Kein Mangel bei Feuchtigkeit im Keller eines unsanierten Einfamilienhauses
letzte Aktualisierung: 5.9.2023
OLG Schleswig, Beschl. v. 16.3.2023 – 7 U 198/22
BGB §§ 434, 437 Nr. 3, 444
Kein Mangel bei Feuchtigkeit im Keller eines unsanierten Einfamilienhauses
1. Die Keller-Außenwandabdichtung eines im Jahr 1951 errichteten Einfamilienhauses mit einem
zweifachen Kaltbitumenanstrich oberhalb der untersten Steinschicht entspricht den zur Zeit der
Errichtung geltenden allgemein anerkannten Regeln der Technik.
2. Gerichtsbekannt – bestätigt durch ein Sachverständigengutachten – verliert ein Bitumenanstrich
bei älteren Häusern üblicherweise bereits nach 30 bis 40 Jahren seine abdichtende Eigenschaft. Bei
65 Jahre alten, unsanierten Häusern ist Feuchtigkeit im Keller nicht als unüblich anzusehen und stellt
für sich genommen keinen Sachmangel dar.
3. Eine Eignung des Kellers zum Wohnen entspricht bei einem unsanierten 65 Jahre alten Haus –
sofern dies vertraglich nicht ausdrücklich vereinbart ist – weder der nach dem Vertrag
vorausgesetzten noch der gewöhnlichen Verwendung.
4. Allein der bestehende Wurzeleinwuchs in älteren Abwasserleitungen – ohne nennenswerte Funktionsbeeinträchtigungen
– stellt keinen Mangel dar. Es handelt sich vielmehr um eine
Beschaffenheit, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache
erwarten kann. Je älter ein Rohr ist und je länger es im Boden liegt, umso höher ist erfahrungsgemäß
das ausgebildete Wurzelwerk. Bis zur Zerstörung oder Funktionsunfähigkeit des Abwasserrohres
kann es 100 Jahre dauern.
5. Nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens im selbständigen Beweisverfahren
und weiterer drei schriftlichen Ergänzungsgutachten kann der Antrag auf Einholung eines
weiteren Ergänzungsgutachtens rechtsmissbräuchlich sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn der
Antragssteller keine weiteren Fragen mehr hat als diejenigen, auf deren Unerheblichkeit das Gericht
bereits hingewiesen hat.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Immobilie. Die
Kläger erwarben von den Beklagten am 31.05.2016 das Grundstück V. Nr. 51 in X, das mit
einem im Jahr 1951 errichteten Einfamilienhaus bebaut ist. Der Kaufpreis betrug 489.000,00 €,
die Übergabe erfolgte am 01.08.2016. Dem Abschluss des Kaufvertrages gingen mehrere
Besichtigungen voraus, deren Ablauf im Einzelnen streitig ist. Im notariellen Kaufvertrag haben
die Parteien die Haftung für Sachmängel ausgeschlossen. Die Kläger machen verschiedene
Mängel geltend, über die sie von den Beklagten arglistig getäuscht worden seien.
Am 28.08.2016 kam es bei stärkeren Regenfällen zum Eintritt von Wasser durch einen Keller-
Lichtschacht. Zudem ergoss sich Schmutzwasser aus der Abwasserleitung in den Keller. Es
folgte anwaltliche Korrespondenz zwischen den Parteien.
Auf Antrag der Kläger wurde ein selbständiges Beweisverfahren vor dem Landgericht I.
durchgeführt, in dem der Sachverständige Dipl.-Ing. R. ein schriftliches
Sachverständigengutachten vom 07.07.2017 nebst drei schriftlichen Ergänzungsgutachten vom
30.04.2018, 05.10.2018 und 03.12.2018 erstattete.
Im anschließenden Streitverfahren haben die Kläger verschiedene Mängel an der Immobilie
behauptet. Die Kellerwände seien durchfeuchtet, die Lichtschächte seien für
Starkregenereignisse nicht ausreichend dimensioniert, ihre Abläufe seien verstopft, die
Abwasserleitungen seien durch Wurzeleinwachsungen beschädigt und verstopft und das
Eingangspodest verfüge über ein Kontergefälle. Die Beklagten hätten von diesen Mängeln
gewusst, die Kläger jedoch nicht darauf hingewiesen. Vielmehr sei durch das Vorhandensein
eines Bades und von Küchenanschlüssen im Keller der Eindruck erweckt worden, es handele
sich um zum Wohnen geeignete Räume. Die Kosten der Mängelbeseitigung beliefen sich auf
40.294,96 € netto. Die Kläger haben die Auffassung vertreten, die Feuchtigkeit im Keller sei
ungeachtet des Errichtungszeitpunktes des Hauses ein Mangel, weil auch seinerzeit schon
Abdichtungsmaßnahmen dem Stand der Technik entsprochen hätten und deshalb grundsätzlich
zu erwarten sei, dass ein Keller trocken sei. Der vereinbarte Gewährleistungsausschluss sei
wegen arglistiger Täuschung unwirksam.
Die Kläger haben erstinstanzlich beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Kläger 40.294,96 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.09.2016 sowie
vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.354,30 € zu zahlen.
2. festzustellen, dass die Beklagten den Klägern als Gesamtschuldner sämtliche weitergehenden
künftigen Kosten zu ersetzen haben, die im Rahmen der Abdichtungsmaßnahmen, insbesondere
der Kellerböden, der Außenwandabdichtung im oberen Bereich der Kelleraußenwände, für den
Abbruch der gemauerten Lichtschächte und deren Neuaufbau, die Abdichtung der untersten
Steinschicht, den Trocknungsprozess der Kellerwände, die Verlegung einer neuen
Schmutzwassergrundleitung und neuem Anschluss im Außenbereich und die Sanierung des
Eingangspodestes betreffend das Wohnhaus der Kläger zu 1. und 2., V. Nr. 51 in X noch
entstehen werden.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben behauptet, im Rahmen der Besichtigungen sei auch ausdrücklich über die
Feuchtigkeit im Keller gesprochen worden. Maßgeblich für die Beurteilung der Mangelhaftigkeit
sei der zum Zeitpunkt der Errichtung gültige Standard. Von einer unvollständigen Abdichtung
des Kellers im oberen Bereich des Mauerwerks - wie der Sachverständige sie festgestellt hat -
hätten die Beklagten keine Kenntnis gehabt. Im Falle einer Haftung der Beklagten sei jedenfalls
ein Abzug „neu für alt“ vorzunehmen.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen J. (Makler) sowie durch
Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens des Dipl.-Ing. R. .
Im Ergebnis hat das Landgericht die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dass
den Klägern kein Anspruch gegen die Beklagten aus
zustehe.
Hinsichtlich der Feuchtigkeit im Keller und der Einwurzelungen in der Schmutzwasserleitung
liege bereits kein Mangel i.S.d. § 434 BGB a.F. vor. Die Schmutzwasserleitung sei nach dem
Ergebnis des Sachverständigengutachtens nicht durch Beschädigungen oder
Wurzeleinwachsungen verschlossen. Die Leitung sei zwar in ihrer Funktionsfähigkeit
beeinträchtigt, die vorhandenen Einwachsungen führten jedoch nicht zu einem Rückstau. Ein
Mangel liege insoweit nicht vor. Die Leitungen entsprächen altersbedingt einer Beschaffenheit,
die bei Sachen gleicher Art üblich seien und die der Käufer erwarten könne. Die Einwachsungen
lägen nach Einschätzung des Sachverständigen im Rahmen dessen, was bei
Schmutzwasserleitungen eines Hauses des Baujahres 1951 erwartet werden könne. Auf das
Fehlen einer Rückstausicherung komme es nicht an, weil insofern jedenfalls der vereinbarte
Haftungsausschluss greife.
Die vom Sachverständigen festgestellte erhöhte Feuchtigkeit im Keller begründe ebenfalls
keinen Mangel. Bei älteren Häusern stelle nicht jede Feuchtigkeit im Keller einen Sachmangel
dar; vielmehr seien die jeweiligen Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Von Bedeutung sei
etwa, ob das Haus in einem sanierten Zustand verkauft worden sei, ob der Keller Wohnzwecken
diente, welcher Zustand bei der Besichtigung erkennbar gewesen sei und wie stark die
Feuchtigkeitserscheinungen seien. Der bei Altbauten übliche Standard sei nur dann maßgebend,
wenn die Parteien eine abweichende Beschaffenheit vereinbart hätten oder diese für die nach
dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung erforderlich sei. Die unstreitig vorhandene
Feuchtigkeit im Keller sei danach nicht als Sachmangel anzusehen. Eine
Beschaffenheitsvereinbarung sei insofern nicht getroffen worden. Auch eine von der üblichen
Verwendung von Kellerräumen bei Altbauten abweichende vertraglich vorausgesetzte
Verwendung liege nicht vor. Die Nutzung der Kellerräume als Wohnraum entspreche nicht der
vertraglich vorausgesetzten Verwendung. Aus den vorhandenen Lichtbildern sei ersichtlich, dass
die Kellerräume keinen Wohnraum darstellten. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem
Exposé, aus dessen Beschreibung sich die Verwendung des Kellers als Werk- und Abstellraum
sowie Waschküche ergebe. Der Keller weise auch die übliche Beschaffenheit i.S.v. § 434 Abs. 1
S. 2 Nr. 2 BGB auf, weil die bestehende Feuchtigkeit nach den Ausführungen des
Sachverständigen bei derartigen Altbauten nicht ungewöhnlich sei und dem üblichen Standard
entspreche. Dies gelte jedenfalls insoweit, als die Durchfeuchtung darauf zurückzuführen sei,
dass die vorhandene - den damals geltenden anerkannten Regeln der Technik entsprechend
ausgeführte - Abdichtung nicht in der Lage sei, die Wände ausreichend abzudichten.
Soweit die Durchfeuchtung auf die laut dem Sachverständigen fehlerhafte - auch nicht dem
Stand der Technik im Jahr 1951 entsprechende - Abdichtung der obersten 80-90 cm unterhalb
der Geländeoberkante zurückzuführen sei, dürfte zwar ein Mangel vorliegen. Allerdings greife
insoweit der vereinbarte Haftungsausschluss. Ein arglistiges Verschweigen des Mangels durch
die Beklagten sei nicht erkennbar; eine hierfür erforderliche Kenntnis der Beklagten hätten die
Kläger nicht einmal vorgetragen.
Ähnliches gelte hinsichtlich des Kontergefälles am Eingangspodest und der Kellerlichtschächte.
Die Kläger hätten zwar vorgetragen, dass es bereits in der Vergangenheit zu entsprechenden
Wassereintritten gekommen sein müsse. Selbst dies als richtig unterstellt, ließe sich hieraus keine
Kenntnis der Beklagten hinsichtlich der im selbständigen Beweisverfahren festgestellten Mängel
ableiten. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagten die Mängel als Ursache etwaiger
Wassereinbrüche jedenfalls für möglich gehalten hätten. Das diesbezügliche Vorbringen der
Kläger sei bereits unsubstantiiert, so dass eine Beweisaufnahme hierzu nicht geboten sei.
Die von Klägerseite beantragte Anhörung des Sachverständigen hat das Landgericht als
rechtsmissbräuchlich abgelehnt. Die weiteren gestellten Fragen seien entweder rechtlich
unerheblich, oder der Sachverständige habe sie bereits beantwortet.
Mit ihrer Berufung verfolgen die Kläger ihr erstinstanzliches Begehren weiter und führen im
Wesentlichen aus:
Feuchtigkeit in den Kellerwänden stelle einen aufklärungsbedürftigen Mangel dar. Bei
Errichtung des Hauses seien Kellerabdichtungen bereits üblich gewesen. Im oberen Bereich der
Kelleraußenwände fehle die Abdichtung völlig, was auch nach den Ausführungen des
Sachverständigen einen Mangel darstelle. Hieraus resultiere die Durchfeuchtung in erster Linie.
Den Beklagten sei die Durchfeuchtung positiv bekannt gewesen. Für die
Aufklärungspflichtigkeit sei es unerheblich, worin die Ursache für die Feuchtigkeit liege. Hinzu
komme, dass die Räumlichkeiten im Keller nach ihrem Anschein und nach den
Grundrisszeichnungen als Wohnräume anzusehen seien und dass diese Eigenschaft dem Vertrag
zugrunde gelegt worden sei. Insbesondere das Bad, der Küchenanschluss, die Heizkörper und
der separate Eingang sprächen für eine Nutzung zu Wohnzwecken.
Die Beklagten hätten die Kellerwände offenbar von innen übergestrichen, so dass bei der
Besichtigung keine Ausblühungen erkennbar gewesen seien. Die festgestellten bräunlichen
Verfärbungen seien nur durch Eindringen von Niederschlagswasser durch die mangelhaften
Lichtschächte sowie durch zurückgestautes Abwasser zu erklären. Auch insoweit handele es sich
um den Beklagten bekannte und aufklärungsbedürftige Mängel. Hinsichtlich der
Schmutzwasserleitung könnten Stauungen bzw. Verstopfungen „unter Last“, d.h. bei
Benutzung, auftreten, was der Sachverständige nicht geprüft habe.
Das Landgericht habe fehlerhaft die klägerischen Ergänzungsfragen an den Sachverständigen für
unerheblich gehalten. Vor allem die Frage, ob in den 1950er Jahren trotz dem Anbringen einer
Abdichtung eine Durchfeuchtung des Kellers hingenommen worden sei, sei nicht unerheblich.
Wenn eine Abdichtung vorhanden sei, könne Feuchtigkeit nicht der Üblichkeit entsprechen.
Die Kläger beantragen in der zweiten Instanz,
das angefochtene Urteil abzuändern und
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Kläger 40.294,96 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.09.2016 sowie
vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.354,30 € zu zahlen.
2. festzustellen, dass die Beklagten den Klägern als Gesamtschuldner sämtliche weitergehenden
künftigen Kosten zu ersetzen haben, die im Rahmen der Abdichtungsmaßnahmen, insbesondere
der Kellerböden, der Außenwandabdichtung im oberen Bereich der Kelleraußenwände, für den
Abbruch der gemauerten Lichtschächte und deren Neuaufbau, die Abdichtung der untersten
Steinschicht, den Trocknungsprozess der Kellerwände, die Verlegung einer neuen
Schmutzwassergrundleitung und neuem Anschluss im Außenbereich und die Sanierung des
Eingangspodestes betreffend das Wohnhaus der Kläger zu 1. und 2., V. Nr. 51 in X noch
entstehen werden.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vorbringens.
II.
Gemäß
werden, dass die gemäß
landgerichtliche Entscheidung rechtfertigen. Beides liegt nicht vor. Das Landgericht hat die
Klage zu Recht abgewiesen.
Den Klägern steht der gegen die Beklagten geltend gemachte Anspruch aus § 437 Nr. 3, 280
Abs. 1, 3, 281 BGB nicht zu.
1. (Feuchtigkeit)
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, das insofern von der Berufung nicht konkret
angegriffen wird, beruht die erhöhte Feuchtigkeit der Kellerwände auf zwei Umständen: Zum
einen auf dem gänzlichen Fehlen einer Abdichtung im oberen Bereich der Kelleraußenwände.
Dies stellt einen Mangel dar. Und zum anderen an der altersbedingt fehlenden Funktion der
vorhandenen Abdichtung im übrigen Bereich der Kelleraußenwände. Hierbei handelt es sich
nicht um einen Mangel. Da die Beklagten vom Fehlen der Abdichtung im oberen Bereich der
Kelleraußenwände (= Mangel) keine Kenntnis hatten und die Feuchtigkeitserscheinungen auch
allein mit der altersbedingt fehlenden Funktion der vorhandenen Abdichtung (= kein Mangel) in
Einklang zu bringen sind, fehlt es den Beklagten insgesamt an der erforderlichen Kenntnis. Im
Einzelnen:
a) Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. R. im selbständigen
Beweisverfahren sowie im Streitverfahren lässt sich zusammenfassend im Wesentlichen
folgendes feststellen: Die Kelleraußenwände weisen im kompletten erdberührten Bereich
erhebliche Feuchtigkeit auf. Dies ist auf das Eindringen von Wasser in horizontaler Richtung
zurückzuführen. Die angebrachte Abdichtung ist nicht geeignet, die Wände ausreichend
abzudichten. Im oberen Bereich sind die Kellerwände ca. 80-90 cm überhaupt nicht abgedichtet.
Durch dieses nicht abgedichtete Kelleraußenmauerwerk kann ebenfalls Feuchtigkeit eindringen.
Soweit eine Abdichtung vorhanden ist (vermutlich 2 x Kaltbitumenanstrich oberhalb der
untersten Steinschicht), entspricht diese den zur Zeit der Errichtung geltenden allgemein
anerkannten Regeln der Technik. Das Fehlen der Abdichtung im oberen - ebenfalls
erdberührten - Bereich entspricht nicht den damals geltenden anerkannten Regeln der Technik.
Die festgestellte Feuchtigkeit ist für Häuser des Baujahres (1951) nicht sehr ungewöhnlich.
b) Die Ausführungen des Sachverständigen sind so zu verstehen, dass - und dies ist auch
gerichtsbekannt - die ursprünglich im Jahr 1951 aufgebrachte Bitumen-Abdichtung mit dem
Lauf der Zeit ihre abdichtende Eigenschaft eingebüßt hat. Dies ist ein systemimmanentes
Phänomen bei älteren Häusern, das üblicherweise bereits nach 30 bis 40 Jahren eintritt.
Vorliegend war das Haus im Zeitpunkt des Erwerbs durch die Kläger bereits 65 Jahre alt. Bei
derart alten, unsanierten Häusern ist Feuchtigkeit im Keller deshalb als nicht unüblich
anzusehen und stellt für sich genommen keinen Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 BGB in der zum
Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses geltenden Fassung dar. Eine abweichende
Beschaffenheitsvereinbarung (
Das Haus entspricht in seinem alterstypischen, unsanierten Zustand der nach dem Vertrag
vorausgesetzten (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB a.F.) wie auch der gewöhnlichen Verwendung; die
Beschaffenheit entsprach - mit Ausnahme der fehlenden Abdichtung im oberen Bereich der
Kelleraußenwände - dem, was bei vergleichbaren Häusern üblich ist und was die Kläger
erwarten konnten (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB a.F.). Auf die zutreffenden Ausführungen des
Landgerichts unter Heranziehung aktueller höchstrichterlicher Rechtsprechung wird insoweit
Bezug genommen.
c) In diesem Lichte ist der Umstand zu bewerten, dass die Feuchtigkeit auch auf einem
Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB a.F. beruht, nämlich auf dem gänzlichen Fehlen
der Abdichtung im oberen Bereich der Kelleraußenwände. Hierbei handelt es sich um eine
Beschaffenheit, die auch bei einem Haus des Baujahres 1951 nicht üblich ist und die die Kläger
deshalb auch nicht erwarten konnten. Allerdings begründet dieser Mangel in zweifacher
Hinsicht keine Haftung der Beklagten. Zum einen fehlt es an einem abgrenzbaren Schaden, weil
die Kelleraußenwände ohnehin aufgrund der altersbedingt funktionslosen Abdichtung
durchfeuchtet sind und vor diesem Hintergrund der fehlenden Abdichtung im oberen Bereich
keine entscheidende Bedeutung zukommt. Im Rahmen der gebotenen Sanierung ist es ohnehin
erforderlich, die gesamten Kelleraußenwände freizulegen und neu abzudichten. Dabei wirkt es
sich auf den Umfang und die Kosten der Arbeiten nicht aus, ob im oberen Bereich gar keine
Abdichtung vorhanden ist, oder ob sich auch dort eine alte, insuffiziente Abdichtung befunden
hätte. Der Sachverständige hat insoweit auch keine Differenzierung bei der Beschreibung und
Bezifferung der erforderlichen Arbeiten vorgenommen.
Zum anderen fehlt es an einer für die Annahme einer Aufklärungspflicht erforderlichen
Kenntnis der Beklagten i.S.d. § 444 BGB. Denn die Beklagten kannten zwar die
Feuchtigkeitserscheinungen im Keller, jedoch nicht das Fehlen der Abdichtung im oberen
Bereich der Kelleraußenwände. Ohne diese Kenntnis durften sie die Feuchtigkeit ohne weiteres
der alterstypischen, inzwischen längst funktionslosen Abdichtung zuschreiben. Da es sich
hierbei - wie zuvor gezeigt - nicht um einen Sachmangel handelt, bestand insofern auch keine
Verpflichtung, die Kläger vor Abschluss des Kaufvertrages auf die Feuchtigkeit hinzuweisen. Es
ist auch nicht ersichtlich, dass und auf welcher Grundlage die Beklagten auch nur Möglichkeit
eines Mangels als Ursache für die für ein derartiges Haus übliche Feuchtigkeit in Betracht
gezogen haben könnten. Eine bloße fahrlässige Unkenntnis genügt nicht.
d) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Argumentation der Kläger, der Keller sei als zu
Wohnzwecken geeignet veräußert worden. Auch diesbezüglich kann auf die zutreffenden
Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen werden. Eine Eignung des Kellers zum
Wohnen ist weder ausdrücklich vereinbart, noch entspricht sie bei einem unsanierten 65 Jahre
alten Haus der nach dem Vertrag vorausgesetzten oder der gewöhnlichen Verwendung (§ 434
Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1, Nr. 2 BGB a.F.). Der äußere Zustand des Kellers, wie er sich aus den zur
Akte gelangten Lichtbildern ergibt, spricht eindeutig gegen die Nutzung zu Wohnzwecken. Der
Keller verfügt nicht über Fenster, sondern nur über Lichtschächte, die zudem nur mit einfach
verglasten Holzrahmenfenstern versehen sind. Rohre und Kabel sind auf dem Mauerwerk
verlegt. Der Boden bestand zunächst aus dem rohen Estrich. Das Haus ist unsaniert, so dass der
Keller entsprechend seinem Baujahr nicht isoliert und ausreichend gegen Durchfeuchtung
abgedichtet ist. Der Einbau von Heizkörpern spricht für sich genommen nicht für eine
Wohnnutzung, weil auch in einem Werk- oder Hobbyraum sowie einer Waschküche eine
Heizung zweckmäßig und nicht unüblich ist. Ähnliches gilt für das Vorhandensein eines
separaten Eingangs, den Einbau eines zusätzlichen Bades und von Küchenanschlüssen. Über
einen separaten Keller-Eingang verfügen viele Einfamilienhäuser gerade älterer Bauart. Ein Bad
und eine Küche sind selbst keine Wohnräume und können allenfalls in Zusammenschau mit den
umgebenden Räumen als zu Wohnzwecken dienend angesehen werden. Vorliegend handelt es
sich bei Bad und Küche im Keller nicht um die einzigen Funktionsräume ihrer Art im gesamten
Haus und die übrigen Kellerräume sprechen klar gegen eine Wohnnutzung. Hinzu kommt, dass
es auf den Zeitpunkt des Erwerbes und nicht auf eine mögliche frühere - ggf. Jahrzehnte zurück
liegende - Nutzung der Räume ankommt. Falls der Keller vor langer Zeit (eine Küche war nicht
- mehr - installiert) einmal auch zu Wohnzwecken genutzt worden sein sollte, so würde dies
keinen Rückschluss auf die Eignung hierzu im Zeitpunkt des Erwerbs durch die Kläger
erlauben. Denn die Feuchtigkeit könnte durchaus erst 30 bis 40 Jahre nach der Errichtung des
Hauses und dem Versagen der aufgebrachten Abdichtung eingetreten sein, also etwa in den
1980er oder 90er Jahren. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass im Bereich der gänzlich
fehlenden Abdichtung auch erst nachträglich das Erdreich aufgeschüttet worden ist. Abgesehen
davon haben sich seit den 1950er Jahren die Erwartungen der durchschnittlichen Bevölkerung
hinsichtlich des Komforts und der Trockenheit von Wohnräumen auch allgemein verändert.
Aus dem Makler-Exposé ergibt sich nichts anderes. Gemäß § 434 Abs. 1 S. 3 BGB gehören zu
der Beschaffenheit nach Satz 2 Nr. 2 auch Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen
Äußerungen des Verkäufers über bestimmte Eigenschaften der Sache erwarten kann. Im Exposé
deutet allerdings nichts auf eine mögliche Wohnnutzung des Kellers hin. Es werden zwei Bäder
und eine Küche beschrieben, die sich offenbar im Erd- und Obergeschoss befinden. Eine
„Ausbaureserve“ wird nur im Dachboden beschrieben. Zum Keller wird angegeben, dass dieser
„ausreichend Platz für den Gelass einer Großfamilie“ biete, ferner ist von einer Waschküche mit
Doppelwaschtisch, einem Werkkeller mit Heizung und einem Fahrradkeller die Rede. Im
Grundriss sind die Räume mit „Hobbyraum“, „Waschen“ und „Vollbad“ bezeichnet. Diese
Angaben sind nicht geeignet, bei einem durchschnittlichen Kaufinteressenten die realistische
Erwartung zu wecken, den Keller als zum Wohnen nutzen zu können. Im Übrigen hätte eine
derartige Erwartung spätestens mit der Besichtigung keinen Bestand mehr haben können.
2. (Lichtschächte)
Der Sachverständige hat ausgeführt, bei Starkregen könnten die Kellerlichtschächte voll laufen
und Wasser durch die Fenster in den Keller fließen. Ob dies auf einem Sachmangel i.S.d. § 434
Abs. 1 BGB a.F. beruht, ist erstinstanzlich nicht vollständig aufgeklärt worden. Das Landgericht
hat offenbar einen Mangel in Gestalt einer nicht ausreichend Dimensionierung angenommen (in
Betracht käme auch ein nicht ausreichend dimensionierter oder verstopfter Ablauf) und weiter
ausgeführt, dass derartige - unterstellte frühere - Wassereintritte über die Lichtschächte nicht auf
einen Mangel als Ursache hierfür schließen ließen. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Der
Sachverständige hat ausgeführt, dass die Verfärbungen an den Wänden nicht oder zumindest
nicht allein auf eindringendes Wasser über die Lichtschächte, sondern vielmehr hauptsächlich
auf aufsteigende Feuchtigkeit zurückzuführen seien. Es kann danach jedenfalls nicht von
häufigeren Wassereintritten über die Lichtschächte in der Vergangenheit ausgegangen werden.
Davon abgesehen ist diesbezüglich auch kein abgrenzbarer Schaden ersichtlich. Gemäß den
Ausführungen des Sachverständigen zu den Maßnahmen, die (nicht bedingt durch einen
Mangel) erforderlich sind, um eine neu Kelleraußenwandabdichtung anzubringen, müssen die
gemauerten Kellerlichtschächte ohnehin vollständig abgebrochen und durch neue
Kunststofflichtschächte ersetzt werden. Es handelt sich deshalb um Sowieso-Kosten, die auch
im Falle eines Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach nicht ersatzfähig wären.
3. (Kontergefälle)
Das Kontergefälle von 0,4 % am Eingangspodest stellt nach den Ausführungen des
Sachverständigen einen Mangel dar. Hierdurch könne - so der Sachverständige - mit einiger
Wahrscheinlichkeit bei stärkerem Regen Wasser in den Hausflur laufen. Sichtbare
Wasserlaufspuren konnte der Sachverständige allerdings nicht feststellen. Auch insoweit ist nicht
bewiesen, dass die Beklagten diesen Mangel gekannt oder für möglich gehalten haben müssen,
und zwar auch dann nicht, wenn es tatsächlich vereinzelt zum Eindringen von Wasser über die
Türschwelle bei außergewöhnlich starkem Regen gekommen sein sollte. Als technische Laien
mussten die Beklagten insoweit nicht zwingend von einem aufklärungspflichtigen Mangel
ausgehen.
4. (Abwasserleitung)
Hinsichtlich der Abwasserleitung liegt bereits kein Sachmangel vor. Eine konkrete
Beschaffenheitsvereinbarung liegt auch insoweit nicht vor (
Abwasserleitung entspricht der nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung (§ 434 Abs. 1 S.
2 Nr. 1 BGB a.F.). Der Sachverständige hat keine nennenswerten Funktionsbeeinträchtigungen
feststellen können. Er hat zwar Beschädigungen und Wurzeleinwuchs festgestellt. Der
Wurzeleinwuchs führt jedoch nicht zu einem Verschließen des Rohres und zu einem Rückstau
von Schmutzwasser. Damit eignet sich die Abwasserleitung zugleich für die gewöhnliche
Verwendung und weist eine Beschaffenheit auf, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und
die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB a.F.). Denn
der Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass es durch verschiedenste Pflanzen zu
Verwurzelungen oder Zerstörung des Rohres kommen könne. Je älter ein Rohr sei und je länger
es im Boden liege, desto höher würden erfahrungsgemäß die in der Nähe gepflanzten Bäume
wachsen und ein größeres Wurzelwerk bilden. Die Spanne, in der ein Rohr zerstört werden
könne, reiche also von kurz nach Baubeginn bis über angenommene 100 Jahre. Das Landgericht
hat zu Recht zugrunde gelegt, dass angesichts der Errichtung des Hauses im Jahr 1951 die vom
Sachverständigen vorgefundene Verwurzelung nicht über dasjenige Maß hinausgeht, das bei
über 65 Jahre alten Abwasserrohren zu erwarten ist.
5. (Ergänzungsgutachten)
Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 18.11.2021 die Einholung eines schriftlichen
Ergänzungsgutachtens, hilfsweise die Ladung des Sachverständigen zur Erläuterung seines
Gutachtens, beantragt, und zwar zu konkreten Fragen. Das Landgericht hat mit Verfügung vom
01.07.2022 darauf hingewiesen, dass diese Fragen nicht beweiserheblich sind. Die Kläger haben
zu diesen Hinweis keine Stellung genommen oder andere Fragen formuliert, sondern lediglich
an ihrem Antrag auf Ladung des Sachverständigen festgehalten. Dem Landgericht ist darin
zuzustimmen, dass die weiteren Fragen an den Sachverständigen rechtlich unerheblich sind. Das
Landgericht hat deshalb zu Recht die Einholung eines Ergänzungsgutachtens und auch die
Ladung des Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens abgelehnt.
Die ersten drei Fragen (S. 1/2 und 3 des Schriftsatzes vom 18.11.2021) betreffend die
Erkennbarkeit der Feuchtigkeit der Kelleraußenwände durch Ausblühungen oder
Farbabplatzungen während der Besitzzeit der Beklagten. Diese Fragen sind unerheblich, weil die
Feuchtigkeit an sich keinen Mangel darstellt bzw. die Beklagten von der Mitursache der teilweise
fehlenden Abdichtung keine Kenntnis hatten und den Klägern wegen dieser teilweise fehlenden
Abdichtung auch kein Schaden entstanden ist. Auf die vorstehenden Ausführungen unter 1.
wird verwiesen. Die vierte Frage (S. 7 des Schriftsatzes vom 18.11.2021) lautet, „ob in den 50er-
Jahren Kellerwände von außen abgedichtet wurden und ob es tatsächlich hingenommen wurde,
dass Keller vollständig durchfeuchtet werden.“ Diese Frage ist zum Teil bereits vom
Sachverständigen beantwortet, im Übrigen ist sie unerheblich. Beantwortet ist sie insoweit, als
Häuser auch bereits in den 50er Jahren entsprechend den damals geltenden allgemein
anerkannten Regeln der Technik abgedichtet wurden. Dies bedeutet umgekehrt also, dass eine
vollständige Durchfeuchtung nicht „hingenommen“ wurde. Unerheblich ist die Frage, weil die
Durchfeuchtung nicht schon bei Errichtung des Hauses „hingenommen“ wurde, sondern weil
sie erst im Laufe der Jahrzehnte durch den Verschleiß der seinerzeit aufgebrachten Abdichtung
eingetreten ist. Auch insoweit wird auf die diesbezüglichen vorstehenden Ausführungen unter 1.
verwiesen.
Nachdem das Landgericht auf die Unerheblichkeit der Ergänzungsfragen hingewiesen hat,
erweist sich das bloße Festhalten der Kläger am Antrag Einholung eines Ergänzungsgutachtens
vorliegend als rechtsmissbräuchlich. Die Kläger haben auf den Hinweis des Gerichts nicht
sachgerecht reagiert. Sie haben weder andere - rechtlich erhebliche - Ergänzungsfragen
formuliert, noch haben sie eine grobe Richtung mitgeteilt, in die sie den Sachverständigen
mündlich zu befragen beabsichtigen. Das Landgericht musste deshalb davon ausgehen, dass
weitere Fragen als diejenigen aus dem Schriftsatz vom 18.11.2021 - auf deren Unerheblichkeit es
bereits hingewiesen hatte - klägerseits nicht bestanden. In dieser Lage durfte das Landgericht
von der Ladung des Sachverständigen absehen. Dies gilt umso mehr, nachdem bereits im
selbständigen Beweisverfahren drei schriftliche Ergänzungsgutachten eingeholt worden waren
und das Landgericht im Streitverfahren ein weiteres ausführliches Gutachten des
Sachverständigen eingeholt hatte.
Selbst wenn von einer fehlerhaften Ablehnung der Ladung des Sachverständigen auszugehen
wäre, würde die Entscheidung nicht auf dieser Rechtsverletzung beruhen (§§ 513 Abs. 1, 546
ZPO). Die Kläger haben nämlich auch im Berufungsrechtszug keine anderen, rechtlich
erheblichen weiteren Fragen an den Sachverständigen aufgeworfen.
6. Für den mit Schriftsatz vom 24.01.2022 geltend gemachten Anspruch auf Minderung (§§ 437
Nr. 2, 441 BGB) gilt nichts anderes als für den Anspruch auf Schadensersatz; es fehlt an den
Voraussetzungen eines Sachmangels bzw. dem Nachweis eines arglistigen Verschweigens (§ 444
BGB) durch die Beklagten.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Schleswig
Erscheinungsdatum:16.03.2023
Aktenzeichen:7 U 198/22
Rechtsgebiete:
Allgemeines Schuldrecht
Kaufvertrag
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
BGB §§ 434, 437 Nr. 3, 444