Unionsautonome Auslegung zur Bestimmung der konkludenten Rechtswahl
letzte Aktualisierung: 9.9.2021
BGH, Beschl. v. 24.2.2021 – IV ZB 33/20
EuErbVO Art. 22 Abs. 2, 83 Abs. 2
Unionsautonome Auslegung zur Bestimmung der konkludenten Rechtswahl
Die Frage, ob der Erblasser eine konkludente Rechtswahl im Sinne von
getroffen hat, ist unionsautonom und nicht unter Rückgriff auf das hypothetisch gewählte Recht zu
beurteilen (hier: Wahl des deutschen Rechts für die Bindungswirkung in einem zwischen einer
deutschen Erblasserin und ihrem österreichischen Ehemann geschlossenen Erbvertrag im Sinne von
Art. 3 Abs. 1 b) EuErbVO).
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beteiligten zu 1 und 2 oder
die Beteiligten zu 3 bis 6 Miterben der am 22. Mai 2017 verstorbenen deutschen
Staatsangehörigen Dr. Hannelore B. (im Folgenden: Erblasserin)
geworden sind. Die Erblasserin sowie ihr am 19. Juni 2003 vorverstorbener
Ehemann, österreichischer Staatsangehöriger, hatten ihren
letzten gewöhnlichen Aufenthalt seit 1995 in Bad Reichenhall. Am
25. März 1996 errichteten sie in zwei getrennten, aber im Wesentlichen
wortgleichen eigenhändig ge- und unterschriebenen Urkunden zwei mit
"Gemeinschaftliches Testament" überschriebene Schriftstücke folgenden
Wortlauts:
"Ich, Frau Dr. H.B. … bin deutsche Staatsangehörige und
habe keine Kinder.
Ich, Herr Prof. E.G. … bin österreichischer Staatsangehöriger
und habe als einzigen Abkömmling meine am … geborene
Tochter …, die ihrerseits verheiratet und österreichische
Staatsangehörige ist.
Wir sind miteinander seit 30.V.95 verheiratet …
…
I.
Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein.
II.
Nach dem Tod des Zweiten von uns sollen gemeinsame
Schlusserben
a) Frau G.G. …
b) Herr U.G. …
c) Frau B.G. …
d) Frau S.H. …
(Beteiligte zu 3 bis 6)
zu gleichen Teilen sein.
III.
Die hier getroffene Verfügung von Todes wegen (Erbeinsetzung,
Schlusserbeneinsetzung u. Vermächtnisanordnung)
sind wechselseitig verbindlich. Sie können zu unserer beider
Lebzeiten nur gemeinschaftlich aufgehoben werden. Nach
dem Tod eines von uns beiden ist der überlebende Ehegatte
nicht mehr berechtigt, die Erbeinsetzungen und
Vermächtnisanordnung abzuändern.
…"
Die am 10. Oktober 2017 nachverstorbene Beteiligte zu 4 ist die
Schwester der Erblasserin, die Beteiligten zu 3, 5 und 6 sind die Kinder
der Beteiligten zu 4. Mit Testament vom 7. November 2013 verfügte die
Erblasserin, dass sie ihr "Haus und Inventar" sowie ihr "Barvermögen" den
Beteiligten zu 1 und 2 vererbe. Bereits mit einem auf den 1. November
2011 datierten Testament hatte sie angeordnet, dass die Beteiligte zu 1
nach ihrem Ableben 30.000 € und diverse Möbelstücke erhalten solle. In
einem weiteren eigenhändig ge- und unterschriebenen Schreiben der
Erblasserin vom 4. Dezember 2013 heißt es unter anderem:
"Sollte meine Schwester oder mein Neffe sowie Nichten von
meinen Konten Geld abgehoben haben, müssen sie diese an
den Erben zurückbezahlt werden. Ich hatte ihnen nie erlaubt
Geld abzuheben.
Dieses Geld gehört zur Erbmasse…"
Die Beteiligten zu 1 und 2 haben nach dem Tod der Erblasserin die
Erteilung eines Erbscheins des Inhalts beantragt, dass sie Erben zu je 1/2
geworden sind. Das Nachlassgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom
19. April 2018 zurückgewiesen, da sich die Erbfolge nach dem am
25. März 1996 errichteten gemeinschaftlichen Testament richte. Das
Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet
sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der
Beteiligten zu 1 und 2, mit der sie ihren Erbscheinsantrag weiterverfolgen.
II. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde
hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung unter anderem in
die Erbfolge nach der Erblasserin richte sich nach dem wirksamen
gemeinschaftlichen Testament vom 25. März 1996, dessen Bindungswirkung
den späteren Verfügungen der Erblasserin entgegenstehe. Die Zulässigkeit
des gemeinschaftlichen Testaments, das unionsrechtlich einen
Erbvertrag darstelle, richte sich nach dem durch Art. 83 Abs. 3, 1. Alt.
i.V.m. Art. 25 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das
anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen
und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in
Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses
(im Folgenden: EuErbVO) berufenen deutschen Recht als Recht des Staates,
in dem die Erblasserin sowie ihr Ehemann ihren gewöhnlichen Aufenthalt
gehabt hätten. Das gemeinschaftliche Testament sei ferner gemäß
Art. 25 Abs. 2 i.V.m. Art. 83 Abs. 3 Alt. 1 EuErbVO formell und materiell
wirksam. Auch insoweit sei jeweils auf deutsches Recht abzustellen.
Schließlich entfalte das gemeinschaftliche Testament vom 25. März 1996
Bindungswirkung, die den späteren Verfügungen der Erblasserin entgegenstehe.
Auf die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments
finde deutsches Recht Anwendung. Dies ergebe sich aus einer entsprechenden
konkludenten Rechtswahl. Nach
die Parteien eines Erbvertrages im unionsrechtlichen Sinne auch für die
Bindungswirkung ihres Erbvertrages einschließlich der Voraussetzungen
für seine Auflösung das Recht wählen, das die Person oder eine der Personen,
deren Nachlass betroffen sei, gemäß
darin genannten Bedingungen hätte wählen können. Das Testament enthalte
zwar keine ausdrückliche Wahl deutschen Rechts. Art. 83 Abs. 2 Eu-
ErbVO erfasse jedoch auch eine konkludente Wahl deutschen Rechts. Das
Vorliegen einer konkludenten Rechtswahl nach der EuErbVO sei unionsautonom
und nicht unter Rückgriff auf das hypothetische Rechtswahlstatut
zu entscheiden. Auf dieser Grundlage hätten die Erblasserin und ihr
verstorbener Ehemann für die Bindungswirkung übereinstimmend konkludent
deutsches Recht gewählt, was sich insbesondere aus der verwendeten
Terminologie sowie dem Zusammenspiel der Ziffern I bis III des Testaments
ergebe.
Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde zur Klärung der
Frage zugelassen, ob das Vorliegen einer konkludenten Rechtswahl nach
der EuErbVO unionsautonom oder unter Rückgriff auf das hypothetische
Rechtswahlstatut zu entscheiden sei. Diese Frage sei entscheidungserheblich,
da nach deutschem Recht hier nicht von einer konkludenten Wahl
deutschen Rechts auszugehen sei. Es bestünden nicht genügend Anhaltspunkte,
um bei den an dem gemeinschaftlichen Testament Beteiligten ein
nach deutschem Recht für eine konkludente Rechtswahl erforderliches Erklärungsbewusstsein
annehmen zu können.
2. Das hält der rechtlichen Überprüfung stand.
Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass den Beteiligten
zu 1 und 2 kein Anspruch auf Erteilung eines Erbscheins zusteht,
der ihre Erbfolge zu je 1/2 ausweist. Die Erbfolge der Erblasserin richtet
sich vielmehr nach dem wirksamen gemeinschaftlichen Testament vom
25. März 1996, dessen Bindungswirkung gemäß §§ 2270 Abs. 2, 2271
Abs. 2 BGB den späteren Verfügungen der Erblasserin zugunsten der Beteiligten
zu 1 und 2 entgegensteht.
a) Das Beschwerdegericht hat zunächst rechtsfehlerfrei entschieden,
dass das zwischen der Erblasserin und ihrem Ehemann am 25. März
1996 errichtete gemeinschaftliche Testament einen Erbvertrag im Sinne
von Art. 3 Abs. 1 b) EuErbVO darstellt. Die EuErbVO ist anwendbar, da es
sich um einen Nachlass mit grenzüberschreitendem Bezug handelt, der
sich hier aus der österreichischen Staatsangehörigkeit des Ehemannes
der deutschen Erblasserin ergibt (zum grenzüberschreitenden Bezug vgl.
etwa EuGH, Urteil vom 16. Juli 2020, C-80/19, EU:C:2020:569, ZEV 2020,
628 Rn. 42-44, 39; MünchKomm-BGB/Dutta, 8. Aufl. Art 1 EuErbVO
Rn. 61).
Gemäß Art. 3 Abs. 1 b) EuErbVO ist ein Erbvertrag eine Vereinbarung,
einschließlich einer Vereinbarung aufgrund gegenseitiger Testamente,
die mit oder ohne Gegenleistung Rechte am künftigen Nachlass
oder künftigen Nachlässen einer oder mehrerer an dieser Vereinbarung
beteiligter Personen begründet, ändert oder entzieht. Hierunter fällt auch
das gemeinschaftliche Testament nach deutschem Recht, das wechselbezügliche
Verfügungen im Sinne von
Komm-BGB/Dutta, 8. Aufl.
hier kein gemeinschaftliches Testament nach Art. 3 Abs. 1 c) EuErbVO
vor, da es an der nach dieser Regelung erforderlichen Errichtung der letztwilligen
Verfügung in einer einzigen Urkunde fehlt.
Da die Erblasserin am 22. Mai 2017 verstorben ist, findet gemäß
Die Übergangsvorschrift des
dass eine - wie hier - vor dem 17. August 2015 errichtete Verfügung von
Todes wegen zulässig sowie materiell und formell wirksam ist, wenn sie
die Voraussetzungen des Kapitels III erfüllt oder wenn sie nach den zum
Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung geltenden Vorschriften des Internationalen
Privatrechts in dem Staat, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen
Aufenthalt hatte, oder in einem Staat, dessen Staatsangehörigkeit
er besaß, oder in dem Mitgliedstaat, dessen Behörde mit der Erbsache
befasst ist, zulässig sowie materiell und formell wirksam ist. Auf dieser
Grundlage hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei und von der
Rechtsbeschwerde zu Recht nicht angegriffen entschieden, dass das gemeinschaftliche
Testament der Eheleute vom 25. März 1996 zulässig
(Art. 83 Abs. 3 Alt. 1 EuErbVO i.V.m. Art. 25 Abs. 2 Unterabs. 1 EuErbVO)
sowie formell (Art. 83 Abs. 3 Alt. 1 i.V.m.
wirksam ist (Art. 83 Abs. 3 Alt. 1 i.V.m. Art. 25 Abs. 2 Unterabs. 2
EuErbVO).
b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Beschwerdegericht
ferner rechtsfehlerfrei entschieden, dass auf die B indungswirkung
des gemeinschaftlichen Testaments vom 25. März 1996
deutsches Recht Anwendung findet. Zutreffend ist es zunächst davon ausgegangen,
dass die Frage, ob auf die Bindungswirkung deutsches oder
österreichisches Recht Anwendung findet, hier nicht offenbleiben kann, da
bindende Verfügungen von Todes wegen nach den revisionsrechtlich nicht
zu beanstandenden Feststellungen des Beschwerdegerichts nach österreichischem
Erbrecht allein in Erbverträgen möglich sind, die besonderer
notarieller Form bedürfen, welche hier nicht gewahrt ist.
Nach
die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkung ihres Erbvertrages
einschließlich der Voraussetzungen für seine Auflösung das Recht
wählen, das die Person oder eine der Personen, deren Nachlass betroffen
ist, nach
wählen können. Die Vorschrift des
seine Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht vor dem
17. August 2015 gewählt, so ist diese Rechtswahl wirksam, wenn sie die
Voraussetzungen des Kapitels III erfüllt oder wenn sie nach den zum Zeitpunkt
der Rechtswahl geltenden Vorschriften des Internationalen Privatrechts
in dem Staat, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt
hatte, oder in einem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, wirksam
ist. Die Übergangsvorschrift des Art. 83 Abs. 2 Alt. 1 EuErbVO erfasst
nach der Rechtsprechung des Senats auch Erbverträge und gestattet eine
entsprechende Rechtswahl nach
10. Juli 2019 - IV ZB 22/18,
aa) Gemäß
in einer Erklärung in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen
oder sich aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung ergeben. Eine
ausdrückliche Rechtswahl haben die Erblasserin und ihr Ehemann noch
den aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Feststellungen des Beschwerdegerichts
in dem gemeinschaftlichen Testament vom 25. März
1996 nicht getroffen.
Das Beschwerdegericht hat jedoch rechtsfehlerfrei festgestellt, dass
die Erblasserin und ihr Ehemann konkludent deutsches Recht für die
Frage der Bindungswirkung gewählt haben. Die Frage, ob das Vorliegen
einer konkludenten Rechtswahl unionsautonom oder unter Rückgriff auf
das hypothetische Rechtswahlstatut - hier auf das deutsche Recht - zu
entscheiden ist, ist nach der Lösung des Beschwerdegerichts entscheidungserheblich,
da dieses angenommen hat, dass nach deutschem Recht
von einer konkludenten Wahl deutschen Rechts nicht auszugehen sei, weil
nicht genügend Anhaltspunkte bestünden, um bei den an dem gemeinschaftlichen
Testament Beteiligten ein nach deutschem Recht für eine
konkludente Rechtswahl erforderliches Erklärungsbewusstsein anzunehmen
(vgl. hierzu BeckOK-BGB/Lorenz,
1. November 2020); Burandt/Schmuck in Burandt/Rojahn, EuErbVO
Art. 22 Rn. 6; jurisPK-BGB/Sonnentag, 9. Aufl.,
Staudinger/Dörner, EGBGB (2007) Art. 25 Rn. 535). Demgegenüber ist
das Beschwerdegericht davon ausgegangen, auf der Grundlage einer unionsautonomen
Auslegung des Begriffs der konkludenten Rechtswahl h ätten
die Erblasserin und ihr verstorbener Ehemann hier im Testament vom
25. März 1996 für die Bindungswirkung übereinstimmend deutsches Recht
gewählt.
Die Frage, worauf bei der Rechtswahl für die Bindungswirkung abzustellen
ist, ist streitig. Teilweise wird vertreten, insoweit sei auf das hypothetisch
gewählte Recht abzustellen (so etwa Köhler in Gierl/Köhler/
Kroiß/Wilsch, Internationales Erbrecht 3. Aufl., Teil 1 EuErbVO § 4 Rn. 30;
ders. in Kroiß/Horn/Solomon, Nachfolgerecht 2. Aufl., Teil 3 Internationales
Erbrecht EuErbVO Art. 22 Rn. 10; Burandt/Schmuck in Burandt/Rojahn,
Erbrecht 3. Aufl.
9. Aufl.
IPrax 2016, 310, 313; wohl auch Dörner,
EU-Erbrechtsverordnung in Hereditare - Jahrbuch für Erbrecht und Schenkungsrecht
2013, S. 91, 115).
Die überwiegende Auffassung nimmt demgegenüber - wie auch das
Beschwerdegericht - an, dass die Frage, ob eine konkludente Rechtswahl
vorliegt, unionsautonom zu bestimmen ist (MünchKomm-BGB/Dutta,
8. Aufl.
EuErbVO Rn. 28; Erman/Stürner, BGB 16. Aufl.
Palandt/Thorn, BGB 80. Aufl.
J. Schmidt, EuErbVO Art. 22 Rn. 21 (Stand: 1. November 2020); Zimmermann/
Grau, Praxiskommentar Erbrechtliche Nebengesetze EuErbVO
Rn. 195; Schauer in Deixler-Hübner/Schauer, Kommentar zur EU-Erbrechtsverordnung
(EuErbVO) 2. Aufl. Art. 22 Rn. 14; Bauer in Dutta/Weber,
Internationales Erbrecht
Odersky, Internationales Privatrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis
3. Aufl. § 15 Rn. 117; von Bary,
der EuErbVO, S. 187 f.; D. Stamatiadis, in Pamboukis, EU Succession Regulation
No 650/2012 Art. 22 Rn. 56; in diese Richtung auch OLG Köln
bb) Die letztgenannte Auffassung trifft zu. Für eine unionsautonome
Auslegung der konkludenten Rechtswahl spricht schon der Wortlaut des
Art. 22 Abs. 2 Alt. 2 EuErbVO. Hiernach muss sich die Rechtswahl aus
den Bestimmungen einer Verfügung von Todes wegen ergeben. Damit hat
der Unionsgesetzgeber bereits selbst eine Bestimmung des Begriffs der
konkludenten Rechtswahl vorgegeben (NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl.
der Europäischen Union folgt aus den Erfordernissen sowohl der einheitlichen
Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitssatzes,
dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung
ihres Sinnes und ihrer Bedeutung - wie hier - nicht ausdrücklich auf das
Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der Union eine autonome
und einheitliche Auslegung erhalten müssen (EuGH, Urteil vom
1. März 2018, C-558/16, EU:C:2018:138,
des
Eine derartige Verweisung auf nationales Recht lässt sich auch der
Entstehungsgeschichte nicht entnehmen. Der Kommissionsvorschlag von
2009 zu
des auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbaren Rechts ausdrücklich
erfolgen muss (vgl. NK-BGB/Looschelders aaO Rn. 27; Münch-
Komm-BGB/Dutta, 8. Aufl.
Erbrechtliche Nebengesetze, 2. Aufl. EuErbVO Rn. 195).
Demgegenüber hat sich der Verordnungsgeber dann nach dem Vorbild
von Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Rom-I-Verordnung entschlossen, auch eine konkludente
Rechtswahl zuzulassen (vgl. BeckOGK/J. Schmidt, EuErbVO
Art. 22 Rn. 20 [Stand: 1. November 2020]; Emmerich, Probleme der Anknüpfung
im Rahmen der EuErbVO, S. 188; NK-BGB/Looschelders,
3. Aufl. Art. 22 Rn. 27; MünchKomm-BGB/Dutta, 8. Aufl.
Rn. 13). Dabei werden - anders als Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Rom-I-Verordnung
- an die konkludente Rechtswahl keine qualifizierten Anforderungen
gestellt. Während es gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Rom-I-Verordnung erforderlich
ist, dass sich die Rechtswahl eindeutig aus den Bestimmungen des
Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergeben muss, genügt für
einer Verfügung von Todes wegen ergibt. Dieser Unterschied
rechtfertigt sich daraus, dass es bei der EuErbVO nicht um die konkludente
Rechtswahl durch zwei Parteien eines Vertrages mit möglicherweise
widerstreitenden Interessen geht, sondern um eine einseitige konkludente
Rechtswahl durch den Erblasser. Da hier seinem Willen zur Geltung verholfen
werden soll, erschien es sachlich gerechtfertigt, für die konkludente
Rechtswahl eine niedrigere Schwelle als in Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Rom-IVerordnung
anzusetzen (BeckOKG/J. Schmidt, EuErbVO Art. 22 Rn. 20
[Stand: 1. November 2020]). Auch im Rahmen der Rom-I-Verordnung
wurde bereits überwiegend vertreten, dass die Frage, ob das Verhalten
der Parteien als konkludente Rechtswahl anzusehen ist, unionsautonom
auszulegen ist (BeckOGK/Wendland, Rom I-VO Art. 3 Rn. 126 [Stand:
1. Februar 2020]; Emmerich, Probleme der Anknüpfung im Rahmen der
EuErbVO, S. 186, 188 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass der EU-Verordnungsgeber
im Rahmen der EuErbVO eine andere Anknüpfung wählen
wollte, sind nicht ersichtlich.
Für eine unionsautonome Auslegung sprechen ferner in systematischer
Hinsicht die Erwägungsgründe 39 und 40 der EuErbVO. Nach Erwägungsgrund
39 sollte eine Rechtswahl ausdrücklich in Form einer Verfügung
von Todes wegen erfolgen oder sich aus den Bestimmungen einer
solchen Verfügung ergeben. Eine Rechtswahl könne als sich durch eine
Verfügung von Todes wegen ergebend angesehen werden, wenn z.B. der
Erblasser in seiner Verfügung Bezug auf spezifische Bestimmungen des
Rechts des Staates, dem er angehöre, genommen habe oder das Recht
dieses Staates in anderer Weise erwähnt habe. Der EU-Verordnungsgeber
hat damit selbst Kriterien für eine unionsautonome Rechtswahl aufgestellt.
Diese wären überflüssig, wenn es für die Frage der konkludenten Recht swahl
nicht auf eine unionsautonome Auslegung, sondern auf eine solche
nach dem hypothetisch gewählten nationalen Recht ankäme (NK-BGB/
Looschelders 3. Aufl.,
Odersky, Internationales Privatrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis,
3. Aufl. § 15 Rn. 117). Hierfür spricht auch Satz 1 von Erwägungsgrund
40. Hiernach sollte eine Rechtswahl nach dieser Verordnung auch dann
wirksam sein, wenn das gewählte Recht keine Rechtswahl in Erbsachen
vorsieht. Käme es auf das hypothetisch gewählte materielle Recht an, so
wären diese Erwägungen überflüssig, wenn es in der gewählten Rechtsordnung
keine - oder jedenfalls keine konkludente - Rechtswahl gäbe (vgl.
auch Nordmeier,
Dem steht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch
Wirksamkeit der Rechtshandlung, durch die die Rechtswahl vorgenommen
wird, dem gewählten Recht. Insoweit bestimmt Satz 2 von Erwägungsgrund
40, die materielle Wirksamkeit der Rechtshandlung, mit der die
Rechtswahl getroffen werde, solle sich nach dem gewählten Recht bestimmen,
d.h. ob davon auszugehen sei, dass die Person, die die Rechtswahl
treffe, verstanden habe, was dies bedeute, und dem zustimme. Mit der
materiellen Wirksamkeit sind hier - entsprechend der Regelung in Art. 26
Abs. 1 EuErbVO - etwa die Testierfähigkeit, Testierverbote, die Zulässig-
keit der Stellvertretung, die Auslegung der Verfügung sowie Willensmängel
gemeint. Hierauf kommt es indessen erst nach der Beantwortung der
vorrangigen Frage an, ob der Erblasser - ausdrücklich oder konkludent -
eine bestimmte Rechtsordnung gewählt hat (vgl. Schauer in Deixler-Hübner/
Schauer, Kommentar zur EU-Erbrechtsverordnung (EuErbVO) 2. Aufl.
Art. 22 Rn. 16; Nordmeier,
16. Aufl.
Für eine unionsautonome Auslegung spricht nach dem Sinn und
Zweck der Vorschrift ferner die Anwendung einheitlicher Kriterien zur Bestimmung,
ob im jeweils zu beurteilenden Fall die Voraussetzungen für
eine konkludente Rechtswahl vorliegen oder nicht. Das Abstellen auf das
hypothetisch gewählte Recht hätte demgegenüber - worauf die Rechtsbeschwerdeerwiderung
zu Recht hinweist - zur Folge, dass in vergleichbaren
Fallkonstellationen gegebenenfalls unterschiedliche Anforderungen an
eine konkludente Rechtswahl zu stellen wären mit der Folge einer uneinheitlichen
Beurteilung, wann im Rahmen von
konkludente Rechtswahl vorliegt.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Übergangsbestimmungen
des
- früherer - Verfügungen von Todes wegen soweit irgend möglich aufrechtzuerhalten,
sie aber gegebenenfalls auch zu heilen (Senatsbeschluss vom
10. Juli 2019 - IV ZB 22/18,
des Grundsatzes des favor testamentii auch BeckOGK/J. Schmidt,
EuErbVO Art. 22 Rn. 26 [Stand: 1. November 2020]; Bauer in Dutta/Weber,
Internationales Erbrecht Art. 22 Rn. 20; a.A. Magnus, IPrax 2019, 8,
10; BeckOK BGB/Lorenz,
2020]).
cc) Ausgehend von einer unionsautonomen Auslegung der konkludenten
Rechtswahl hat das Beschwerdegericht in rechtlich nicht zu beanstandender
Weise angenommen, dass die Erblasserin und ihr Ehemann in
dem gemeinschaftlichen Testament vom 25. März 1996 deutsches Recht
gewählt haben. Für die konkludente Wahl einer bestimmten nationalen
Rechtsordnung kann es insbesondere sprechen, wenn der Erblasser Begriffe
oder Rechtsinstitute verwendet, die gerade in dieser Rechtsordnung
spezifisch sind (vgl. Satz 2 Erwägungsgrund 39 zur EuErbVO; ferner OLG
Köln
Rechts in einem Testament; NK-BGB/Looschelders, 3. Aufl. Art. 22
EuErbVO Rn. 28; Palandt/Thorn, BGB 80. Aufl.
Bauer in Dutta/Weber, Internationales Erbrecht
Hier haben die Erblasserin und ihr Ehemann unter anderem den Begriff
der Schlusserben verwendet, der im deutschen Recht anerkannt ist (vgl.
etwa Senatsurteil vom 28. September 2016 - IV ZR 513/15,
Rn. 13), nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts im österreichischen
Recht hingegen keine Verwendung findet. Außerdem haben die
Ehegatten bestimmt, dass ihre Verfügung von Todes wegen wechselseitig
verbindlich sein soll und zu ihren Lebzeiten nur gemeinschaftlich aufgehoben
werden kann, während nach dem Tod eines Ehegatten der überlebende
Ehegatte nicht mehr berechtigt ist, die Erbeinsetzungen und Vermächtnisanordnungen
abzuändern. Auch damit haben die Erblasserin und
ihr Ehemann Bezug auf die Regelungen des deutschen Rechts in den
österreichischen Recht nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts
gerade keine Bindung des überlebenden Ehegatten an ein gemeinschaftliches
Testament besteht.
c) Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen
Union gemäß
da die richtige Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Be -
stimmungen der Europäischen Erbrechtsverordnung nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte,
Systematik, Sinn und Zweck sowie unter Berücksichtigung
der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur
autonomen Auslegung der Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts
(EuGH, Urteil vom 1. März 2018, C-558/16, EU:C:2018:138, ZEV 2018,
205 Rn. 32) derart offenkundig sind, dass für einen vernünftigen Zweifel
keinerlei Raum verbleibt (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Juli 2019 - IV ZB
22/18,
France Nature Environnement, C-379/15, EU:C:2016:603, ABl. EU
2016 Nr. C 350 S. 11 [juris Rn. 53]; vom 1. Oktober 2015, Doc Generici,
C-452/14, EU:C:2015:644, GRUR Int. 2015, 1152 Rn. 43; vom 6. Oktober
1982, CILFIT, C-283/81, EU:C:1982:335, Slg. 1982, 3415 Rn. 16, 21).
III. Die Entscheidung wegen der Kosten beruht auf
Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 61 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1
i.V.m.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:24.02.2021
Aktenzeichen:IV ZB 33/20
Rechtsgebiete:
Gemeinschaftliches Testament
Eheliches Güterrecht
Kostenrecht
Deutsches IPR (EGBGB)
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
EuErbVO Art. 22 Abs. 2, 83 Abs. 2