BFH 27. November 2002
VII R 41/01
AO 1977 § 34 Abs. 1 und 3, § 69, § 191; UStG § 4 Nr. 9 a, § 9, § 15a; KO § 4 Abs. 2, §§ 47, 60

Insolvenzverwalter darf nicht zur Umsatzsteuer optieren, ohne Mittel für Steuerzahlung zu haben

BUNDESFINANZHOF
Insolvenzverwalter darf nicht zur Umsatzsteuer optieren, ohne
Mittel für Steuerzahlung zu haben
1. Der gesetzliche Vertreter einer GmbH ist auch in Zeiten der
Krise nicht verpflichtet, von Geschäften Abstand zu nehmen,
weil diese Umsatzsteuer auslösen; das gilt grundsätzlich auch
für die Ausübung steuerlicher Gestaltungsrechte wie der Option
nach § 9 UStG. Ein Konkursverwalter verletzt jedoch seine
steuerlichen Pflichten, wenn er aufgrund einer Vereinbarung
mit einem Grundpfandgläubiger ein Grundstück unter Verzicht
auf die Umsatzsteuerbefreiung freihändig verkauft und den
Kaufpreisanspruch an den Grundpfandgläubiger abtritt, obwohl
er weiß, dass Mittel zur Tilgung der Steuerschuld nicht zur
Verfügung stehen (Abgrenzung zu BFH-Urteil vom 9. Januar 1997
VII R 51/96, BFH/NV 1997, 324).
2. Der Grundsatz der anteiligen Tilgung wird durch die
konkursrechtlichen Vorschriften modifiziert.
AO 1977 § 34 Abs. 1 und 3, § 69, § 191
UStG § 4 Nr. 9 a, § 9, § 15a
KO § 4 Abs. 2, §§ 47, 60
Urteil vom 28. November 2002 VII R 41/01
Vorinstanz: FG Münster vom 3. Mai 2000 5 K 2907/99 U
(EFG 2001, 1534)


Gründe
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde im November 1995
als Konkursverwalter der Gemeinschuldnerin bestellt.
Im Laufe des Konkursverfahrens veräußerte der Kläger einen
Teil des Grundbesitzes der Gemeinschuldnerin. Später zeigte er
mit Schreiben vom 16. Dezember 1996 die Unzulänglichkeit der
Masse i.S. des § 60 der Konkursordnung (KO) an.
Mit Kaufvertrag vom 30. Januar 1997 veräußerte der Kläger das
in der Konkursmasse verbliebene Teileigentum an einem bebauten
Grundstück nebst dem Inventar zu einem Gesamtkaufpreis von
... DM (... DM Nettokaufpreis, ... DM Umsatzsteuer) an einen
Unternehmer (U). Nach dem Kaufvertrag betrug der auf das
Grundstück entfallende Kaufpreis ... DM zuzüglich ... DM
Umsatzsteuer. Auf dem Grundstück waren für die Kredit gebende
Bank (B) mehrere Grundpfandrechte eingetragen. Die im
Zusammenhang mit der Baumaßnahme angefallenen Vorsteuern waren
der Gemeinschuldnerin seinerzeit vom Beklagten und
Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) vergütet worden, da sie
hinsichtlich der Mietumsätze für die Umsatzsteuerpflicht
optiert hatte.
Entsprechend der kaufvertraglichen Regelung verzichtete der
Kläger unter Hinweis auf § 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG)
für die Grundstückslieferung auf die Umsatzsteuerbefreiung
nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG und stellte dem Käufer eine
Rechnung mit gesondertem Steuerausweis aus. Der Käufer zahlte
den gesamten (Brutto-)Kaufpreis an den Notar, der den Betrag
weiterleitete.
Der Kläger meldete die Umsatzsteuer aus dem Grundstücks- und
Inventarverkauf in Höhe von ... DM beim FA an, führte die
Umsatzsteuer jedoch unter Verweis auf die bereits angezeigte
Masseunzulänglichkeit in Höhe eines Teilbetrages von ... DM
nicht ab.
In Höhe der rückständigen Umsatzsteuer nebst Säumniszuschlägen
nahm das FA den Kläger mit auf § 69 der Abgabenordnung (AO
1977) gestütztem Haftungsbescheid vom 4. November 1998 in Anspruch.
Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage
begehrte der Kläger die Herabsetzung des Haftungsbetrages auf
... DM Umsatzsteuer nebst anteiliger Säumniszuschläge. Während
des Klageverfahrens entließ das FA den Kläger mit Teilrücknahmebescheid vom 21. Januar 2000 aus der Haftung, soweit
diese sich auf die Umsatzsteuer sowie Säumniszuschläge für die
Inventarveräußerung erstreckte, und reduzierte die Haftungssumme auf ... DM Umsatzsteuer nebst anteiliger Säumniszuschläge in Höhe von ... DM. Das Finanzgericht (FG) wies die
Klage mit der in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001,
1534 veröffentlichten Entscheidung ab.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die fehlerhafte Anwendung
des § 69 AO 1977 auf den festgestellten Sachverhalt. Das FG
habe die Pflichten des Konkursverwalters verkannt. Zu den
Pflichten gehöre insbesondere die Verwertung der Masse, um den
Gemeinschuldner zu entschulden. Der Konkursverwalter stehe in
einem Spannungsverhältnis zwischen seinen konkursrechtlichen
einzelnen Konkursgläubigern andererseits. Hätte er nicht zur
Umsatzsteuer optiert, hätte er sich gegenüber der
Gemeinschuldnerin schadensersatzpflichtig gemacht, da in
diesem Fall ein die entstandene Umsatzsteuerschuld
übersteigender Vorsteuerberichtigungsanspruch gemäß § 15a UStG
entstanden wäre. Da der Konkursverwalter zur Verwertung der
Konkursmasse von seinem von der Gemeinschuldnerin abgeleiteten
Recht auf Option zur Umsatzsteuer Gebrauch gemacht habe,
bestehe für eine Anwendung des § 69 AO 1977 kein Raum. Dem FA
sei auch kein Schaden entstanden. Die Option habe zu einer
Entschuldung bei dem absonderungsberechtigten Gläubiger in
Höhe der angefallenen Umsatzsteuer geführt. Die Entschuldung
sei aber nicht auf Kosten des Fiskus erfolgt, da ohne Option
ein höherer Vorsteuerberichtigungsanspruch angefallen wäre.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben
und unter Änderung des Haftungsbescheides vom 4. November 1998
i.d.F. des Änderungsbescheides vom 21. Januar 2000 sowie
Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 9. April 1999 die
Haftungsbeträge auf ... DM Umsatzsteuer nebst anteiliger
Säumniszuschläge herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG
zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3
Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat im
Ergebnis rechtsfehlerfrei geurteilt, dass das FA den Kläger zu
ausgelöste Umsatzsteuer in Anspruch genommen hat. Anhand der
Feststellungen des FG lässt sich aber nicht beurteilen, ob die
Haftung sich auf die gesamte oder nur einen Teil der Umsatzsteuer erstreckt.
1. Dem Kläger oblag als Konkursverwalter die Ausübung des Verwaltungs- und Verfügungsrechts über das zur Konkursmasse gehörige Vermögen der Gemeinschuldnerin (§ 6 Abs. 2 KO). Der
Kläger hatte daher als Vermögensverwalter gemäß § 34 Abs. 3 AO
1977, ungeachtet der Frage, ob ein Konkursverwalter seine Verwaltungs- und Verfügungsrechte aus § 6 KO als gesetzlicher
Vertreter des Gemeinschuldners (Vertretertheorie) oder als
Treuhänder kraft Amtes (Amtstheorie) wahrnimmt (vgl. zum
Theorienstreit etwa Kilger/Karsten Schmidt, Insolvenzgesetze
KO/VglO/ GesO, Kommentar, 17. Aufl., § 6 KO Rdnr. 2), die der
Gemeinschuldnerin obliegenden steuerlichen Pflichten zu
erfüllen. Insbesondere hatte er dafür zu sorgen, dass die
Steuern aus den von ihm verwalteten Mitteln entrichtet werden
(§ 34 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Er haftet daher nach § 69 AO
1977, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge
vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm
auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt
oder erfüllt worden sind.
2. Das FG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der
Kläger im Zusammenhang mit der Veräußerung des Grundstücks der
Gemeinschuldnerin die ihm als Konkursverwalter obliegenden
Pflichten schuldhaft verletzt und dadurch den Tatbestand des
§ 69 AO 1977 erfüllt hat. Die den Haftungstatbestand
auslösende Pflichtverletzung ist indes nicht darin zu sehen,
dass er auf die nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG bestehende
verzichtet hat, sondern darin, dass er, obwohl ihm dies
rechtlich möglich gewesen wäre, nicht dafür Sorge getragen
hat, dass der der Umsatzsteuer entsprechende Anteil des vom
Erwerber U im Hinblick auf die Option gezahlten Kaufpreises
zur Konkursmasse fließt.
a) Der Entscheidung des FG liegt in tatsächlicher Hinsicht die
Würdigung zugrunde, dass die Gemeinschuldnerin im Zeitpunkt
der Fälligkeit der vorgenannten Umsatzsteuer über keine Mittel
zu deren Entrichtung verfügte, insbesondere der Erlös aus dem
Grundstücksverkauf in vollem Umfang an die absonderungsberechtigte B abgeführt worden ist.
b) Das FG weist sodann zutreffend auf den in der
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) aufgestellten
Rechtssatz hin, dass die Pflichten des Konkursverwalters nach
§ 34 Abs. 1 und 3 AO 1977 sich nicht darauf beschränken, die
im Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuern vorhandenen Mittel des
Steuerschuldners (auch, d.h. jedenfalls anteilig) zur
Befriedigung des Steuergläubigers einzusetzen, vielmehr der
gesetzliche Vertreter und der Vermögensverwalter (im Weiteren
nur noch gesetzlicher Vertreter) bereits vor Fälligkeit der
Steuern verpflichtet sind, die Mittel so zu verwalten, dass
sie zur pünktlichen Tilgung auch der erst künftig fällig
werdenden Steuerschulden in der Lage sind. Eine
Pflichtverletzung liegt deshalb auch dann vor, wenn der
gesetzliche Vertreter sich durch Vorwegbefriedigung anderer
Gläubiger oder in sonstiger Weise schuldhaft außer Stande
setzt, künftig fällig werdende Steuerschulden, deren
Entstehung ihm bekannt ist, zu tilgen (vgl. BFH-Urteil vom
26. April 1984 V R 128/79, BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776).
des gesetzlichen Vertreters einer GmbH bejaht, weil dieser zu
einem Zeitpunkt, in dem er wusste, dass der GmbH keine Zahlungsmittel mehr zur Verfügung stehen und auch zukünftig nicht
mehr zufließen werden, ein Umsatzsteuer auslösendes
Verkaufsgeschäft durchgeführt hatte, ohne dafür Sorge zu
tragen, dass die GmbH über das durch dieses Geschäft erzielte
Entgelt verfügen kann, um damit die durch das Geschäft
entstehende Umsatzsteuer begleichen zu können (Senatsurteil
vom 5. Februar 1985 VII R 124/80, BFH/NV 1987, 2). Soweit dem
gesetzlichen Vertreter nach dieser Rechtsprechung steuerliche
Pflichten vor der Fälligkeit der Steuer obliegen, beziehen
sich diese Pflichten allerdings auf die zukünftige Erfüllung
der Ansprüche des Fiskus, nicht auf die Begründung solcher
Ansprüche. Der gesetzliche Vertreter ist vielmehr auch in
Zeiten der Krise, unbeschadet gesellschafts- und/oder
insolvenzrechtlicher Regelungen, deren Verletzung eine
steuerliche Haftung nicht begründen könnte, nicht
verpflichtet, von Geschäften Abstand zu nehmen, weil diese
Umsatzsteuer auslösen, die voraussichtlich nicht beglichen
werden kann. Er bleibt auch in Krisenzeiten in seinen
unternehmerischen Dispositionen und in der Vertragsgestaltung
frei (Senatsurteil in BFH/NV 1987, 2). Das gilt grundsätzlich
auch für die Ausübung steuerlicher Gestaltungsrechte wie des
in § 9 UStG dem Unternehmer eingeräumten. Seine Ausübung wird
vom UStG ebenso wenig wie die Freiheit des Unternehmers,
steuerbare Lieferungen und sonstige Leistungen überhaupt
auszuführen, unter den Vorbehalt gestellt, die dadurch
entstehende Umsatzsteuer begleichen zu können. Das UStG nimmt
es vielmehr grundsätzlich in Kauf, dass die Umsatzsteuer, die
der Leistungsempfänger als Vorsteuer gegenüber dem Fiskus
geltend machen kann und die im Gegenzug bei dem Leistenden
nur teilweise realisiert werden kann. Es verlangt von dem
Unternehmer auch nicht, bei der Ausübung des ihm zustehenden
Wahlrechts nach § 9 UStG auf das Interesse des Fiskus
Rücksicht zu nehmen, nicht Vorsteuer ohne die gesicherte
Erwartung vergüten zu müssen, seine Umsatzsteuerforderung
gegen den Leistenden durchsetzen zu können. Der Unternehmer
darf vielmehr die Option im Hinblick auf sein Eigeninteresse
ausüben, was darauf gerichtet ist, durch die Vereinnahmung des
im Fall der Option im Allgemeinen um die Umsatzsteuer erhöhten
Entgelts seine Liquidität und, sofern bei steuerbefreiter
Leistung ein im Vergleich zur Umsatzsteuerschuld höherer
Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 15a UStG entstünde,
seine Vermögenslage zu verbessern. Von dem Optionsrecht darf
der Unternehmer daher grundsätzlich auch Gebrauch machen, um
den absonderungsberechtigten Gläubiger in größerem Umfang als
ohne die Option befriedigen zu können, sofern dieses nicht zu
einer ungerechtfertigten Befriedigung desselben führt.
Allerdings steht die Option nach § 9 UStG wie jede steuerliche
Gestaltung unter dem Vorbehalt des § 42 AO 1977. Wählt der
Veräußerer --hier der Kläger-- eine Gestaltung, der nach § 42
AO 1977 steuerlich die Anerkennung zu versagen ist, so kann
dies seine Haftung nach § 69 AO 1977 begründen, wenn das FA
dem Erwerber Vorsteuer vergüten muss, weil § 42 AO 1977 im
Hinblick auf dessen Vorsteuerabzug nicht eingreift, ohne dafür
vom Veräußerer einen Ausgleich erlangen zu können.
Rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 AO 1977 ist jedoch nur eine
Gestaltung, welche der Veräußerer --nur auf ihn kommt es
insofern an (BFH-Urteil vom 26. November 1987 V R 29/83, BFHE
152, 170, BStBl II 1988, 387)-- gebraucht, obwohl sie der vom
Gesetzgeber in Übereinstimmung mit der Verkehrsauffassung für
wirtschaftlicher Ziele nicht entspricht, ohne dass für sie
beachtliche außersteuerliche Gründe vorliegen (BFH-Urteil vom
6. Juni 1991 V R 70/89, BFHE 165, 1, BStBl II 1991, 866).
Der vom Kläger erklärte Verzicht der Gemeinschuldnerin auf die
Steuerbefreiung des fraglichen Umsatzes nach § 4 Nr. 9
Buchst. a UStG war nicht rechtsmissbräuchlich. Da der Verzicht
auf die Steuerbefreiung gemäß § 9 UStG dem Erwerber den Vorsteuerabzug ermöglichen soll (BFH-Urteil in BFHE 165, 1, BStBl
II 1991, 866), ist die Option für die Steuerpflicht in der
Person des Veräußerers dann nicht rechtsmissbräuchlich, wenn
der Vorsteuerabzug des Erwerbers gerechtfertigt ist (BFHUrteil vom 29. April 1993 V R 93/89, BFH/NV 1994, 510). Die
Rechtfertigung zum Vorsteuerabzug auf der Erwerberseite ist
indes immer dann gegeben, wenn der Erwerber des Grundstücks
den Kaufpreis in voller Höhe bezahlt (BFH-Urteil vom
23. Februar 1995 V R 113/93, BFH/NV 1995, 1029, m.w.N.). Der
Verzicht auf die Steuerbefreiung einer Grundstückslieferung
ist nach gefestigter Rechtsprechung des BFH nicht allein
deshalb rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 AO 1977, weil der
leistende Unternehmer illiquide ist und deshalb die durch
seinen Verzicht entstehende Umsatzsteuer schuldig bleibt (BFHUrteil in BFH/NV 1995, 1029).
Da der Erwerber im Streitfall nach den bindenden
Feststellungen des FG den Grundstückskaufpreis in vollem
Umfange gezahlt hat, liegt ein Missbrauch von
Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 Abs. 1 AO 1977 nicht
vor.
1997 VII R 51/96 (BFH/NV 1997, 324) eine Verletzung
steuerlicher Pflichten des Liquidators einer GmbH darin
gesehen hat, dass dieser --ohne dass dies rechtlich geboten
gewesen wäre-- für den nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG
steuerbefreiten Umsatz aus einer Zwangsversteigerung
(nachträglich) zur Umsatzsteuer optiert (vgl. jetzt § 9 Abs. 3
UStG) und damit eine Umsatzsteuerschuld zur Entstehung
gebracht hat, welche die GmbH --wie ihm von vornherein bewusst
war-- nicht begleichen konnte, beruht diese Entscheidung auf
Besonderheiten des dortigen Streitfalls. Der Senat hat nämlich
in der Entscheidung maßgeblich darauf abgestellt, dass der
Liquidator durch die Option zur Umsatzsteuer, die für die GmbH
wirtschaftlich ohne Bedeutung war, einen Vorsteueranspruch für
sich persönlich begründet und dadurch im wirtschaftlichen
Ergebnis den von ihm aufgrund seines Gebots im
Versteigerungstermin zu zahlenden Kaufpreis vermindert hat,
obwohl er damit rechnete, dass die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht würde entrichtet werden können. Ein allgemeiner Rechtssatz des Inhalts, dass eine haftungsbegründende
Pflichtverletzung stets vorliegt, wenn der gesetzliche Vertreter zur Umsatzsteuer optiert, obwohl die dadurch entstehende
Steuerschuld nicht beglichen werden kann, ist, anders als das
FG meint, der vorgenannten Entscheidung des erkennenden Senats
nicht zu entnehmen.
c) Eine dem Kläger vorzuwerfende Pflichtverletzung ist jedoch
darin zu sehen, dass er die vereinnahmte Umsatzsteuer aus dem
Grundstücksverkauf, obwohl ihm dies bei entsprechender
vertraglicher Vereinbarung möglich gewesen wäre, nicht zur
Konkursmasse genommen, sondern geduldet hat, dass der
betreffende Anteil an dem Kaufpreis zusammen mit dem
ist. Denn durch die Auskehrung der Umsatzsteuer an die B hat
diese einen Vorteil (auch) zum Schaden des Fiskus erlangt.
An dem Grundstück der Gemeinschuldnerin standen B Grundpfandrechte zu, aufgrund derer B nach der Konkurseröffnung ein
Recht auf konkursverfahrensunabhängige abgesonderte
Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung
(Zwangsversteigerung bzw. Zwangsverwaltung) hatte (§§ 4
Abs. 2, 47 KO). Neben der Verwertung im Wege der
Zwangsvollstreckung konnte die abgesonderte Befriedigung
ebenso durch freihändige Veräußerung des Grundstücks erfolgen
(vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 10. März 1967
V ZR 72/64, BGHZ 47, 181, und vom 5. November 1976 V ZR 5/75,
Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1977, 247;
Kilger/Karsten Schmidt, a.a.O., § 47 KO Anm. 7), was eine
entsprechende Vereinbarung zwischen dem Kläger als Konkursverwalter und der B voraussetzte. Im Streitfall ist das
Grundstück von dem Kläger freihändig verkauft worden, weshalb
für das vorliegende Revisionsverfahren davon auszugehen ist,
dass der Kläger und die B eine entsprechende Vereinbarung zum
freihändigen Verkauf des Grundstücks geschlossen haben. Im
Rahmen der Vereinbarung hatte der Kläger aufgrund seiner
Stellung als Konkursverwalter nicht nur das
Befriedigungsinteresse der B, sondern auch derjenigen (auch
zukünftigen) Konkurs-Massegläubiger zu beachten, die durch den
Grundstücksverkauf tangiert werden. Der Kläger wusste bzw.
hätte wissen müssen, nachdem er bereits vor dem Abschluss des
Kaufvertrages die Massearmut angezeigt hatte, dass er die
durch den beabsichtigten Verzicht auf die Steuerbefreiung
entstehende Umsatzsteuer aus dem Grundstücksgeschäft
allenfalls dann an das FA entrichten konnte, wenn der auf die
geleistet würde.
d) Die Frage, ob die Umsatzsteuer bei freihändigem Verkauf dem
Grundpfandgläubiger oder dem Grundstücksverkäufer gebührt
--und im Streitfall daher der Konkursmasse hätte zufließen
müssen--, richtet sich nach der Vereinbarung über die
Verwertung des Sicherungsgutes. Nur wenn eine derartige
Vereinbarung nicht vorliegt, ist auf die dem Grundpfandrecht
zugrunde liegende Sicherungsabrede abzustellen (BGH-Urteil vom
7. Mai 1987 IX ZR 198/85, Höchstrichterliche
Finanzrechtsprechung --HFR-- 1988, 588). Steht nach der
Sicherungsabrede der Verwertungserlös dem Sicherungsnehmer zu,
ist davon auch die Umsatzsteuer als Bestandteil des
Kaufpreises erfasst (BGH-Urteil in HFR 1988, 588). Im
Streitfall hat das FG ausgeführt, dass der von dem Erwerber an
den Notar gezahlte Bruttokaufpreis vereinbarungsgemäß, also
aufgrund vertraglicher Abreden an B weitergeleitet worden ist.
e) Dem Kläger oblag aber, wenn er auf die Steuerbefreiung für
den Grundstücksumsatz verzichtete und damit das Entstehen der
Umsatzsteuer auslöste, gegenüber dem Fiskus die Pflicht, dafür
Sorge zu tragen, dass die Umsatzsteuer zur Konkursmasse
gezogen werden konnte. Den Steuerausfall hätte der Kläger
insoweit durch den Abschluss einer Nettokaufpreisabrede
vermeiden können. Der Abschluss einer Nettokaufpreisabrede war
im Streitfall auch geboten. Dafür spricht zunächst, dass die
Ausübung der Option allein vom Willen des Klägers abhing. Der
Senat geht des Weiteren davon aus, dass die durch die Option
ausgelöste Umsatzsteuer zu einer entsprechenden Erhöhung des
Verkaufspreises des Grundstücks geführt hat. Denn der
erwerbende U war als vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer
wirtschaftlich nicht belastet. Es kann grundsätzlich
unterstellt werden, dass U für den Fall, dass der Kläger nicht
auf die Steuerbefreiung verzichtet hätte, lediglich zur
Zahlung des Nettokaufpreises bereit gewesen wäre. Hätte der B
insoweit nur ein Verkaufserlös in Höhe des Nettokaufpreises
zur abgesonderten Befriedigung zur Verfügung gestanden, ist
kein Grund ersichtlich, der B, soweit der Umsatz als
steuerpflichtig behandelt wird, die Umsatzsteuer zukommen zu
lassen. Hinzu kommt, dass die Gemeinschuldnerin durch die
Abführung der Umsatzsteuer an B keinen wirtschaftlichen
Vorteil erlangt hat. Zwar sind in Höhe des auf die
Umsatzsteuer entfallenden Kaufpreisanteils die
grundpfandrechtlich gesicherten Forderungen der B
untergegangen, demgegenüber ist aber durch die Option zur
Umsatzsteuer in gleicher Höhe eine Forderung des FA begründet
worden. Die Gestaltung des Verkaufs hat damit aus Sicht der
Gemeinschuldnerin lediglich zu einem Austausch der Forderungen
geführt. Die absonderungsberechtigte B ist im wirtschaftlichen
Ergebnis auf Kosten des Fiskus begünstigt worden.
f) Der Annahme einer Pflichtverletzung steht auch nicht entgegen, dass die Vereinbarung einer Nettokaufpreisabrede grundsätzlich von der Zustimmung der B abhängig war. Denn auch B
musste ihrerseits ein Interesse an einer möglichst günstigen
Verwertung des Grundstücks haben. Es kann unterstellt werden,
dass B und der Kläger die freihändige Veräußerung an U nur
deshalb einer Verwertung durch die Zwangsvollstreckung (in
Frage dürfte dabei nur die Zwangsversteigerung gekommen sein)
vorgezogen haben, weil dadurch ein höherer Erlös zu erzielen
war. Mangels anderweitiger Feststellungen des FG geht der
Senat im Streitfall zudem davon aus, dass der Kläger nicht
Sicherungsabrede) zum freihändigen Verkauf an einen
Unternehmer unter gleichzeitigem Verzicht auf die
Steuerbefreiung sowie Abführung des Bruttokaufpreises
verpflichtet war. Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar,
warum B einer Nettovereinbarung nicht hätte zustimmen sollen,
da ihr --wie ausgeführt-- ohne die Option auch nur der
Nettokaufpreis zur Befriedigung ihrer Forderungen zugeflossen
wäre. Zudem hätte der Kläger ohne die Zustimmung der B zu
einer Nettokaufpreisabrede seinerseits von einem freihändigen
Verkauf Abstand nehmen und B auf die Verwertung des
Grundstücks im Wege der Zwangsvollstreckung verweisen können
und müssen. Durch die Verwertung des Grundstücks im Wege der
Zwangsversteigerung wäre aufgrund der Regelung in § 51 Abs. 1
Satz 1 Nr. 3 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung
--UStDV-- (in der seit dem 1. Januar 1993 geltenden Fassung,
BGBl I 1993, 601; aufgehoben durch das Gesetz zur Änderung
steuerlicher Vorschriften --Steueränderungsgesetz 2001-- mit
Wirkung vom 1. Januar 2002, BGBl I 2001, 3794) zugleich
sichergestellt worden, dass der auch in diesem Verfahren
mögliche Verzicht auf die Steuerbefreiung (vgl. dazu BFHUrteil vom 21. März 2002 V R 62/01, BFHE 198, 230, BStBl II
2002, 559) nicht zu Steuerausfällen führt, weil der
Vollstreckungsschuldner als leistender Unternehmer die
geschuldete Umsatzsteuer nicht an das FA abführen kann. Denn
nach § 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStDV hat der Ersteher bei einer
steuerpflichtigen Lieferung des Grundstücks durch den
Vollstreckungsschuldner die Steuer von der Gegenleistung
einzubehalten und an das für ihn zuständige FA abzuführen. Dem
kann nicht entgegengehalten werden, dass die Verwertung durch
die Zwangsversteigerung zu einem niedrigeren Erlös geführt
hätte, der Kläger daher aufgrund seiner auch gegenüber den
zur bestmöglichen Masseverwertung auch bei Nichtzustandekommen
einer Nettovereinbarung zur Vermeidung von Haftungsansprüchen
gemäß § 82 KO zum freihändigen Verkauf gezwungen gewesen sei.
Denn eine Haftung gemäß § 82 KO gegenüber den Konkurs- und
Massegläubigern wäre schon deshalb nicht in Betracht gekommen,
weil diese angesichts der vollständigen Auskehrung des Erlöses
an B --wie geschehen-- auch bei freihändigem Verkauf mit ihren
Forderungen ausgefallen sind.
g) Da der Kläger die ihm obliegenden Pflichten nicht durch die
Ausübung der Option, sondern dadurch verletzt hat, dass er
nicht dafür Sorge getragen hat, dass der der Umsatzsteuer entsprechende Anteil des vom Erwerber im Hinblick auf die Option
gezahlten Kaufpreises zur Konkursmasse fließt, kann die Kausalität dieser Pflichtverletzung für den Eintritt des Haftungsschadens (des Steuerausfalls) nicht mit dem Vorbringen
verneint werden, dass ohne die Ausübung der Option wegen der
dann steuerfreien Veräußerung des Grundstücks dem FA ein
höherer Schaden, nämlich ein uneinbringlicher
Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 15a UStG entstanden
wäre. Denn die Entstehung des Vorsteuerberichtigungsanspruchs
knüpft an einen anderen rein hypothetischen Kausalverlauf an
und muss daher für die Beurteilung der Pflichtverletzung außer
Betracht bleiben.
3. Der Kläger haftet jedoch für die angefallene Umsatzsteuer
nur insoweit, als ein Steuerausfall des Fiskus durch die Einziehung der Umsatzsteuer zur Konkursmasse vermieden worden
wäre.
(u.a. BFH-Urteile vom 5. März 1991 VII R 93/88, BFHE 164, 203,
BStBl II 1991, 678, m.w.N.; vom 2. März 1993 VII R 90/90,
BFH/NV 1994, 526), läuft die Haftung nach § 69 AO 1977 auf
einen Schadensersatzanspruch hinaus. Ziel der Haftung nach
dieser Vorschrift ist es, Steuerausfälle auszugleichen, die
durch schuldhafte Pflichtverletzungen der in § 34 und § 35 AO
1977 bezeichneten Personen verursacht worden sind. Danach kann
eine Haftung nur dann in Betracht kommen, wenn zwischen der
Pflichtverletzung und dem Steuerausfall als dem
auszugleichenden Schaden ein Kausalzusammenhang besteht.
Stehen daher ausreichende Zahlungsmittel zur Begleichung aller
Schulden nicht zur Verfügung, beschränkt sich die Haftung nach
dem von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz der
anteiligen Tilgung (vgl. Senatsurteil in BFHE 164, 203, BStBl
II 1991, 678) auf den Betrag, der bei gleichmäßiger
Befriedigung aller Gläubiger auf den Steuergläubiger entfallen
wäre. Für diese Begrenzung der Haftung aus dem
Schadensersatzcharakter war die Auffassung maßgebend, dass die
Geltendmachung eines weiter gehenden Haftungsanspruchs zu
einer nicht gerechtfertigten Privilegierung des Fiskus
gegenüber anderen Gläubigern und zu einer mit Sinn und Zweck
der Haftungsvorschriften nicht zu vereinbarenden zusätzlichen
Sanktion gegenüber dem Haftungsschuldner führen würde
(Senatsurteil vom 26. August 1992 VII R 50/91, BFHE 169, 13,
BStBl II 1993, 8).
Die Haftung erstreckt sich danach auf den Betrag, der bei
pflichtgemäßer Einziehung der Umsatzsteuer zur Konkursmasse
entrichtet worden wäre und nach Maßgabe der konkursrechtlichen
Vorschriften an das FA abzuführen gewesen wäre (Senatsurteil
vom 19. Dezember 1995 VII R 53/95, BFH/NV 1996, 522). Durch
an U ist die Umsatzsteuer für diesen Umsatz gemäß § 58 Nr. 2
KO zu Lasten der Konkursmasse entstanden (vgl. BFH-Urteil vom
4. Juni 1987 V R 57/79, BFHE 150, 379, BStBl II 1987, 741). Da
nach den Feststellungen des FG die Konkursmasse nicht zur
vollständigen Befriedigung aller Massegläubiger ausreichte,
hatte der Kläger die Massegläubiger entsprechend der
Rangordnung des § 60 KO zu befriedigen. Nur soweit der Fiskus
unter fiktiver Einziehung der Umsatzsteuer zur Konkursmasse
unter Beachtung der Rangordnung des § 60 KO Befriedigung
erlangt hätte, ist mithin die Pflichtverletzung für den
eingetretenen Steuerausfall kausal.
Da das FG-Urteil auf einer anderen Rechtsauffassung beruht,
ist es aufzuheben.
4. Die Sache ist aber nicht spruchreif, weil das FG es ausgehend von seiner Auffassung folgerichtig unterlassen hat, Feststellungen zu der vorhandenen Konkursmasse und der Rangordnung
der Massegläubiger zu treffen. Das FG wird diese Feststellung
nachholen und sodann unter Einrechnung der Umsatzsteuer in die
Konkursmasse eine fiktive Befriedigungsquote ermitteln müssen.
Soweit das FG unter Berücksichtigung der rechtlichen Beurteilung des Senats eine Haftung des Klägers für die Umsatzsteuer
bejaht, wird es des Weiteren zu beachten haben, dass eine Haftung des Klägers für die entstandenen Säumniszuschläge allenfalls in Höhe der Hälfte der gemäß § 240 AO 1977 verwirkten
Säumniszuschläge in Betracht kommt (vgl. Senatsurteil vom
19. Dezember 2000 VII R 63/99, BFHE 193, 524, BStBl II 2001,
217, m.w.N.). Darüber hinaus wird das FG zu prüfen haben, ob
im Streitfall nicht Umstände vorliegen, die einen
insoweit die Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner
ermessensfehlerhaft ist.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BFH

Erscheinungsdatum:

27.11.2002

Aktenzeichen:

VII R 41/01

Rechtsgebiete:

Umsatzsteuer

Normen in Titel:

AO 1977 § 34 Abs. 1 und 3, § 69, § 191; UStG § 4 Nr. 9 a, § 9, § 15a; KO § 4 Abs. 2, §§ 47, 60