Aufklärungspflichten des Immobilienverkäufers bei Einrichtung eines Datenraums
letzte Aktualisierung: 4.10.2023
BGH, Urt. v. 15.9.2023 – V ZR 77/22
BGB §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1
Aufklärungspflichten des Immobilienverkäufers bei Einrichtung eines Datenraums
Der Verkäufer eines bebauten Grundstücks, der dem Käufer Zugriff auf einen Datenraum mit
Unterlagen und Informationen zu der Immobilie gewährt, erfüllt hierdurch seine Aufklärungspflicht,
wenn und soweit er aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer
durch Einsichtnahme in den Datenraum Kenntnis von dem offenbarungspflichtigen Umstand
erlangen wird.
Entscheidungsgründe:
A.
Das Berufungsgericht meint, die Klägerin habe gegen die Verkäuferin keinen
Anspruch auf Befreiung von den Darlehensverbindlichkeiten aus § 812
Abs. 1 BGB. Ihr stehe kein Recht zur Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger
Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 BGB zu. Die Verkäuferin habe in dem
notariellen Kaufvertrag zutreffende Erklärungen abgegeben, denn eine
Sonderumlage sei bis zum Vertragsschluss nicht beschlossen worden. Ob sich
aufgrund der bei Abschluss des Kaufvertrages fehlenden Bestandskraft des die
Sonderumlage ablehnenden Beschlusses vom 1. November 2016 eine künftig
fällige Sonderumlage hinreichend konkret ergeben und die Verkäuferin insoweit
objektiv eine falsche Zusicherung abgegeben habe, könne dahinstehen. Denn
jedenfalls sei der Tatbestand der arglistigen Täuschung diesbezüglich subjektiv
nicht erfüllt, weil nicht feststehe, dass die Verkäuferin von der auf die Erhebung
einer Sonderumlage abzielenden Klage Kenntnis gehabt habe.
Die Klägerin habe auch keinen Schadensersatzanspruch aus § 280
Abs. 1, § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2 BGB, denn die Verkäuferin habe nicht
unter Missachtung ihrer Aufklärungspflicht wahre Tatsachen unterdrückt. Insbesondere
könne die Klägerin der Verkäuferin nicht vorwerfen, das Protokoll der
Eigentümerversammlung vom 1. November 2016 erst unmittelbar vor dem
Notartermin „klammheimlich“ in den Datenraum eingestellt und ihr damit „untergeschoben“
zu haben. Denn die Klägerin habe schon mit dem Verkaufsexposé
den Hinweis auf diese Eigentümerversammlung und auf eine anstehende Ertüchtigung
der Fassade und Umgestaltung des Gebäudekomplexes auf zwei Ebenen
erhalten. Dem sei sie nicht nachgegangen. Zudem müsse sich die Klägerin ihre
in dem Kaufvertrag abgegebene Bestätigung, die Protokolle der Eigentümerversammlungen
der letzten drei Jahre erhalten zu haben, entgegenhalten lassen.
Es habe in ihrer Verantwortung gelegen, sich über die maßgebliche Beschlusslage
der Eigentümergemeinschaft zu informieren. Die Parteien hätten auch keine
Frist vereinbart, innerhalb derer Informationen über den Kaufgegenstand in den
elektronischen Datenspeicher längstens eingestellt werden konnten. Das Vorbringen
der Klägerin, sie sei entgegen der bisherigen Übung nicht auf die Zurver-
fügungstellung weiterer Unterlagen hingewiesen worden, sei zu allgemein gehalten
und widersprüchlich. Gegen den Beklagten zu 2 stünden der Klägerin ebenfalls
keine Schadensersatzansprüche zu. Mangels arglistiger Täuschung scheide
eine deliktische Haftung nach §§ 823, 826 BGB aus. Für einen Anspruch aus
§ 280 Abs. 1, § 311 Abs. 3, § 241 Abs. 2 BGB fehle es an einer Inanspruchnahme
besonderen persönlichen Vertrauens.
B.
Dies hält rechtlicher Nachprüfung überwiegend nicht stand.
I. Die gegen die Verkäuferin gerichtete Revision ist in vollem Umfang begründet.
1. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch
der Klägerin gegen die Verkäuferin auf Befreiung von den Darlehensverbindlichkeiten
nicht verneint werden.
a) Im Ergebnis zutreffend ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts,
dass die Klägerin einen solchen Anspruch nicht auf § 812 Abs. 1 BGB
stützen kann. Richtigerweise folgt dies bereits daraus, dass der Anspruch aus
§ 812 Abs. 1 BGB auf Herausgabe des Erlangten gerichtet ist, die Klägerin hiermit
bei einer Überweisung des Kaufpreises also nur Wertersatz in Höhe des
Nennbetrags der Überweisung verlangen kann (vgl. § 818 Abs. 2 BGB). Eine Befreiung
von den Darlehensverbindlichkeiten scheidet dagegen als Anspruchsziel
aus. Denn aus dem Darlehensvertrag hat die Verkäuferin keine Ansprüche er-
langt; sie war nicht Vertragspartei. An dieser Stelle kann also dahingestellt bleiben,
ob der Klägerin ein Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung gemäß
§ 123 Abs. 1 BGB zustand.
b) Zutreffend ist auch die - von der Revision nicht beanstandete - Annahme
des Berufungsgerichts, dass die Klägerin nicht nach § 437 Nr. 2,
war und nach
verlangen kann, weil sie weder einen Sach- noch einen Rechtsmangel des
Kaufobjekts geltend macht. Die Klägerin leitet Ansprüche nicht aus dem Zustand
des Gebäudes ab, namentlich nicht aus einer von ihr nicht erkannten Sanierungsbedürftigkeit,
sondern daraus, dass die Beklagten sie ihrer Ansicht nach nicht
hinreichend über eine konkret drohende Sonderumlage in Höhe von bis zu
50 Mio. € aufgeklärt haben. Der Beschluss einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
(GdWE) über die Erhebung einer Sonderumlage ist weder eine Eigenschaft
des Gebäudes noch - auch wenn er Zahlungspflichten des Teileigentümers
gegenüber der GdWE begründet - ein Recht Dritter in Bezug auf den Kaufgegenstand
i.S.v. § 435 Satz 1 BGB. Das Teileigentum wird durch einen solchen
Beschluss nicht belastet und der Teileigentümer in seiner Nutzungs- und Verfügungsbefugnis
nicht beschränkt.
c) Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht jedoch einen Schadensersatzanspruch
der Klägerin gegen die Verkäuferin aus § 280 Abs. 1, § 311
Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2 BGB. Ein solcher Anspruch kommt unter drei Gesichtspunkten
in Betracht: wegen einer unzutreffenden Erklärung der Verkäuferin in
dem notariellen Kaufvertrag (aa), wegen einer unrichtigen oder unvollständigen
Antwort der Verkäuferin auf Fragen der Klägerin (bb) sowie wegen einer unterbliebenen
Aufklärung der Klägerin durch die Verkäuferin über einen offenbarungspflichtigen
Umstand (cc).
aa) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist zunächst nicht ausgeschlossen,
dass der Klägerin ein Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens
bei Vertragsschluss aufgrund einer unzutreffenden Erklärung der Verkäuferin in
dem notariellen Kaufvertrag zusteht.
(1) Zwar muss bei Vertragsverhandlungen, in denen die Beteiligten entgegengesetzte
Interessen verfolgen, nicht jeder Umstand, der für den anderen
nachteilig sein könnte, offenbart werden. Macht der Verkäufer jedoch tatsächliche
Angaben, die für den Kaufentschluss des anderen Teils von Bedeutung sein
können, so müssen diese richtig sein, und zwar auch dann, wenn eine Offenbarungspflicht
nicht bestand (Senat, Urteil vom 20. September 1996 - V ZR 173/95,
259/77,
(2) Nicht zu beanstanden ist, dass das Berufungsgericht die Versicherung
der Verkäuferin in § 4 Nr. 2 des Kaufvertrages, es sei mit Ausnahme der Dachsanierung
kein Beschluss gefasst, aus dem sich eine künftig fällige Sonderumlage
ergebe, als zutreffend bewertet. Der Beschluss vom 17. Mai 2006 regelte nur die
Haftung einzelner Eigentümer für den Fall des Zahlungsausfalls der Mehrheitseigentümerin.
In der Versammlung am 1. November 2016 war die Erhebung einer
Sonderumlage abgelehnt worden und über die auf die Erhebung einer
Sonderumlage gerichtete Klage einer Miteigentümerin war zum Zeitpunkt des
Vertragsschlusses noch nicht entschieden worden.
(3) Rechtsfehlerhaft ist indes die Begründung, mit der das Berufungsgericht
einen Anspruch der Klägerin im Hinblick auf die Erklärung der Verkäuferin
in § 4 Nr. 7, dass nach ihrer Kenntnis außergewöhnliche, durch die Instandhaltungsrücklage
nicht gedeckte Kosten im laufenden Wirtschaftsjahr bisher nicht
angefallen seien und auch nicht bevorstünden, ablehnt.
(a) Das Berufungsgericht versteht die von der Verkäuferin abgegebene
Erklärung ersichtlich als sog. Wissenserklärung. Dies ist revisionsrechtlich nicht
zu beanstanden, zumal die Erklärung nicht auf eine Beschaffenheit des Kaufobjekts
bezogen ist. Die rechtliche Bedeutung einer Wissenserklärung oder
Wissensmitteilung liegt darin, dass der Verkäufer gemäß § 280 Abs. 1, § 241
Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB dafür haftet, dass seine Angaben richtig und vollständig
sind (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2008 - VIII ZR 253/05,
Rn. 16). Hier kommt in Betracht, dass die Erklärung als unvollständig anzusehen
ist und die Verkäuferin dies zu vertreten hat.
(b) Aus den der Verkäuferin bekannten Protokollen der Versammlungen
der Wohnungs- und Teileigentümer, insbesondere aus dem Protokoll der Versammlung
vom 1. November 2016, ging hervor, dass Kosten für anstehende bauliche
Maßnahmen in Höhe von 50 Mio. € im Raum standen, die von der Instandhaltungsrücklage
nicht gedeckt waren und deshalb - ggf. auch gerichtlich - gegenüber
der Mehrheitseigentümerin geltend gemacht werden sollten. Damit war
der Beschluss aus dem Jahre 2006, den das Berufungsgericht dahin versteht,
dass die Mehrheitseigentümerin möglicherweise selbst die Arbeiten durchführen
bzw. in Auftrag geben sollte, überholt. Denn die Eigentümer gingen bei der Beschlussfassung
am 1. November 2016 ersichtlich davon aus, dass die GdWE die
Maßnahmen durchführen und die Mehrheitseigentümerin (nur) wegen der Kosten
in Anspruch genommen werden soll. Somit bestand das Risiko, dass bei einer
erfolglosen Inanspruchnahme der Mehrheitseigentümerin im Innenverhältnis
(auch) die übrigen Eigentümer für die Kosten aufkommen müssen. Vor diesem
Hintergrund spricht viel dafür, die Erklärung der Verkäuferin, dass nach ihrer
Kenntnis außergewöhnliche, durch die Instandhaltungsrücklage nicht gedeckte
Kosten nicht bevorstünden, zumindest als unvollständig anzusehen, zumal diese
Erklärung - entgegen der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung -
keine Einschränkung dahin enthält, dass sie sich lediglich auf „konkret“ bevorstehende
Kosten bezieht. Sollte die Erklärung somit als falsch oder zumindest als
unvollständig anzusehen sein, würde das Vertretenmüssen der Verkäuferin insoweit
vermutet (
bb) Ebenso wenig kann mit der Begründung des Berufungsgerichts ein
Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen einer unrichtigen oder unvollständigen
Antwort der Verkäuferin auf Fragen der Klägerin ausgeschlossen werden.
(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist der Verkäufer
- wiederum unabhängig vom Bestehen einer Offenbarungspflicht - verpflichtet,
Fragen des Käufers richtig und vollständig zu beantworten (vgl. Senat, Urteil vom
14. Juni 2019 - V ZR 73/18,
- V ZR 30/08,
ausdrücklich offen, ob die Klägerin vor Abschluss des Kaufvertrages gefragt hat,
ob und welcher Kostenanteil in Anbetracht des Sanierungsstaus womöglich auf
sie zukomme, und ob die Verkäuferin hierauf geantwortet hat, ihre Büroeinheiten
verfügten über eine Option zur Umwandlung in Wohneinheiten, bei denen eine
Kostenbeteiligung an Instandhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen, welche eigentlich
nur die Ladeneigentümer beträfen, nicht vorgesehen sei. Für das Revisionsverfahren
ist daher zu unterstellen, dass die Frage gestellt und auf diese
Weise beantwortet wurde.
(2) Auf dieser Grundlage kann ein vorvertragliches Verschulden der Verkäuferin
nicht mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung verneint
werden, der Klägerin sei vor Vertragsschluss bekannt gewesen, dass an
dem Gebäudekomplex ein Bedarf an baulichen Sanierungsmaßnahmen in nicht
unbedeutendem Umfang bestanden habe, und die Antwort der Verkäuferin habe
der Klägerin zumindest einen Eindruck von der Größenordnung der sie etwa treffenden
Kostenlast vermittelt. Denn die Antwort der Verkäuferin wäre zwar richtig,
wenn - wozu das Berufungsgericht allerdings keine Feststellungen getroffen hat -
die beschriebene Umwandlungsoption tatsächlich bestanden haben sollte. Sie
wäre aber sowohl im Hinblick auf die ohne Umwandlung eintretende Kostenbelastung
als auch im Hinblick auf den Kostenumfang unvollständig. Denn sie lässt
entgegen der nicht näher begründeten Annahme des Berufungsgerichts keinen
Rückschluss darauf zu, dass Kosten für anstehende bauliche Maßnahmen in
Höhe von 50 Mio. € im Raum standen, die von der Instandhaltungsrücklage nicht
gedeckt waren und deshalb - ggf. auch gerichtlich - gegenüber der Mehrheitseigentümerin
geltend gemacht werden sollten, bei deren Ausfall aber im Innenverhältnis
von allen Eigentümern aufzubringen wären.
(3) Eine Vervollständigung der Antwort durch das Nachreichen von Dokumenten
- hier das Einstellen des Protokolls vom 1. November 2016, aus dem sich
die bestehende Problematik und ihre Größenordnung hätten erkennen lassen, in
den Datenraum - kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn hierdurch die
auch ohne konkrete Nachfrage bestehende Aufklärungspflicht nicht erfüllt wird,
etwa weil - wie hier - die Dokumente kurz vor der Beurkundung ohne gesonderten
Hinweis in den Datenraum eingestellt werden (hierzu sogleich).
cc) Rechtsfehlerhaft ist schließlich auch die Annahme des Berufungsgerichts,
die Verkäuferin habe hinsichtlich des Kostenumfangs für die anstehenden
Sanierungsmaßnahmen keine sie treffende Aufklärungspflicht verletzt. Die Verkäuferin
hätte die Klägerin auch ungefragt über den Kostenumfang aufklären
müssen. Diese Pflicht ist nicht dadurch entfallen oder erfüllt worden, dass sie am
22. März 2019 das Protokoll der Eigentümerversammlung vom 1. November
2016 in den Datenraum eingestellt hat.
(1) Die Tatsache, dass Sanierungsmaßnahmen mit einem Kostenumfang
von 50 Mio. € ausstanden, war ein offenbarungspflichtiger Umstand, über den
die Verkäuferin die Klägerin hätte aufklären müssen.
(a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht bei
Vertragsverhandlungen zwar keine allgemeine Rechtspflicht, den anderen Teil
über alle Einzelheiten und Umstände aufzuklären, die dessen Willensentschließung
beeinflussen könnten. Vielmehr ist grundsätzlich jeder Verhandlungspartner
für sein rechtsgeschäftliches Handeln selbst verantwortlich und muss
sich deshalb die für die eigene Willensentscheidung notwendigen Informationen
auf eigene Kosten und eigenes Risiko selbst beschaffen. Allerdings besteht auch
bei Vertragsverhandlungen, in denen die Parteien entgegengesetzte Interessen
verfolgen, für jeden Vertragspartner die Pflicht, den anderen Teil über Umstände
aufzuklären, die den Vertragszweck des anderen vereiteln können und daher für
seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung
nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Vertragsanschauung redlicherweise
erwarten darf (vgl. Senat, Urteil vom 2. Februar 1996 - V ZR 239/94,
Urteil vom 1. Februar 2013 - V ZR 72/11,
vom 11. August 2010 - XII ZR 192/08,
14. September 2017 - VII ZR 307/16,
solcher Umstand kann auch dann vorliegen, wenn er geeignet ist, dem Vertragspartner
erheblichen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen (BGH, Urteil vom
11. August 2010 - XII ZR 192/08, aaO Rn. 21).
(b) Nach diesem Maßstab musste die Verkäuferin die Klägerin - auch ungefragt
- darüber aufklären, dass bauliche Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum
im Kostenumfang von bis zu 50 Mio. € ausstanden. Dieser Kostenumfang
war für die Klägerin zweifelsohne von erheblicher Bedeutung. Dass er bei einer
Besichtigung ohne Weiteres erkennbar war, ist nicht festgestellt und auch nicht
ersichtlich. Es muss sich nicht (sämtlich) um Maßnahmen handeln, die aufgrund
eines erkennbar schlechten Zustands des Gebäudes erforderlich sind, also um
echte Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen. Vielmehr kann es sich
- zumindest teilweise - auch um eine beabsichtigte Modernisierung bzw. modernisierende
Verbesserung handeln, wie der Begriff „Revitalisierung“ in dem Beschluss
aus dem Jahre 2006 andeutet.
Die Aufklärungspflicht der Verkäuferin galt auch unabhängig davon, dass
diese Kosten vorrangig von der Mehrheitseigentümerin getragen werden sollten
und eine Sonderumlage noch nicht beschlossen war. Denn solange die geplanten
baulichen Maßnahmen nicht umgesetzt und bezahlt waren, bestand für die
Klägerin als künftige Eigentümerin mehrerer Gewerbeeinheiten die konkrete Gefahr,
dass die hierfür anfallenden Kosten anteilig von ihr getragen werden müssen.
(2) Diese Aufklärungspflicht ist nicht dadurch entfallen, dass die Verkäuferin
das Protokoll der Eigentümerversammlung vom 1. November 2016 am
22. März 2019 in den Datenraum eingestellt hat und die Klägerin damit die Möglichkeit
hatte, sich die Information selbst zu verschaffen.
(a) Die für den Käufer bestehende Möglichkeit, sich die Kenntnis von dem
offenbarungspflichtigen Umstand selbst zu verschaffen, schließt die Pflicht des
Verkäufers zur Offenbarung nicht von vornherein aus. So darf ein verständiger
und redlicher Verkäufer zwar davon ausgehen, dass bei einer Besichtigung ohne
Weiteres erkennbare Mängel auch dem Käufer ins Auge springen werden und
deshalb eine gesonderte Aufklärung nicht erforderlich ist. Konstellationen, in denen
dem Käufer auf andere Weise die Möglichkeit gegeben wird, sich die Kenntnis
selbst zu verschaffen, stehen der Besichtigungsmöglichkeit aber nicht ohne
Weiteres gleich. Mit Blick auf übergebene Unterlagen ist eine Gleichstellung nur
dann gerechtfertigt, wenn ein Verkäufer aufgrund der Umstände die berechtigte
Erwartung haben kann, dass der Käufer die Unterlagen nicht nur zum Zweck allgemeiner
Information, sondern unter einem bestimmten Gesichtspunkt gezielt
durchsehen wird. Solche Umstände liegen etwa vor, wenn der Verkäufer dem
Käufer im Zusammenhang mit möglichen Mängeln ein Sachverständigengutachten
überreicht. Dagegen kann ein Verkäufer nicht ohne Weiteres erwarten, dass
der Käufer Finanzierungsunterlagen oder einen ihm übergebenen Ordner mit Unterlagen
zu dem Kaufobjekt auf Mängel des Kaufobjekts durchsehen wird (vgl.
zum Ganzen Senat, Urteil vom 23. September 2022 - V ZR 133/21, NZM 2023,
137 Rn. 20; Urteil vom 14. September 2018 - V ZR 165/17,
Rn. 12; Urteil vom 11. November 2011 - V ZR 245/10,
mwN; Urteil vom 12. November 2010 - V ZR 181/09,
Urteil vom 2. Februar 1996 - V ZR 239/94,
gleichermaßen, wenn es nicht um einen offenbarungspflichtigen Mangel, sondern
um einen anderen offenbarungspflichtigen Umstand geht, etwa - wie hier -
um die aus einer ausstehenden Sanierungsmaßnahme drohende Kostenlast für
den Käufer.
(b) Diese Rechtsprechung ist sinngemäß auf den Fall zu übertragen, dass
der Verkäufer einen Datenraum mit Unterlagen zu dem Kaufobjekt einrichtet und
dem Käufer hierauf Zugriff gewährt.
(aa) Allerdings wird in der Rechtsprechung und Literatur zum Unternehmenskauf
mit unterschiedlichem Ergebnis diskutiert, ob die (durch die Einrichtung
eines Datenraums ermöglichte) Durchführung einer Due Diligence - also
einer Überprüfung des Kaufgegenstands in technischer, wirtschaftlicher und
rechtlicher Hinsicht (vgl. Senat, Urteil vom 1. Februar 2013 - V ZR 72/11, NJW
2013, 1807 Rn. 21) - durch den Käufer Auswirkungen auf die Aufklärungspflichten
des Verkäufers hat, und wenn ja, welche.
Überwiegend wird davon ausgegangen, dass die Durchführung einer Due
Diligence den Umfang der Aufklärungspflichten des Verkäufers zwar nicht generell,
aber im Einzelfall reduzieren könne (vgl. etwa Meyer-Sparenberg in Meyer-
Sparenberg/Jäckle, Beck’sches M&A-Handbuch, 2. Aufl., § 47 Rn. 88 ff.;
Golland/Koch in Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf,
2. Aufl., § 17 Rn. 28 f.; Weber in Hölters, Handbuch Unternehmenskauf,
10. Aufl., Rn. 9.388; Henssler in Festschrift Hopt, 2010, Band 1, S. 113, 135 f.;
Knöfler, Rechtliche Auswirkungen der Due Diligence bei Unternehmensakquisitionen,
2001, S. 142 f.; BeckOGK/Herresthal, BGB [15.5.2023], § 311 Rn. 427;
Westermann, ZHR 169 [2005], 248, 258, 261 ff.; Hassel, Der Einfluss der Due
Diligence auf die Verkäuferhaftung beim Unternehmens- und Beteiligungskauf,
2009, S. 141 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 28. November 2001 - VIII ZR 37/01,
mit der Zurverfügungstellung von Unterlagen in einem Datenraum in der Regel
seinen Aufklärungspflichten nachkomme, da er im Normalfall die vollständige
Durchsicht des Datenraums erwarten könne (vgl. etwa Meyer-Sparenberg, aaO,
§ 47 Rn. 93 f.; Golland/Koch aaO, § 17 Rn. 30; Weber, aaO, Rn. 9.401;
Henssler, aaO, S. 136 f.; Hassel, aaO, S. 145 ff.).
Nach anderer Ansicht soll die Durchführung einer Due Diligence keine
Auswirkungen auf die Aufklärungspflichten des Verkäufers haben (vgl. etwa Fietz
in Bergau, Praxishandbuch Unternehmenskauf, 2. Aufl., Kapitel 5 Rn. 53;
Andreas/Beisel in Beisel/Andreas, Beck’sches Mandats Handbuch Due Diligence,
3. Aufl., § 2 Rn. 66 f.; Picot in Picot, Unternehmenskauf und Restrukturierung,
4. Aufl., § 2 Rn. 148 ff.; Eggenberger, Gesellschaftsrechtliche Voraussetzungen
und Folgen einer due-diligence Prüfung, 2001, S. 275 ff.; Müller, NJW
2004, 2196, 2198 f.; Stengel/Scholderer,
werden diese Fragen bislang, soweit ersichtlich, noch nicht explizit
diskutiert.
(bb) Nach Ansicht des Senats lässt sich die Frage, ob der Verkäufer eines
bebauten Grundstücks mit der Einrichtung, Bestückung und Eröffnung eines
(physischen oder virtuellen) Datenraums seiner Aufklärungspflicht gegenüber
dem späteren Käufer hinsichtlich eines offenbarungspflichtigen, in dem Datenraum
als Information vorhandenen Umstandes genügt, nicht allgemein und losgelöst
von den Umständen des Einzelfalls beantworten. Im Grundsatz findet die
Rechtsprechung des Senats zu übergebenen Unterlagen auf den Fall, dass der
Verkäufer dem Käufer Zugriff auf Unterlagen in einem Datenraum gewährt, sinngemäße
Anwendung. In beiden Fällen gilt gleichermaßen, dass es zwar nicht
generell, aber im Einzelfall an einer Informationsasymmetrie zwischen Verkäufer
und Käufer und damit an einem Bedürfnis für eine gesonderte Aufklärung fehlen
kann. Der Umstand allein, dass der Verkäufer einen Datenraum einrichtet und
den Kaufinteressenten den Zugriff auf die Daten ermöglicht, lässt aber angesichts
der Vielgestaltigkeit der Abläufe in der Praxis nicht stets den Schluss zu,
dass der Käufer den offenbarungspflichtigen Umstand zur Kenntnis nehmen wird.
Ist allerdings im Einzelfall die Erwartung gerechtfertigt, dass der Käufer bestimmte,
von dem Verkäufer in dem Datenraum bereit gestellte Informationen
- etwa im Rahmen einer Due Diligence - wahrnehmen und in seine Kaufentscheidung
einbeziehen wird, ist eine gesonderte Aufklärung durch den Verkäufer nicht
erforderlich. Der Verkäufer eines bebauten Grundstücks, der dem Käufer Zugriff
auf einen Datenraum mit Unterlagen und Informationen zu der Immobilie gewährt,
erfüllt hierdurch seine Aufklärungspflicht, wenn und soweit er aufgrund der
Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer durch Einsichtnahme
in den Datenraum Kenntnis von dem offenbarungspflichtigen Umstand
erlangen wird.
(c) Ob der Verkäufer die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer
durch Einsichtnahme in den Datenraum Kenntnis von einem offenbarungspflichtigen
Umstand erlangen wird, hängt somit von den Umständen des Einzelfalls
ab, etwa davon, ob und in welchem Umfang der Käufer eine Due Diligence
durchführt (aa), wie der Datenraum und der Zugriff hierauf strukturiert und organisiert
sind und welche Vereinbarungen hierzu getroffen wurden (bb) sowie welcher
Art die Information ist, um deren Offenbarung es geht, und die Unterlage, in
der sie enthalten ist (cc).
(aa) Im Ausgangspunkt kann der Verkäufer einer Immobilie, der einen Datenraum
eingerichtet hat, von dem Käufer, der eine Due Diligence durchführt,
eher erwarten, dass er die zur Verfügung gestellten bzw. dem Zugriff eröffneten
Unterlagen vollständig durchsehen und deren jeweilige Bedeutung für seine
Kaufentscheidung überprüfen wird, als von einem Käufer, der keine Due Diligence
durchführt. Dies gilt insbesondere, wenn der Käufer bei der Durchführung
der Due Diligence von Experten unterstützt und beraten wird.
Der Verkäufer kann allerdings nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass
eine Due Diligence durchgeführt wird. Denn auch wenn der Käufer für sein
rechtsgeschäftliches Handeln selbst verantwortlich ist und sich deshalb die für
die eigene Willensentscheidung notwendigen Informationen auf eigene Kosten
und eigenes Risiko selbst beschaffen muss (siehe oben Rn. 24), trifft ihn von
Gesetzes wegen keine Pflicht oder Obliegenheit, vor dem Kauf einer Immobilie
eine Due Diligence durchzuführen, geschweige denn zu einer solchen Prüfung
Experten hinzuziehen (vgl. z.B. Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis,
9. Aufl., Rn. 3183 f.; Andreas/Beisel in Beisel/Andreas, Beck‘sches Mandats
Handbuch Due Diligence, 3. Aufl., § 2 Rn. 55, 57; Balensiefen/Bönker/
Geiger/Schaller, Rechtshandbuch für die Immobilienpraxis, 2009, 9.2.4; Tigges,
FB 2005, 95, 98; Fleischer/Körber,
beim beiderseitigen Handelskauf nach
nach Ablieferung der Sache; zudem findet die Vorschrift auf Grundstücksgeschäfte
keine Anwendung (vgl. BeckOGK/Höpfner, HGB [15.3.2023], § 377
Rn. 6). Eine Obliegenheit des Käufers zur Durchführung einer Due Diligence
könnte sich daher - wenn hierzu keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen
wurde - allenfalls aus einem Handelsbrauch (§ 346 HGB) oder einer Verkehrssitte
(vgl. hierzu Senat, Urteil vom 11. Mai 2001 - V ZR 492/99,
2465) ergeben (das Bestehen einer solcher Verkehrssitte bejahen etwa Disput/
Hübner/Schmitt,
Bönker/Geiger/Schaller, Rechtshandbuch für die Immobilienpraxis, 2009, 9.2.4).
Ob eine Verkehrssitte besteht, ist allerdings keine Rechts-, sondern eine Tatfrage
(vgl. Senat, Beschluss vom 19. Januar 2012 - V ZR 141/11,
Rn. 9 mwN).
Führt der Käufer eine Due Diligence durch, was der Verkäufer nach allgemeinen
Grundsätzen darzulegen und ggf. zu beweisen hat, ist neben etwaigen
vertraglichen Vereinbarungen von Käufer und Verkäufer zum Ablauf der Due Diligence
zu berücksichtigen, wie viele Personen mit welcher Qualifikation die Prüfung
nach Kenntnis des Verkäufers durchführen, insbesondere ob der Käufer
nach dem Kenntnisstand des Verkäufers Berater mit Sachkunde in dem Fachbereich
hinzugezogen hat, aus dem die Information stammt.
(bb) Weiter sind, gleich ob eine Due Diligence durchgeführt wird, die tatsächlichen
Umstände der Einrichtung und Nutzung des Datenraums zu berücksichtigen
(vgl. hierzu etwa Balensiefen/Bönker/Geiger/Schaller, Rechtshandbuch
für die Immobilienpraxis, 2009, 9.5). Es kommt etwa auf den Umfang der dort
eingestellten Informationen an, sowie darauf, ob diese zutreffend benannt und
systematisch geordnet sind, ob es ein Inhaltsverzeichnis oder eine Suchfunktion
gibt, ob der Käufer auf nachträglich eingestellte Informationen gesondert hingewiesen
wird, welches Zeitfenster ihm für die Überprüfung der Informationen zur
Verfügung steht, und ob der Käufer die Information gesondert angefordert bzw.
zum Ausdruck gebracht hat, dass es für ihn auf einen Umstand besonders ankommt.
Für die berechtigte Erwartung des Verkäufers, dass der Käufer eine Information
selbst auffinden wird, wenn sie für ihn von Interesse ist, spielt zudem
dessen - dem Verkäufer bekannte - Geschäftsgewandtheit eine Rolle.
(cc) Von besonderer Bedeutung ist schließlich der Umstand selbst, um
dessen Aufklärungsbedürftigkeit es geht. Handelt es sich etwa um einen Umstand,
der - für den Verkäufer erkennbar - für den Käufer von ganz erheblicher
Bedeutung ist, etwa weil er den Vertragszweck vereiteln oder dem Käufer ganz
erheblichen wirtschaftlichen Schaden zufügen kann, und ist der Umstand aus
den bereitgestellten Daten nicht ohne Weiteres erkennbar, dem Verkäufer aber
bekannt und unschwer zu offenbaren, dann kann der Käufer regelmäßig einen
gesonderten Hinweis erwarten. Der Verkäufer darf in diesem Fall nicht sehenden
Auges abwarten, ob der Käufer die nur schwer erkennbare Information aus den
bereitgestellten Daten ermittelt, sondern muss diese trotz Due Diligence kommunizieren
(zutreffend BeckOGK/Herresthal, BGB [15.5.2023], § 311 Rn. 427). Ob
der Umstand aus den bereitgestellten Daten ohne Weiteres erkennbar ist, kann
auch davon abhängen, in welcher (Art von) Unterlage und an welcher Stelle innerhalb
der Unterlage die Information vorhanden ist, namentlich ob es sich um
ein Dokument handelt, das ein Käufer vor dem Erwerb einer Immobilie im Regelfall
auch ohne - oder im Rahmen der dem Verkäufer kommunizierten - besondere
Interessen an Einzelaspekten des Objekts durchsehen wird. Dies kann wiederum
davon abhängen, wie geschäftsgewandt der Käufer ist und ob er von sachkundigen
Personen beraten wird.
(d) Vorliegend hat die Verkäuferin auf der Grundlage der Feststellungen
des Berufungsgerichts ihre Aufklärungspflicht hinsichtlich des Kostenumfangs
der anstehenden baulichen Maßnahmen nicht dadurch erfüllt, dass sie das Protokoll
der Eigentümerversammlung vom 1. November 2016 am 22. März 2019 in
den Datenraum eingestellt hat, ohne - wie für das Revisionsverfahren zu unterstellen
ist - die Klägerin hierüber in Kenntnis zu setzen. Die Verkäuferin konnte
nicht die berechtigte Erwartung haben, dass die Klägerin die in dem Protokoll
enthaltenen Informationen noch vor Vertragsschluss zur Kenntnis nimmt.
(aa) Die Klägerin hatte ohne gesonderten Hinweis auf das neu eingestellte
Dokument keinen Anlass, in dem Zeitfenster zwischen dem Einstellen des Protokolls
am Freitag, den 22. März 2019, und dem Notartermin am Montag, den
25. März 2019, um 10 Uhr noch einmal Einsicht in den Datenraum zu nehmen.
Auch wenn keine Frist für das Einstellen von Dokumenten in den Datenraum vereinbart
war, musste die Klägerin am letzten Arbeitstag vor dem Notartermin nicht
mehr mit neu eingestellten Dokumenten rechnen. Mangels abweichender Feststellungen
des Berufungsgerichts ist für das Revisionsverfahren zu unterstellen,
dass die Klägerin den Datenraum nach Einstellen des Protokolls am
22. März 2019 nicht mehr eingesehen hat.
(bb) Anders als das Berufungsgericht meint, steht dem auch die Erklärung
der Parteien in § 4 Nr. 8 des Kaufvertrags, wonach der Käufer die Protokolle der
Eigentümerversammlungen der letzten drei Jahre erhalten hat und deren Inhalt
kennt, nicht entgegen. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, dass der Klägerin
ein „Hinweis“ darauf „zugetragen“ worden sei, dass am 1. November 2016 eine
Eigentümerversammlung stattgefunden hat, weil diese Versammlung unter
TOP 3 des dem Verkaufsexposé beigefügten Protokolls der Versammlung vom
1. August 2017 erwähnt wird. Eine Feststellung dazu, ob die Klägerin diesen
„Hinweis“ zur Kenntnis genommen hat, trifft das Berufungsgericht nicht. Damit ist
zugunsten der Klägerin für das Revisionsverfahren zu unterstellen, dass sie bei
Vertragsschluss keine Kenntnis der Versammlung vom 1. November 2016 hatte.
Dann durfte sie davon ausgehen, dass eine solche Versammlung nicht stattgefunden
hat, denn in § 4 Nr. 8 des Kaufvertrags erklärt die Verkäuferin ohne
Nennung konkreter Daten der Versammlungen, dass die Klägerin die - d.h. sämtliche
- Protokolle der Eigentümerversammlungen der letzten drei Jahre erhalten
hat. Die Klägerin konnte daher davon ausgehen, dass ihr sämtliche Protokolle
der letzten drei Jahre vorliegen. Zudem würde die Erklärung, selbst wenn die
Klägerin ausdrücklich den Erhalt des Protokolls der Eigentümerversammlung
vom 1. November 2016 bestätigt hätte, nicht - wie das Berufungsgericht offenbar
meint - zu einer unwiderleglichen Vermutung, sondern allenfalls zu einer Beweislastumkehr
hinsichtlich der Übergabe des Protokolls führen.
(cc) Eine Aufklärungspflichtverletzung der Verkäuferin lässt sich auch
nicht mit dem Argument des Berufungsgerichts verneinen, die Klägerin habe dem
in dem Protokoll vom 1. August 2017 enthaltenen Hinweis auf die Eigentümerversammlung
vom 1. November 2016 selbst nachgehen müssen.
Richtig daran ist, dass auch ein durchschnittlicher Käufer einer Wohnungsoder
Teileigentumseinheit, der keine besonderen Kenntnisse auf dem Gebiet des
Immobilienerwerbs hat, sich üblicherweise von dem Verkäufer zumindest die
Protokolle der Eigentümerversammlungen der letzten drei Jahre vorlegen lassen
und diese darauf durchsehen wird, ob sich hieraus Anhaltspunkte für anstehende
umfangreichere Instandhaltungs- oder Sanierungsmaßnahmen ergeben. Es
kommt daher durchaus in Betracht, dass die Klägerin die Obliegenheit traf, das
dem Verkaufsexposé beigefügte Protokoll der Versammlung vom 1. August 2017
vollständig zu lesen und sich aufgrund des dort enthaltenen Hinweises auf die
Versammlung vom 1. November 2016 von der Verkäuferin auch das Protokoll
dieser Versammlung vorlegen zu lassen.
Ein etwaiger Verstoß der Klägerin gegen eine sie insoweit möglicherweise
treffende Erkundigungsobliegenheit wirkt sich aber nicht unmittelbar auf die Aufklärungspflicht
der Verkäuferin aus, sondern könnte allenfalls die Annahme eines
Mitverschuldens der Klägerin für die Entstehung des Schadens im Rahmen der
Haftung der Verkäuferin nach § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2 BGB
begründen. Die Aufklärungspflicht der Verkäuferin wäre hingegen nur dann erfüllt,
wenn diese aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben
konnte, dass die Klägerin durch Einsichtnahme in den Datenraum Kenntnis von
dem offenbarungspflichtigen Umstand erlangen wird (siehe oben Rn. 33). Das ist
aber ausgeschlossen, weil das Protokoll der Versammlung vom 1. Novem-
ber 2016, aus dem die aufklärungsbedürftige Information hervorgeht, der Klägerin
in einer Weise zur Verfügung gestellt wurde, dass mit einer Kenntnisnahme
von vornherein nicht (mehr) zu rechnen war.
(dd) Ebenso wenig ist die Aufklärungspflicht der Verkäuferin deshalb als
erfüllt anzusehen, weil die Klägerin bei Durchsicht aller ihr zugänglichen Unterlagen
Anhaltspunkte für eine anstehende Ertüchtigung der Fassade und Umgestaltung
des Gebäudekomplexes auf zwei Ebenen hätte haben können. Denn die
Klägerin hatte ihrem Vortrag zufolge konkret nach der auf sie wegen anstehender
baulicher Maßnahmen möglicherweise zukommenden Kostenlast gefragt und
von der Verkäuferin eine zumindest unvollständige Antwort erhalten. Ob die Klägerin
eine Obliegenheit zu weiteren Nachfragen hinsichtlich bevorstehender Kosten
getroffen hätte, wenn sie besonders geschäftsgewandt und sachkundig auf
dem Gebiet des Immobilienerwerbs wäre oder wenn sie eine umfangreiche Due
Diligence unter Hinzuziehung qualifizierter Berater durchgeführt hätte, kann dahinstehen,
weil auch hierzu keine Feststellungen getroffen wurden. Zudem
könnte - wie bereits ausgeführt - selbst die Annahme einer solchen Obliegenheit
allenfalls zu einem Mitverschulden der Klägerin führen, nicht aber dazu, dass die
Aufklärungspflicht der Verkäuferin als erfüllt anzusehen wäre.
2. Aus den vorstehenden Erwägungen kann auch der Antrag auf Zahlung
von 184.551,82 € nicht als unbegründet angesehen werden. Neben einem Anspruch
aus § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2 BGB kommt insoweit
- in Bezug auf einen Teilbetrag von 25.000 €, der auf die restliche Kaufpreiszahlung
entfällt - auch ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 BGB in Betracht. Mit der von
dem Berufungsgericht gegebenen Begründung kann, wie sich aus den obigen
Ausführungen ergibt, weder eine Aufklärungspflichtverletzung noch eine arglistige
Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 BGB verneint werden.
3. Dementsprechend können mit der von dem Berufungsgericht gegebenen
Begründung auch die Anträge auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftige
Schäden und Feststellung des Annahmeverzugs der Verkäuferin nicht als unbegründet
angesehen werden.
II. Soweit die Berufung gegen die Abweisung der Klage gegen den Beklagten
zu 2 zurückgewiesen worden ist, ist die Revision ebenfalls ganz überwiegend
begründet.
1. Das Berufungsgericht verneint allerdings im Ergebnis zu Recht die Begründetheit
des Antrags auf Feststellung des Annahmeverzugs des Beklagten
zu 2. Der Beklagte zu 2 kann sich nicht gemäß §§ 293 ff. BGB mit der Annahme
der Übereignung der Gewerbeeinheiten und der Abtretung der Rückgewähransprüche
bezüglich der eingetragenen Grundschulden im Verzug befinden, da er
nicht Gläubiger dieser Leistungen ist. Partei des Kaufvertrags war nur die Verkäuferin.
2. Den übrigen Anträgen - Befreiung von den Darlehensverbindlichkeiten,
Zahlung von 184.551,82 € und Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden
- kann der Erfolg nicht mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung
versagt werden.
a) Das Berufungsgericht nimmt zwar zu Recht und von der Revision unbeanstandet
an, dass sich die Klägerin insoweit nicht auf einen Schadensersatzanspruch
aus § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 3, § 241 Abs. 2 BGB stützen kann. Denn
der Beklagte zu 2 hat selbst nach dem für das Revisionsverfahren zu unterstellenden
Vortrag der Klägerin nicht in besonderem Maße persönliches Vertrauen
in Anspruch genommen (vgl. hierzu etwa BGH, Urteil vom 13. Januar 2022
- III ZR 210/20,
Geschäftsführer der ehemaligen Verwalterin der GdWE erlangten Kenntnisse
von den Beschlüssen der Wohnungs- und Teileigentümer können eine über das
gewöhnliche Verhandlungsvertrauen hinausgehende Vertrauensbeziehung nicht
begründen.
b) Das Berufungsgericht verneint jedoch rechtsfehlerhaft deliktische Schadensersatzansprüche
aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m.
§ 826 BGB. Wie bereits ausgeführt kann eine Aufklärungspflichtverletzung mit
der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht verneint werden.
Für das Revisionsverfahren ist zu unterstellen, dass der Beklagte zu 2 auf die
Nachfrage der Klägerin die behauptete (unvollständige) Antwort gegeben hat
(vgl. Rn. 19).
C.
I. Das Berufungsurteil kann daher in dem dargelegten Umfang keinen Bestand
haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Dies umfasst auch die Entscheidung
über den Hilfsantrag, dem mit der Aufhebung der Entscheidung über
den Hauptantrag nunmehr die verfahrensrechtliche Grundlage fehlt. Im Übrigen
ist die Revision zurückzuweisen.
II. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil im Hinblick
auf den Datenraum noch weitere Feststellungen zu dem Inhalt der Vereinbarungen
und den tatsächlichen Umständen der Einrichtung und Nutzung zu treffen
sind (
ankam, wird es den Beklagten ggf. Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vortrags
geben müssen. Mangels Entscheidungsreife ist die Sache daher insoweit zur
neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen
(§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
III. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf Folgendes
hin:
1. Das Berufungsgericht wird dem von den Beklagten mit der Gegenrüge
aufgezeigten Vortrag nachzugehen haben, der Klägerin sei das Protokoll der
Eigentümerversammlung vom 1. November 2016 schon vor dem Einstellen in
den Datenraum gesondert übersandt worden. Sollte dies der Fall sein, hängt es
von den Umständen des Einzelfalls ab, ob hierin die Erfüllung der Aufklärungspflicht
bezüglich des Kostenaufwandes für die anstehenden Sanierungsmaßnahmen
zu sehen ist. Grundsätzlich wäre von einer Erfüllung der Aufklärungspflicht
der Verkäuferin auszugehen, wenn der Klägerin das Protokoll gesondert übersandt
worden sein sollte. Anders kann es aber liegen, wenn das Protokoll ohne
Hinweis auf seine besondere Bedeutung zusammen mit sämtlichen Protokollen
seit dem Jahr 2007 übersandt worden sein sollte. Dann wäre es eine Frage der
Gesamtumstände, etwa der für die Durchsicht aller Unterlagen zur Verfügung
stehenden Zeit, der Sachkunde der Klägerin bzw. ihrer Berater usw., ob die Verkäuferin
mit einer Kenntnisnahme durch die Klägerin rechnen konnte. Hierbei
wäre allerdings davon auszugehen, dass Zeitknappheit allein eine an sich berechtigte
Erwartung des Verkäufers, der Käufer werde die Information zur Kenntnis
nehmen, nicht beseitigt. Ist der Käufer der Ansicht, für die - sorgfältige - Durchsicht
übergebener bzw. in den Datenraum eingestellter Unterlagen mehr Zeit zu
benötigen, ist es - vorbehaltlich etwaiger hierzu getroffener Vereinbarungen -
grundsätzlich an ihm, den Verkäufer hierauf hinzuweisen und ggf. um eine Verlängerung
der Prüfungsfristen und um eine Verlegung des Notartermins zu bitten.
2. Sollte die Aufklärungspflicht nicht erfüllt worden sein, wäre die Ursächlichkeit
der Pflichtverletzung für den Vertragsschluss zugunsten der Klägerin zu
vermuten und - anders als das Berufungsgericht meint - die Verkäuferin darlegungs-
und beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem
Verhalten eingetreten wäre (vgl. Senat, Urteil vom 15. Juli 2016 - V ZR 168/15,
eingegangenen Darlehensvertrags wären Teil des zu ersetzenden Vertrauensschadens
(vgl. Senat, Urteil vom 6. April 2001 - V ZR 402/99, NJW 2001,
2021, 2022).
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:15.09.2023
Aktenzeichen:V ZR 77/22
Rechtsgebiete:
Allgemeines Schuldrecht
Kaufvertrag
Beurkundungserfordernis
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
NJW 2023, 3423-3430
ZWE 2024, 21-28
BGB §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1