Mindestanforderungen an ein Nachlassverzeichnis gemäß § 2314 BGB
Mindestanforderungen an ein Nachlassverzeichnis gemäß § 2314 BGB OLG Hamburg, Urteil vom 28.9.2016, 2 U 29/15
BGB §§ 242, 260 Abs. 1, §§ 2311, 2314 Abs. 1, § 2325
GKG § 44
ZPO § 540 Abs. 1, § 543 Abs. 2
Leitsätze:
1. Im Rahmen des § 2314 BGB besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Berichtigung oder Vervollständigung einer seitens des Auskunftspflichtigen als abschließend angesehenen Auflistung von Vermögensgegenständen, vielmehr ist der Auskunftsberechtigte auf den Weg der eidesstattlichen Versicherung zu verweisen. Ausnahmen kommen zum Beispiel in Betracht, wenn der Verpflichtete rechtsirrig einen Vermögensgegenstand nicht dem Nachlass zugerechnet hat oder bestimmte Vermögensteile erkennbar noch nicht gegenstand der Auskunft waren.
2. Eine (zeitraumbezogene) Rechnungslegungspflicht besteht im Rahmen des § 2314 BGB nicht.
3. Der auskunftspflichtige Erbe muss im Rahmen des § 2314 BGB dem Pflichtteilsberechtigten bei Vorliegen gewisser Anhaltspunkte für eine unentgeltliche Zuwendung die näheren Umstände der Zuwendung offenlegen, damit dieser prüfen kann, ob es sich dabei um eine Schenkung im Rechtssinne handelt; der Erbe darf die entsprechende rechtliche Würdigung nicht vorwegnehmen.
Sachverhalt:
(…)
2 Die Erblasserin verstarb am 13.10.2011. Die Beklagte hat auf Verlangen der Kläger vorprozessual zunächst persönlich ein Nachlassverzeichnis erstellt. Auf weiteres Verlangen ließ sie sodann das notarielle Nachlassverzeichnis vom 12.3.12 erstellen. Darüber hinaus erklärte sie, dass weitergehende ergänzungs- und ausgleichspflichtige Zuwendungen nicht bekannt seien.
3 Mit der Stufenklage begehren die Kläger in der ersten Stufe wiederum von der Beklagten die Auskunftserteilung durch Nachlassverzeichnis mit Nachweisen und Belegen.
4 Das LG hat die Klage auf der ersten Stufe durch Teilurteil abgewiesen, weil der Auskunftsanspruch aus § 2314 Abs. 1 BGB erfüllt sei. Zur Begründung ist ausgeführt, die Kläger machten nicht geltend, dass das Verzeichnis erkennbar unvollständig sei, also Lücken enthalte. Nur in diesem Falle bestünde ein Anspruch auf ergänzende Auskunft. Die Kläger machten vielmehr inhaltliche Unrichtigkeit geltend. Dies sei jedoch nicht Gegenstand der ersten Stufe der Klage. Die Auskunft gestatte keine Nachprüfung, um den Wahrheitsgehalt erfüllter Informationen zu kontrollieren. Belege müssten ebenfalls nicht vorgelegt werden. Denn eine allgemeine Pflicht zur Vorlage von Belegen nur zur Kontrolle der Angaben des Auskunftspflichtigen finde in § 2314 BGB keine Stütze. Das gesetzliche Mittel zur Verifizierung der Angaben sei vielmehr die eidesstattliche Versicherung. Im Rahmen von § 2314 Abs. 1 BGB sei die Vorlage von Belegen nur ausnahmsweise geschuldet, wenn der Wert der Nachlassgegenstände ungewiss sei, also in Fällen, in denen die Vorlage von Belegen notwendig sei, damit der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch berechnen könne. Hier gehe es nur darum, dass die Kläger den Angaben der Beklagten misstrauten.
5 Mit der Berufung verfolgen die Kläger ihren erstinstanzlichen Antrag unverändert weiter.
6 Die Kläger machen geltend, sie benötigten die Belege, weil gravierende Zweifel an der Berechnungsgrundlage bestünden, die dem Pflichtteilsanspruch zugrunde liege. Durch die Verknüpfung zwischen Erbenstellung, Generalbevollmächtigtenstellung und Betreuerstellung sei es der Beklagten möglich gewesen, diverse Vermögensverfügungen zu treffen, die aufgrund der undurchsichtigen Abrechnungen gegenüber dem Betreuungsgericht keinen Eingang mehr in das notarielle Nachlassverzeichnis gefunden hätten. Das notarielle Nachlassverzeichnis genüge nicht. Ein notarielles Nachlassverzeichnis solle eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft als das Privatverzeichnis des Pflichtteilsberechtigten bieten. Ein Notar müsse dementsprechend den Nachlass selbst und eigenständig ermitteln und durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen, den Inhalt zu verantworten. Die Wiedergabe der Erklärung des Erben genüge nicht. Jedenfalls bei konkreten Anhaltspunkten müsse er selbst ermitteln und den Nachlassbestand feststellen. Maßstab hierfür sei, welche naheliegenden Nachforschungen ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich hielte.
7 Es gehe vorliegend nicht um inhaltliche Unrichtigkeiten, sondern um Auslassungen und Lückenhaftigkeiten. So habe die Beklagte eingeräumt, dass in der Abrechnung an das Betreuungsgericht Additionsfehler enthalten seien, dass Überträge nicht mit eingerechnet worden seien sowie die Aufstellung der Ein- und Ausnahmen unvollständig gewesen seien. Dies habe die Beklagte vor dem LG nicht erklären können. Ferner hätten Umbuchungen nicht erklärt werden können. Die Angabe, die Erblasserin habe alle Rechnungen bar bezahlt, sei unglaubhaft, weil die Erblasserin bereits seit dem Jahr 2008 kein Geld und keine Papiere im Haus gehabt habe.
8 Somit sei klar, dass das notarielle Nachlassverzeichnis unrichtig und lückenhaft sei, weil es wesentliche Teile des Vermögens der Erblasserin nicht enthalte. Durch Falschangaben und Additionsfehler sei das notarielle Nachlassverzeichnis unbrauchbar und lückenhaft. Ferner fehlten in dem notariellen Nachlassverzeichnis die Summen aus den in der Betreuungsabrechnung vergessenen Überträgen und Additionen sowie Einnahmen von Juni 2010 bis Juni 2011. 320.497,84 € seien nur in der Betreuungsabrechnung an das Gericht enthalten, nicht aber in dem notariellen Verzeichnis. Diese Einnahmen und die Ausgaben in Höhe von 252.330,71 € seien nicht nachvollziehbar.
9 Die Beklagte habe nicht deutlich gemacht, dass die Erblasserin über eine monatliche Rente von ca. 1.100 € plus Zahlungen aus der Pflegekasse verfügt habe. Die genannten Ausgaben und Einnahmen seien schlichtweg nicht zu erklären.
(…)
14 Die Beklagte meint, das Bestands- und Vermögensverzeichnis gemäß § 2314 BGB habe das Vermögen mit Stand zum Todeszeitpunkt des Erblassers zu dokumentieren und dieser Verpflichtung sei die Beklagte vollumfänglich nachgekommen. Dem selbst erstellten Verzeichnis habe die Beklagte ohne rechtliche Verpflichtung entsprechende Belege zu den einzeln aufgeführten Vermögenspositionen beigefügt. Belege für die nachfolgenden Zahlungsein- und -ausgänge seien den Klägern übersandt worden. Dem Verlangen nach einem notariellen Nachlassverzeichnis sei die Beklagte nachgekommen. Gegen dieses hätten die Kläger keinerlei Einwände erhoben. Es sei auch nicht ersichtlich, welche Nachforschungen ein Notar hätte anstellen sollen. Der überschaubare Nachlass der Erblasserin habe aus drei Konten bei der (...), einer Forderung gegen die (…) sowie Hausrat bestanden. Nachdem die Abrechnung gegenüber dem Betreuungsgericht und dessen Prüfvermerk vorgelegen hätten, wonach die Kontostände zum Todestag als geprüft angegeben sei, hätte sich kein objektiver Dritter veranlasst gesehen, weitere Nachforschungen anzustellen.
15 Gegenstand der Vorwürfe der Kläger sei lediglich die Behauptung der Kläger, dass die Beklagte sich in der Zeit ihrer Betreuertätigkeit auf Kosten der Erblasserin bereichert habe. Gerade deshalb habe sich die Beklagte der Kontrolle des Betreuungsgerichts unterworfen.
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16 Der Rüge zu den vergessenen Summen aus Überträgen und Additionen sowie Einnahmen von Juni 2010 bis Juni 2011 liege eine Fehlvorstellung der Kläger zugrunde. Die angegebenen Einnahmen und Ausgaben stellten die Summen der Transaktionen auf den Konten und der Barverfügungen dar. Abrechnerische Einnahmen aus Umbuchungen zwischen zwei Konten führten aber nicht zu einem tatsächlichen Vermögenszuwachs.
(…)
Aus den Gründen:
19 Die Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das angefochtene Urteil leidet nicht an einem Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1 ZPO). Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das LG den Auskunftsanspruch der Kläger verneint. Soweit ein Auskunftsanspruch aus § 2314 Abs. 1 BGB bestand, ist er durch die erteilten Auskünfte erfüllt worden und somit erloschen. Ein darüber hinausgehender Anspruch, etwa aus § 242 BGB besteht nicht.
20 Mit der Berufung verkennen die Kläger, dass die vermeintliche Unrichtigkeit einer bereits erteilten Auskunft nicht zu einem neuen Auskunftsanspruch führt. Daran ändert der Umstand nichts, dass die Kläger die Abrechnung der Beklagten gegenüber dem Betreuungsgericht für falsch halten und davon ausgehen, gerade die Unrichtigkeit dieser Abrechnungen hätte zu einer falschen Auskunft der Beklagten gegenüber den Klägern geführt. Sie verkennen ferner, dass eine erneute Auskunft auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Lückenhaftigkeit verlangt werden kann und dass Belege über einzelne Verfügungen der Erblasserin bzw. der Beklagten in ihrer Eigenschaft als Betreuerin nicht verlangt werden können, weil die Beklagte keine Rechnungslegung schuldet. Im Einzelnen:
21 I. Zweifelhaft ist bereits, ob die Kläger ein weiteres privates Bestandsverzeichnis verlangen können, nachdem sie bereits ein notarielles bekommen haben.
22 Die Ansprüche auf Aufnahme eines privaten oder amtlichen Verzeichnisses bestehen kumulativ und nicht etwa nur wahlweise alternativ nebeneinander. Das notarielle Verzeichnis kann ohne weitere Voraussetzungen verlangt werden, weil es für den Pflichtteilsberechtigten eine höhere Richtigkeitsgewähr hat als das private (Staudinger/Herzog, Neub. 2015, § 2314 Rdnr. 58). Hat aber der Erbe zunächst ein amtliches Verzeichnis erstellt, entfällt nach der Rechtsprechung des BGH ein Anspruch auf ein privates Verzeichnis, weil ein solches Verlangen regelmäßig rechtsmissbräuchlich sein wird (
23 Daraus folgt: Hat ein Pflichtteilsberechtigter nach einem (für ungenügend erachteten) privaten Bestandsverzeichnis ein notarielles Bestandsverzeichnis bekommen, so ist er darauf zu verweisen, bei behaupteten Mängeln im Hinblick auf dieses notarielle Verzeichnis weitere Maßnahmen zu ergreifen. Das neuerliche Verlangen eines privaten Bestandsverzeichnisses ist rechtsmissbräuchlich.
(…)
27 Hinsichtlich des geforderten Bestandsverzeichnisses in seinen Einzelheiten gilt Entsprechendes. Die Kläger erachten die Auskunft dahin gehend als nicht ausreichend, weitere als die im privaten und notariellen Verzeichnis genannten Vermögenswerte seien nicht vorhanden gewesen und etwaige Zuwendungen habe es nicht gegeben. Sie führen selbst bestimmte, aus ihrer Sicht zweifelhafte Abhebungen, Buchungen usw. an und leiten daraus den Verdacht ab, es müsse noch bisher nicht genannte Konten bzw. Forderungen geben und/ oder es habe ausgleichspflichtige Zuwendungen gegeben. Dann aber wäre es an den Klägern, die noch geforderten Informationen konkret zu benennen. Mit der unveränderten, ganz allgemein gehaltenen Formulierung verschleiern die Kläger letztlich, dass sie nur zufrieden wären mit einer lückenlosen Rechnungslegung, insbesondere der Mittelverwendung aus den Barabhebungen.
28 III. Jedenfalls ist der Auskunftsanspruch der Kläger durch die beiden erteilten Auskünfte verbunden mit der zusätzliches Auskunft, ausgleichspflichtige Zuwendungen seien nicht bekannt, erfüllt und der Anspruch erloschen (§ 362 BGB).
29 1. Der Anspruch aus § 2314 Abs. 1 BGB ist auf die Weitergabe von Wissen über den Umfang des Nachlassbestandes gerichtet und über die Verweisung auf § 260 BGB auf Vorlage eines Bestandsverzeichnisses über den Nachlass zum Stichtag des Todes gemäß § 2311 BGB (Staudinger/Herzog, § 2314 Rdnr. 1, 10). Es geht darum, dem Berechtigten die wesentlichen Berechnungsfaktoren zur Verfügung zu stellen, damit der Pflichtteilsanspruch geprüft und berechnet werden kann. Darin unterscheiden sich ein privates und amtliches Verzeichnis nicht (Staudinger/Herzog, a. a. O., Rdnr. 11).
30 Erfasst werden muss der reale Nachlass, d. h. sämtliche Einzelposten auf der Aktiv- und Passivseite zum Zeitpunkt des Erbfalls. Darüber hinaus erstreckt sich der Auskunftsanspruch bei besonderem Verlangen auch auf den fiktiven Nachlass, d. h. anrechnungs- und ausgleichspflichtige Zuwendungen und pflichtteilsergänzungsrelevante Vorgänge (Staudinger/ Herzog, a. a. O., Rdnr. 16 ff.).
31 2. Erfüllung durch Auskunftserteilung setzt voraus, dass das Verzeichnis den Formalanforderungen des § 260 Abs. 1 BGB entspricht (Staudinger/Herzog, a. a. O., Rdnr. 91, 85). Die Auskunft ist zu erteilen durch Vorlage eines schriftlichen Bestands- und Vermögensverzeichnisses über alle Aktiv- und Passivwerte, das den Stand des hinterlassenen Vermögens zum Todeszeitpunkt dokumentiert. Es muss – bezogen auf den Todeszeitpunkt – eine geordnete und nachprüfbare Zusammenstellung der dem Nachlass zugehörigen Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten enthalten, die dem Pflichtteilsberechtigten als Grundlage für die Berechnung des Nachlasses dienen können (
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32 Sowohl das hier erteilte private als auch das darüber hinaus erteilte notarielle Verzeichnis sind jedes für sich in formaler Hinsicht zur Erfüllung geeignet, weil sie in einem Gesamtverzeichnis eine geordnete Zusammenstellung nach Aktiva und Passiva enthalten (vgl. im Einzelnen Staudinger/Herzog, a. a. O., Rdnr. 61 ff.), was auch die Kläger nicht bezweifeln. Es handelt sich nicht etwa um lückenhafte Teilverzeichnisse.
33 Im hier letztlich für die Erfüllung maßgeblichen notariellen Verzeichnis hat der Notar nicht etwa nur eine Erklärung der Erbin ungeprüft protokolliert, sondern das Ergebnis eigener Prüfung festgestellt und zum Ausdruck gebracht, selbst für den Inhalt verantwortlich zu sein, wie es von der Rechtsprechung gefordert ist.
34 Der Notar entscheidet kraft seines Amtes nach eigenem Ermessen unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände, welche Ermittlungen er vornimmt. Zwar mögen die Grenzen dessen, was der Notar eigenständig ermitteln muss, im Einzelnen fließend sein. Angesichts des Umstands, dass dem Notar die Prüfung der Betreuungstätigkeit der Beklagten durch das Betreuungsgericht vorlag, ist vorliegend jedoch nicht ersichtlich, welche eigenen Nachforschungen der Notar noch hätte vornehmen können und müssen. Insbesondere die Nachforschung bei Kreditinstituten und Grundbuchämtern durfte ihm vor dem tatsächlichen Hintergrund einer unter gerichtlicher Aufsicht stehenden Betreuung entbehrlich erscheinen (vgl. OLG Köln, 2 W 32/12, nach juris Rdnr. 9: Ohne entsprechende Anhaltspunkte keine Verpflichtung des Notars, bei einzelnen Geldinstituten in der Nähe des Wohnsitzes des Erblassers Nachfrage nach Konten zu halten). Erst recht ist nicht ersichtlich, aus welchem Grunde er etwa die Kontobewegungen der letzten zehn Jahre oder die Mittelverwendung bei Barabhebungen hätte prüfen müssen (vgl. OLG Thüringen, 1 W 9/16, nach juris Rdnr. 11, 13 m. w. N.). Das OLG Koblenz hat insofern zu Recht ausgeführt, dass die – im dortigen Fall zusammengestellten – denkbaren Ermittlungstätigkeiten weder abschließend sind noch einen Mindeststandard darstellen (2 W 495/13, nach juris Rdnr. 21-28). Im Hinblick auf den fiktiven Nachlass hatte der Notar ebenfalls keine konkreten Anhaltspunkte für weitere eigene Ermittlungen, weil ihm die Abrechnungen gegenüber dem Betreuungsgericht vorlagen und sich keine wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen der Erblasserin und der Beklagten aufdrängten (vgl. insofern zu einem anders zu beurteilenden Sachverhalt OLG Bamberg, 2 W 42/16, nach juris Rdnr. 14, 25: Umschichtungen auf ein gemeinsames Depot, Einrichtung eigener Depotkonten des Auskunftsverpflichteten).
35 Es kann im Ergebnis nicht die Rede davon sein, der Auskunftsanspruch sei insgesamt noch nicht ordnungsgemäß erfüllt. Abgesehen davon ist zu wiederholen, dass etwaige Mängel des notariellen Verzeichnisses nicht zu einem Anspruch auf ein neues privates Verzeichnis führen (siehe oben Ziffer I.).
36 3. Ein Erfüllungsanspruch besteht auch nicht unter dem Gesichtspunkt der angeblichen Unrichtigkeit und/oder Lückenhaftigkeit.
37 Ein Anspruch auf Berichtigung oder Vervollständigung/ Ergänzung eines Verzeichnisses, das nach § 2314 aufgestellt ist, wird vom BGH und der ganz herrschenden Meinung im Grundsatz abgelehnt und der Pflichtteilsberechtigte auf den Weg der eidesstattlichen Versicherung verwiesen (Nachweise bei Staudinger/Herzog, a. a. O., Rdnr. 84; Meyer/Süß, Handbuch des Pflichtteilsrechts, 3. Aufl. 2013, § 14 Rdnr. 141).
38 Auch eine inhaltlich unrichtige Auskunft ist eine erfüllungstaugliche Auskunft und Berichtigung kann nicht deshalb verlangt werden, weil der Pflichtteilsberechtigte die Auskunft für unrichtig hält.
39 Hält der Pflichtteilsberechtigte das Verzeichnis für unvollständig, der Auskunftsverpflichtete aber für vollständig, kann letzterer nicht verpflichtet werden, Gegenstände aufzunehmen, die seiner Ansicht nach oder seiner Kenntnis nach weder zum tatsächlichen noch zum fiktiven Nachlassbestand zählen. Letztlich bleibt zur Absicherung des Pflichtteilsberechtigten auch insofern nur die eidesstattliche Versicherung (Staudinger/ Herzog, a. a. O., Rdnr. 84).
40 Diese dem Auskunftsanspruch immanente Beschränkung können die Kläger nicht umgehen, indem sie nicht Ergänzung, sondern vollständige Neuerteilung verlangen.
41 Ein Anspruch auf Ergänzung kann sich nur ausnahmsweise dort ergeben, wo bei der Erstellung des Verzeichnisses die erforderliche Sorgfalt gewahrt wurde und das Verzeichnis dennoch unrichtig ist. Dazu gehören etwa Fälle, in denen ein bestimmter Vermögensteil ganz ausgelassen wurde, weil zum Beispiel der Verpflichtete rechtsirrig glaubte, ein Gegenstand gehöre nicht in den Nachlass, sodass bestimmte Vermögensteile noch gar nicht Gegenstand der Auskunft waren, also bei einer solcherart erkennbar unvollständigen Auskunft (MünchKomm-BGB/Lange, 6. Aufl. 2013, § 2314 Rdnr. 25; Meyer/Süß/Lange, § 9 Rdnr. 33; OLG Karlsruhe, 8 U 187/13, nach juris Rdnr. 42 m. w. N.; OLG Schleswig, 3 W 81/10, nach juris Rdnr. 9 m. w. N.; allg. Palandt/Grünberg, 74. Aufl. 2015, § 260 Rdnr. 16 m. w. N.).
42 Ein solcher Fall liegt aber nicht vor.
43 Ausgehend vom Vortrag der Kläger geht es ihnen einerseits um den realen Nachlass: Sie meinen, die Beklagte habe durch Umbuchungen auf teilweise unbekannte oder bereits aufgelöste Konten den wahren Vermögensbestand (…) verschleiert, damit die Konten (…) keine Guthaben mehr auswiesen. Ferner seien der Erblasserin Summen vorenthalten worden, nämlich (…), Bausparvertrag, Schatzsparen, Abhebungen, Umbuchungen und Auflösungen. Die Kläger leiten daraus ab, sie könnten neue Auskunft über die „finalen Kontostände“ verlangen und sie hätten deshalb „Ausgleichsansprüche“, weil die Nachlassverzeichnisse nicht den tatsächlichen Vermögensbestand der Erblasserin am Todestag wiedergäben.
44 In rechtlichen Kategorien geht es bei all dem um die Möglichkeit, dass sich beim Erbfall noch irgendwo gegenständliches Vermögen der Erblasserin befand (etwa ein nicht offengelegtes Konto/Sparbuch auf den Namen der Erblasserin) oder aber eine Forderung der Erblasserin bestand (etwa eine Schadensersatzforderung wegen pflichtwidriger Tätigkeit als Betreuerin oder eine Rückzahlungsforderung der Erblasserin gegen die Beklagte wegen unrechtmäßiger Entwendung von Kontobeständen, sei es durch Abhebung, sei es durch „Umbuchung“).
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45 Andererseits geht es den Klägern um den fiktiven Nachlass gemäß § 2325 BGB im Hinblick auf von ihnen vermutete ergänzungspflichtige lebzeitige Schenkungen der Erblasserin an die Beklagte. Solche vermuten die Kläger wiederum in den „Umbuchungen“ bzw. Abhebungen.
46 Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass die Kläger zuweilen in jeweils ein- und demselben Vorgang wahlweise einen im Innenverhältnis unrechtmäßigen Zugriff der Beklagten auf Konten der Erblasserin und von der Erblasserin gewollte ergänzungspflichtige Schenkungen vermuten. Für beide Konstellationen verlangen die Kläger der Sache nach eine Entlastung der Beklagten von einem Verdacht durch Belegvorlage und Rechenschaftslegung über die Vermögensverwendung. Eine bloße Verdachtsausforschung ist aber nach ganz herrschender Meinung nicht vom Zweck des § 2314 Abs. 1 BGB umfasst:
47 a) Was den realen Nachlass angeht, beinhalten die beiden erteilten Auskünfte zugleich die Angabe, dass es weitere Konten und Vermögenswerte der Erblasserin zum Stichtag nicht gab und dass auch keine Forderungen der Erblasserin gegen die Beklagte bestanden. Damit hat es sein Bewenden. Es kann keine Ergänzung oder Neuerteilung der Auskunft verlangt werden, weil nicht ersichtlich ist, es könnten tatsächlich vorhandene Vermögensbestandteile nicht in das Verzeichnis aufgenommen worden sein.
48 aa) Die Kläger meinen, das tatsächliche Vermögen der Erblasserin müsse am Stichtag höher gewesen sein, weil die Abrechnungen der Beklagten gegenüber dem Betreuungsgericht Additionsfehler enthielten, ein Übertrag des übernommenen Bestandes rechnerisch nicht erfolgt sei und die aufgelisteten Einnahmen und Ausgaben nicht nachvollziehbar seien. Diese Vorstellung ist irrig.
49 Entscheidend ist nur, welches Vermögen auf den Konten vorhanden war. Dieses erhöht sich nicht durch etwaige Rechenfehler (hier zum Beispiel doppelte Addition eines Betrages von 3.717,89 €) oder einen Streit darüber, wie die Abrechnung aufzumachen war (Addition Übertrag ja oder nein). Zum tatsächlichen Kontenbestand zum Ende eines Abrechnungszeitraums hatten die Belege dem Betreuungsgericht vorgelegen. Schon von daher ergäbe weder die Einbeziehung eines Übertrags von einer Abrechnung zur nächsten ein weiteres tatsächliches Vermögen noch würde die Korrektur der doppelten Addition auf ein Verschwinden dieses Betrages hindeuten. Dasselbe gilt für die Fragen der Verbuchung von Einnahmen und Ausgaben bezogen auf die verschiedenen Konten. Wenn sich nach der gewählten buchhalterischen Darstellung Umbuchungen zwischen Konten jeweils sowohl als Einnahmen und Ausgaben mehrerer Konten darstellen, ist offensichtlich, dass es sich nicht um reale Einnahmen der Erblasserin im Sinne eines zusätzlichen Geldzuflusses handeln konnte. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, die Erblasserin habe etwa tatsächliche Einnahmen in Höhe von mehr als 300.000 € gehabt und diese müssten irgendwo zu finden sein.
50 Die Beklagte hat ihre Abrechnung so aufgemacht, wie vom Betreuungsgericht gewünscht und gebilligt. Die von den Klägern monierte Intransparenz ergibt sich aus der Systematik der vom Betreuungsgericht gewünschten Darstellung in den Abrechnungsblättern. Es ist im Rahmen des § 2314 BGB nicht möglich, solange Auskunft zu verlangen, bis eine Abrechnung vorgelegt wird, die der von den Klägern vertretenen Logik entspricht.
51 Insofern ist festzuhalten: Mit dem Argument, die Abrechnung gegenüber dem Betreuungsgericht sei falsch und die Beklagte habe das bezüglich der Additionsfehler eingeräumt, können die Kläger keine neue Auskunft verlangen. Wenn die Kläger (wie in der mündlichen Verhandlung von der Klägervertreterin zusammenfassend ausgeführt) meinen, das Betreuungsgericht hätte die Abrechnungen nicht billigen dürfen, die Abrechnungen der Beklagten seien falsch und hätten demzufolge zu einer falschen, lückenhaften und deshalb nicht verwertbaren Auskunft der Beklagten sowie des Notars geführt, so ist schon die Annahme der Kläger falsch, sie hätten zu entscheiden, wann eine Betreuerabrechnung gegenüber dem Betreuungsgericht richtig oder falsch ist. In keinem Falle aber rechtfertigt sich der Schluss, eine Auskunft sei neu zu erteilen, weil sie wegen falscher Abrechnungsgrundlage inhaltlich falsch sei.
52 bb) Eine Forderung der Erblasserin gegen die Beklagte als Aktivposition im Nachlass hätte bestanden, wenn die Beklagte Gelder veruntreut hätte, der Erblasserin geschuldete Beträge vorenthalten hätte oder sich durch die unterlassene Geltendmachung von Ansprüchen zugunsten der Erblasserin zu deren Lebzeiten schadensersatzpflichtig gemacht hätte. Die erteilten Auskünfte beinhalten die Aussage, dass solche Vorgänge nicht stattgefunden haben. Wenn die Kläger aus den von ihnen geprüften Kontenverläufen bzw. den Abrechnungen gegenüber dem Betreuungsgericht den Verdacht ableiten, die Beklagte habe Gelder der Erblasserin aufgrund der Vollmacht an sich gebracht, so verlangen sie in der Sache nichts anderes als dass die Beklagte, um sich von diesem Verdacht zu entlasten, über die einzelnen Verfügungen und Buchungen Rechnung legen möge.
53 Es entspricht aber ganz herrschender Meinung, dass der Adressat der Auskunftspflicht nach § 2314 Abs. 1 BGB nicht zur Rechnungslegung verpflichtet ist (Nachweise zum Beispiel bei Meyer/Süß/Bittler, a. a. O., § 9 Rdnr. 30; § 14 Rdnr. 132). Nur eine Rechnungslegung aber müsste über die Auskunft zum Bestand per Stichtag hinaus noch weitergehende Informationen in Form einer Aufstellung über Einnahmen und Ausgaben innerhalb einer bestimmten Rechnungsperiode enthalten. Im Rahmen des § 2314 BGB ist gerade nicht Auskunft über die Vermögensentwicklung des Erblassers über einen bestimmten Zeitraum – oder gar im Hinblick auf § 2325 BGB über die letzten zehn Jahre hinweg – geschuldet, sondern nur Auskunft über den Vermögensstand zu dem punktgenauen Stichtag Erbfall sowie im Hinblick auf den fiktiven Nachlass ggf. über bestimmte konkrete Vermögenstransaktionen (Staudinger/Herzog, a. a. O., Rdnr. 31; MünchKomm-BGB/ Lange, a. a. O., Rdnr. 9). Es kann nicht Offenlegung sämtlicher finanzieller Transaktionen bzw. Vermögensdispositionen des Erblassers verlangt werden, denn es geht eben nicht an, eine Rechnungslegungspflicht zum Zwecke der Verdachtsausforschung zu statuieren (OLG Hamm, 10 U 91/11, nach juris Rdnr. 26; OLG Koblenz,
(…)
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55 b) Was den fiktiven Nachlass angeht, hat die Beklagte die Auskunft erteilt, es habe keine ausgleichspflichtigen Zuwendungen gegeben. Diese Auskunft mag richtig oder falsch sein. Jedenfalls ist sie mit Erfüllungswirkung erteilt. Mittel zur Überprüfung der Richtigkeit ist dann allein die eidesstattliche Versicherung, nicht aber eine erneute Auskunft.
56 Voraussetzung für einen Auskunftsanspruch insoweit ist allerdings nicht, dass das Vorliegen einer Schenkung feststeht. Ob der Auskunftsberechtigte Anhaltspunkte für eine Schenkung nachweisen muss, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Jedenfalls bei Bestehen ausreichender Anhaltspunkte für möglicherweise pflichtteilsrelevante Vorgänge muss sich die Auskunft auf alle Umstände erstrecken, deren Kenntnis wesentlich ist für die Beurteilung, ob und in welcher Höhe ein Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend gemacht werden kann (Nachweise bei OLG Karlsruhe, 8 U 187/13, nach juris Rdnr. 24). Richtig ist somit, dass dem Pflichtteilsberechtigten die Umstände einer Zuwendung offenzulegen sind, damit dieser sie nachvollziehen und überprüfen kann. Der Erbe darf die rechtliche Würdigung nicht vorwegnehmen, denn der Pflichtteilsberechtigte soll selbst über den Charakter einer Schenkung befinden können (Staudinger/Herzog, a. a. O., Rdnr. 20).
57 Darin liegt aber nicht die Problematik des Falles, denn es gibt keine Anhaltspunkte für eine tatsächliche Verfügung der Erblasserin an die Beklagte, sei es eine Barschenkung, sei es eine Überweisung, die auf den Charakter einer Schenkung hindeuten könnte. Vielmehr schließen die Kläger aus den ihnen nicht transparenten Abrechnungen der Beklagten als Betreuerin und aus den Barabhebungen, es könnte sich um Schenkungen der Erblasserin an die Beklagte gehandelt haben.
58 Gegenüber diesem bloßen Verdacht schuldet die Beklagte nach den oben gezeigten Grundsätzen indes nicht etwa eine Rechnungslegung über die Verwendung von Mitteln zu Lebzeiten der Erblasserin, um eine Schenkung eines jedweden Betrages ausschließen zu können. Vielmehr bedarf es umgekehrt zur Vermeidung einer unzulässigen Verdachtsausforschung seitens des Pflichtteilsberechtigten gewisser Anhaltspunkte für die von ihm behauptete unentgeltliche Verfügung des Erblassers. Ohne konkrete Anhaltspunkte für eine unentgeltliche Zuwendung, wird keine Auskunft über Kontobewegungen geschuldet (Staudinger/Herzog, a. a. O., Rdnr. 24; MünchKomm-BGB/Lange, a. a. O, Rdnr. 8; Meyer/ Süß/Bittler, a. a. O., § 9 Rdnr. 23). Dasselbe hat für die Verwendung der den Klägern bereits bekannten Barabhebungen zu gelten.
59 Die Kläger können konkrete Anhaltspunkte für eine Schenkung aber gerade nicht benennen, weil sie selbst von rechtsmissbräuchlichem Verhalten der Beklagten ausgehen, also nicht von einer Zuwendungsabsicht der Erblasserin, die Mindestvoraussetzung für eine Schenkung wäre. Zu Recht ist also zu verlangen, dass es Hinweise auf solche Erblasserveräußerungen gibt, deren Umstände die Annahme nahelegen, es handele sich wenigstens zum Teil um eine Schenkung (OLG Hamm, 10 U 91/11, nach juris Rdnr. 23). Mit der Angabe der Beklagten, sie habe keine ausgleichspflichtigen Zuwendungen erhalten, wird also nicht etwa die unzulässige rechtliche Bewertung eines möglicherweise pflichtteilsrelevanten Vorgangs vorweggenommen, sondern die Auskunft erteilt, es habe keinen Zuwendungsvorgang gegeben.
60 4. Mit den vorstehenden Erwägungen entfällt zugleich die Frage der Belegvorlagepflicht. Besteht schon gar nicht die Auskunftspflicht in der Weise wie vom Gläubiger verlangt, entfällt systematisch die daran anknüpfende (vgl. OLG Hamm, a. a. O., nach juris Rdnr. 24) Belegvorlage.
61 Überdies wird von der ganz überwiegenden Meinung eine Belegvorlagepflicht de lege lata verneint mit der Begründung, sie sei mit der Natur des Auskunftsanspruchs nicht vereinbar, weil dieser eben nicht auf Rechnungslegung gerichtet ist. Die geschuldete bloße Auskunft über einen Inbegriff von Gegenständen des Nachlasses gestattet dann keine Nachprüfung über Belege, um den Wahrheitsgehalt erfüllter Informationen zu kontrollieren (Staudinger/Herzog, a. a. O., Rdnr. 32). Vorliegend würde der Sache nach von der Beklagten eine vollständige Rechnungslegung verlangt, wenn sie zum Beweis der Negativtatsache (keine Unterschlagung durch sie, keine Schenkung an sie) Belege über die Kontenverläufe und Mittelverwendungen vorlegen müsste.
62 Die in Rechtsprechung und Literatur genannte Ausnahme, wonach die Vorlage von Belegen und sonstigen Unterlagen verlangt werden kann, wenn es darum geht, dem Pflichtteils-berechtigten die Wertermittlung bezüglich bestimmter Gegenstände oder des Nachlasses insgesamt zu ermöglichen (Stau-dinger/Herzog, a. a. O., Rdnr. 33; Meyer/Süß/Lange, a. a. O., § 9 Rdnr. 30, 31; vgl. auch OLG Karlsruhe, a. a. O., nach juris Rdnr. 24: etwa bei gemischten Schenkungen oder schwer einzuschätzenden Vermögensobjekten wie Unternehmens- oder Gesellschaftsbeteiligungen; OLG Hamm, 10 U 91/11, nach juris Rdnr. 24), liegt hier nicht vor.
(…)
Anmerkung:
Von Notar Stefan Braun, LL.M. (London), Maître en droit (Paris), Erlangen
In der Praxis kommt es immer wieder zu Schwierigkeiten bei der Frage, welche konkreten Ermittlungen ein mit der Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses betrauter Notar vorzunehmen hat. Entsprechend ihrer jeweiligen Interessenlage gehen die Erwartungen des Auskunftsberechtigten und des zur Erteilung der Auskünfte verpflichteten Erben dabei regelmäßig weit auseinander. Während die Auskunftsberechtigten bisweilen davon auszugehen scheinen, ein Notar verfüge über geheimdienstliche oder gar übersinnliche Erkenntnismöglichkeiten, etwa um nach Jahren die Verwendung von vom Konto des Erblassers abgehobenen Barbeträgen nachzuvollziehen oder gar vermutete „schwarze Kassen“ bzw. unbekanntes Immobiliarvermögen im europäischen und außereuropäischen Ausland aufzuspüren, ist es den Auskunftsverpflichteten schon schwer zu vermitteln, dass sie Angaben zum tatsächlichen Nachlassbestand (einschließlich beweglicher Gegenstände) und zu ihnen bekannten Schenkungen des Erblassers machen müssen.
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Eine nicht unerhebliche Anzahl von relativ neuen obergerichtlichen Entscheidungen1 hat hieran – soweit ersichtlich – bislang nicht viel geändert. Probleme bereitet dabei insbesondere die Ermittlung des sog. fiktiven Nachlasses,2 d. h. die Berücksichtigung im Zeitpunkt des Todes bereits aus dem Vermögen des Erblassers ausgeschiedener Gegenstände, die für den Pflichtteil, vor allem für Pflichtteilsergänzungsansprüche, relevant sein könnten. Die vorliegende Entscheidung enthält eine Reihe begrüßenswerter Klarstellungen zu diesem Themenkreis. Dies ist umso erfreulicher, als sich das Gericht eigentlich mit der eingangs seiner Begründung gemachten Feststellung hätte begnügen können, dass nach erfolgter Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses regelmäßig kein neuerliches privates Verzeichnis verlangt werden könne.3 1. kein vom einzelfall gelöstes pflichtermittlungsprogramm Betreffend das Verfahren zur Aufnahme des Nachlassverzeichnisses betont das OLG Hamburg, dass die Gestaltung des Verfahrens Sache des Notars sei, der „kraft seines Amtes nach eigenem Ermessen unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände“ zu entscheiden habe, welche Ermittlungen er vornimmt. Diese mangels konkreter gesetzlicher Vorgaben für die anzustellenden Ermittlungen bestehende Verantwortung des Notars für das Verfahren entspricht seiner inhaltlichen Verantwortung für das Verzeichnis, in dem er seine eigenen Wahrnehmungen und nicht nur die Erklärungen des Erben über den Nachlassbestand niederzulegen hat.4 Das Gericht geht dabei davon aus, dass es keinen von den Umständen des Einzelfalles gelösten (abschließenden) Katalog von stets durchzuführenden Ermittlungshandlungen gibt. Dem ist zuzustimmen: Der in jedem konkreten Fall zu betreibende Ermittlungsaufwand hängt vielmehr immer davon ab, ob und welche Anhaltspunkte es für das Bestehen dem Notar noch nicht bekannter (insbesondere auch fiktiver) Nachlasspositionen gibt. Ein zusätzlicher Ermittlungsaufwand ist dabei umso eher gerechtfertigt, als er zumindest eine gewisse Aussicht auf Erfolg hat. Das OLG Hamburg ist dabei der Auffassung, dass ein bloßer Verdacht, es müsse noch weiterer (fiktiver) Nachlass vorhanden sein, bzw. es habe pflichtteilsergänzungsrelevante Zuwendungen des Erblassers gegeben, zur Begründung weiterer Auskunfts- und Ermittlungspflichten nicht ausreiche.
Dem ist vorbehaltlos zuzustimmen: Wie das Gericht überzeugend darlegt, geht es bei § 2314 Abs. 1 BGB im Grundsatz um eine stichtagsbezogene Auskunft, nicht um eine Auskunft über die Vermögensentwicklung des Erblassers in der Zeit vor dem Erbfall. Die Einbeziehung fiktiver Nachlasspositionen in das Nachlassverzeichnis ändert hieran nichts. Es ist somit nicht Sache des Auskunftsverpflichteten oder des Notars, einen ins Blaue hinein geäußerten Verdacht, es habe nachlassmindernde Schenkungen gegeben, durch eine lückenlose Dokumentation der Vermögensentwicklung des Erblassers zu entkräften. Vielmehr sind Ermittlungen und Auskünfte hierzu nur dann veranlasst, wenn der Notar aufgrund seiner eigenen Ermittlungen oder eines Mindestmaßes an substantiiertem Sachvortrag überhaupt Anhaltspunkte dafür hat, wonach er zu suchen hat.5 Hieraus folgt, dass es – entgegen einer in der Praxis von den rechtlichen Beratern der Auskunftsberechtigten häufig vertretenen Ansicht – nicht in jedem Fall zum Pflichtprogramm des Notars gehört, verdachtsunabhängig sämtliche Kontoauszüge der letzten zehn Jahre im Hinblick auf etwaige unentgeltliche Vorgänge zu überprüfen.6
2. Keine Berechtigung zur Vorwegnahme rechtlicher Bewertungen
Bestehen allerdings über bloße Behauptungen hinausgehende konkrete Anhaltspunkte dafür, dass möglicherweise unentgeltliche Zuwendungen stattgefunden haben, so muss der Auskunftsverpflichtete bzw. beim notariellen Verzeichnis der Notar im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten7 Ermittlungen vornehmen, um den hiermit verbundenen Sachverhalt aufzuklären. Ergeben sich hierbei Umstände, die einen (teilweise) unentgeltlichen Vorgang zumindest nicht von vorneherein unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt undenkbar erscheinen lassen, ist hierüber, d. h über den entsprechenden tatsächlichen Vorgang, Auskunft zu erteilen. Entsprechend der Zielsetzung des Nachlassverzeichnisses, dem Pflichtteilsberechtigten Kenntnis über die tatsächlichen Umstände, die für die Frage des Bestehens und der Höhe eines Pflichtteilsanspruchs relevant sein können, zu verschaffen, dürfen dabei Auskünfte nicht im Hinblick auf eine eigene rechtliche Bewertung unterlassen werden.
Ausdrücklich erwähnt dies das OLG Hamburg zwar nur für rechtliche Bewertungen durch den Erben. Aufgrund des inhaltlichen Gleichlaufs von privatem und notariellem Verzeichnis8 kann für rechtliche Bewertungen durch den ein Nachlassverzeichnis aufnehmenden Notar aber nichts anderes gelten. Auch beim notariellen Verzeichnis geht es um die Ermittlung von tatsächlichen Umständen, nämlich den Bestand des Nachlasses, einschließlich etwaiger fiktiver Nachlasspositionen.9 Es ist dagegen nicht Aufgabe des ein Nachlassverzeichnis aufnehmenden Notars, potenziell
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streitige Rechtsfragen verbindlich zu klären. Sofern ein bestimmter Sachverhalt eine im Rahmen des fiktiven Nachlassbestandes relevante Zuwendung zumindest denkbar erscheinen lässt, ist er somit stets im Nachlassverzeichnis darzustellen. Kommen verschiedene rechtliche Interpretationen des Sachverhaltes in Betracht, sollte der ein Nachlassverzeichnis aufnehmende Notar darauf hinweisen, dass hiermit eine (verbindliche) rechtliche Bewertung als pflichtteilsrelevant nicht verbunden ist. Weder der Auskunftsberechtigte noch der auskunftsverpflichtete Erbe können vom Notar insoweit eine rechtliche Stellungnahme verlangen.
Ebenso wenig wie der auskunftsverpflichtete Erbe kann der Notar unter Verweis auf seine eigene Rechtsauffassung die Aufnahme bestimmter potenziell pflichtteilsrelevanter Zuwendungen in das Nachlassverzeichnis unterlassen. Ergeben die Ermittlungen allerdings keine Anhaltspunkte für irgendwelche Zuwendungen, so genügt eine entsprechende Negativerklärung. Weitere Nachweise dafür, dass diese Erklärung zutrifft, können angesichts der gesetzlichen Systematik im Rahmen des Nachlassverzeichnisses nicht gefordert werden. Vielmehr ist der Auskunftsberechtigte insoweit nach der zutreffenden Auffassung des OLG Hamburg auf das Verlangen einer Versicherung an Eides statt10 verwiesen.
3. Praktische Umsetzung
Um Ermittlungsansätze zu erkennen und deren Erfolgsaussichten klären zu können, empfiehlt es sich, in der Praxis regelmäßig nicht nur den Erben, sondern auch den Auskunftsberechtigten frühzeitig in das Verfahren einzubinden. Im Idealfall gelingt es dadurch, das Ermittlungsprogramm einvernehmlich im Vorfeld der Aufnahme des Verzeichnisses abzustimmen. Auch wenn dies nicht gelingt, stellen die Angaben sowohl des Erben als auch des Auskunftsberechtigten in aller Regel einen geeigneten Ausgangspunkt für die eigenen notariellen Ermittlungen dar. Je nach Art und Umfang des zu verzeichnenden (auch fiktiven) Nachlasses kann es sinnvoll sein, den Auskunftsberechtigten im weiteren Verlauf erneut zu hören. Dies kann dadurch geschehen, dass ihm ein Vorentwurf des Nachlassverzeichnisses mit der Bitte um Stellungnahme übersandt wird und hierbei die bislang vorgenommenen Ermittlungstätigkeiten sowie die Grenzen der notariellen Ermittlungsmöglichkeiten dokumentiert werden.11 Sofern der Auskunftsberechtigte daraufhin konkrete Anhaltspunkte dafür benennt, dass zusätzliche Nachlasspositionen vorhanden sein könnten, muss der Notar versuchen, dies durch geeignete Ermittlungen aufzuklären. Werden demgegenüber lediglich pauschale Behauptungen oder ein bloßer Verdacht, das Verzeichnis sei nicht vollständig, geäußert, begründet dies in Übereinstimmung mit der Auffassung des OLG Hamburg keine Verpflichtung zu weiteren Ermittlungen.
1 Vgl. zuletzt etwa BVerfG, Urteil vom 25.4.2016, 1 BvR 2423/14,
2 Vgl. dazu BGH, Urteil vom 2.11.1960, V ZR 124/59,
3 Vgl. hierzu bereits BGH, Urteil vom 2.11.1960, V ZR 124/59,
4 Näher hierzu Zimmer, NotBZ, 2005, 208;
5 S. Braun,
6 Vgl. hierzu auch S. Braun,
7 Zum Fehlen geeigneter notarieller Ermittlungsbefugnisse näher Litzenburger, Beck FD-
8 BeckOK-BGB/Müller, § 2314 Rdnr. 23 ff. m. w. N.; Palandt/ Weidlich, § 2314 Rdnr. 9 m. w. N.
9 Palandt/Weidlich, § 2314 Rdnr. 9 m. w. N.
10 Vgl. hierzu Palandt/Weidlich, § 2314 Rdnr. 11 m. w. N.
11 Zur Dokumentation der notariellen Ermittlungen im Verzeichnis selbst vgl. Damm,
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Hamburg
Erscheinungsdatum:28.09.2016
Aktenzeichen:2 U 29/15
Rechtsgebiete:Nachlaßabwicklung (insbes. Erbschein, Nachlaßinventar)
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