OLG Dresden 27. August 2019
4 U 656/19
BGB §§ 313, 518 Abs. 1 u. 2, 812 Abs. 1

Rückforderungsrecht bei Tod des Partners einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft

letzte Aktualisierung: 13.12.2019
OLG Dresden, Urt. v. 27.8.2019 – 4 U 656/19

BGB §§ 313, 518 Abs. 1 u. 2, 812 Abs. 1
Rückforderungsrecht bei Tod des Partners einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft

1. Wird die nichteheliche Gemeinschaft durch den Unfalltod eines Partners beendet, scheidet
eine Rückforderung von zu Lebzeiten an diesen geleisteten Zahlungen des anderen Teils
wegen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage aus.

2. Der Erbenbesitz setzt keine tatsächliche Sachherrschaft voraus.

Gründe:

(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2 i.V.m. 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO)

I.

Die zulässigen Berufungen sowohl der Klägerin als auch der Beklagten haben in der Sache
jeweils keinen Erfolg.

1.

Ein Anspruch der Klägerin aus § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB auf Zahlung weiterer
1.900,00 € besteht nicht. Die diesbezüglichen landgerichtlichen Tatsachenfeststellungen
geben keinen hinreichenden Anlass zu Zweifeln, die in den durch § 529 ZPO dem
Berufungsgericht gezogenen Grenzen eine erneute Beweisaufnahme erfordern. Ein solcher
Anspruch kommt auch nicht wegen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage entsprechend
§ 313 BGB in Betracht.

Die Rückforderung von Zuwendungen im Rahmen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft
nach diesen Grundsätzen setzt voraus, dass der Zuwendung die Erwartung zugrunde lag,
die Lebensgemeinschaft werde Bestand haben und diese Erwartung sodann enttäuscht wird.

Dies ist allerdings nur dann der Fall, wenn die zurückgeforderte Leistung auf einen
spezifischen finalen Zweck ausgerichtet ist und hierbei deutlich über das hinausgeht, was die
Gemeinschaft Tag für Tag benötigt. Zusätzlich darf dem Leistenden die Beibehaltung der
durch die Leistung geschaffenen Vermögensverhältnisse nach Treu und Glauben nicht
zuzumuten sein (BGH, Urteil vom 06.07.2011 - XII ZR 190/08, in NJW 2011, 2880 f., 2882;
Urteil vom 09.07.2008 - XII ZR 179/05, Rz. 33 f., 35, nach juris). Hieran fehlt es. Die der
Zahlung möglicherweise zugrunde liegende Erwartung der Klägerin, die nichteheliche
Lebensgemeinschaft mit Herrn B...... werde auf Dauer Bestand haben, ist hier gerade nicht
enttäuscht worden. Die Gemeinschaft hatte vielmehr bis zum Unfalltod des Herrn M...... B......
Bestand. Zum Zweiten kann nicht festgestellt werden, dass der Gesamtbetrag, der
überwiegend in monatlichen Stückelungen von 200,00 € bis 300,00 € bar an den
Verstorbenen ausgezahlt worden sein soll, besonders deutlich über dasjenige hinausginge,
was die Lebensgemeinschaft im Allgemeinen verbraucht hat. Angesichts der übrigen
Vermögensverhältnisse lässt sich auch keine Unbilligkeit feststellen, die derart ausgeprägt
wäre, dass der Klägerin als der Leistenden die Beibehaltung der durch diese Leistung
geschaffenen Vermögensverhältnisse nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten wäre.
Schließlich hat auch die Klägerin keinen jenseits der Zweckvereinbarung „Anschaffung eines
Wohnmobils“ vorhandenen besonderen Zweck aufgezeigt, der mit dem Tod des Herrn M......
B...... die Annahme eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage rechtfertigen würde.

Dass auch die noch streitgegenständlichen 1900,- € dem Erwerb eines Wohnmobils dienen
sollten, hat sie ebenfalls nicht mit der für § 286 ZPO hinreichenden Gewissheit beweisen
können. Um Wiederholungen zu vermeiden, nimmt der Senat insofern auf die zutreffenden
Ausführungen des Landgerichts Bezug. Die Angaben der Klägerin in ihrer Anhörung vor dem
Senat sprechen gegen eine solche Zweckvereinbarung. Ausdrücklich hat sie dort
eingeräumt, dass ihr verstorbener Lebensgefährte die streitgegenständliche Summe, die sie
ihm bar übergeben haben will, für sich behalten und für den Lebensunterhalt verbraucht hat.
Sie hat hingegen nicht bekundet, dass dieser sich im Gegenzug ausdrücklich dazu
verpflichtet hätte, jeweils entsprechende Beträge für die Anschaffung des Wohnmobils auf
seinem Konto zurückzustellen, um ein „Hin und Her“ von Aus,- und Einzahlungen zu
vermeiden. Legt man die von der Klägerin geschilderte Verfahrensweise zugrunde, war also
völlig unklar, wie sich die Parteien der Lebensgemeinschaft über die Höhe der für das
Wohnmobil angesparten Beträge Rechenschaft ablegen wollten. Hierzu hätte indes umso
mehr Veranlassung bestanden, als die Lebenspartner - wie die Klägerin ebenfalls bekundet
hat - ansonsten auf eine Abgrenzung ihrer Vermögenssphären bedacht waren. Wieso bei
den 1900,- € von der Verfahrensweise abgewichen wurde, die die Parteien in der weit
überwiegenden Anzahl der Fälle praktiziert haben, konnte die Klägerin dem Senat ebenfalls
nicht mit der für eine Überzeugungsbildung ausreichenden Gewissheit vermitteln. Vielmehr
spricht auch im Anschluss an ihre Anhörung zumindest der Beweis des ersten Anscheins
dafür, dass auch die Klägerin die streitgegenständlichen 1900,- € anders als die bereits vom
Landgericht zuerkannte Summe als Beitrag für den gemeinsamen Lebensunterhalt
verstanden wissen wollte, mögen auch die Parteien im Übrigen getrennte Konten geführt
haben.

2.

Auch die Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Sowohl in Bezug auf die Herausgabe
des Mobiltelefons „XXXXXX XXXXXX“, als auch auf die Rückübereignung des „YYYYYY
YYYYYY“, sind die Tatsachenfeststellungen des Landgerichts nicht zu beanstanden. Auch in
rechtlicher Hinsicht zutreffend hat das Landgericht die Herausgabepflicht des Mobiltelefons
bejaht und eine Rückübereignungspflicht der Klägerin in Bezug auf das Fahrzeug verneint.

a)

Die Beklagte dringt mit ihren hiergegen gerichteten Einwänden des Mobiltelefons nicht
durch. Es ist in jeder Hinsicht unerheblich, ob die Tochter der Beklagten dieses in ihrem
unmittelbaren Besitz hat. Als unstreitige Alleinerbin ist sie Erbenbesitzerin. Der Erbenbesitz
nach § 857 BGB setzt aber keinerlei tatsächliche Sachherrschaft voraus (Münchner
Kommentar zum BGB, Bearbeiter Joost, Band 7, 7. Aufl. 2017, § 857 Rz. 5; Staudinger,
Kommentar zum BGB, Bearbeiter Gutzeit, Buch 3, Stand: 2012, § 857 Rz. 8 f. m.w.N.). Auf
ihn ist § 985 BGB ohne Einschränkungen anwendbar (MüKo/Joost, a.a.O., § 985 Rz. 18
m.w.N.).

b) Auch die Angriffe der Berufung gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts, das von
einem wirksamen Schenkungsvertrag über den streitgegenständlichen PKW ausgegangen
ist, verfangen nicht.

aa)

Dies gilt zunächst für die Feststellungen des Landgerichts im Hinblick auf das
Schenkungsversprechen. Die Beklagte zeigt nicht auf, weshalb die Zeugen R...... und J......
P...... wegen ihres Verwandtschaftsverhältnisses zur Klägerin unglaubwürdig sein sollen. Die
bloße Verwandtschaft zu einer Partei begründet keinen Anschein dahingehend, dass die
Zeugen die Unwahrheit sagen (OLG Brandenburg, Urteil vom 17.01.2007, 4 U 70/06, Rz. 33,
nach juris).

Das Landgericht durfte daher zunächst entgegen den Aussagen der Zeuginnen N......
(Tochter und Enkelinnen der Beklagten) aber im Einklang mit den Aussagen der Zeugen
P...... (Eltern der Klägerin) davon ausgehen, dass die Äußerung „du darfst das Auto
behalten, keine Frage“ so gefallen ist, zumal auch die im Nachgang von der Zeugin N......
verfassten Schreiben vom 20.06. und 08.07.2016 (Anlagen K 50 und 49) deutlich den
Schluss nahelegen, dass die Beklagte der Klägerin das Fahrzeug zeitnah zugestanden und
überlassen hat (“...hat dir Mutti ohne zu zögern das Auto vom M...... überlassen...“ und „.. wer
hat denn gleich nach dem Auto gefragt...“). Eine abweichende Beweiswürdigung wäre selbst
dann nicht geboten, wenn man unterstellt, dass die Aussage „ich will kein Geld, ich will den
M...... zurück“ tatsächlich so gefallen ist. Es ist etwas anderes ob eine Äußerung mit einem
objektiv unmöglichen Wunsch verbunden wird (“ich will den M...... zurück“) oder ob sie im
Rahmen eines Gespräches fällt, in dem es um die Klärung von Vermögensfragen geht. Dass
die Beklagte aufgrund ihrer Trauer und Verzweiflung sich in einem geschäftsunfähigen
Zustand befunden hätte, in welchem sie zu einer rechtsgeschäftlichen Willensbildung nicht
mehr in der Lage war, wird in der Berufungsbegründung der Beklagten lediglich pauschal
behauptet und stellt überdies neuen Sachvortrag dar.

bb)

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch von einem wirksamen Schenkungsvollzug
nach § 518 Abs. 2 BGB mit der Folge einer Heilung des Formmangels nach § 518 Abs. 1
BGB auszugehen. Die Schenkung wurde nach § 929 S. 2 BGB vollzogen, denn die Klägerin
war unstreitig im Besitz von Fahrzeug und dazugehörigen Fahrzeugpapieren und die
Parteien waren sich darüber einig, dass das Fahrzeug in ihrem Besitz verbleiben sollte. Bei
einer solchen „Handschenkung“ ist die Schenkung mit der Einigung bewirkt (BGH, Urteil vom
19. Juni 2007, X ZR 57) - juris).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Revision war nicht
zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO. Nach der Beschränkung des Streitstoffes in
zweiter Instanz hat der Senat neben den klägerseits geltend gemachten 1.900,00 € für den
Pkw, der Beklagtenschätzung folgend, 8.200,00 € angesetzt und für das Smartphone
290,00 €.
S... P... Z...

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Dresden

Erscheinungsdatum:

27.08.2019

Aktenzeichen:

4 U 656/19

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
Grundstücksübergabe, Überlassungsvertrag

Erschienen in:

ZEV 2020, 126

Normen in Titel:

BGB §§ 313, 518 Abs. 1 u. 2, 812 Abs. 1