Entgeltlich erbrachte Dienstleistung eines GmbH-Gesellschafters kann keine verdeckte Sacheinlage sein
AktG § 27 Abs. 2 Hs. 2; GmbHG § 19 Abs. 4, 5 n. F.
Entgeltlich erbrachte Dienstleistung eines GmbH-Gesellschafters kann keine
verdeckte Sacheinlage sein
Die Grundsätze der verdeckten Sacheinlage (
Dienstleistungen, welche ein GmbH-Gesellschafter nach Leistung einer Bareinlage entgeltlich
erbringen soll, keine Anwendung. In einem solchen Fall liegt auch kein der Erfüllung der
Einlageschuld entgegenstehendes Hin- und Herzahlen der Einlagemittel (
vor, sofern der Inferent diese nicht für die Vergütung seiner Dienstleistungen „reserviert“.
BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 120/07 „Qivive“
Problem
Die Alleingesellschafterin der Qivive GmbH schloss mit der Beklagten, eine Vereinbarung, wonach diese
im Rahmen einer Barkapitalerhöhung eine Bareinlage von 5 Mio. € leisten und gemäß einem zeitgleich
abgeschlossenen „Media-Vertrag“ entgeltlich Werbeleistungen für die Gesellschaft erbringen sowie deren
Internetauftritt erstellen sollte. Der Gesellschaft wurde das Recht eingeräumt, Leistungen des beklagten
Medienunternehmens im Wert von insgesamt 82,5 Mio. DM abzurufen, diese aber nur bis zu einer
Grenze von 10 Mio. DM bezahlen zu müssen. Entsprechend übernahm die Beklagte bei einer
Kapitalerhöhung der Qivive GmbH eine Bareinlage in Höhe von 5 Mio. € und zahlte diese bar ein. Die
Qivive GmbH nahm in der Folgezeit Leistungen des beklagten Medienunternehmens gemäß dem MediaVertrag in Anspruch und zahlte hierfür in den folgenden zwei Jahren insgesamt ca. 4,25 Mio. € an die
Beklagte bzw. mit dieser verbundene Konzernunternehmen. Unstreitig handelte es sich dabei um
marktübliche Vergütungen.
Im Insolvenzverfahren der Qivive GmbH verlangte der Insolvenzverwalter von der Beklagten die
(nochmalige) Zahlung ihrer Bareinlage, weil sie bei wirtschaftlicher Betrachtung anstelle der geschuldeten
Bareinlage die in dem Media-Vertrag dargestellten Werbeleistungen, mithin eine „verdeckte
Sacheinlage“ erbracht habe.
Entscheidung
Der BGH verneint im Ergebnis Ansprüche des Insolvenzverwalters unter dem Gesichtspunkt der
Kapitalaufbringung und kann deshalb die im Schrifttum aufgeworfene Frage dahinstehen lassen, ob die in
Entsprechend der gesetzlichen Neuregelung differenziert der BGH in seiner Begründung zwischen den
Grundsätzen der verdeckten Sacheinlage (
des Hin- und Herzahlens (
Eine verdeckte Sacheinlage liegt – durch die Neuregelung unverändert – vor, wenn die gesetzlichen
Regeln für Sacheinlagen dadurch unterlaufen werden, dass zwar eine Bareinlage vereinbart wird, die
Gesellschaft aber bei wirtschaftlicher Betrachtung von dem Einleger aufgrund einer in Zusammenhang
mit der Übernahme der Einlage getroffenen Absprache einen Sachwert erhalten soll. Die Besonderheit
des Falles bestand darin, dass der Gesellschaft ein Sachwert in Form von Dienstleistungen zugeführt
worden war. Diese können gem.
Gegenstand von Sacheinlagen oder Sachübernahmen sein. Denn zum einen stößt die Durchsetzung
DNotIDeutsches Notarinstitut
DNotI-Report - Rechtsprechung
DNotI-Report 10/2009 Mai 2009 78
von Dienstleistungsverpflichtungen auf Schwierigkeiten (vgl.
bloße obligatorische Ansprüche gegen Einlageschuldner per se nicht einlagefähig, weil es an einer
Aussonderung des Einlagegegenstandes aus dem Vermögen des Inferenten fehlt und mit der
Einbringung einer solchen Forderung als „Einlageleistung“ lediglich die gesellschaftsrechtliche
Verpflichtung des Inferenten gegen eine schuldrechtliche ausgetauscht wird. In Fortführung seiner
Rechtsprechung zum finanzierten Beteiligungserwerb sieht der BGH den Tatbestand einer verdeckten
Sacheinlage jedoch nur bei einer sacheinlagefähigen Leistung als erfüllt an. Der den Grundsätzen
der verdeckten Sacheinlage inhärente Vorwurf einer Umgehung der im Interesse des Gläubigerschutzes
bestehenden Vorschriften über Sacheinlagen setze voraus, dass der oder die Gesellschafter den im
Ergebnis erstrebten Erfolg einer Sacheinlage rechtmäßig unter Beachtung der dafür geltenden
Vorschriften hätten erreichen können und diesen Weg auch hätten wählen müssen. Das sei aber bei
Dienstleistungen nicht der Fall. Der Gesellschafter könne auch nicht darauf verwiesen werden, die
Ansprüche auf Vergütung seiner künftigen Dienstleistungen als Sacheinlage einzubringen, weil erst
künftig entstehende oder erst recht von einer Dienstleistung abhängige Forderungen ebenfalls nicht
sacheinlagefähig seien. Da eine Umgehungshandlung den Tatbestandsmerkmalen der umgangenen
Norm entsprechen müsse, Dienstleistungen aber von den Sacheinlagevorschriften nicht erfasst würden,
könnten die Grundsätze der verdeckten Sacheinlage hier auch nicht entsprechend herangezogen
werden. Die Rechtsordnung könne die dem Bareinlageschuldner nachteiligen Folgen des Rechts der
verdeckten Sacheinlage nicht an die Nichteinhaltung eines Verfahrens knüpfen, das sie selbst für den
betreffenden Vorgang nicht bereitstelle. Deshalb könne man auch – jedenfalls im GmbH-Recht – nicht
aus der fehlenden Sacheinlagefähigkeit von Dienstleistungen (
Verabredung entgeltlicher
DNotI-Report 10/2009 Mai 2009
Dienstleistungen des Inferenten im Zusammenhang mit der Begründung einer Bareinlageschuld ableiten
und darauf eine analoge Anwendung der Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage stützen. Besonders
deutlich zeige sich dies bei der Entlohnung eines Gesellschaftergeschäftsführers.
Nach Ansicht des BGH erfüllt die Vergütung der Werbeleistungen der Beklagten auch nicht den
Tatbestand des Hin- und Herzahlens des
denen es an einer Bareinlageleistung zur freien Verfügung des Geschäftsführers (
fehle, weil der Einlagebetrag absprachegemäß umgehend wieder an den Einleger, sei es als Darlehen
(
soll (verdeckte Finanzierung der Einlagemittel durch die Gesellschaft). Der Sache nach ziele das
Vorgehen des Inferenten in solchen Fällen darauf ab, die prinzipiell unverzichtbare Einlageforderung
durch eine in dieser Hinsicht schwächere schuldrechtliche Forderung (z. B. aus Darlehen) zu ersetzen.
Bei der Vergütung geleisteter Dienste finde weder eine verdeckte Finanzierung noch ein bloßer
Austausch der Einlageforderung gegen eine andere schuldrechtliche Forderung der Gesellschaft statt. So
könne es dem Gesellschaftergeschäftsführer als Inferenten nicht verwehrt sein, ein Gehalt für seine
Tätigkeit zu vereinbaren und zu beziehen, auch wenn dies in zeitlichem Zusammenhang mit der
Einlageleistung geschehe. Soweit er oder ein sonstiger Inferent die Einlagemittel nicht für seine
Zwecke „reserviere“, sondern in den Geldkreislauf der Gesellschaft einspeise, sei das – ohnehin nur für
den Betrag der Mindesteinzahlung gem.
Einzahlung zu „endgültig freier Verfügung der Geschäftsführer“ (
berührt. Dieses Erfordernis ist erfüllt, wenn die Leistung aus dem Vermögen des Inferenten
ausgeschieden und der GmbH derart zugeflossen ist, dass sie uneingeschränkt für Zwecke der
Gesellschaft verwendet werden kann. Zu Zwecken der GmbH werden dem BGH zufolge Einlagemittel
auch dann verwendet, wenn sie ihr erbrachte Dienstleistungen eines Gesellschafters bezahlt, die sie
ansonsten anderweitig hätte einkaufen müssen. Der BGH verweist dabei auf seine frühere
Rechtsprechung, wonach schuldrechtliche Verwendungsabsprachen, durch welche die Geschäftsführung
der Gesellschaft verpflichtet wird, mit den Einlagemitteln in bestimmter Weise zu verfahren, aus der Sicht
der Kapitalaufbringung unschädlich sind, wenn sie allein der Umsetzung von Investitionsentscheidungen
der Gesellschafter oder sonstiger ihrer Weisung unterliegender geschäftspolitischer Zwecke dienen.
Anders sei es nur, wenn die Abrede dahin gehe, die Einlagemittel unter Umgehung der
Kapitalaufbringungsregeln wieder an den Einleger zurückfließen zu lassen. Das betreffe insbesondere
Rückflüsse als Darlehen und im Rahmen einer verdeckten Sacheinlage. Im vorliegenden Fall seien die
Einlagemittel nicht für die Beklagte „reserviert“ worden, um deren Forderungen aus dem Media-Vertrag
zu begleichen. Vielmehr habe die Gesellschaft mit den eingezahlten Mitteln in jeder Weise arbeiten und
über diese verfügen können. Hinzu komme, dass der Media-Vertrag keine Abnahmeverpflichtung,
sondern nur ein Abrufrecht der Gesellschaft hinsichtlich der Leistungen der Beklagten vorgesehen habe.
Nach alledem hatte die Beklagte ihre Einlageverpflichtung als Inferentin wirksam erfüllt (
Für die notarielle Praxis besonders bedeutsam ist schließlich das obiter dictum des BGH, dass die
Einlageschuld ist.
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Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:15.02.2009
Aktenzeichen:II ZR 120/07 „Qivive“
Rechtsgebiete:
Aktiengesellschaft (AG)
GmbH
DNotI-Report 2009, 78-79
BGHZ 180, 38-50
DNotZ 2009, 766-771
NJW 2009, 2375-2378
NotBZ 2009, 220-221
AktG § 27 Abs. 2 Hs. 2; GmbHG § 19 Abs. 4, 5 n. F.