BGH 31. Januar 2019
III ZR 186/17
GG Art. 14 Abs. 1; FlurbG § 88 Nr. 3 S. 3; EGV 73/2009 Art. 34

Entschädigungsanspruch bei Verlust von Subventionen durch einen enteignenden Zugriff auf ein Grundstück

letzte Aktualisierung: 18.4.2019
BGH, Urt. v. 31.1.2019 – III ZR 186/17

GG Art. 14 Abs. 1; FlurbG § 88 Nr. 3 S. 3; EGV 73/2009 Art. 34
Entschädigungsanspruch bei Verlust von Subventionen durch einen enteignenden Zugriff
auf ein Grundstück

a) Solange das Gesetz einem Einzelnen einen Anspruch auf eine öffentlich-rechtliche Subvention
gewährt, stellt es einen entschädigungspflichtigen Eingriff in eine nach Art. 14 Abs. 1 GG
grundgesetzlich geschützte Rechtsposition dar, wenn dieser Anspruch infolge des enteignenden
Zugriffs auf ein Grundstück oder einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Fortfall
gerät.

b) Entgeht dem Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes aufgrund eines vorläufigen
Besitzentzugs die Möglichkeit, mithilfe der Aktivierung von Zahlungsansprüchen eine
Betriebsprämie nach Art. 34 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates vom 19. Januar 2009 zu
erhalten, stellt dies einen nach § 88 Nr. 3 Satz 3 FlurbG entschädigungsfähigen Nachteil dar.

c) Dies gilt auch dann, wenn ein Betriebsinhaber in der Zeit des Besitzentzugs für die betroffenen
landwirtschaftlichen Flächen über keine Zahlungsansprüche verfügt hat, weil er im Hinblick auf die
hoheitliche Inanspruchnahme von einem ihm tatsächlich möglichen Erwerb von
Zahlungsansprüchen abgesehen hat.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung
des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das
Berufungsgericht.

I.
Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, der Träger eines Unternehmens
habe dem Betroffenen nach § 88 Nr. 3 Satz 3 Flurbereinigungsgesetz (FlurbG)
zwar eine Entschädigung für Nachteile zu zahlen, welche diesem durch den
konkreten Nutzungsentgang aufgrund der vorläufigen Besitzentziehung entstanden
seien. Ersatz zu leisten sei für alle entgangenen Nutzungsvorteile, wozu
auch die sich aus der Aktivierung von Zahlungsansprüchen ergebenden geldwerten
Vorteile zu zählen seien. Da § 88 Nr. 3 Satz 3 FlurbG als Enteignungsentschädigung
ausgestaltet sei, müsse durch die vorläufige Anordnung aber
eine dem Schutz des Art. 14 GG unterfallende Beeinträchtigung eingetreten
sein, wofür das Entgehen bloßer Umsatz- und Gewinnchancen nicht genüge.
Hinsichtlich der Zahlungsansprüche sei die vorauszusetzende gefestigte
Rechtsposition zum Zeitpunkt des Besitzentzugs noch nicht entstanden gewesen.
Zwar sei davon auszugehen, dass der Antragsteller nach dem gewöhnlichen
Lauf der Dinge für die entzogenen Flächen Zahlungsansprüche erworben
und aktiviert hätte. Im Falle der bloßen Möglichkeit zum Erwerb von Zahlungsansprüchen
habe eine im Zeitpunkt der vorläufigen Besitzentziehung entstandene
gefestigte Rechtsposition aber noch nicht vorgelegen, weil der Antragsteller
noch nicht sämtliche Voraussetzungen zur Erlangung der Betriebsprämien
erfüllt gehabt habe und es daher nicht lediglich einer bloßen Aktivierung von
Zahlungsansprüchen bedurft hätte.

II.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Entgegen
der Auffassung des Berufungsgerichts kann dem Antragsteller auf der
Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstands ein Anspruch auf Entschädigung
für die entgangenen Betriebsprämien nicht deshalb abgesprochen werden,
weil er über keine Zahlungsansprüche verfügte, welche er ohne den vorläufigen
Besitzentzug für die betroffenen Teilflächen hätte aktivieren können.

1. Dem geltend gemachten Entschädigungsanspruch liegt § 88 Nr. 3
FlurbG zugrunde. Nach § 88 Nr. 3 Satz 1 FlurbG kann im Flurbereinigungsverfahren
auf Antrag der für das begünstigte Unternehmen zuständigen Behörde
eine vorläufige Anordnung nach § 36 FlurbG erlassen werden. Der Träger des
Unternehmens hat für die den Beteiligten infolge der vorläufigen Anordnung
entstandenen Nachteile Entschädigung in Geld zu leisten (§ 88 Nr. 3 Satz 3
FlurbG), wobei sich die Geldentschädigung gemäß § 88 Nr. 6 Satz 1 FlurbG
nach dem für das Unternehmen geltenden Gesetz richtet, hier also nach § 21
Abs. 5 und § 22a Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) in Verbindung mit § 31
Abs. 4 Satz 1 des Enteignungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (EnteigG
LSA).

2. Bei der Prüfung, welche entschädigungsfähigen Nachteile aus der entzogenen
Möglichkeit zur Nutzung eines Grundstücks (in Abgrenzung zu dem in
§ 88 Nr. 3 Satz 3 FlurbG nicht geregelten Substanzverlust, s. Senatsurteil vom
17. November 1983 - III ZR 127/82, BGHZ 89, 69, 75 f sowie Wingerter/Mayr,
FlurbG, 10. Aufl., § 88 Rn. 16) resultieren, ist zunächst die tatsächliche Nutzung
des Grundstücks im Zeitpunkt der Inanspruchnahme zu berücksichtigen und zu
fragen, welchen Erlös diese Nutzung dem Betroffenen nachhaltig gebracht haben
würde. Sodann sind alle weiteren wirtschaftlich vernünftigen und rechtlich
zulässigen Nutzungsmöglichkeiten, von denen der Betroffene ernstlich hätte
Gebrauch machen können, in Betracht zu ziehen (Senatsurteil vom 24. November
1975 - III ZR 113/73, WM 1976, 277, 278, s. auch Quadflieg/Ronellenfitsch,
Flurbereinigungsgesetz, § 88 Rn. 38, Stand: April 1989).

Da die Geldentschädigung nach § 88 Nr. 3 Satz 3 FlurbG als Enteignungsentschädigung
ausgestaltet worden ist (Senatsurteile vom 17. November
1983 aaO S. 73 und vom 13. Dezember 2007 - III ZR 116/07, BGHZ 175, 35
Rn. 17, 23 sowie Wingerter/Mayr aaO Rn. 15), ist ein geltend gemachter Nutzungsausfall
allerdings - worauf das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zu
Recht hinweist - nur dann erstattungsfähig, wenn durch die hoheitliche Maßnahme
in eine durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition eingegriffen
wurde.

a) Nach ständiger Rechtsprechung unterfällt dem Eigentumsschutz nicht
nur das (landwirtschaftlich genutzte) Grundstück selbst, sondern auch der
landwirtschaftliche Betrieb als eine Organisation persönlicher und sachlicher
Mittel (s. nur Senatsurteile vom 30. September 1976 - III ZR 149/75, BGHZ 67,
190, 191 ff und vom 13. Dezember 2007 aaO Rn. 24 mwN). Der eingerichtete
und ausgeübte Gewerbebetrieb ist dann in entschädigungsrechtlich relevanter
Weise betroffen, wenn in den Betrieb als wirtschaftlichen Organismus eingegrif-
fen und damit das ungestörte Funktionieren dieses Organismus unterbunden
oder beeinträchtigt wird, der Betriebsinhaber also daran gehindert wird, von
dem Gewerbebetrieb den bestimmungsgemäßen Gebrauch zu machen (Senatsurteil
vom 7. Juni 1990 - III ZR 74/88, BGHZ 111, 349, 355 ff).

b) Indem dem Antragsteller eine Teilfläche der von ihm landwirtschaftlich
genutzten Grundstücke aus der Bewirtschaftung entzogen wurde, wurde (auch)
in sein grundrechtlich geschütztes Recht am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb eingegriffen. Als Folge dieses Eingriffs war er für den Zeitraum
des Besitzentzugs nicht nur daran gehindert, Erntegewinne aus der Bewirtschaftung
der betroffenen Flächen zu erzielen, wofür eine Entschädigung zwischen
den Beteiligten außer Streit steht; ihm entging insoweit auch die Möglichkeit,
eine Betriebsprämie durch die Aktivierung von Zahlungsansprüchen zu
erhalten. Hierfür ist er - nach Maßgabe der folgenden Ausführungen - zu entschädigen,
da insoweit in eine von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition
eingegriffen wurde.

aa) Seit der im Jahr 2005 in Kraft getretenen Umstellung des EU-Agrarbeihilfenrechts
(sogenannte GAP-Reform) erhalten Betriebe Förderleistungen
nach Maßgabe der im nationalen Recht geregelten Voraussetzungen des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes.
Diese Zahlungsansprüche sind dem Betriebsinhaber
zugewiesene Beihilfen zur Verbesserung von dessen Einkommensverhältnissen
(vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2010 - V ZR 170/08,
NJW-RR 2010, 885 Rn. 9). Sie stellen eine "Gegenleistung" für ein im öffentlichen
Interesse liegendes Verhalten dar und werden nach Art. 4 Abs. 1 VO
Nr. 73/2009 dafür gewährt, dass der Betriebsinhaber Grundanforderungen für
die Erzeugung einhält (Art. 5 VO Nr. 73/2009 in Verbindung mit deren Anhang
II) und Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand
erhält (Art. 6 VO Nr. 73/2009 in Verbindung mit deren Anhang III; BGH, Urteil
vom 24. November 2006 - LwZR 1/06, NJW-RR 2007, 1279 Rn. 18 zu der Vorgänger-
VO Nr. 1782/2003).

Die Erstzuweisung der Zahlungsansprüche erfolgt flächenbezogen
(Art. 33 Abs. 1 VO Nr. 73/2009 iVm Art. 43 VO Nr. 1782/2003). Sie sind aber
von der konkreten landwirtschaftlichen Nutzung des Grundstücks entkoppelt,
weshalb der Betriebsinhaber auch ohne eine Fläche über sie verfügen kann
(Art. 43 Abs. 2 VO Nr. 73/2009). Die Aktivierung eines Zahlungsanspruchs zum
Zweck des Erhalts einer Betriebsprämie ist allerdings nur dann möglich, wenn
der Betriebsinhaber über eine entsprechende beihilfefähige Fläche zum Zeitpunkt
der Antragstellung verfügt (s. Art. 34 VO Nr. 73/2009).

Neben den Gewinnen aus der landwirtschaftlichen Nutzung der zur Verfügung
stehenden Flächen stellen die im Wege der Aktivierung von Zahlungsansprüchen
zu generierenden Betriebsprämien, welche der landwirtschaftlichen
Bevölkerung eine "angemessene Lebenshaltung sichern" sollen (siehe u.a. den
23. Erwägungsgrund der VO Nr. 73/2009), eine verlässliche Einkommensgrundlage
dar, auf die die Landwirte oftmals existentiell angewiesen sind. Ungeachtet
dessen, dass die Agrarbeihilfen in der Höhe schwanken und in der Vergangenheit
wechselhaften agrarpolitischen Entscheidungen in der Europäischen Union
unterworfen waren, bilden die Zahlungsansprüche einen erheblichen Wertbestandteil
des Betriebs und finden folgerichtig auch im Rahmen einer betriebswirtschaftlichen
Begutachtung desselben Berücksichtigung (BVerwGE 136, 332
Rn. 30; Köhne, Landwirtschaftliche Taxationslehre, 4. Aufl., S. 220 ff, 289 ff; zur
Beeinflussung des Wertes eines Betriebs durch das Vorhandensein von Zahlungsansprüchen
vgl. auch BGH, Urteil vom 24. November 2006 aaO Rn. 32
sowie Busse, AuR 2007, 249, 260).

bb) Vor diesem Hintergrund ist das Berufungsgericht zu Recht davon
ausgegangen, dass die Möglichkeit, mithilfe der Aktivierung von Zahlungsansprüchen
eine Betriebsprämie nach Art. 34 VO Nr. 73/2009 zu erhalten, als ein
grundsätzlich nach § 88 Nr. 3 Satz 3 FlurbG erstattungsfähiger geldwerter Vorteil
anzusehen ist (ebenso OLG Thüringen, Urteil vom 19. März 2013 - Bl U
570/11, S. 7 ff [nicht veröffentlicht]; Blänker, Referat 1 anlässlich der 50. Arbeitstagung
für Grunderwerbs- und Entschädigungsfragen beim Bau von Bundesfernstraßen
vom 15. bis 17. Juni 2015, Niederschrift S. 3, 24 ff; Uherek/
Köhne, AUR 2009, 149, 150 f; gegen eine eigentumsentschädigungsrechtliche
Relevanz von Zahlungsansprüchen allerdings generell Busse aaO S. 259 f;
Grimm in Festschrift Holzer, 2007, S. 237, 243 ff sowie Pasternak in Aust/Jacobs/
Pasternak, Die Enteignungsentschädigung, 6. Aufl., Rn. 833 ff). Sie stellt
eine im Sinne der oben dargestellten Senatsrechtsprechung (Urteil vom 24. November
1975 - III ZR 113/73, WM 1976, 277, 278) wirtschaftlich vernünftige und
rechtlich zulässige Nutzungsmöglichkeit dar, von welcher der Antragsteller
ernstlich hätte Gebrauch machen können. Da dem durch eine hoheitliche Maßnahme
in einer verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsposition Betroffenen
im Wege der Enteignungsentschädigung ein angemessener Ausgleich für
das Genommene zu leisten ist (s. nur Senatsurteile vom 7. Januar 1982 - III ZR
114/80, BGHZ 83, 1, 5 sowie vom 17. März 1994 - III ZR 27/93, NJW 1994,
3158, 3160), ist der Inhaber eines landwirtschaftlichen Gewerbebetriebes
grundsätzlich auch für den Verlust dieses wesentlichen Nutzungsvorteils zu
entschädigen.

cc) Entgegen der von der Flurbereinigungsbehörde (Beteiligte zu 2) in
der Revisionsinstanz demgegenüber vertretenen Ansicht unterfällt die dem Antragsteller
entgangene Subvention dem Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1
GG.

Zwar ist es im Ausgangspunkt richtig, dass sich aus Art. 14 Abs. 1 GG
eine unverrückbare, verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsposition des
Betriebsinhabers auf Beibehaltung einer Beihilfe nicht ergibt. Das von Art. 14
Abs. 1 GG geschützte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
bietet nämlich grundsätzlich keine Gewähr dafür, dass bestehende rechtliche
(oder tatsächliche) Rahmenbedingungen unverändert fortbestehen (zB
Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl., S. 179; vgl. auch BGH, Urteil
vom 24. November 2006 - LwZR 1/06, NJW-RR 2007, 1279 Rn. 34). Das Bundesverfassungsgericht
zieht einen Eigentumsschutz subjektiv-öffentlicher Rechte
nur dann in Betracht, wenn sie dem Einzelnen eine Rechtsposition verschaffen,
die so stark ist, dass ihre ersatzlose Entziehung dem rechtstaatlichen Gehalt
des Grundgesetzes widersprechen würde, sie also insbesondere ein Äquivalent
eigener Leistung darstellen und nicht überwiegend auf staatlicher Gewährung
beruhen (s. etwa BVerfGE 72, 176, 193 und BVerfG NVwZ 2002, 197,
jew. m.w.N.; vgl. auch Senatsurteile vom 9. Dezember 2004 - III ZR 263/04,
BGHZ 161, 305, 312 f und vom 7. Juli 2016 - III ZR 28/15, BGHZ 211, 88
Rn. 47). Auch dann, wenn ein besonderer Vertrauenstatbestand geschaffen
wurde, durch den ein Betriebsinhaber zu bestimmten Investitionen veranlasst
worden ist, kann ein Eigentumsschutz gerechtfertigt sein (Senatsurteil vom
31. Januar 1966 - III ZR 127/64, BGHZ 45, 83, 87 f).

Soweit es dementsprechend ständige Judikatur des Bundesverfassungsgerichts
ist, dass öffentlich-rechtliche Beihilfen (mit den oben genannten
Einschränkungen) grundsätzlich nicht unter den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG
fallen (zB BVerfGE 1, 264, 278; 2, 380, 402; 11, 221, 226; 14, 288, 295; 16, 94,
113; 18, 392; 22, 241, 253; 36, 281, 290; 42, 263, 292 ff; 45, 142, 170; 48, 403,
413; 53, 257, 291 f; 72, 175, 195; 97, 67, 83; 97, 271 ff; 128, 90, 101; NVwZ
2002, 197, 198), betrifft diese nur die Abschaffung oder Reduzierung von Sub-
ventionen durch eine Änderung von Gesetzen oder Satzungen, nicht aber den
hier in Rede stehenden Verlust eines Beihilfeanspruchs bei unveränderter
Rechtslage durch einen Einzelzugriff. Entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 2
folgt nichts anderes aus dem Urteil des Senats für Landwirtschaftssachen des
Bundesgerichtshofs vom 24. November 2006 (aaO), in dem darüber zu entscheiden
war, ob die einem Pächter zustehenden Zahlungsansprüche nach
dem Pachtende auf den Verpächter zu übertragen sind (§ 596 Abs. 1 BGB, Art.
43 VO Nr. 73/2009, Art. 46 VO Nr. 1782/2003). Soweit in dieser Entscheidung
ausgeführt wird, ein Anrecht auf den Bezug von Subventionen aus öffentlichen
Haushalten sei weder Bestandteil der Berufsfreiheit noch der Eigentumsgarantie
(aaO Rn. 34), ergibt sich aus der Bezugnahme auf die in NVwZ 2002, 197
veröffentlichte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass mit dieser
Aussage lediglich der fehlende grundrechtliche Schutz von Subventionen gegenüber
Änderungen der Rechtslage durch den Gesetz- oder Satzungsgeber
gemeint ist.

Der Antragsteller verlangt vorliegend nicht die Beibehaltung der zum
Zeitpunkt des Zugriffs auf sein Grundeigentum und seinen Betrieb bestehenden
Beihilferegelungen. Er verlangt vielmehr nur einen Ausgleich dafür, dass es ihm
- bei Fortbestand der gegebenen gesetzlichen Rahmenbedingungen - aufgrund
des Besitzentzugs für einen bestimmten Zeitraum nicht möglich war, für die betroffenen
Teilflächen Zahlungsansprüche zu aktivieren. Dies stellt sich für ihn
als ein ausschließlich aus der Inanspruchnahme seines Grundstücks und damit
(auch) seines Betriebs resultierendes Sonderopfer dar, für welches er nach den
oben dargestellten Maßstäben grundsätzlich zu entschädigen ist. Solange das
Gesetz einem Einzelnen einen Anspruch auf eine öffentlich-rechtliche Subvention
gewährt, stellt es einen entschädigungspflichtigen Eingriff in eine nach
Art. 14 Abs. 1 GG grundgesetzlich geschützte Rechtsposition dar, wenn dieser
Anspruch infolge des enteignenden Zugriffs auf ein Grundstück oder einen ein-
gerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Fortfall gerät. Es handelt sich,
solange nach der Rechtslage die Subvention zu gewähren ist, für den Anspruchsberechtigten
um eine rechtlich gesicherte privatnützige, vermögenswerte
Position, die ihm durch einen hoheitlichen, ein Sonderopfer begründenden
Einzelzugriff nicht entschädigungslos entzogen werden darf.

Die vorstehende Bewertung entspricht im Übrigen der Handhabung der
Beteiligten zu 2, welche - soweit ersichtlich in Übereinstimmung mit der sonstigen
enteignungsentschädigungsrechtlichen Praxis (s. dazu Uherek/Köhne aaO
S. 151 sowie Wilbat, Referat 7 anlässlich der 44. Arbeitstagung für Grunderwerbs-
und Entschädigungsfragen beim Bau von Bundesfernstraßen vom 4. bis
6. Juni 2007, Niederschrift S. 41, 44 ff) - über die Erstattung einer Aufwuchsund
Nutzungsentschädigung hinaus auch eine Entschädigung für diejenigen
Vorteile als geboten erachtet, die dem Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes
dadurch entgehen, dass er ihm zum Zeitpunkt des hoheitlichen Zugriffs
zur Verfügung stehende Zahlungsansprüche nicht mehr aktivieren kann.

dd) Dem geltend gemachten Entschädigungsanspruch steht - anders als
das Berufungsgericht meint - auch nicht entgegen, dass der Antragsteller sämtliche
ihm zur Verfügung stehenden Zahlungsansprüche für die von ihm bewirtschafteten
Flächen hat aktivieren können und ihm während des Besitzentzugs
für die von diesem betroffenen Grundstücke weitere Zahlungsansprüche nicht
zur Verfügung standen.

Zwar ist Voraussetzung jeder normativen Betrachtung für die Entschädigung,
dass eine konkrete subjektive Rechtsposition entzogen worden ist
(st. Rspr., s. nur Senatsurteile vom 2. Oktober 2003 - III ZR 114/02, BGHZ 156,
257, 259 f sowie vom 11. Oktober 2007 - III ZR 298/06, BGHZ 174, 25 Rn. 11).
Hinsichtlich der in dem entzogenen Gegenstand liegenden Wertumstände, der
wertbildenden Eigenschaften und der tatsächlichen Verhältnisse ist auf die Zeit
des Eingriffs abzustellen (vgl. Senatsurteil vom 29. November 1965 - III ZR
34/64, NJW 1966, 497, 498).

Insoweit unterscheidet sich die Enteignungsentschädigung vom Schadensersatzanspruch.
Während bei diesem die Fragestellung dahin geht, wie
sich die Vermögenslage des Geschädigten ohne das schädigende Ereignis
künftig entwickelt hätte, ersetzt die Enteignungsentschädigung nur den wirtschaftlichen
Wert, den das entzogene Grundstück oder der in Anspruch genommene
Gewerbebetrieb tatsächlich in dem Augenblick hatten, in dem sie von
der hoheitlichen Maßnahme betroffen wurden. Rechtlich nicht gesicherte Chancen,
Aussichten oder wirtschaftliche Interessen können dabei keine Berücksichtigung
finden (st. Rspr., s. nur Senatsurteile vom 29. November 1965 aaO
S. 497; vom 18. September 1986 - III ZR 83/85, BGHZ 98, 341, 351 f sowie
vom 14. April 2011 - III ZR 30/10, BGHZ 189, 231 Rn. 35 m.w.N.). Etwas
anderes gilt allerdings dann, wenn die Verwirklichung von Gewinnchancen so
sicher unmittelbar bevorstand, dass sie sich bereits als wertbildende Faktoren
auswirkten. In diesem Fall handelt es sich nicht um die Entschädigung eines
hypothetischen Vorteils, sondern eines dem Grundstück oder dem Betrieb bereits
anhaftenden Mehrwerts (vgl. Senatsurteile vom 29. November 1965 aaO
S. 497 f und vom 11. Oktober 2007 aaO). Dies kann insbesondere der Fall sein,
wenn infolge des Zugriffs naheliegende Nutzungsmöglichkeiten entfallen, deren
Verwirklichung sich in greifbarer Nähe befindet (Senatsurteile vom 25. September
1958 - III ZR 82/57, BGHZ 28, 160, 163 und vom 9. November 2000 - III ZR
18/00, WM 2001, 155, 157).

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts stellt sich die Möglichkeit,
Zahlungsansprüche mit dem Ziel der Erlangung einer Betriebsprämie zu
aktivieren, nach diesen Maßstäben auch in der gegebenen Situation nicht ledig-
lich als eine rechtlich nicht gesicherte Chance dar. Der Antragsteller hatte zum
Zeitpunkt des Besitzentzugs einen klagbaren Anspruch auf Betriebsprämien für
die von ihm bewirtschafteten Flächen, sofern er die gesetzlich normierten tatsächlichen
und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen hierfür erfüllte. Dieser
Anspruch konnte ihm nicht mehr einseitig genommen werden. Das Anrecht auf
Auszahlung dieser Beihilfe ist daher als ein im Betrieb bereits wirkender, rechtlich
geschützter Wert anzusehen, welcher bereits so weit verfestigt war, dass er
im Rahmen der Entschädigung für den Nutzungsausfall zu berücksichtigen ist.
Dies gilt ungeachtet dessen, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt des
hoheitlichen Zugriffs über keine (freien) Zahlungsansprüche verfügte, die er für
die betroffenen Flächen hätte aktivieren können. Die Beschaffung der hierfür
notwendigen Zahlungsansprüche und damit die Erlangung von Betriebsprämien
wären ohne die Besitzentziehung an den betroffenen Grundstücken naheliegende
und in greifbarer Nähe befindliche Nutzungsmöglichkeiten gewesen
- vorausgesetzt der Antragsteller hätte die notwendigen Zahlungsansprüche zu
wirtschaftlich vernünftigen Konditionen erwerben können (siehe dazu ee). Die
Inanspruchnahme von Agrarsubventionen ist ein wesentlicher Teil der Wertschöpfung
landwirtschaftlicher Betriebe. Vielfach ist sie sogar zur Existenzsicherung
notwendig (siehe oben aa). Es ist für den Inhaber eines landwirtschaftlichen
Betriebs daher geradezu zwingend geboten, die für diesen zu erlangenden
Beihilfen zu beantragen und gegebenenfalls die hierfür notwendigen
Voraussetzungen zu schaffen. Nach dem nicht nur regelmäßigen, sondern
hiernach sogar äußerst naheliegenden Verlauf der Dinge erwirbt ein Landwirt
daher für förderfähige Flächen Zahlungsansprüche, wenn ihm solche zur Erlangung
der Betriebsprämie noch fehlen, so dass die Subventionsgewährung in
greifbarer Nähe ist. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass dies im Falle des Antragstellers
anders gewesen wäre.

Es kann dem Anspruch des Antragstellers auf Entschädigung für die entgangenen
Beihilfen auch nicht entgegen gehalten werden, dass er in Kenntnis
des Besitzentzugs von dem Erwerb von Zahlungsansprüchen für die betroffenen
Flächen absah. Ein solcher Zukauf hätte nicht mehr seine eigentliche Aufgabe
erfüllt, Fördergelder zu erlangen, sondern hätte (unter Zugrundelegung
der Auffassung der Beteiligten zu 2 bis 4) nur dazu dienen können, die Voraussetzungen
einer Entschädigung für entgangene Subventionen sicherzustellen.

Dies aber wäre nicht nur zweckwidrig, sondern widerspräche auch der in entsprechender
Anwendung von § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB im Enteignungsentschädigungsrecht
bestehenden Obliegenheit des Anspruchsinhabers (siehe
hierzu Senatsurteil vom 29. März 1971 - III ZR 98/69, BGHZ 56, 57, 64 ff; vgl.
zur Aufopferungsentschädigung Senatsurteil vom 6. Juni 1966 - III ZR 167/64,
BGHZ 45, 290, 294 ff), die zu entschädigende Einbuße gering zu halten. Ebenso
wie es die Schadensminderungsobliegenheit eines Betriebsinhabers gebieten
würde, vorhandene, in Folge eines Flächenentzugs frei gewordene Zahlungsansprüche
entweder in Bezug auf sonstige (eigene) Teilflächen zu nutzen
oder - soweit nach den Gegebenheiten des konkreten Marktes möglich - zu
veräußern, würde ein Landwirt gegen seine analog § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB
bestehende Obliegenheit verstoßen, wenn er zusätzliche Zahlungsansprüche
erwürbe, falls solche für die in Anspruch genommenen Flächen fehlen. Denn
hierdurch würde seine zu entschädigende Einbuße um den Erwerbsaufwand
(ggf. vermindert um den Erlös einer Weiterveräußerung, siehe dazu jedoch
Köhne aaO S. 293 und Uherek/Köhne aaO S. 151; dagegen Pasternak aaO
Rn. 840) vergrößert. Dem betroffenen Landwirt dies anzusinnen, widerspräche
im Übrigen auch dem wohlverstandenen Interesse des Entschädigungspflichtigen.

ee) Eine Enteignungsentschädigung nach § 88 Nr. 3 Satz 3 FlurbG kann
dem Antragsteller allerdings nur dann gewährt werden, wenn es ihm - wäre der
Besitzentzug unterblieben - im relevanten Zeitraum tatsächlich möglich gewesen
wäre, Zahlungsansprüche in ausreichender Anzahl und zu wirtschaftlich
vernünftigen Konditionen zu erwerben, da der Verlust der Betriebsprämie anderenfalls
nicht allein auf der hoheitlichen Inanspruchnahme der betroffenen Flächen
beruhte.

Der Antragsteller hat behauptet, ein Erwerb weiterer Zahlungsansprüche
wäre über die ZI-Datenbank möglich gewesen, da ein Angebot von Zahlungsansprüchen
durch verkaufswillige Landwirte bestanden habe, wobei die Anschaffungskosten
auf das Wirtschaftsjahr heruntergerechnet 60 € betragen hätten.
Die Beteiligte zu 2 hat bestritten, dass ein Zuerwerb von Zahlungsansprüchen
für das Bewirtschaftungsjahr möglich gewesen wäre. Die Vorinstanzen
haben, von ihrem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, zu diesem Punkt keine
Feststellungen getroffen. Das Berufungsgericht hat lediglich unterstellt, dass
der Antragsteller nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge Zahlungsansprüche
für die erworbenen Flächen erworben und aktiviert hätte.

ff) Die Sache ist daher nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3
ZPO). In der neuen Tatsacheninstanz wird das Berufungsgericht die erforderlichen
Feststellungen nachzuholen haben.

Für den Fall, dass das Oberlandesgericht den Vortrag des Antragstellers
bestätigt findet, es sei im maßgeblichen Zeitraum möglich gewesen, Zahlungsansprüche
für die seinem Besitz entzogenen Flächen zuzukaufen, weist der
Senat darauf hin, dass bei der dann erforderlich werdenden Bemessung der
Höhe der Entschädigung für die entgangenen Betriebsprämien die Anschaffungskosten
mindernd zu berücksichtigen sein werden, welche sich der Antrag-
steller erspart hat, indem er von einem solchen Erwerb abgesehen hat. Insofern
lässt sich der Antragsteller bereits 60 € pro Zahlungsanspruch anrechnen. Hierzu
werden gegebenenfalls desgleichen Feststellungen nachzuholen sein.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

31.01.2019

Aktenzeichen:

III ZR 186/17

Rechtsgebiete:

Miete
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

NJW 2019, 1682-1686

Normen in Titel:

GG Art. 14 Abs. 1; FlurbG § 88 Nr. 3 S. 3; EGV 73/2009 Art. 34