Abweisung der mehrfachen Eintragung einer Sicherungshypothek
letzte Aktualisierung: 07.12.2022
OLG Bremen, Beschl. v. 12.9.2022 – 3 W 13/22
StPO §§ 111f Abs. 2, 111h Abs. 2 S. 1, 111i Abs. 1 S. 1, 111k Abs. 1 S. 1;
Abweisung der mehrfachen Eintragung einer Sicherungshypothek
1. Auch die Staatsanwaltschaft selbst hat – wie andere Gläubiger – wegen § 111h Abs. 2 S.1 StPO
kein Recht auf die Eintragung einer weiteren Sicherungshypothek in das Grundbuch, wenn das
Grundstück bereits durch eine Sicherungshypothek aufgrund einer Arrestvollziehung durch die
Staatsanwaltschaft gesichert ist.
2. § 111h Abs. 2 S.1 StPO dient der Sicherung des grundsätzlichen Vorrangs der Verletzten vor
anderen Gläubigern und der Gleichbehandlung der Tatgeschädigten.
3. Die Vorschrift soll darüber hinaus, im Hinblick auf das Erlöschen des Sicherungsrechts nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens (gem. § 111i Abs.1 S.1 StPO), verhindern, dass durch
Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen zwischen der Arrestvollziehung und der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens Absonderungsrechte einzelner Gläubiger entstehen, die die Vermögensmasse
zu Lasten der Verletzten schmälern.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Eintragung einer Sicherungshypothek in Höhe von
73.495,-- EUR und eines Veräußerungsverbots im Grundbuch.
Mit Antrag vom 15.03.2022, gestützt auf einen vom Amtsgericht X mit Beschluss vom
01.02.2022 ( ) erlassenen Vermögensarrest, hat die Antragstellerin das
Grundbuchamt um die Eintragung einer Sicherungshypothek im Höchstbetrag von 100
Tsd. EUR mit entsprechendem Veräußerungsverbot ersucht. Der in dem Beschluss des
AG X vom 01.02.2022 ( ) festgesetzte Ablösungsbetrag lautete auf insgesamt
173.495,-- EUR. Diesem Ersuchen hat das Grundbuchamt mit Eintragung vom
11.04.2022 stattgegeben (Veräußerungsverbot in Abt. II lfd. Nr. 4; Arresthypothek in
Höhe von 100 Tsd. EUR in Abt. III Nr. 7).
Mit weiterem Eintragungsersuchen vom 31.05.2022 ebenfalls auf den vorerwähnten
Arrestbeschluss des Amtsgerichts X gestützt, ersucht die Antragstellerin nunmehr die
Eintragung einer weiteren Sicherungshypothek (in Höhe von 73.495,-- EUR).
Dieses Eintragungsersuchen hat das Grundbuchamt mit Beschluss vom 14.06.2022
zurückgewiesen und dazu ausgeführt, aufgrund eines bereits eingetragenen
Veräußerungsverbots (in Abt. II Nr. 4) nebst Sicherungshypothek zum Höchstbetrag
(Abt. III Nr.7) sei gemäß
Vollstreckungsmaßnahmen unzulässig. Dies gelte auch, wenn sich die weiter
beantragte Arresthypothek auf den gleichen Arrestbefehl beziehe. Die Antragstellerin
habe in ihrem Ersuchen die Eintragung eines "weiteren" Rechts beantragt, was aus den
genannten Gründen unzulässig sei. Selbst eine Erhöhung des zuvor eingetragenen
Rechts sei unzulässig, weil dies dem Wesen der Höchstbetragssicherungshypothek
widerspreche.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 01.08.2022 beim Grundbuchamt
eingegangene Beschwerde. Das Vollstreckungsverbot des § 111h Abs.2 StPO
unterbinde nur Zwangsvollstreckungen aus Rechten, die gegenüber dem in Vollziehung
des Vermögensarrests entstandenen Sicherungsrecht der Staatsanwaltschaft
nachrangig seien. Andere z.B. nach
Vollstreckungsmaßnahmen anderer Gläubiger blieben zulässig. Erst recht seien
weitere Vollstreckungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft zulässig.
Das Grundbuchamt hat die Beschwerde, ohne ihr abzuhelfen, dem Oberlandesgericht
zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die statthafte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig (
ist die Staatsanwaltschaft zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens befugt, da sie
gemäß §§ 111k Abs.1 S.1 StPO, 38 GBO für die Einreichung eines
Eintragungsersuchens zuständig und berechtigt ist (vgl. dazu OLG München Beschl. v.
22.12.2017 34 Wx 432/17
auch um eine fristungebundene Beschwerde gemäß
eine sofortige Beschwerde gemäß
Eintragung einer Sicherungshypothek erfolgt im Rahmen des Grundbuchverfahrens,
das Grundbuchamt wird insoweit in erster Linie als Grundbuchbehörde tätig, es handelt
sich nicht um eine Entscheidung im Vollstreckungsverfahren (vgl. OLG Köln FGPrax
2008, 193 Rn.8, OLG Zweibrücken
Die Beschwerde ist allerdings nicht begründet, denn die Antragstellerin hat kein Recht
auf Eintragung einer weiteren (oder höheren) Sicherungshypothek.
Ein solches ergibt sich insbesondere nicht aus dem mit Beschluss des AG X vom
01.02.2022 angeordneten Vermögensarrest aus § 111 f Abs.2 StPO, wenn auch die
Arrestschuldnerin Eigentümerin des Grundstücks ist. Denn dieses ist bereits durch die
erste Sicherungshypothek der Staatsanwaltschaft belastet, so dass aus § 111h Abs.2
S.1 StPO die Unzulässigkeit weiterer Zwangsvollstreckungen, also das Verbot der
Eintragung weiterer Sicherungshypotheken bzw. der Erhöhung des gesicherten
Betrages, folgt.
Unter den Begriff der Zwangsvollstreckung i.S.d. § 111 h Abs.2 S.1 StPO fallen alle
Maßnahmen nach dem 8. Buch der Zivilprozessordnung (Löwe/Rosenberg/Johann 27.
Aufl. 2019,
Vermögensarrestes nach der Strafprozessordnung, auf den die
und damit die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung sinngemäß anzuwenden sind
(§ 111f Abs.2 StPO).
Die Arrestvollziehung dauert auch nach der Eintragung der Sicherungshypothek bis zur
Aufhebung der Pfändungsmaßnahme an (BGH
so dass bis zur Aufhebung der Maßnahme gemäß § 111h Abs.2 S.1 StPO weitere
Zwangsvollstreckungen unzulässig sind.
Sinn und Zweck der Regelung des § 111h Abs.2 S.1 StPO ist einerseits die Sicherung
des grundsätzlichen Vorrangs der Verletzten vor anderen Gläubigern und die
Gleichbehandlung der Tatgeschädigten andererseits. Die Vorschrift soll darüber hinaus
verhindern, dass durch Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen zwischen der
Arrestvollziehung und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Absonderungsrechte
einzelner Gläubiger entstehen, die die Vermögensmasse zu Lasten der Verletzten
schmälern würden (vgl. Gesetzesbegründung zu
18/9525 S.78, so auch BGH a.a.O. Rn. 12). Denn gemäß § 111i Abs.1 S.1 StPO erlischt
das Sicherungsrecht nach § 111h Abs.1 StPO im Falle der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Mit dieser Regelung
soll der Vermögenswert für die gesetzlich vorgesehene Befriedigung der
Tatgeschädigten und der sonstigen Gläubiger nach der Insolvenzordnung frei gegeben
werden (Gesetzesbegründung a.a.O. S.79). Im Zusammenwirken von § 111h Abs.2 S.1
StPO und § 111i Abs.1 S.1 StPO soll also bewirkt werden, dass der gesicherte
Gegenstand im Insolvenzverfahren für die Tatgeschädigten (und andere Gläubiger)
gesichert ist, ohne das nachrangige Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen aus der
Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufrücken (BGH a.a.O. Rn. 12) und zu
einer bevorzugten Befriedigung einzelner Gläubiger führen können.
Das bedeutet, dass nach der (ersten) Sicherung eines Gegenstandes durch die
Staatsanwaltschaft keine weiteren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen möglich sind
(anders OLG München Beschluss vom 8. September 2021 – 8 W 1216/21 und
Beschluss vom 5. Oktober 2021 – 3 W 1414/21 , juris für den Fall der
Forderungspfändung; Löwe/Rosenberg/Johann 27. Aufl. 2019,
Köllner NZI 2021 S.1036; Haidn WuB 2022 S.89, 92). Denn jede nachfolgende
Zwangsvollstreckung, sei es eine weitere Sicherungshypothek oder – im Falle der
Forderungspfändung eine weitere Pfändung, würde im Falle des § 111i Abs.1 S.1
StPO, d.h. mit der Insolvenzeröffnung (bei Vorhandensein mindestens eines
Individualverletzten) aufrücken und den Rechten der Tatgeschädigten bzw. anderer
Gläubiger gemäß
gerade vermeiden.
§111h StPO "sperrt" das Grundstück daher für weitere Maßnahmen (vgl. BGH a.a.O.
Rn.13 betreffend die Nutzung als Kreditsicherheit im Hinblick auf das eingetragene
Veräußerungsverbot).
Allerdings sperrt die Regelung die gesicherten Gegenstände etwa für weitere
Vollstreckungsmaßnahmen auch dann, wenn es nicht zur Eröffnung eines
Insolvenzverfahrens kommt. Tatgeschädigte oder insbesondere auch andere Gläubiger
können diese für ihre Forderungen nicht sichern und erst recht nicht verwerten. Sie sind
davon abhängig, dass die Staatsanwaltschaft die Verwertung des Gegenstandes
betreibt oder dass ein Insolvenzverfahren beantragt und eröffnet werden kann.
Die Regelung des § 111h Abs.2 S.1 StPO kann trotz dieser weitreichenden
Konsequenzen aufgrund ihres eindeutigen Wortlauts nicht so verstanden werden, dass
die weiteren Vollstreckungsmaßnahmen "nur für den Fall der Eröffnung eines
Insolvenzverfahrens" unzulässig bzw, unwirksam sein sollen, wenngleich dies dem Ziel
der Regelung durchaus Rechnung tragen könnte. Das weitere Ziel des Gesetzgebers,
ein "Windhundrennen" der Gläubiger zu vermeiden (vgl. BT-Drs 18/9525 S.1), dürfte
sich ebenfalls nur auf die Konstellation eines nachfolgenden Insolvenzverfahrens
beziehen, denn derartige Gläubigerkonstellationen sind auch bei Mangelfällen
außerhalb von Straftaten durchaus üblich.
Der eindeutige Wortlaut des § 111h Abs.2 S.1 StPO und die damit getroffene
gesetzgeberische Entscheidung lässt eine (teleologische) Auslegung im zuvor
genannten Sinne nach Ansicht des Senats jedoch nicht zu. Zu berücksichtigen ist auch,
dass die frühzeitige Verwertung des gesicherten Gegenstandes diesen einem eventuell
späteren Insolvenzverfahren entziehen würde. Der Gesetzgeber hat also mit dieser
Regelung der Staatsanwaltschaft offensichtlich auch die Möglichkeit der genauen
Prüfung sämtlicher Verletztenansprüche einerseits und des Vermögens der
Tatbeteiligten andererseits einräumen wollen, um die Entscheidung über einen
Insolvenzantrag gemäß § 111i Abs.2 StPO treffen zu können.
Dieses gesetzlich angeordnete Vollstreckungsverbot muss aber sodann auch für die
Staatsanwaltschaft selbst gelten, weil sie anderenfalls gegenüber anderen Gläubigern,
gerade auch solchen, deren Forderungen nicht aus Straftaten stammen, bevorzugt
würde. Denn diesen ist wegen der Regelung des § 111h Abs.2 S.1 StPO die
zwischenzeitliche - Vollstreckung in den Gegenstand, hier das Grundstück, nicht
möglich, so dass sie auch nicht ein, den späteren Anträgen bzw. Sicherungsrechten
der Staatsanwaltschaft vorangehendes, Pfandrecht erlangen können. Eine solche
Ungleichbehandlung lässt sich auch nicht mit den dargestellten Zielen des § 111h Abs.2
S.1 StPO (Sicherung von Gegenständen für ein Insolvenzverfahren, Verhinderung des
Gläubigerwettlaufs) rechtfertigen.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Reichweite des Vollstreckungsverbots des
§ 111h Abs.2 S.1 StPO und der offensichtlich bestehenden Abweichung zu den
Entscheidungen des OLG München hat der Senat die Rechtsbeschwerde gemäß § 78
Abs.2 Nr.1 und 2 GBO zugelassen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Bremen
Erscheinungsdatum:12.09.2022
Aktenzeichen:3 W 13/22
Rechtsgebiete:
Grundbuchrecht
Insolvenzrecht
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
StPO §§ 111f Abs. 2, 111h Abs. 2 S. 1, 111i Abs. 1 S. 1, 111k Abs. 1 S. 1; GBO § 38