Anschaffungspreis einer Küche als vereinbarte Beschaffenheit
letzte Aktualisierung: 7.11.2019
OLG München, Urt. v. 9.10.2019 – 20 U 556/19
BGB §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 S. 2, 311 Abs. 2, 434 Abs. 1 S. 1 u. 3
Anschaffungspreis einer Küche als vereinbarte Beschaffenheit
1. Der Anschaffungspreis einer Küche wird nur dann eine vereinbarte Beschaffenheit nach § 434
Abs. 1 S. 1 BGB, wenn er Eingang in die notarielle Urkunde gefunden hat. Als Beschaffenheit
kann nur der Inhalt der Urkunde vereinbart werden.
2. Falsche Angaben bzgl. des Anschaffungspreises einer mitveräußerten Küche können einen
Anspruch auf Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1 i. V. m. §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB wegen
vorvertraglichen Verschuldens begründen.
3. Der Vertrauensschaden bemisst sich nach dem Differenzbetrag, um den der Geschädigte den
Kaufgegenstand im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angabe des Anschaffungspreises zu teuer
erworben hat. (Leitsätze der DNotI-Redaktion)
Entscheidungsgründe
I.
Der Darstellung eines Tatbestands bedarf es nicht, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht
zulässig ist,
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet und war daher zurückzuweisen. Das Landgericht hat
im Ergebnis mit Recht einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von € 7.320,00 nebst Zinsen bejaht.
1. Zwar kann der Kläger seinen Zahlungsanspruch entgegen der Annahme des Landgerichts nicht auf §§
459 ff. BGB stützen. Denn ein Sachmangel der Küche, die im Rahmen des notariellen
Grundstückskaufvertrags „mitverkauft“ worden war, liegt nicht vor.
a) Der Anschaffungspreis der Küche war keine vereinbarte Beschaffenheit gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB,
da er keinen Eingang in die notarielle Urkunde gefunden hat. Als Beschaffenheit kann grundsätzlich nur das
vereinbart sein, was Inhalt der Urkunde geworden ist (BGH, Urteil vom 6. November 2015, V ZR 78/14, juris
Rn. 15 ff.; BGH, Urteil vom 19. Januar 2018, V ZR 256/16, juris Rn. 8; BGH, Urteil vom 9. Februar 2018, V
ZR 274/16, juris Rn. 7, 20).
b) Auch das Fehlen einer Beschaffenheit im Sinne von
die der Kläger nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, d.h. hier dem Maklerexposé, erwarten
kann (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2018, V ZR 256/16, juris Rn. 10; BGH, Urteil vom 9. Februar 2018, V
ZR 274/16, juris Rn. 21), liegt nicht vor. Der (frühere) Anschaffungspreis einer Sache ist keine ihr anhaftende
Eigenschaft (vgl. Palandt, BGB, § 434 Rn. 31; BGH, Urteil vom 15. Januar 1969, VIII ZR 239/66, BeckRS
1969, 31173530, Ziffer I.). Denn insoweit ist nicht die Beziehung der Sache zur Umwelt betroffen bzw. ihre
tatsächlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, die nach der Verkehrsanschauung einen
Einfluss auf Nutzen und Wertschätzung des Gegenstands zu haben pflegen (vgl. MünchKomBGB, § 651c
Rn. 9).
2. Jedoch besteht ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1
iVm § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB wegen vorvertraglichen Verschuldens.
a) Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung trifft einen Verkäufer, der durch eine unrichtige Angabe über das
Kaufobjekt eine Fehlvorstellung des Käufers hervorruft, eine Pflicht zur Offenbarung (BGH, Urteil vom 22.
April 2016, V ZR 23/15, juris Rn. 19); die Erteilung einer vorsätzlich falschen Auskunft über einen für den
Vertragsschluss wesentlichen Umstand, der nicht in den Anwendungsbereich der
die Voraussetzungen für ein Verschulden bei den Vertragsverhandlungen (BGH, Urteil vom 14. Januar 1993,
IX ZR 206/91, juris Rn. 17).
b) So liegt der Fall hier.
aa) Vorliegend hat die Beklagte dem Kläger über das ihr zuzurechnende Maklerexposé und die Maklerin
einen Anschaffungspreis für die mitverkaufte Küche von ca. € 25.000,00 genannt. Dies hat die vom
Landgericht für glaubwürdig erachtete Zeugin F. nach der von der Berufung nicht angegriffenen
Überzeugung des Landgerichts glaubhaft bestätigt. Die Zeugin hat angegeben, die Beklagte habe ihr
gegenüber und zum Zwecke der Kommunikation gegenüber potentiellen Käufern Anschaffungskosten von €
25.000,00 genannt, jedoch trotz Verlangen keine Rechnung vorgelegt. Diesen Betrag habe sie nicht nur ins
Maklerexposé aufgenommen, sondern auch mit dem Kläger persönlich über den Wert der Küche
gesprochen.
Die Angabe der Beklagten zum Anschaffungspreis war deshalb - für jedermann unmittelbar einsichtig - die
Grundlage für das Einverständnis des Klägers mit einem Ablösebetrag für die Küche von unstreitig €
15.000,00.
bb) Der genannte Preis war falsch. Denn unstreitig hat die Beklagte tatsächlich lediglich einen Betrag von €
12.200,00 für die Küche bezahlt.
Wie den nunmehrigen Angaben der Beklagten zu entnehmen ist, lag die Preisdifferenz auch nicht daran,
dass die Beklagte - wie zunächst von ihr behauptet - einen Personal- oder Mitarbeiterrabatt erhalten hätte.
Vielmehr gewährte das Möbelhaus die Reduktion anlasslos.
Hieraus wird deutlich, dass das Möbelhaus von jedem Käufer nur den reduzierten Preis als Kaufpreis für die
Küche verlangte. Allein dieser Betrag ist der Anschaffungspreis. Darauf, dass womöglich zunächst ein
„Mondpreis“ von € 25.000,00 als Listenpreis genannt wurde, kommt es nicht an. Denn dieser Preis wurde
ersichtlich von niemandem ernstlich verlangt.
cc) Die Beklagte hat vorsätzlich gehandelt. Ihr waren - da sie selbst die Vertragsverhandlungen mit dem
Möbelhaus geführt hat - sämtliche Umstände der Preisgestaltung bekannt. Damit war ihr auch bewusst, dass
für den Erwerb der Küche von jedermann lediglich € 12.200,00 aufzuwenden waren. Die Angabe eines mehr
als das Doppelte hiervon betragenden „Anschaffungspreises“ war deshalb, wie sie wusste, falsch. Dass die
Maklerin nicht den Listen-, sondern den tatsächlichen Kaufpreis erfragte und ins Exposé aufnehmen wollte,
war der Beklagten schon deshalb bekannt, weil die Maklerin in ihrer Vernehmung angegeben hat, die
Beklagte in diesem Zusammenhang mehrmals zur Übersendung einer Rechnung aufgefordert zu haben.
dd) Der tatsächliche Wert der Küche ist für die Frage des Anschaffungspreises ersichtlich irrelevant. Mithin
kommt es auch nicht darauf an, dass, wie die Beklagte vorbringt, ihr aus sprachlichen Gründen der
Unterschied zwischen der Bedeutung der Begriffe „Anschaffungspreis“, „Wert“ und „Zeitwert“ nicht geläufig
sei.
c) Dass die Beklagte die Falschangabe zu vertreten hat, wird vermutet,
Entlastungsbeweis wurde nicht angetreten.
d) Der Kläger als geschädigte Vertragspartei kann den Ersatz des Vertrauensschadens verlangen. Da er an
dem für ihn ungünstigen Vertrag festhält, reduziert sich dieser nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auf
die berechtigten Erwartungen des Käufers, die durch den zustande gekommenen Vertrag nicht befriedigt
werden (BGH, Urteil vom 11. Juni 2010, V ZR 144/09, juris Rn. 8; BGH, Urteil vom 19. Januar 2018, V ZR
256/16, juris Rn. 12).
aa) Die Berechnung geschieht bei einem Kaufvertrag in der Weise, dass der Geschädigte so behandelt wird,
als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Vertrag zu einem niedrigeren Preis
abzuschließen. Schaden ist der Betrag, um den der Geschädigte den Kaufgegenstand im Vertrauen auf die
Richtigkeit der Angaben des Verkäufers zu teuer erworben hat (BGH, Urteil vom 14. Januar 1993, IX ZR
206/91, juris Rn. 18; BGH, Urteil vom 19. Mai 2006, V ZR 264/05, juris Rn. 22; BGH, Urteil vom 11. Juni
2010, V ZR 144/09, juris Rn. 9). Der Senat schätzt diesen Betrag unter Würdigung der von den Parteien
selbst vorgenommenen Berechnung des Ablösebetrages (60% des angeblichen Anschaffungspreises)
gemäß § 287 ZPO auf € 7.320,00.
bb) Soweit die Beklagte vorträgt, sie hätte sich nicht mit einem geringeren Ablösebetrag für die Küche als €
15.000,00 einverstanden erklärt, kommt es hierauf nicht an. Denn vorliegend geht es allein um die
Bemessung des Vertrauensschadens und nicht um eine Anpassung des Vertrages. Der Geschädigte braucht
deshalb nicht nachzuweisen, dass sich der Vertragspartner auf einen Vertragsschluss zu einem niedrigeren
Preis eingelassen hätte (BGH, Urteil vom 19. Mai 2006, V ZR 264/05, juris Rn. 22).
3. Der Zahlungsanspruch ist seit Zustellung des Mahnbescheids am 9. Mai 2018 zu verzinsen, § 286 Abs. 1
Satz 2 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §
708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
Der Streitwert entspricht dem Wert der angegriffenen Zahlungsverpflichtung.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG München
Erscheinungsdatum:09.10.2019
Aktenzeichen:20 U 556/19
Rechtsgebiete:
Allgemeines Schuldrecht
Kaufvertrag
Vorkaufsrecht schuldrechtlich, Wiederkauf
Beurkundungserfordernis
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
BGB §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 S. 2, 311 Abs. 2, 434 Abs. 1 S. 1 u. 3