Auslegung des Begriffs „Bargeld“ in einem Testament
letzte Aktualisierung: 21.4.2022
OLG München, Beschl. v. 5.4.2022 – 33 U 1473/21
BGB §§ 133, 2084, 2174
Auslegung des Begriffs „Bargeld“ in einem Testament
1. Zur Auslegung des Begriffes „vorhandenes Bargeld“ in einem privatschriftlichen Testament.
2. Wendet der Erblasser im Wege des Vermächtnisses mehreren Vermächtnisnehmern das bei
seinem Tode „vorhandene Bargeld“ zu, ist eine Auslegung, wonach dieses Bargeld auch „leicht
verfügbare Bankguthaben“ erfasst (OLG Karlsruhe
3. Es gibt keine Regel, nach der unter dem Begriff „Bargeld“ zwangsläufig auch das auf Bankkonten
liegende Geld umfasst wird.
4. Umstände, die im Rahmen der Testamentsauslegung herangezogen werden sollen, müssen
entweder unstreitig oder zuvor vom Gericht festgestellt worden sein.
Gründe
I.
Die Parteien streiten vorliegend über Ansprüche nach dem Tod der Erblasserin B. Ho. am 25.8.2017. Die
Beklagten haben die Erblasserin aufgrund Testaments vom 24.3.2015 gemeinschaftlich beerbt.
In diesem Testament ordnete die Erblasserin u. a. zugunsten des Klägers zwei Vermächtnisse an:
„…
5. Mein Haus in der F.straße 19 erhält mein Patenkind, D. K. mit der Auflage Frau M. He. solange sie will,
darin wohnen zu lassen.“
…
12. Mein vorhandenes Bargeld wird in 19 Teile aufgeteilt. Es erhalten:
1. Teil D. K.
…“
Das in Ziffer 5 genannte Grundstück wurde am 12.07.2017 aufgrund notariellen Schenkungsvertrages und
Auflassung des Notariats E. in M. an die Enkelin der Erblasserin aufgelassen. Dabei handelte die Erblasserin
nicht selbst, vielmehr wurde sie von der Beklagten zu 1 vertreten. Diese handelte aufgrund einer notariellen
Vorsorgevollmacht vom 17.12.2012. Für den maßgeblichen Inhalt der Vorsorgevollmacht wird auf den
Tatbestand des angefochtenen Urteils, S. 3, Bezug genommen.
Die Enkelin der Erblasserin, A. B., die bei der notariellen Beurkundung ebenfalls von der Beklagten zu 1
vertreten wurde, ist zwischenzeitlich als Eigentümerin für den streitgegenständlichen Grundbesitz in der
F.straße 19 in M. eingetragen (Anlage K 8).
Der Kläger ist der Ansicht, er sei im Hinblick auf das durch die Erblasserin angeordnete Vermächtnis
anspruchsberechtigt. Die Beklagten vereitelten rechtswidrig die Vermächtniserfüllung. Die der Übereignung
zugrunde liegende Schenkung sei angesichts des nahenden Todes der Erblasserin erfolgt. Diese sei am
12.07.2017 außer Stande gewesen, ihren rechtsgeschäftlichen Willen zu äußern. Die Vorsorgevollmacht vom
17.12.2012 sei missbraucht worden, insbesondere seien die Bedingungen für die Vorsorgevollmacht nicht
eingetreten gewesen. Im Übrigen sei die Erblasserin nicht in der Lage gewesen, den Inhalt des Dokuments
vom 12.07.2017, mit dem sie die Anweisung zur Schenkung der Immobilie gegeben hatte, kognitiv zu
erfassen. Da infolgedessen auch die Übereignung nichtig sei, könne der Kläger die Beklagten auf
Vermächtniserfüllung in Anspruch nehmen.
Darüber hinaus ist der Kläger der Ansicht, dass auch ein deutlich höherer Zahlungsanspruch als vom
Landgericht angenommen bestehe. Denn unter dem von ihr verwendeten Begriff „Bargeld“ habe die
Erblasserin ihr gesamtes Geldvermögen verstanden, insbesondere auch private Bankkonten, Scheine und
Münzen und auch das Buchgeld, nicht jedoch nur das im Zeitpunkt ihres Ablebens vorhandene physische
Bargeld (Scheine und Münzen).
Das Landgericht hat die Klage fast vollständig nach Durchführung einer Beweisaufnahme abgewiesen. Es
sah die Immobilienübertragung aufgrund Vertrages vom 12.07.2017 als wirksam an, so dass insoweit kein
Vermächtnisanspruch für den Kläger bestünde.
Im Hinblick auf das vermächtnisweise zugewendete Bargeld war das Landgericht der Ansicht, dass die
Testamentsauslegung ergäbe, dass es sich bei dem zugewendeten Bargeld tatsächlich nur um das im
Zeitpunkt des Ablebens der Erblasserin vorhandene physische Barvermögen handelte. Der insoweit
bestehende Auskunftsanspruch sei durch Erfüllung erloschen.
Im Übrigen nimmt der Senat hinsichtlich des Sach- und Streitstandes auf die tatsächlichen Feststellungen im
Endurteil des Landgerichts München I vom 23.2.2021 Bezug,
Ergänzungen haben sich im zweiten Rechtszug nicht ergeben.
Gegen die beinahe vollständige Klageabweisung richtet sich die Berufung des Klägers, der in der
Berufungsinstanz beantragt (Bl. 223/224 d. A.):
Unter entsprechender Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 23. Februar 2021 (Az. 3 O
3962/19) werden
1. die Beklagten verurteilt, an den Kläger den Grundbesitz, bestehend aus
a. 1/3 Miteigentumsanteil am Anwesen F.str. 19, vorgetragen im Grundbuch von N. beim Amtsgericht
München, Band …61, Blatt …74, lfd. Nr. 1, Flurstück …27/79, verbunden mit dem Sondereigentum an
Wohnung samt vier Kellerräumen und Garage Nr. 1 lt. Aufteilungsplan, lediglich belastet in Abteilung II mit
Benützungsrecht für die Stadt M., Reallast - Straßenunterhaltungs- und Beleuchtungsverpflichtung - für die
Stadt M. und Bau- und Gewerbebetriebs- und Benützungsbeschränkung für den jeweiligen Eigentümer von
Flurstück …98a, und
b. 1/3 Miteigentumsanteil am Anwesen F.str. 19, vorgetragen im Grundbuch von N. beim Amtsgericht M.,
Band …61, Blatt …75, lfd. Nr. 1, Flurstück …27/79, verbunden mit dem Sondereigentum an Wohnung, Keller
Nr. 2 lt. Aufteilungsplan lediglich belastet in Abteilung II, mit Benützungsrecht für die Stadt M., mit Reallast -
Straßenunterhaltungs- und Beleuchtungsverpflichtung - für die Stadt M. und Bau- und Gewerbebetriebs- und
Benützungsbeschränkung für den jeweiligen Eigentümer von Flurstück …98a und
Warmwasserboilernutzungsrecht für den jeweiligen Inhaber des Wohneigentums Nr. 1, und
c. 1/3 Miteigentumsanteil am Anwesen F.str. 19. vorgetragen im Grundbuch von N. beim Amtsgericht
München, Band …61, Blatt …76, lfd. Nr. 1, Flurstück …27/79, verbunden mit dem Sondereigentum an
Wohnung, Speicher Nr. 3 lt. Aufteilungsplan, lediglich belastet in Abteilung II mit Benützungsrecht für die
Stadt M., Reallast - Straßenunterhaltungs- und Beleuchtungsverpflichtung - für die Stadt M. und Bau- und
Gewerbebetriebs- und Benützungsbeschränkung für den jeweiligen Eigentümer von Flurstück …98a, mit
Ausnahme der vorgenannten Lasten lastenfrei aufzulassen, die Eintragung des Eigentumsübergangs auf
den Kläger zu bewilligen und herauszugeben;
2. die Beklagten im Wege der Stufenklage verurteilt,
a. Auskunft über (i) den Bestand des Bargelds (verkörpertes Geld, d.h. Banknoten/Geldscheine und
Geldmünzen sowie des Buchgelds, d.h. Forderungen gegenüber einer Bank auf Geldauszahlung) und (ii) die
Höhe der Verfügungen über dieses zu Lebzeiten, insbesondere durch Banküberweisungen, unter
Ausnutzung der zu Urkunde des Notars Dr. V., M., vom 17. Dezember 2017 (UR-Nr. …39 V / 2012) erklärten
Vorsorgevollmacht der am 25.08.2017 verstorbenen Frau B. Ho. zum Todeszeitpunkt durch Vorlage eines
Verzeichnisses zu erteilen;
b. für den Fall, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt errichtet worden sein sollte, zu
Protokoll an Eides statt zu versichern, dass die Beklagten in dem Verzeichnis den Bestand des Bargelds so
vollständig und richtig angeben, als sie dazu in der Lage sind;
c. nach Auskunftserteilung an den Kläger den Anteil hieraus von 1/19 des sich nach dem Klageantrag lit. a.
ergebenden Bestands an Bargeld (nebst aller lebzeitigen Verfügungen hierüber, insbesondere unter
Ausnutzung der Vorsorgevollmacht), höchstens jedoch EUR 1.000.000,00 nebst 5% Zinsen hieraus über
dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.
Die Beklagten beantragen (Bl. 255/279 d. A.),
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Hinweisbeschluss des Senats vom 26.10.2021, auf den Bezug genommen wird, wurde der Kläger darauf
hingewiesen, dass und warum der Senat beabsichtigt, seine Berufung gemäß
unbegründet zurückzuweisen.
Hierzu hat der Kläger am 26.11.2021 sowie am 27.1.2022 ergänzend vorgetragen (Bl. 308/329 d. A. sowie
Bl. 341/345 d. A.), die Beklagten haben am 10.1.2022 Stellung genommen (Bl. 331/339 d. A.). Ergänzend
wird auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren Bezug genommen.
II.
Die Berufung des Klägers ist gemäß
da der Senat einstimmig davon überzeugt ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats nicht erfordern und eine mündliche
Verhandlung nicht geboten ist.
Der Senat hält das Urteil des Landgerichts für offensichtlich zutreffend. Er nimmt auf das angefochtene Urteil
Bezug. Bezug genommen wird ferner auf die Hinweise des Senats vom 26.10.2021, wonach er die Berufung
im Sinne von
(Schriftsätze vom 26.11.2021 und vom 27.1.2022, Blatt 308/329 bzw. 341/345 d. A.) rechtfertigt keine davon
abweichende Entscheidung.
Ergänzend gilt folgendes:
A. Zum Anspruch auf Übereignung der Immobilie
Der Kläger begehrt im vorliegenden Rechtsstreit die Übereignung des streitgegenständlichen, im Antrag
genannten Grundstücks. Diese Klage kann insoweit ausschließlich dann Erfolg haben, wenn die Beklagten
(noch) Eigentümerinnen des Grundstücks wären (da ein Verschaffungsvermächtnis im Sinne des § 2170
BGB zweifelsfrei nicht vorliegt, siehe dazu unten unter 3.), denn die Übereignung eines Grundstücks setzt
voraus, dass die diesbezügliche Einigung (Auflassung) vom Berechtigten abgegeben wird, § 873 Abs. 1
BGB. Nachdem durch das Erstgericht für den Senat bindend festgestellt ist (
Berufung auch nicht angegriffen wurde, dass im Grundbuch als Eigentümerin die nicht am Rechtsstreit
beteiligte Alicia Bleicher (die Enkelin der Erblasserin) eingetragen ist, könnten die Beklagten Erklärungen als
Berechtigte im Sinne des
die Enkelin unwirksam wäre und sich dieses noch im Vermögen der Beklagten befände.
Dies vorangestellt, gilt folgendes: Die Übereignung der streitgegenständlichen Immobilie an die Enkelin der
Erblasserin ist wirksam, so dass der Kläger insoweit keinen Anspruch gegenüber den Klägerinnen hat.
Die Erblasserin, vertreten durch die Beklagte zu 1, übereignete die Immobilie an ihre Enkelin. Die Beklagte
zu 1 handelte dabei im Rahmen der ihr erteilten Vollmacht vom 17.12.2012 und zudem aufgrund einer
wirksamen Weisung der Erblasserin vom 12.7.2017 und damit mit Vertretungsmacht.
1. Handeln aufgrund der Vollmacht vom 17.12.2012
Die Beklagte zu 1 konnte das Schenkungsversprechen und die Auflassung der streitgegenständlichen
Immobilie im Rahmen der erteilten Vollmacht vom 17.12.2012 erklären. Die dagegen vorgebrachten
Einwände greifen nicht durch.
a) Widersprüchlicher Klägervortrag
Soweit der Kläger ausführt, die Voraussetzungen für den Gebrauch der Vollmacht vom 17.12.2012 hätten am
12.7.2017 nicht vorgelegen, da die Erblasserin geschäftsfähig gewesen sei (Schriftsatz vom 26.11.2021, S.
8, Bl. 315 d. A.), verhilft dies der Berufung nicht zum Erfolg. Dabei kann hier dahinstehen, dass sich der
Kläger mit dem Vortrag, wonach die Geschäftsfähigkeit der Erblasserin am 12.7.2017 unstreitig sei, in
Widerspruch zu seinem Vortrag im Schriftsatz vom 26.11.2021 (dort S. 13, Bl. 320 d. A.) setzt, in dem es
heißt „… die Erblasserin [sei] infolge ihrer Augenerkrankung nicht in der Lage gewesen, den vermeintlich von
ihr unterschriebenen Text selbst lesen zu können.“ Träfe dies zu, ließe sich daraus durchaus der Schluss
ziehen, dass die Voraussetzungen der Vollmacht vom 17.12.2012 vorlagen, denn dort heißt es u.a.: „… für
den Fall, dass ich künftig aufgrund … einer körperlichen … Behinderung nicht mehr in der Lage sein sollte,
meine vermögensrechtlichen Angelegenheiten selbst zu besorgen“, worunter jedenfalls die Unfähigkeit,
Geschriebenes überhaupt noch lesen zu können, subsumiert werden könnte. Schriftlich hätte die Erblasserin
ihren Willen dann jedenfalls nicht mehr äußern können.
b) Unerheblichkeit von Beschränkungen im Innenverhältnis
Letztlich kann dahinstehen, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für den Gebrauch der Vollmacht vom
17.12.2012 vorlagen, da die Erblasserin in der Vollmachtsurkunde ausdrücklich angeordnet hatte, dass
etwaige Beschränkungen, wozu namentlich die Voraussetzungen für ein Tätigwerden der Bevollmächtigten,
aber auch die Art der vorzunehmenden Geschäfte gehören würden, ausschließlich im Innenverhältnis gelten,
das Handeln des Bevollmächtigten im Außenverhältnis aber wirksam sein solle. Das folgt insbesondere auch
aus dem Hinweis auf eine mögliche Schadenersatzpflicht des Bevollmächtigten, denn
Schadensersatzansprüche im Innenverhältnis setzen ein im Außenverhältnis wirksames Rechtsgeschäft
voraus.
Die Vollmacht ist also nach Ansicht des Senats dahin auszulegen (
Außenverhältnis jedwedes Vertreterhandeln als wirksam ansehen wollte und Beschränkungen nur im
Innenverhältnis wirksam sein und ggf. Sekundäransprüche auslösen sollten. Dass sie die Vollmacht insoweit
unter eine echte Bedingung stellen wollte (
wenn die in der Urkunde genannten körperlichen oder geistigen Gebrechen auftreten, lässt sich aus dem
Wortlaut der Vollmacht nicht entnehmen; dagegen spricht insbesondere der Hinweis, wonach mittels der
Vollmacht jederzeit Rechtsgeschäfte vorgenommen werden können, so dass jedenfalls im Wege der
Auslegung von einer unbedingten Vollmacht auszugehen ist, aufgrund derer die Beklagte zu 1 die
Erblasserin bei der streitgegenständlichen Übereignung wirksam vertreten konnte.
Etwas anderes folgt auch nicht aus der vom Kläger zitierten Entscheidung des BGH vom 9.5.2018 (NJW-RR
2018, 1025). In der Entscheidung ging es im Kern gerade um die Frage, ob bei erteilter Vollmacht ein
Kontrollbetreuer zu bestellen ist, weil die vom Vertreter vorgenommenen Rechtsgeschäfte im
Außenverhältnis grundsätzlich wirksam sind.
c) Kein Missbrauch der Vertretungsmacht
Die Übereignung des streitgegenständlichen Grundstücks ist auch nicht nach den Regeln über den
Missbrauch der Vertretungsmacht unwirksam.
Insoweit legt der Senat seiner Entscheidung folgende allgemeinen Rechtssätze zugrunde:
- Ein Missbrauch der Vertretungsmacht liegt vor, wenn der Vertreter die ihm nach außen verliehene
Vertretungsmacht unter Verletzung von Beschränkungen des Innenverhältnisses gebraucht, wobei Vorsatz
unnötig ist (BGH
grundsätzlich der Vertretene (MüKoBGB/Schubert 9. Auflage <2021> § 164 Rn. 225).
- Die Missachtung von Regeln und Weisungen, die sich aus dem Innenverhältnis des Vertreters zum
Vertretenen ergeben, wirkt sich erst dann im Außenverhältnis aus, wenn die Grenzen des rechtlich
Tragbaren überschritten werden (BGH
einem Vollmachtsmissbrauch im Rechtssinne, der sich auf die Wirksamkeit des vom Vertreter geschlossenen
Rechtsgeschäfts auswirkt (BGH a.a.O., Staudinger/Schilken BGB, Neubearbeitung 2019, § 167 Rn. 91, 99).
- Wenn der die im Innenverhältnis geltende Beschränkung seiner Vertretungsmacht überschreitende
Vertreter zugleich den Geschäftsgegner vertritt, gelten für den Missbrauch der Vertretungsmacht besondere
Regeln. Die Unwirksamkeit eines Insichgeschäfts gemäß
Missbrauchs der Vertretungsmacht setzt voraus, dass es für den Vertretenen nachteilig ist (BGH NZG 2021,
239 Rn. 10, beck-online).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze lassen sich die Voraussetzungen einer Kollusion im Hinblick auf
die Übereignung des streitgegenständlichen Grundstücks durch die Beklagte zu 1 als Vertreterin zugleich für
die Erblasserin und ihre Tochter nicht feststellen.
aa) Kein Handeln zum Nachteil des Vertretenen
Nach den vom Kläger vorgetragenen Einschränkungen im Hinblick auf den Gesundheitszustand der
Erblasserin am 12.7.2017 ist jedenfalls nicht erkennbar, dass die Beklagte zu 1 ihre Vertretungsmacht
missbraucht hätte. Legt man den Vortrag des Klägers im Hinblick auf die körperlichen Einschränkungen der
Erblasserin zugrunde, durfte die Beklagte zu 1 am 12.7.2017 davon ausgehen, dass die Voraussetzungen
der Vollmacht vom 17.12.2012 vorlagen. Lagen bei der Erblasserin hingegen keine maßgeblichen
körperlichen Einschränkungen vor, belegt die - wie nachstehend ausgeführt wirksame - Weisung vom
12.7.2017, dass nicht zum Nachteil der Erblasserin gehandelt wurde.
bb) Wirksame Weisung der Erblasserin vom 12.7.2017
Die Beklagte zu 1 hat das fragliche Rechtsgeschäft aufgrund einer wirksamen Weisung der Erblasserin
durchgeführt, so dass das Rechtsgeschäft jedenfalls aus diesem Grunde nicht unter die Regeln über den
Missbrauch der Vertretungsmacht/Kollision fällt.
Die seitens der Erblasserin am 12.7.2017 erteilte schriftliche Weisung an die Beklagte zu 1 zur Übereignung
der streitgegenständlichen Immobilie ist wirksam.
(1) Echtheit der Unterschrift bewiesen
Der Senat teilt die Überzeugung des Erstgerichts, dass die Unterschrift unter dem Schriftstück vom
12.7.2017 von der Erblasserin stammt und somit eine echte Privaturkunde (
(i) Die Darlegungslast für das Vorliegen einer wirksamen Anweisung der Erblasserin an die Beklagte zu 1
tragen die Beklagten, da sie sich (insoweit) auf deren Wirksamkeit berufen. Sie haben demzufolge die
Echtheit dieser Privaturkunde, auf die sie sich beziehen, zu beweisen,
(ii) Diesen Beweis konnten die Beklagten auch zur Überzeugung des Senats führen.
Der Senat hält, wie bereits im Hinweisbeschluss vom 26.10.2021 ausgeführt, die Beweiswürdigung zur
Urheberschaft der Erklärung durch das Landgericht für zutreffend. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird
zunächst Bezug genommen auf die Beweiswürdigung durch das Erstgericht im angefochtenen Urteil und die
Ausführungen des Senats im Hinweisbeschluss vom 26.10.2021.
(iii) Das weitere Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren führt insoweit zu keiner anderen Bewertung.
Zwar ist es zutreffend, worauf der Kläger erneut hinweist, dass die gerichtlich bestellte Sachverständige die
Urheberschaft der Erblasserin lediglich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststellen konnte. Allerdings,
und dies verkennt der Kläger bei seiner Argumentation, hat die Sachverständige keine Hinweise für eine
Fälschung der fraglichen Unterschrift finden können (Sachverständigen-Gutachten S. 20, Bl. 135 d. A.).
Insbesondere ließen sich keine fälschungsverdächtigen Auffälligkeiten in den graphischen
Grundkomponenten Strichbeschaffenheit, Druckgebung und Bewegungsfluss feststellen (Sachverständigen-
Gutachten S. 21, Bl. 136 d. A.), sondern die verbliebenen Zweifel mit der Erkrankung der Erblasserin, der
Schreibposition, der Unterlage etc. erklären. Wenn sich aber keine Hinweise für eine Fälschung der
Unterschrift finden, begegnet es keinen Bedenken, dass das Landgericht aus der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit, die das Sachverständigengutachten für die Urheberschaft der Erblasserin ermittelt hat,
im Rahmen seiner eigenen Beweiswürdigung die volle Überzeugung gewonnen hat, dass die Erblasserin das
fragliche Schriftstück unterschrieben hat. Insbesondere die vom Kläger selbst angeführte Erkrankung der
Erblasserin (Parkinson, Blickparese) bietet eine hinreichende Erklärung für die Unsicherheit des
Schriftbildes. Schließlich scheint auch der Kläger von der Urheberschaft der Erblasserin auszugehen, wenn
er im Schriftsatz vom 26.11.2021 (S. 7, Bl. 314 d. A., Rz. 10) ausführt „… dass die Erblasserin … den von ihr
am 12.7.2017 unterschriebenen Text nicht mehr mit ihren eigenen Augen lesen, d. h. den konkreten Inhalt
des Textes nicht mehr visuell wahrnehmen bzw. kognitiv erfassen … konnte.“.
In der Zusammenschau dieser Umstände teilt der Senat also die Ansicht des Landgerichts, dass die fragliche
Erklärung von der Erblasserin herrührt; der Senat würdigt den vom Erstgericht erhobenen Beweis ebenso.
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Beklagten ihrerseits nicht erklärt haben, wie es zu der
fraglichen Unterschrift kam, selbst wenn man unterstellt, dass sie diesbezügliche Kenntnis haben.
(iv) Konnten die Beklagten somit beweisen, dass die Unterschrift von der Erblasserin herrührt, steht fest,
dass es sich um eine echte Privaturkunde mit den Wirkungen des
die Beklagten (formell) bewiesen, dass die Erblasserin die in der Urkunde enthaltene Erklärung abgegeben
und willentlich in den Verkehr gebracht hat (BGH
Auslegung (
streitgegenständliche Grundstück auf ihre Enkelin zu übertragen.
(2) Handeln mit Geschäftswillen
Soweit sich der Kläger vor dem Hintergrund der Abgabe der Erklärung vom 12.7.2017 auf einen fehlenden
Geschäftswillen seitens der Erblasserin beruft, verhilft dies der Berufung nicht zum Erfolg. Die vom Kläger
hergestellte Verknüpfung zwischen der - angeblich fehlenden - Fähigkeit der Erblasserin, den Text physisch
lesen zu können und ihrem Willen, einen bestimmten rechtsgeschäftlichen Erfolg herbeizuführen (vgl.
Grüneberg, Einf v § 166 Rn. 1), trägt jedenfalls schon deswegen nicht, weil von einer „faktischen Blindheit“
(was immer das sein soll) der Erblasserin (so Berufungsbegründung S. 5, Bl. 226 d. A.) nicht ausgegangen
werden kann. Im Ergebnis ist der Senat deswegen davon überzeugt, dass die Erblasserin am 12.7.2017
uneingeschränkt ihren rechtsgeschäftlichen Willen bilden konnte und gebildet hat.
Im Einzelnen:
(i) Das Erstgericht hat im angefochtenen Urteil nicht festgestellt, dass die Erblasserin faktisch blind war. Die
Berufung greift auch nicht an, dass das Erstgericht insoweit Feststellungen unterlassen hätte. Zwar führt der
Kläger in der Berufungsbegründung aus, das Urteil des Erstgerichts „beruhe auf einer unvollständigen und
damit fehlerhaft bewerteten Tatsachengrundlage“ (Berufungsbegründung S. 7, Bl. 228 d. A.). Allein dies stellt
jedoch keinen tauglichen Angriff gegen die tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichts dar. Dafür wäre
vielmehr erforderlich, dass der Kläger mit seiner Berufungsbegründung konkrete Verfahrensfehler des
Erstgerichts, neue, zu berücksichtigende Angriffs- und Verteidigungsmittel, von Amts wegen zu
berücksichtigende Umstände oder sonstige Umstände aufzeigt, die derartige Zweifel begründen (können).
(ii) Verfahrensfehler oder neue Angriffs- und/oder Verteidigungsmittel werden vom Kläger mit der
Berufungsbegründung schon nicht angeführt oder geltend gemacht. Von Amts wegen zu berücksichtigende
Umstände sind nicht ersichtlich, ebenso wenig werden sonstige Umstände aufgezeigt, die Zweifel an der
Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen begründen. Insbesondere hat das Erstgericht insoweit keinen
entscheidungserheblichen Vortrag übergangen oder falsch bewertet. Einer der Ausgangspunkte für die
Angriffe des Klägers gegen das Ersturteil ist die Blickparese der Erblasserin, die die Sachverständige Farhat
bei der Erstellung ihres Gutachtens berücksichtigt hat. Entgegen den Ausführungen des Klägers ging die
Sachverständige dabei davon aus, dass die Erblasserin zwar mit Schwierigkeiten, aber letztlich doch lesen
konnte („beeinträchtigten Lesevermögen“, Sachverständigen-Gutachten S. 22, Bl. 137 d. A.), so dass sich
aus diesem Gutachten gerade nicht ableiten lässt, dass die Erblasserin aus körperlichen Gründen nicht mehr
in der Lage war, überhaupt zu lesen („dieses vollständig ausschloss“; Berufungsbegründung S. 7, Bl. 228 d.
A.).
(iii) Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der von der Sachverständigen in ihrem Gutachten
zugrunde gelegten Blickparese der Erblasserin nicht um (eigene) Feststellungen der Schriftsachverständigen
handelte, vielmehr um Umstände, die diese ihrem Gutachten zu Grunde legte, nachdem entsprechende
Arztberichte vorlagen (vgl. Sachverständigengutachten S. 6/7, Bl. 121/122 d. A. mit Bezugnahme auf die
entsprechenden Anlagen). Die Sachverständige hat also nicht selbst festgestellt, dass die Erblasserin an
einer Blickparese litt (entgegen Berufungsbegründung S. 7, Bl. 228 d. A.), vielmehr war dies einer von
mehreren Aspekten, den die Sachverständige ihrer Bewertung zugrunde gelegt hat. Im Übrigen ergibt sich
aus keiner der von der Sachverständigen herangezogenen Stellungnahmen, dass die Erblasserin faktisch
blind war bzw. die Lesefähigkeit völlig fehlte (so aber Berufungsbegründung S. 7, Bl. 228 d. A.).
(iv) Eine „faktische Blindheit“ der Erblasserin war auch nicht unstreitig. Tatsächlich haben die Beklagten
schon im Schriftsatz vom 16.5.2019 ausgeführt, dass die Erblasserin „zum Zeitpunkt der Erstellung des
Schreibens [vom 12.7.2017] im Vollbesitz ihrer geistigen Fähigkeiten und sich sehr wohl bewusst [war],
welche Erklärung sie mit ihrer Unterschrift abgab.“, was die klägerische Behauptung ausschließt, die
Beklagten hätten unstreitig gestellt, dass die Erblasserin aus körperlichen Gründen nicht mehr in der Lage
war, zu lesen.
(v) Allein mit der unter Beweisantritt vorgetragenen Tatsache, dass die Erblasserin den Zeugen Kohl gebeten
hatte, ihr Hörbücher zu besorgen (Schriftsatz vom 25.8.2020, S. 2, Bl. 144 d. A.), lässt sich der dem Kläger
obliegende Beweis nicht führen. Dass der Zeuge irgendwelche eigenen Beobachtungen zu einer völlig
aufgehobenen Lesefähigkeit der Erblasserin machen könnte, wird insoweit nicht einmal behauptet. Und dass
die Erblasserin gerne Hörbücher wollte und den Zeugen gebeten hat, ihr diese zu besorgen, lässt sich mit
allen möglichen Gründen erklären. Dem Senat sind sogar Fälle bekannt, in denen Menschen, deren
Sehvermögen tadellos ist, Hörbücher hören. Jedenfalls kann von dem Wunsch nach Hörbüchern nicht auf
eine bestimmte körperliche Disposition geschlossen werden.
Im Übrigen hätte sich die Erblasserin den fraglichen Text auch vorlesen lassen können, bevor sie ihre
Unterschrift leistete.
(vi) Aus all dem folgt: Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Erblasserin - wie jeder
andere erwachsene Mensch, der Lesen gelernt hat - das Schriftstück vom 12.7.2017 lesen konnte. Mit ihrer
Unterschrift hat sie der Beklagten mithin eine entsprechende Weisung erteilt, das streitgegenständliche
Grundstück auf ihre Enkelin zu übertragen.
Für diesen Wunsch bedurfte die Erblasserin keines plausiblen Grundes. Dass sie dasselbe Ziel durch
Streichung des Vermächtnisses hätte erreichen können, trifft schon deswegen nicht zu, weil das Grundstück
dann im Wege der Universalsukzession auf ihre Erben und nicht auf ihre Enkelin übergegangen wäre. Sie
hätte vielmehr insoweit neu testieren müssen und das wäre, wie der vorliegende Rechtsstreit zeigt, nicht
zwangsläufig sicherer oder einfacher gewesen.
Gänzlich unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Beklagten zum Zustandekommen des
Schreibens vom 12.7.2017 schweigen. Gemäß
den entscheidungserheblichen Tatsachen wahrheitsgemäß zu äußern, wozu vorliegend nicht gehört, wer das
Schriftstück physisch erstellt hat und ob insoweit eine anwaltliche Beratung erfolgte. Es ist, worauf bereits
hingewiesen wurde, nach
dass sie (inhaltlich) nicht gemeint haben könnte, was in der Erklärung zum Ausdruck kommt, liegt fern.
cc) Keine Formbedürftigkeit der Weisung
Die Weisung der Erblasserin gegenüber ihren Bevollmächtigten (den Beklagten) war schließlich auch nicht
formbedürftig.
Voranzustellen ist, dass die Berufung insoweit nur dann erfolgreich sein könnte, wenn sich die Regeln über
die Formbedürftigkeit von Grundstücksgeschäften einschließlich der zur ihrer Umsetzung erteilten
Vollmachten auch auf die schriftliche Weisung der Erblasserin vom 12.7.2017 erstrecken würden, da sowohl
die maßgebliche Auflassung (
beurkundet waren.
Insoweit legt der Senat seiner Entscheidung folgende allgemeinen Rechtssätze zugrunde:
- Grundsätzlich ist nur ein Vertrag, durch den die Verpflichtung zur Veräußerung oder zum Erwerb eines
Grundstücks begründet wird, nach
311 b Rn. 25).
- Die Vollmacht zum Abschluss eines formbedürftigen Rechtsgeschäftes ist nach § 167 Abs. 2 grundsätzlich
formfrei. Ist die Vollmacht hingegen Bestandteil eines formbedürftigen Grundstücksverkehrsgeschäftes,
bedarf sie der notariellen Beurkundung (BGH
Veräußerung des Grundstücks unwiderruflich ist (BGH
- Ein weiterer Ausnahmefall vom Grundsatz des
rechtlich widerrufen werden kann, tatsächlich aber mit der Bevollmächtigung schon die gleiche
Bindungswirkung eintreten sollte und nach der Vorstellung des Vollmachtgebers auch eingetreten ist, wie
durch Abschluss des formbedürftigen Hauptvertrages, die Vollmacht also den damit in Wahrheit bereits
gewollten Grundstücksübertragungsvertrag nur verdeckt (OLG Schleswig
Keine dieser Konstellationen ist vorliegend gegeben, wobei allein die letzte im konkreten Fall überhaupt in
Betracht käme. Allerdings hat sich die Erblasserin mit der von ihr erteilten Weisung nicht bereits soweit
gebunden, dass dadurch das Hauptgeschäft praktisch vorweggenommen wurde. Es wäre ihr rechtlich und
tatsächlich unbenommen gewesen, sowohl Weisung als auch Vollmacht vom 17.12.2012 zu widerrufen.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte zu 1 noch am selben Tag das
Rechtsgeschäft vollzogen hat, denn allein die tatsächliche Umsetzung des Rechtsgeschäfts am selben Tag
bedeutet nicht, dass die Erblasserin auf dessen Vollzug keinen Einfluss mehr hätte nehmen können.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Beklagten mittels der erteilten Vollmacht vom 17.12.2012 bereits
vorher jederzeit hätten tätig werden können.
Ist die Weisung nach den vorgenannten Grundsätzen nicht formbedürftig, stellt sich die Frage eines
möglichen Blankettmißbrauchs nicht.
2. Wirksamkeit des Vermächtnisses (
Vor diesem Hintergrund kann die Frage, ob sich die Erblasserin zu Lebzeiten bindend zur Übereignung des
Grundstücks verpflichtet hat und damit das Vermächtnis gemäß
hat, offenbleiben.
Allerdings ist der Senat der Ansicht, dass mit wirksamer Vornahme des Kausalgeschäfts am 12.7.2017 eine
wirksame Verpflichtung der Erblasserin zur Übereignung der Immobilie begründet worden war, so dass das
Grundstück - bei lediglich ausstehender Umschreibung im Grundbuch - wirtschaftlich nicht mehr zum
Vermögen der Erblasserin gehörte (vgl. dazu Grüneberg/Weidlich 81. Auflage <2022> § 2169 Rn. 8).
3. Kein Verschaffungsvermächtnis,
Schließlich verhilft es der Berufung nicht zum Erfolg, wenn der Kläger (auch) behauptet, die Erblasserin habe
mit der Zuwendung der Wohnung im Testament ein Verschaffungsvermächtnis im Sinne des
angeordnet.
Für eine derartige Auslegung lassen sich weder im Testament noch außerhalb der Urkunde auch nur die
geringsten Anhaltspunkte finden.
B. Das Bargeldvermächtnis
Auch im Hinblick auf die Testamentsauslegung verhilft das weitere Vorbringen im Berufungsverfahren der
Berufung nicht zum Erfolg.
Auch insoweit nimmt der Senat zunächst Bezug auf seinen Hinweisbeschluss vom 26.10.2021, in dem
bereits die maßgeblichen Gesichtspunkte für die Auslegung der Verfügung von Todes wegen dargelegt
worden sind.
Die dagegen erhobenen Einwände greifen nicht durch.
1. Auslegungsgrundsätze
Der Senat ist im Rahmen der Auslegung von den in Rechtsprechung und Literatur anerkannten Grundsätzen
ausgegangen, die auch der Kläger zitiert. Allein das Zitieren früherer Rechtsprechung, namentlich des
Reichsgerichts, wie es der Kläger im Schriftsatz vom 26.11.2021 tut, bedeutet nicht, dass der Senat von
anderen Grundsätzen ausgegangen wäre. In jedem Falle war der wahre Wille der Erblasserin zu ermitteln
und ihm, soweit er formgerecht niedergelegt ist, Geltung zu verschaffen.
Unter dieser Prämisse hält der Senat daran fest, dass die Erblasserin ihre kleinteiligen Verfügungen in für sie
absteigender Bedeutung vorgenommen hat. Während die Erbeinsetzungen zugunsten der beiden Beklagten
an der Spitze des Testaments stehen, folgen die weiteren Verfügungen einer absteigenden Systematik,
wonach zunächst umfangreich Immobilien, dann Bargeld und schließlich Schmuck zugewendet wird. Allein
das Zuteilungsverfahren für den Schmuck - würfeln und dann jeweils 20 Stücke aussuchen dürfen - zeigt,
dass der Erblasserin diese, ebenfalls am Ende des Testaments stehende Zuwendung nicht so wichtig war
wie die Verfügungen, die sie am Anfang des Testaments getroffen hat, anderenfalls hätte sie die jeweiligen
Stücke bestimmten Personen zugewiesen. Sie hatte insoweit keine Präferenz, wer welches Stück bekommt
und nahm es damit zugleich auch hin, dass wertmäßige Divergenzen entstehen. Dass das Bargeld gegen
Ende des Testaments erwähnt wird, ist ein Indiz dafür, dass die Erblasserin damit nur das physisch
vorhandene Bargeld meinte und nicht in einer Größenordnung verfügen wollte, die nach den
Wertvorstellungen des Klägers durchaus einer Erbeinsetzung hätte gleichkommen können.
2. Wortlautanalyse
Soweit sich der Kläger gegen die Analyse des Wortlauts der Verfügung durch den Senat wendet, verhilft
auch dies der Berufung nicht zum Erfolg. Der Senat hat dargelegt, dass ausgehend vom Wortlaut der
Verfügung der wahre Wille des Erblassers zu ermitteln ist, wobei maßgeblich ist, wie die Erblasserin den
Begriff „Bargeld“ verwendet bzw. verstanden hat.
Unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des BayObLG (
der Frage auseinandergesetzt, was die Erblasserin im konkreten Fall mit den Wörtern „vorhandenes Bargeld“
zum Ausdruck bringen wollte.
a) Es mag sein, dass es Konstellationen gibt, in denen unter dem Begriff des Bargeldes auch andere
Geldformen verstanden werden können. In der zitierten Entscheidung des BayObLG ging das Gericht davon
aus, dass es nach der Lebenserfahrung keinesfalls fernliege, dass „der Erblasser mit dem Begriff „Barschaft”
nicht nur den - geringen - Bargeldbestand im Haus bzw. in der Geldbörse gemeint hat, sondern auch die
(leicht verfügbaren) Bankguthaben“. Ähnliches ergibt sich aus der vom Kläger zitierten Entscheidung des
OLG Karlsruhe (
Depots enthalten haben, noch zwanglos dem Begriff des „Bargelds“ zuordnen [lassen]“. Schließlich hat auch
der BGH in der Entscheidung IV ZR 17/74 die Entscheidung der Vorinstanz gebilligt, dass vom Begriff
„Barvermögen“ auch das auf Konten vorhandene Buchgeld samt Wertpapierdepot umfasst sein kann/ist.
Zwingend in dem Sinne, dass vom Begriff „Bargeld“ (der allein in der Entscheidung des OLG Karlsruhe so
verwendet wurde) auch zwangsläufig das auf Konten vorhandene Buchgeld umfasst ist, ist dies indes nicht
und in keiner der genannten Entscheidungen wurde dies so judiziert. Teilweise fehlte es in den genannten
Entscheidungen an einer ausdrücklichen Erbeinsetzung, so dass schon im Wege der Auslegung zu klären
war, ob durch die Zuwendung des „Bargelds“ bzw. „Barschaft“ entgegen der Regel des
Erbeinsetzung erfolgt sein könnte, was wiederum (auch) davon abhängen kann, welche Vermögensgruppen
der jeweilige Erblasser gebildet hat. Insoweit unterscheiden sich diese Fälle vom vorliegenden entscheidend:
Hier liegt eine ausdrückliche Erbeinsetzung vor und es stellt sich nicht die Frage, ob durch die Zuwendung
eines - unterstellt - erheblichen Buchgeldbestandes eine solche vorgenommen worden sein könnte.
b) Soweit in der Literatur vertreten wird, dass das Wort „Barvermögen“ nicht auf das Bargeld beschränkt sei,
sondern „in der Regel auch das auf diversen Bankkonten liegende Geld [umfasse]“ (Reymann in: jurisPKBGB,
9. Aufl.
Gegenteil: Das auf Bankkonten liegende Geld ist ersichtlich „unbar“. Die Deutsche Bundesbank geht
beispielsweise davon aus, dass „die ausgegebene Menge an Bargeld kontinuierlich [ansteige]“, dass
„Bargeld in der Bevölkerung ein sehr hohes Vertrauen [genieße]“ und „während der Corona-Pandemie … die
Auszahlungen von Banknoten … außergewöhnlich stark [zunahmen]“. (Deutsche Bundesbank „Zahlen &
Fakten rund ums Bargeld; Abbildungen, Tabellen und Erläuterungen zum Bargeld“, abrufbar unter
https://www.bundesbank.de/resource-blob/670 998/06d4c5f5549e46d1fbe3498bf5341f5a/mL/zahlen-undfakten-
data.pdf). Das zeigt, dass es gewichtige Argumente für die Auslegung des Begriffes „vorhandenes
Bargeld“ in Richtung der physisch vorhandenen Münzen und Scheine gibt. Vor diesem Hintergrund vermag
der Senat jedenfalls nicht den Schluss zu ziehen, dass im allgemeinen Sprachgebrauch mit dem Begriff
„Bargeld“ auch das Buchgeld gemeint ist.
c) Soweit in der Berufungsbegründung (S. 19, Bl. 240 d. A.) ausgeführt wird, der Begriff „Bargeld“ würde
„häufig schlicht zur Bezeichnung von Zahlungsmitteln“ verwendet, hat der Senat bereits darauf hingewiesen,
dass ihm eine solche Regel nicht bekannt ist. Im übrigen widerspricht sich der Kläger in diesem
Zusammenhang erneut, denn wenn die „Erblasserin eine erfahrene Geschäftsfrau [war], … die [ihre]
Vermögenswerte nicht wie eine misstrauische ältere Dame zuhause unter dem Kopfkissen lagerte“, liegt es
doch nahe, dass sie wusste, was sie mit dem Begriff Bargeld ausdrückt. Ohne weiteres hätte sie den Begriff
„Geld“ verwenden können, um diesem einen weiteren Bedeutungsgehalt zu geben.
d) Ein gewichtiges Indiz kommt schließlich dem Umstand zu, dass es sich bei der Erblasserin unstreitig um
eine wirtschaftlich erfahrende Person handelte, die z.B. nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten noch
wenige Wochen vor ihrem Tod einer Kreditaufnahme von 350.000.000 € zugestimmt hat. Bei einer solchen
Person liegt es jedenfalls nahe, dass sie sich über den Begriff des „vorhandenen Bargelds“ entsprechende
Gedanken gemacht und ihn nicht zufällig oder leichtfertig verwendet hat.
3. Rechenmodelle zum Nachweis der Gleichbehandlungsabsicht
Soweit der Kläger durch verschiedene Rechenmodelle versucht nachzuweisen, dass die Erblasserin mit dem
Begriff „Bargeld“ mehr gemeint haben muss als das physisch vorhandene Bargeld (im Sinne von Scheinen
und Münzen), verhilft auch dies der Berufung nicht zum Erfolg.
Der Kläger ist insoweit der Ansicht, aus dem von ihm geschätzten und seinen Berechnungen zugrunde
gelegten „Barvermögen“ in Höhe von 100.000.000 € ließe sich errechnen (und vor allem nachweisen), dass
die Erblasserin eine wirtschaftliche Gleichbehandlung der im Testament genannten Vermächtnisnehmer
angestrebt habe.
Diese Auslegung kommt aus mehreren Gründen nicht in Betracht.
a) Zunächst kann im Rahmen der Testamentsauslegung schon nicht die vom Kläger eingeführte
Rechengröße von 100.000.000 € zugrunde gelegt werden.
Das Landgericht hat kein Barvermögen der Erblasserin in Höhe von 100.000.000 € zum Zeitpunkt der
Errichtung des Testaments festgestellt (selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellen würde, dass
darunter auch das Buchgeld zu verstehen wäre). Dass das Erstgericht entsprechende Feststellungen
fehlerhaft unterlassen hätte, wird mit der Berufung nicht angegriffen. Auch die Beklagten haben sich gegen
die Berechnungen des Klägers gewendet, indem sie diese als „fantasievolle Berechnungen“ bzw. „an den
Haaren herbeigezogen“ (zuletzt im Schriftsatz vom 10.1.2022, S. 6, Bl. 336 d. A.) bezeichnen, so dass auch
Erblasserin nicht über bestimmte Wertrelationen ableiten, da die dafür zugrunde gelegten Werte nicht
festgestellt sind.
b) Auch sonstige, außerhalb der Urkunde liegende Umstände, die das Erstgericht für den Senat bindend
festgestellt hätte, lassen eine Gleichbehandlungsabsicht der Erblasserin nicht erkennen. Soweit der Kläger in
seiner Berufungsbegründung (S. 22, Bl. 270 d. A.) aus der Anlage OHS 5 einen derartigen Schluss ziehen
will, vermag der Senat nicht zu erkennen, woraus sich aus dieser Vollmacht eine Absicht der Erblasserin, alle
in ihrem Testament bedachten Personen im wesentlichen wirtschaftlich gleich zu bedenken, ergeben soll.
c) Im Übrigen: Eine Gleichbehandlungsabsicht der Erblasserin ist im Testament weder angedeutet noch
versteckt zum Ausdruck gekommen. Selbst wenn man also zugunsten des Klägers eine
Gleichbehandlungsabsicht der Erblasserin im Errichtungszeitpunkt unterstellen würde, wäre diese
unbeachtlich, da der (mögliche) Wille des Erblassers, der im Testament nicht andeutungsweise oder
versteckt zum Ausdruck gekommen ist, unbeachtlich ist (BGH
MüKoBGB/Leipold 8. Auflage <2020> § 2065 Rn. 16; Grüneberg/Weidlich BGB, 81. Auflage <2022> § 2084
Rn. 4).
Im Übrigen ist auf folgendes hinzuweisen: Der Kläger schließt unzulässig von dem im Todeszeitpunkt
vorhandenen Bargeld auf den Willen der Erblasserin im Errichtungszeitpunkt nach dem Motto: War im
Todeszeitpunkt wenig Bargeld vorhanden, entsprach das nicht dem Willen der Erblasserin, war im
Todeszeitpunkt sehr viel Bargeld vorhanden, entsprach dies dem Willen der Erblasserin. Ein derartiger
Rückschluss ist aber nicht zulässig.
Aus den vorgenannten Gründen war der Begriff des Bargeldes wie vom Erstgericht dahin auszulegen, dass
damit allein das bei der Erblasserin physisch vorhandene Bargeld (Scheine/Münzen) gemeint war. Insoweit
haben die Beklagten über dessen Höhe bereits Auskunft erteilt, darauf beruht die Verurteilung zur Zahlung
durch das Landgericht. Ein etwaiger Auskunftsanspruch des Klägers ist mithin erfüllt (
weitergehender Auskunftsanspruch, insbesondere hinsichtlich des Buchgeldes, besteht nicht, da insoweit
auch kein weitergehender Zahlungsanspruch besteht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf
erfolgte gemäß
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG München
Erscheinungsdatum:05.04.2022
Aktenzeichen:33 U 1473/21
Rechtsgebiete:
Unternehmenskauf
Sachenrecht allgemein
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Allgemeines Schuldrecht
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Vermächtnis, Auflage
In-sich-Geschäft
Kaufvertrag
Beurkundungserfordernis
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
BGB §§ 133, 2084, 2174