anweisung verbundene Übertragung der Verfügungsbefugnis auf den
Notar dient. Dient die Weisung dem Interessenschutz mehrerer Beteiligter, ist
eine mehrseitige Anweisung gegeben (vgl. BayObLG, Beschluss vom
1. Juni 1995 - 3Z BR 49/95,
Frenz/Miermeister, BNotO, 5. Aufl.,
bb) Nach der gebotenen Auslegung der hier in Rede stehenden Vertragsbestimmung,
die der Senat mangels weiterer zu erwartender Feststellungen
selbst vornehmen kann, liegt eine mehrseitige Anweisung vor. Die Klausel sichert
sowohl die Interessen des Beteiligten zu 1 als auch die der Verkäuferin bei der
Abwicklung der Kaufpreiszahlung. Sie trägt einerseits den Interessen des Beteiligten
zu 1 Rechnung, weil die bei Bezugsfertigkeit der Eigentumswohnungen
hinterlegten noch nicht fälligen Kaufpreisraten erst nach dessen schriftlicher Bestätigung
einer mangelfreien und vollständigen Erbringung der jeweiligen Bauleistung
von dem Notar an die Verkäuferin ausgezahlt werden dürfen. Andererseits
liegt die Regelung im Interesse der Verkäuferin am vollständigen Erhalt der
Kaufpreiszahlung nach erfolgter Besitzübertragung auf den Beteiligten zu 1 bei
ordnungsgemäßer Erbringung ihrer Bauleistungen. Die Verwahrung schützt die
Verkäuferin vor ungerechtfertigten Mängelrügen sowie der grundlosen Zahlungsverweigerung
des Erwerbers (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 1984
- VII ZR 248/83,
b) Diente die Verwahrungsanweisung in § 7 Nr. 2 des Kaufvertrags auch
den Interessen der Verkäuferin, durfte der Notar davon ausgehen, dass der Widerruf
dieser Anweisung der Zustimmung der Beteiligten zu 2 bedarf, die kraft
Abtretung in die Rechtsposition der Verkäuferin eingetreten ist.
aa) Zwar war die Beteiligte zu 2 ursprünglich nicht am notariellen Verwahrungsverhältnis
beteiligt. Unter der Annahme, dass die Beteiligte zu 2 durch die
am 20. September 2017 erklärte notarielle Abtretung Inhaberin der Kaufpreisforderung
in Höhe der auf dem Anderkonto noch befindlichen 82.025
ist, ist die Beteiligte zu 2 aber verfahrensrechtlich als Beteiligte an der Verwahrung
in die Stellung der Verkäuferin gerückt. Wird eine Kaufpreiszahlung über ein
Notaranderkonto abgewickelt, geht mit der Abtretung des Kaufpreisanspruchs
automatisch auch der Auskehrungsanspruch gegen den Notar als Nebenrecht
des Kaufpreisanspruchs im Sinne des § 401 BGB auf den Abtretungsempfänger
über.
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass sich
bei einer Abwicklung der Kaufpreiszahlung über ein Notaranderkonto das mit der
Pfändung des Kaufpreisanspruchs entstandene Pfandrecht auf den Auszahlungsanspruch
des Verkäufers gegen den Notar erstreckt. Der Anspruch gegen
den Notar wird nur deshalb begründet, weil der Verkäufer von seinem Vertragspartner
nicht Zahlung an sich verlangen kann; er ergänzt die vertragliche Forderung.
Der Auskehrungsanspruch gegen den Notar ist daher im Verhältnis zur
Kaufpreisforderung als ein Nebenrecht im Sinne von § 401 BGB einzuordnen
(BGH, Beschluss vom 9. Juni 2016 - V ZB 37/15 Rn. 20 ff.,
Für die Abtretung des Kaufpreisanspruchs - auch wenn sie zur Sicherung erfolgt
- gilt nichts anderes. Mit dem Übergang des zivilrechtlichen Anspruchs geht der
Auskehrungsanspruch auch ohne ausdrückliche Mitabtretung als Nebenrecht
kraft Gesetzes mit über und der Zessionar rückt auch verfahrensrechtlich in die
sich aus dem notariellen Verwahrungsverhältnis ergebende Beteiligtenstellung
des Zedenten ein. Zu einer Änderung oder einem Widerruf einer Verwahrungsanweisung
ist fortan seine Zustimmung als Empfangsberechtigter erforderlich
und im Umfang der Abtretung die Mitwirkung des Zedenten entbehrlich (Hertel in
Frenz/Miermeister, BNotO, 5. Aufl., § 23 BNotO Rn. 33, 37; vgl. für den
Pfändungsgläubiger auch BayObLG, Beschluss vom 17. Dezember 2004
- 1Z BR 64/04,
Sandkühler, BNotO, 8. Aufl., § 23 Rn. 189; a.A. KG, Beschluss vom
9. Januar 1996 - 9 U 8386/94, KG-Report 1996, 143).
bb) Der Notar durfte ferner annehmen, dass die Beteiligte zu 2 infolge der
Abtretung der Teilkaufpreisforderung Empfangsberechtigte hinsichtlich des auf
dem Anderkonto noch befindlichen Restbetrags sein kann.
(1) Soweit die Wirksamkeit der Abtretung des Kaufpreisanspruchs oder
sonstige Vorfragen der Empfangsberechtigung im mehrseitigen Verwahrungsverhältnis
zu klären sind, ist der Prüfungsmaßstab des Notars im Rahmen einer
auf Auszahlung des hinterlegten Geldes gerichteten Beschwerde nach § 15
Abs. 2 BNotO auf eine Evidenzkontrolle beschränkt, da die Prüfung solcher Fragen
grundsätzlich nicht Aufgabe des Notars ist (siehe oben unter II. 2. b) aa)). In
Fallgestaltungen, in denen für den Notar etwa ohne jeden vernünftigen Zweifel
feststeht, dass die Abtretung materiell-rechtlich unwirksam ist, darf er annehmen,
dass der Zessionar nicht in die verfahrensrechtliche Stellung des Zedenten eingetreten
ist. Der Notar handelt hingegen nicht pflichtwidrig, wenn er sich bei begründeten
Zweifeln über die Empfangsberechtigung entschließt, den hinterlegten
Betrag nicht auszuzahlen, sondern weiter zu verwahren und die Beteiligten auf
den Zivilprozess gegeneinander zu verweisen (KG, Beschluss vom
16. März 1999 - 1 W 8724/98,
Beschluss vom 9. Februar 1993 - 15 W 198/92,
Hertel in Frenz/Miermeister, BNotO, 5. Aufl., § 23 BNotO Rn. 36; Sandkühler in
Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 8. Aufl., § 15 Rn. 74; vgl. auch schon BGH,
Urteil vom 21. Dezember 1959 - III ZR 180/58,
(2) Gemessen daran stellt sich die Verweigerung der Auszahlung durch
den Notar nicht als pflichtwidrig dar. Eine Empfangsberechtigung der Beteiligten
zu 2 infolge der Abtretung der Teilkaufpreisforderung kann vom Notar derzeit
nicht evident ausgeschlossen werden.
Der Beteiligte zu 1 hat im Rahmen seiner Notarbeschwerde die Auffassung
vertreten, eine wirksame Abtretung des Kaufpreisanspruchs durch die Verkäuferin
habe nicht stattgefunden. Die notarielle Abtretung habe allein fällige
Kaufpreisforderungen umfasst, wobei der noch auf dem Anderkonto verwahrte
Kaufpreisrest nicht zu den fälligen Beträgen gehöre und Fälligkeit aufgrund der
Verweigerung der weiteren Erfüllung durch den Insolvenzverwalter nicht mehr
eintreten könne. Demgegenüber hat der Notar in seinem Nichtabhilfeschreiben
vom 16. Januar 2020 ausgeführt, er könne die Fälligkeit der Kaufpreisraten nicht
beurteilen, da sich diese nach dem Bautenstand richte, zu dessen Überprüfung
er außer Stande sei. Insbesondere könne er nicht feststellen, ob die bislang von
dem Beteiligten zu 1 an die Verkäuferin gezahlten Kaufpreisraten dem erreichten
Bautenstand entsprächen. Da er nicht zu erkennen vermöge, ob noch Ansprüche
der Verkäuferin bestünden, müsse er im Rahmen der gebotenen Evidenzprüfung
von der Wirksamkeit der Abtretung ausgehen.
Diese Bedenken des Notars hinsichtlich des Kreises der Empfangsberechtigten,
namentlich die Annahme einer möglichen Empfangsberechtigung der Beteiligten
zu 2, sind nicht von der Hand zu weisen. Selbst wenn der Insolvenzverwalter
die Nichterfüllung weiterer Bauverpflichtungen aus dem Bauträgervertrag
erklärt haben mag (
Anspruch der Verkäuferin gegen den Beteiligten zu 1 auf anteilige Kaufpreiszahlung
für bereits erbrachte, aber noch nicht bezahlte Bauleistungen in Betracht,
der kraft Abtretung auf die Beteiligte zu 2 übergegangen wäre (vgl. BGH,
Urteil vom 17. Dezember 2009 - IX ZR 214/08 Rn. 12,
MünchKommInsO/Huber, 4. Aufl., § 103 Rn. 32; jeweils zu Ansprüchen des Insolvenzverwalters
bei fehlender Erfüllungswahl nach
Vorleistung des Schuldners). Ob aufgrund des erreichten Bautenstandes
noch offene Zahlungspflichten bestehen, kann vom Notar, der keine genaue
Kenntnis vom Bautenstand hat, jedenfalls nicht zweifelsfrei verneint werden. Im
Ergebnis nichts anderes gilt für etwaige weitere Folgewirkungen aus der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens für die Empfangszuständigkeit der Beteiligten
zu 2, vgl. insbesondere § 51 Nr. 1,
einer Zustimmung der Beteiligten zu 2 ist die Verweigerung der Auszahlung
an den Beteiligten zu 1 nach alledem sachlich nicht zu beanstanden.
III.
1. Der angefochtene Beschluss hat somit keinen Bestand; er ist aufzuheben
(§ 15 Abs. 2 Satz 3 BNotO i.V.m. § 74 Abs. 5 FamFG). Da die Sache zur
Endentscheidung reif ist, hat der Senat selbst zu entscheiden. Dies führt zur Zurückweisung
der Beschwerde.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 15 Abs. 2 Satz 3 BNotO i.V.m.
Abs. 1,
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:02.08.2023
Aktenzeichen:VII ZB 28/20
Rechtsgebiete:
Notarielles Berufsrecht
Beurkundungsverfahren
Allgemeines Schuldrecht
AGB, Verbraucherschutz
Kostenrecht
Notaranderkonto/notarielle Verwahrung
Insolvenzrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Bauträgervertrag und Werkvertrag
BeurkG §§ 57 Abs. 2, 60; BNotO § 15 Abs. 2; BGB § 401