LG Kempten 16. Dezember 1991
4 T 2330/91
EGBGB § 182; BayAGBGB Art. 62

Erlöschen von Stockwerkseigentum bei Abbruch des Gebäudes

auch nicht entgegen, daß dieses Erfordernis in der Rechtsprechung teilweise dahin formuliert worden ist, der Rechtsboden für den Anspruch müsse durch ein rechtsverbindliches Angebot oder Abkommen zwischen den künftigen
Vertragsparteien soweit vorbereitet sein, daß die Entstehung
-des Anspruchs „nur noch" vom Willen des demnächst Berechtigten abhängt (vgl. z. B. BGHZ 12, 115/118; RGZ 151,
75/77; BayObLGZ 1977, 103/105 [= DNotZ 1977, 662 = MittBayNot 1977, 113] und 247/248 [= DNotZ 1978, 39 = MittBayNot 1977, 230]). Diese Eingrenzung bezieht sich aber ersichtlich lediglich auf die Frage der hinreichenden Bindung
der Vertragsparteien, und zwar letztlich des demnächst Verpflichteten, die hier ohne weiteres gegeben ist. Sie kann
deshalb nicht auf den hier zu entscheidenden, anders gelagerten Fall bezogen werden, daß sogar beide Vertragsparteien gebunden sind und die Entstehung des Anspruchs
nur noch von einer an bestimmte Voraussetzungen gebundenen behördlichen Genehmigung abhängt. Die Formulierung
wird daher mit Recht als mißverständlich bezeichnet, hilfsweise abgelehnt (vgl. MünchKomm/Wacke, 2.Aufl., §883
Rdnr.24; Palandt/Bassenge, 50. Aufl., § 883 Rdnr.15; Soergel/
Stürner, 12. Aufl., § 883 Rdnr. 6 m. w. N.), soweit sie ihrem
Wortlaut nach gegen die Vormerkbarkeit solcher Ansprüche
zu sprechen scheint, und auch vom Bundesgerichtshof
selbst an anderer Stelle lediglich beispielhaft verwendet
(BGH NJW 1981, 446: „Jedenfalls dann, wenn .. `; vgl. auch
Senat NJW 1971, 1309: jedenfalls`; ähnlich BayObLG
Rpfleger 1977, 361 und OLG Düsseldorf MittRhNotK 1986;
195). Daher stellt sich hier auch die Vorlagefrage nach § 79
Abs.2 GBO nicht.
Für eine Kostenerstattungsanordnung nach § 13 a Abs. 1
Satz 1 FGG besteht kein Anlaß.
Aus den Gründen:
Beim Rechtsbehelf der Beteiligten zu 1) handelt es sich in
Wirklichkeit um eine Rechtspflegererinnerung nach § 11
Abs. 1 Satz 1 RPfIG, die erst durch die Vorlage an das Landgericht zur Beschwerde geworden ist, und zwar zur sofortigen Beschwerde (§§ 11 Abs. 2 Satz 5 RPfIG, 180, 95 ZVG,
793 ZPO).
Diese sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.
Entgegen der Auffassung des Amtsgericht kann die Beteiligte zu 1) gem. § 749 Abs. 1 BGB die Aufhebung der bestehenden Gemeinschaft verlangen. Sie ist hieran nicht durch
Art. 62 Satz 2 BayAGBGB gehindert. Zwar ist nach dieser
Vorschrift bei bestehendem Stockwerkseigentum der Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft kraft Gesetzes
ausgeschlossen. Das Stockwerkseigentum der Beteiligten
geblieben ist ihr ungeteiltes Miteigentum am Grundstück
(vgl.Sprau, Justizgesetze in Bayern, Art. 62 AGBGB, Rdnr. 13;
Meisner/Ring/Götz, Nachbarrecht in Bayern, 7. Aufl., § 3
Rdnr. 14 (ausführlicher 6. Aufl., § 3 1 (Seite 64 ff.); Staudinger/Kanzleitner/Hönle; BGB, 12. Aufl., Art. 182 EGBGB
Rdnr.9). Insoweit besteht aber uneingeschränkt der Aufhebungsanspruch nach § 749 Abs. 1 BGB.
Soweit im angefochtenen Beschluß auf Art. 229 des Württ.
AGBGB hingewiesen wird, kommt dieser Bestimmung lediglich eine deklaratorische Bedeutung zu. Das bedeutet, daß
— auch ohne eine derartige Bestimmung — das Stockwerkseigentum auch in Bayern mit dem vollständigen Untergang des Gebäudes bzw. mit dem Untergang wesentlicher
Gebäudeteile erlischt (vgl. Sprau, a.a.O.).Damit war der Beschluß des Amtsgerichts aber aufzuheben.
Das Amtsgericht hat die beantragte Teilungsversteigerung
durchzuführen.
13. EGBGB § 182, BayAGBGB Art. 62 (Erlöschen von Stockwerkseigentum bei Abbruch des Gebäudes)
Stockwerkseigentum nach bayerischem Landesrecht
erlischt mit Abbruch des Gebäudes. Das verbleibende
schlichte Miteigentum unterliegt uneingeschränkt dem
Aufhebungsanspruch nach § 749 Abs. 1 BGB.
(Leitsatz nicht amtlich)
LG Kempten, Beschluß vom 17.12.1991 — 4 T 2330/91 —,
mitgeteilt von Notar Winfried Staudt, Kaufbeuren.
Aus dem Tatbestand:
Die beiden Beteiligten sind Miteigentümer eines Grundstücks. Nach
dem Grundbuch sind die Miteigentumsanteile verbunden mit Stockwerkseigentum an einem Gebäude. Dieses Gebäude wurde 1989
abgerissen.
Die Beteiligte zu 1) beantragte beim Vollstreckungsgericht die Durchführung der Zwangsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung der
bestehenden Gemeinschaft.
Diesen Antrag wies der Vollstreckungspfleger ab.
Zur Begründung führte er aus:
Beim Versteigerungsobjekt handle es sich um altbayrisches Stockwerkseigentum, bei dem die Auseinandersetzung auch nach Abbruch des Gebäudes ausgeschlossen sei.
Die Beteiligte zu 1) legte gegen diesen Beschluß „Beschwerde" ein.
Der Vollstreckungsrichter hat dem Rechtsbehelf nicht abgeholfen,
sondern diesen dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.
14. BGB § 1030, 1060, 1024, 879 (Wohnungsrecht und Nießbrauch am selben Grundstück)
Ein bereits eingetragenes Wohnungsrecht steht der Eintragung eines nachrangigen umfassenden Nießbrauchs
nicht entgegen (Abgrenzung zu BayObLG MittBayNot 1979,'
230 = DNotZ 1980, 479).
(Leitsatz nicht amtlich)
LG Aschaffenburg, Beschluß vom 13.3. 1992 — T 40/92 , mitgeteilt von Notar Dr. Richard Bölsche, Aschaffenburg
Aus dem Tatbestand:
In einem Überlassungsvertrag vom 7. Januar 1992 räumte der Antragsteller dem Veräußerer unter anderem ein lebenslanges Nießbrauchsrecht an einem bebauten Grundstück ein.
Die Parteien vereinbarten dazu in § 3 der Urkunde:
„Der Erwerber bestellt zu Gunsten des Veräußerers ein Nießbrauchsrecht am Vertragsbesitz, für das die gesetzlichen Bestimmungen
gelten sollen.
Die Eintragung des Nießbrauchsrechts zu Gunsten des Berechtigten
an nächstoffener Rangstelle am Vertragsbesitz wird bewilligt und
beantragt, mit dem Vermerk, daß zur Löschung des Rechts der Nachweis des Todes des Berechtigten genügen soll".
Gem. § 15 GBO beantragte der Notar den Vollzug. Mit Zwischenverfügung vom 5.2.1992 teilte der Rechtspfleger beim Grundbuchamt
Aschaffenburg mit, daß der Eintragung folgendes Hindernis entgegenstehe:
Im Grundbuch ist für das Grundstück ein Wohnungsrecht zu Gunsten
von Frau F. eingetragen, welches sich auf einzelne Zimmer des Dach206 _ - MittBayNot 1992 Heft 3


Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

LG Kempten

Erscheinungsdatum:

16.12.1991

Aktenzeichen:

4 T 2330/91

Erschienen in:

MittBayNot 1992, 206

Normen in Titel:

EGBGB § 182; BayAGBGB Art. 62