Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KG; keine Anwendung der Nachhaftungsgrundsätze auf die Haftung eines Kommanditisten
letzte Aktualisierung: 10.4.2025
BGH, Urt. v. 3.12.2024 – II ZR 143/23
HGB a. F. §§ 131 Abs. 1 Nr. 3, 160 Abs. 1 S. 1, 161 Abs. 2
Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KG; keine Anwendung der
Nachhaftungsgrundsätze auf die Haftung eines Kommanditisten
Die Haftung des Kommanditisten der der durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelösten
Kommanditgesellschaft angehört, ist nicht entsprechend
der bis zum 31. Dezember 2023 geltenden Fassung begrenzt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen
Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt
begründet: Bei der Prüfung, ob die Haftsumme zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger
nicht benötigt werde, seien solche Forderungen von vornherein
nicht zu berücksichtigen, hinsichtlich derer der Kommanditist aus Rechtsgründen
nicht hafte. Eine Haftung für die Gewerbesteuerforderung in Höhe von
betrage.
Die Haftung erstrecke sich zwar auf die Gewerbesteuerforderung, die vor
der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sei. Die Forderung sei
jedoch entsprechend
Insolvenzeröffnung erloschen. Die Begrenzung der Haftung sei bei einem ausgeschiedenen
Gesellschafter erforderlich, weil die Beschränkung der Nachhaftung
auf die vor dem Ausscheiden begründeten sogenannten Altverbindlichkeiten keinen
hinreichenden Schutz gegen eine Endloshaftung gewährleiste. In einer vergleichbaren
Situation befinde sich der Gesellschafter, insbesondere der Kommanditist
nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der
Gesellschaft. Die Frist habe entsprechend
des Insolvenzverfahrens am 30. April 2014 zu laufen begonnen und habe
mit Ablauf des 30. April 2019 geendet. Die Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle
habe nicht zur Hemmung gegenüber der Beklagten geführt, da § 159
Abs. 4 HGB keine Anwendung finde. Damit bestehe eine in der Person des Gesellschafters
begründete Einwendung, so dass ein Einwendungsausschluss gemäß
II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung in einem entscheidenden
Punkt nicht stand. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen,
dass die Haftung der Beklagten für die Forderungen gegen die
Schuldnerin entsprechend
31. Dezember 2023 geltenden Fassung (HGB aF) fünf Jahre nach der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft erlischt.
1. Die Reichweite der Haftung der Beklagten ist mangels besonderer gesetzlicher
Regelung nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen
Haftungsrechts auf der Grundlage des vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur
Modernisierung des Personengesellschaftsrechts vom 10. August 2021 (BGBl. I
S. 3436) am 1. Januar 2024 geltenden Rechts zu bestimmen, weil sämtliche
Handlungen, die im vorliegenden Fall eine Haftung begründen könnten, vor diesem
Zeitpunkt vorgenommen wurden (vgl. Wertenbruch/Döring, GmbHR 2023,
649 Rn. 30; Saam in Ebenroth/Boujong, HGB, 5. Aufl., § 137 Rn. 8).
2. Nach
Kommanditisten auf die bis zum Ausscheiden begründeten Verbindlichkeiten der
Gesellschaft beschränkt, wenn diese vor Ablauf von fünf Jahren fällig und gegen
den Gesellschafter verfolgt werden. Der Gesetzgeber hat die Begrenzung der
Nachhaftung damit umfassend geregelt und im Interesse der Rechtssicherheit
unter Berücksichtigung der beteiligten Interessen für alle Verbindlichkeiten einheitlich
den Weg einer klar festgelegten Ausschlussfrist gewählt. Sinn dieser
Regelung ist es in erster Linie zu vermeiden, dass ein ausgeschiedener Gesellschafter
zu lange Zeit mit einer Haftung für Verbindlichkeiten belastet wird, obwohl
er wegen seines Ausscheidens weder weiteren Einfluss auf die Gesellschaft
nehmen noch von den Gegenleistungen und sonstigen Erträgen profitieren kann.
Sinn ist es aber zugleich, einen Ausgleich zwischen diesem Anliegen und den
Interessen der Gesellschaftsgläubiger zu schaffen. Die Ausschlussfrist von fünf
Jahren soll daher unter Wahrung der berechtigten Gläubigerinteressen eine für
den betroffenen Gesellschafter mit unüberschaubaren und nicht zumutbaren
Risiken verbundene zeitlich unbegrenzte Haftung des ausscheidenden Gesellschafters
insbesondere für Verbindlichkeiten aus langfristigen Schuldverhältnissen
vermeiden (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1999 - II ZR 356/98,
373, 376).
3. Eine entsprechende Anwendung der Bestimmung in der Weise, dass
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens einem Ausscheiden gleichgestellt wird
und die Haftung des Kommanditisten der Ausschlussfrist nach § 161 Abs. 2,
a) Eine Analogie ist nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke
aufweist und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht
soweit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist,
dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung,
bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei
dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis
gekommen (BGH, Urteil vom 18. September 2018 - II ZR 312/16,
Rn. 14; Urteil vom 19. November 2019 - II ZR 233/18,
Urteil vom 17. März 2022 - III ZR 79/21,
19. September 2023 - II ZB 15/22,
b) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Es kann unter Berücksichtigung
des mit der Ausschlussfrist verfolgten Regelungsanliegens nicht davon ausgegangen
werden, dass der Gesetzgeber in der Insolvenz der Gesellschaft die
Haftung des Gesellschafters für Altverbindlichkeiten zeitlich entsprechend § 160
Abs. 1 Satz 1 HGB aF begrenzen wollte.
aa) Die Haftung des Gesellschafters ist im Fall der Auflösung der Gesellschaft
mit
auch für den Fall der Auflösung durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über
das Vermögen der Gesellschaft (
HGB/K. Schmidt/Drescher, 5. Aufl., § 159 Rn. 18). Nach dem bis zur Neuregelung
in
Verjährung mit der Eintragung der Auflösung der Gesellschaft in das Handelsregister,
es sei denn der Anspruch des Gläubigers wird erst später fällig; in diesem
Fall beginnt die Verjährung mit dem Zeitpunkt der Fälligkeit (§ 159 Abs. 2 und 3
HGB; vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2020 - II ZR 108/19,
Rn. 62). Der Neubeginn der Verjährung und ihre Hemmung nach
der aufgelösten Gesellschaft wirkt auch gegenüber den Gesellschaftern,
die der Gesellschaft zur Zeit der Auflösung angehört haben (
aF). Die Hemmung der Verjährung durch die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren
nach
den Gesellschaftern, die der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
angehört haben.
bb) Eine über die Verjährungsregelung hinausgehende zeitliche Begrenzung
der Haftung ist im Regelungskonzept des Gesetzes nicht angelegt.
(1) Anders als bei einem Ausscheiden eines Gesellschafters aus der
lebenden Gesellschaft, an den der unter 1. beschriebene Interessenausgleich
anknüpft, wird die Kommanditgesellschaft durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über das Vermögen der Gesellschaft zum Zweck der gemeinschaftlichen
Befriedigung der Gläubiger aufgelöst (
steht, wird die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger nicht nur durch
die Verwertung und Verteilung des Gesellschaftsvermögens, sondern auch
dadurch realisiert, dass der Insolvenzverwalter die persönliche Haftung der Kommanditisten
nach
für die Deckung der von ihrer Haftung erfassten Verbindlichkeiten
herangezogen werden (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2020 - II ZR 108/19,
37 Rn. 26), droht ihnen keine unüberschaubare und mit unzumutbaren Risiken
verbundene Haftung.
(2) Aus der Rechtsprechung des Senats kann entgegen der Sicht des
Berufungsgerichts nichts Gegenteiliges abgeleitet werden. Soweit der Senat eine
Begrenzung der Haftung aus
des Gesellschafters nach der Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens eine
gewisse Ähnlichkeit mit derjenigen eines aus der Gesellschaft ausgeschiedenen
Gesellschafters aufweise, der ebenfalls keinen weiteren Einfluss auf die Gesellschaft
nehmen und nicht von den Gegenleistungen oder sonstigen Erträgen profitieren
könne (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2020 - II ZR 108/19,
37 Rn. 37), ist lediglich die gegenständliche Reichweite der Gesellschafterhaftung
angesprochen und zum Ausdruck gebracht worden, dass die Gesellschafterhaftung
in der Insolvenz jedenfalls die Verbindlichkeiten umfasst, für die auch
ein ausgeschiedener Gesellschafter nach
(BGH, Urteil vom 15. Dezember 2020 - II ZR 108/19,
vom 21. November 2023 - II ZR 69/22,
nicht die weitergehende Schlussfolgerung, dass die Haftung des Kommanditisten
nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in jeder Hinsicht derjenigen eines
ausgeschiedenen Kommanditisten entsprechen müsste. Vielmehr sehen §§ 159,
160 HGB aF unterschiedliche Regelungen für die Begrenzung der Gesellschafterhaftung
im Fall der Auflösung der Gesellschaft einerseits und im Fall des Ausscheidens
eines Gesellschafters andererseits vor.
cc) Die mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts
vom 10. August 2021 (BGBl. I 3436) geltende Regelung
in
nicht mehr an die Auflösung der Gesellschaft, sondern an deren
Erlöschen anknüpft, macht zudem deutlich, dass der Gesetzgeber eine weitergehende
zeitliche Begrenzung der Gesellschafterhaftung in der aufgelösten Gesellschaft
nicht im Blick hatte, sondern die Verjährung nunmehr ungeachtet der Auflösung
der Gesellschaft erst anknüpfend an ihr Erlöschen zeitlich begrenzt werden
soll (Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts,
BT-Drucks. 19/27635 S. 251; Saam in Ebenroth/Boujong, HGB,
5. Aufl., § 151 Rn. 2 f.). Die Bestimmung gilt nicht nur für den Fall des Erlöschens
durch Liquidation, sondern auch für ein Erlöschen auf andere Weise, etwa durch
den Abschluss eines Insolvenzverfahrens (Hopt/Roth, HGB, 43. Aufl., § 151
Rn. 4).
3. Die Entscheidung erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig,
nicht beanstandet angenommen, dass sich die Haftung der Beklagten auch
auf die unter Nr. 18 zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung erstreckt, weil
diese bereits vor Verfahrenseröffnung begründet wurde. Die Ansprüche gegen
die jeweiligen Schiffsgesellschaften sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
vor der Eröffnung des Insolvenzverfahren durch den Wechsel der
Gewinnermittlungsart für die Gewerbesteuer entstanden (vgl. BGH, Urteil vom
15. Dezember 2020 - II ZR 108/19,
Forderung beruhenden Haftungsschuld der Beklagten Ausschüttungen zwischen
2002 und 2008 zu Grunde liegen, ist auch die Haftungsschuld vor der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens begründet worden.
III. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (
Sache gemäß
Das Berufungsgericht hat, auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung
folgerichtig, zu den Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs und zu
dem Einwand der Beklagten, die Forderung sei mangels wirksamer Anmeldung
im Insolvenzverfahren verjährt, keine Feststellungen getroffen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:03.12.2024
Aktenzeichen:II ZR 143/23
Rechtsgebiete:
Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht
Kommanditgesellschaft (KG)
OHG
Insolvenzrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
HGB a. F. §§ 131 Abs. 1 Nr. 3, 160 Abs. 1 S. 1, 161 Abs. 2