OLG Düsseldorf 01. April 2020
3 Wx 12/20
GBO §§ 29, 35 Abs. 1 S. 2 Var. 1; BGB § 2249; BeurkG § 13 Abs. 1 S. 1-3

Wirksamkeit eines Nottestaments trotz Fehlen von Verlesungsvermerk, Genehmigung und Unterschrift des Erblassers

letzte Aktualisierung: 25.11.2020
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.4.2020 – 3 Wx 12/20

GBO §§ 29, 35 Abs. 1 S. 2 Var. 1; BGB § 2249; BeurkG § 13 Abs. 1 S. 1-3
Wirksamkeit eines Nottestaments trotz Fehlen von Verlesungsvermerk, Genehmigung und
Unterschrift des Erblassers

1. Ein „vor dem Allgemeinen Vertreter des Bürgermeisters ... sowie den beiden unabhängigen und
nicht im Testament bedachten Zeugen ...“ errichtetes, von sämtlichen Beteiligten unterzeichnetes
„Nottestament vor dem Bürgermeister nach § 2249 BGB“ ist nicht deshalb unwirksam, weil in der
Niederschrift – entgegen der Soll-Vorschrift des § 13 Abs. 1 Satz 2 BeurkG – der Vermerk fehlt,
dass das Testament dem Erblasser vorgelesen, von ihm genehmigt und unterschrieben wurde.
2. Dem Antragsteller des Berichtigungsantrages aufgrund Erbfolge kann das Grundbuchamt nicht im
Wege der Zwischenverfügung aufgeben (gar in der Form des § 29 GBO) nachzuweisen, dass die
gesetzliche Vermutung des § 13 Abs. 1 Satz 3 BeurkG nicht widerlegt sei.

Gründe:

I.
Der am 3. Okt. 2019 verstorbene Eigentümer des in Rede stehenden Grundbesitzes hat am
28. Sept. 2019 ein „Nottestament vor dem Bürgermeister nach § 2249 BGB“ errichtet und
darin verfügt:

„1. Frau ... erhält aus meinem Eigentum in bar 5.000 €.
2. Frau ... erhält aus meinem Eigentum auch in bar 5.000 €.
3. B+T (die Beteiligten) ... erhalten mein sämtliches anderes Eigentum.“

Weiter heißt es in der Urkunde, das Nottestament sei vor dem Allgemeinen Vertreter des
Bürgermeisters ... sowie den beiden unabhängigen und nicht im Testament bedachten
Zeugen ... errichtet.

Unterzeichnet ist das Testament vom Erblasser, dem Vertreter des Bürgermeisters und den
beiden Zeugen.

Am 16. Dez. 2019 hat der beteiligte Ehemann angetragen, das Grundbuch aufgrund Erbfolge
zu berichtigen.

Mit Zwischenverfügung vom 6. Jan. 2020 hat das Grundbuchamt um Vorlage eines
Erbscheins gebeten. Das Nottestament sei formnichtig, weil der Vermerk fehle, dass es dem
Erblasser vorgelesen, von ihm genehmigt und unterschrieben wurde.

Der beteiligte Ehemann hat sich dagegen beschwert. Auch wenn Formfehler unterlaufen
seien, stehe dies nach § 2249 Abs. 6 BGB der Wirksamkeit der Beurkundung nicht entgegen,
wenn – wie hier – mit Sicherheit anzunehmen sei, dass das Testament eine zuverlässige
Wiedergabe der Erklärung des Erblassers enthalte.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie mit Beschluss vom 17. Jan.
2020 dem Senat vorgelegt. Grundsätzlich sei ein – wirksames – Nottestament als Nachweis
der Erbfolge gem. § 35 GBO geeignet. Der unterlassene Vermerk bedeute aber einen
unheilbaren Formverstoß.

Hiergegen hat sich der beteiligte Ehemann erneut beschwert. Nach § 13 Abs. 1 Satz 3
BeurkG werde vermutet, dass die Niederschrift vorgelesen und genehmigt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Grundakte und der beigezogenen
Nachlassakte – 26 IV 709/19 AG Geldern – Bezug genommen.

II.
Die gemäß §§ 18 Abs. 1, 71 Abs. 1, 72, 73 GBO zulässige Beschwerde gegen die
Zwischenverfügung ist dem Senat nach der vom Amtsgericht erklärten Nichtabhilfe zur
Entscheidung angefallen, § 75 GBO. Der darüber hinaus auch gegen den Nichtabhilfe- und
Vorlagebeschluss erneut eingelegten Beschwerde kommt keine eigenständige Bedeutung zu.
Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Die Erbfolge der Beteiligten beruht auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer
öffentliche Urkunde enthalten ist, nämlich dem Nottestament vom 28. Sept. 2019, § 35 Abs. 1
Satz 2 1. Alt. GBO (Demharter, GBO, 31. Aufl., § 35, RdNr. 34).

Zu Unrecht erachtet das Grundbuchamt die Erbfolge durch diese Urkunde deshalb für nicht
nachgewiesen, weil das Nottestament formunwirksam sei. Allerdings hat das Grundbuchamt
die Verfügung von Todes wegen (auch) auf ihre Formgültigkeit zu prüfen (Demharter, a.a.O.,
RdNr. 42). Die Bedenken gegen die Formwirksamkeit des Nottestaments vom 28. Sept. 2019
greifen jedoch nicht durch.

Nach §§ 2249 Abs. 1 Satz 4 BGB, 13 Abs. 1 Satz 1 BeurkG muss die Niederschrift des
Nottestaments in Gegenwart des Bürgermeisters dem Erblasser vorgelesen, von ihm
genehmigt und eigenhändig unterschrieben werden. Dass dies geschehen ist, soll in der
Niederschrift festgestellt werden, §§ 2249 Abs. 1 Satz 4 BGB, 13 Abs. 1 Satz 2 BeurkG. An
einer solchen Feststellung – dies hat das Grundbuchamt richtig erkannt – fehlt es hier.
Dadurch wird zwar die Soll-Vorschrift des § 13 Abs. 1 Satz 2 BeurkG verletzt; das bewirkt
jedoch nicht die Unwirksamkeit des Nottestaments. Das folgt auch nicht aus der vom
Grundbuchamt angeführten Kommentierung bei Palandt (Palandt/Weidlich, BGB, 79. Aufl., §
2249, RdNr. 11). Dort heißt es, unheilbar und zur Nichtigkeit führend sei die Nichtbeachtung
wesentlicher Erfordernisse des Errichtungsaktes wie ... ihre Vorlesung oder Genehmigung
durch den Erblasser unterbleibt. Dem entspricht die Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes, wonach es zu den zwingenden Erfordernissen für ein wirksames
Nottestament gehört, dass die Niederschrift über die Erklärung des Erblassers diesem
vorgelesen und von ihm genehmigt wird (BGHZ 115, 169 = NJW 1991, 3210, 3211 unter
Hinweis auf BGH NJW 1970, 1601). All dies besagt jedoch nichts über die Frage der
Rechtsfolge des Fehlens der Feststellung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 BeurkG.

Jedenfalls kann aus dem Fehlen dieser Feststellung nicht ohne weiteres geschlossen
werden, dass bei der Errichtung des Nottestaments die wesentlichen
Wirksamkeitsvoraussetzungen nicht beachtet worden seien. Ein Verstoß – allein – gegen die
Vermerkpflicht des § 13 Abs. 1 Satz 2 BeurkG lässt vielmehr die Formwirksamkeit der
Urkunde unberührt (Seebach/Rachlitz, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BeckOGK § 13
BeurkG, RdNrn. 207 + 14).

Dafür, dass das Verlesen der Niederschrift und deren Genehmigung durch den Erblasser als
zwingende Erfordernisse des Errichtungsaktes beachtet worden sind, spricht hier – worauf
die Beschwerde mit Recht hinweist – schon die gesetzliche Vermutung des § 13 Abs. 1 Satz
3 BeurkG. Sie greift, wenn die Beteiligten die Niederschrift eigenhändig unterschrieben
haben. Diese Vermutung ist zwar keine gesetzliche Fiktion und daher grundsätzlich
widerleglich (dies. a.a.O., RdNr. 156). Es sind jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich, die die
Vermutungswirkung entkräften würden. Im Wege der Zwischenverfügung kann dem
Antragsteller eines Berichtigungsantrages aber nicht aufgegeben werden, (gar in der Form
des § 29 GBO) nachzuweisen, dass eine gesetzliche Vermutung nicht widerlegt sei; dies liefe
Sinn und Zweck einer derartigen Vermutung erkennbar zuwider.

Eine Kostenentscheidung und somit eine Wertfestsetzung sind nicht veranlasst, gleiches gilt
für die Zulassung der Rechtsbeschwerde.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Düsseldorf

Erscheinungsdatum:

01.04.2020

Aktenzeichen:

3 Wx 12/20

Rechtsgebiete:

Beurkundungsverfahren
Grundbuchrecht
Testamentsform

Erschienen in:

NJW-RR 2020, 837

Normen in Titel:

GBO §§ 29, 35 Abs. 1 S. 2 Var. 1; BGB § 2249; BeurkG § 13 Abs. 1 S. 1-3