OLG München 14. März 2006
34 Wx 160/05
WEG § 10 Abs. 3, § 22 Abs. 1, 43 Abs. 4 Nr. 1

Keine Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümerversammlung für Zulassung einer privaten Garderobe im gemeinschaftlichen Treppenhaus

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Dokumentnummer: 34wx160_05
letzte Aktualisierung: 15.03.2006
OLG München, 15.03.2006 - 34 Wx 160/05
WEG § 10 Abs. 3, § 22 Abs. 1, 43 Abs. 4 Nr. 1
Keine Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümerversammlung für Zulassung einer
privaten Garderobe im gemeinschaftlichen Treppenhaus 1. Das Anbringen einer Garderobe
im Treppenhaus bedarf als Inanspruchnahme des Alleingebrauchs an Teilen des Gemeinschaftseigentums der Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer.
2. An dem Verfahren, das ein Eigentümers gegen einen anderen Eigentümer wegen Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums führt, sind in der Regel die übrigen Eigentümer zwingend zu beteiligen.


Gründe:
I.
Die Antragstellerin, die Antragsgegnerin und die weiteren Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Die Antragstellerin bewohnt die ihr gehörende Eigentumswohnung im zweiten Stock des Anwesens, die Antragsgegnerin ist Eigentümerin der im Erdgeschoss gelegenen Wohneinheit, welche sie selbst bewohnt. Die Antragsgegnerin erwarb ihr Wohnungseigentum im Jahr 1994. Seit ihrem Einzug hat sie im
Treppenhaus vor ihrer Wohnung eine Garderobe an der Wand befestigt und einen Kleiderschrank, eine Kommode und zeitweise auch einen Schirmständer aufgestellt, zudem
werden unter der Garderobe Schuhe abgestellt. Die Antragstellerin, die ihr Wohnungseigentum mit notariellem Kaufvertrag vom 22.12.1998 erwarb, rügte erstmals in der Eigentümerversammlung vom 16.1.1999, dass das Treppenhaus im Erdgeschoss als
Garderobe verwendet wird. In der Eigentümerversammlung vom 21.7.2001 erhielt ihr
Antrag, die Räumung des Treppenhauses zu beschließen, keine Mehrheit.
Das Amtsgericht hat dem Antrag, die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Beseitigung
der Garderobe und sonstiger Möbel auszusprechen, mit Beschluss vom 10.2.2004 entsprochen. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 20.10.2005 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin.
In der Eigentümerversammlung vom 27.11.2004 fassten die Wohnungseigentümer gegen die Stimme der Antragstellerin den Beschluss, dass Garderoben im Treppenhaus
aufgestellt werden dürfen. Dieser Beschluss wurde von der Antragstellerin angefochten;
eine rechtskräftige Entscheidung über den Antrag liegt noch nicht vor.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Abs. 1 Satz 1 BGB, § 15 Abs. 3 WEG auf Beseitigung der Garderobenanlage und der
abgestellten sonstigen Gegenstände. Aus den vorgelegten Fotos ergebe sich, dass es
sich bei der Nutzung des Treppenhauses durch die Antragsgegnerin faktisch um die
Inanspruchnahme eines Sondernutzungsrechts handele. Zudem läge eine bauliche Veränderung vor.
Ein auch den Sonderrechtsnachfolger bindender Beschluss nach § 10 Abs. 3 WEG liege
nicht vor. Eine Vereinbarung habe die Antragsgegnerin nicht substantiiert dargelegt.
Auch eine Verwirkung des Beseitigungsanspruchs komme nicht in Betracht, da bereits
der Rechtsvorgänger der Antragstellerin die Beseitigung der Garderobe verlangt habe,
auch wenn er nicht versucht habe, dies gerichtlich durchzusetzen.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin einen Anspruch
auf Beseitigung der Garderobenanlage gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 15 Abs. 3
WEG hat.
a) Die fehlende Beteiligung der übrigen Wohnungseigentümer, der Eheleute D., führt
nicht dazu, dass der Beschluss des Landgerichts wegen dieses formellen Mangels aufzuheben wäre.
Zwar sind die Ehegatten D. Beteiligte gemäß § 43 Abs. 4 Nr. 1 WEG. Sie hätten daher
sowohl vom Amtsgericht als auch vom Landgericht beteiligt werden müssen. Ein Fall, in
dem nur ein abgrenzbarer Teil der Wohnungseigentümer betroffen ist, liegt nicht vor
(vgl. Weitnauer/Mansel WEG 9. Aufl. § 43 Rn. 16 m.w.N.). Eine Beteiligung hat nicht
stattgefunden. Soweit das Amtsgericht seinen Beschluss formlos den Ehegatten zugeschickt hat, ist dies als Beteiligung unzureichend. Vielmehr sind dem formell Beteiligten
Anträge, Termine, Vorbringen, Ermittlungsergebnisse und Entscheidungen mitzuteilen
(Weitnauer/Mansel, § 43, Rn. 36).
Grundsätzlich führt die Nichtbeteiligung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 546, § 547
Nr. 4 ZPO zwingend zur Aufhebung des Beschlusses und zur Zurückverweisung zur
neuen Verhandlung und Entscheidung (OLG Hamburg ZMR 2003, 868/870). Eine unterFGPrax 1998, 15/16). Bringt der Beteiligte neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel vor
bzw. stellt er einen neuen Antrag, so ist die Sache zurückzuverweisen. Andernfalls kann
das Rechtsbeschwerdegericht in der Sache entscheiden. So liegt der Fall hier. Der
Sachverhalt wurde durch die Vorinstanzen ausreichend ermittelt. Mögliche schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen den früheren Wohnungsinhabern sind unbeachtlich, da
sie keine dingliche Wirkung entfalten (siehe unten). Die Gewährung des rechtlichen Gehörs war daher auch im Rechtsbeschwerdeverfahren noch möglich.
b) Der Beseitigungsanspruch der Antragstellerin scheitert nicht an dem nicht angefochtenen Beschluss der Wohnungseigentümer vom 21.7.2001, mit dem diese beschlossen
haben, dass das Treppenhaus nicht geräumt werden soll. Dieser Beschluss entfaltet
keine Sperrwirkung für den jetzigen Antrag. Denn in dem Beschluss vom 21.7.2001 haben die Eigentümer nur beschlossen, nicht gemeinschaftlich gegen die Garderobe im
Treppenhaus vorzugehen. Der individuelle Anspruch und das Recht des einzelnen, diesen durchzusetzen, bleiben davon unberührt. Im Übrigen beinhaltet der Beschluss, dass
das Treppenhaus nicht geräumt werden soll, keine dauerhafte Regelung der Treppenhausgestaltung für die Zukunft. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Eigentümer
selbst mit Beschluss vom 27.11.2004 eine positive Regelung getroffen haben, eine solche also noch für erforderlich hielten.
c) Das Treppenhaus steht gemäß § 5 Abs. 2 WEG zwingend im gemeinschaftlichen Eigentum, weil es dem Zugang zu den Wohnungen und damit dem gemeinschaftlichen
Gebrauch der Wohnungseigentümer dient. Das Anbringen der Garderobenelemente an
den Wänden des Treppenhauses ist eine bauliche Veränderung im Sinne von § 22
Abs. 1 WEG, weil es keine Maßnahme ordnungsmäßer Instandhaltung und Instandsetzung darstellt. Die bauliche Veränderung kann ohne Zustimmung anderer Wohnungseigentümer nur dann vorgenommen werden, wenn deren Rechte nicht über das bei einem
geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden (§ 22
Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG). Das Landgericht hat eine solche Beeinträchtigung
bejaht, da die übrigen Eigentümer an dem ihnen zustehenden Mitgebrauch des Trep§ 559 Abs. 2 ZPO für das Rechtsbeschwerdegericht bindend. Es ist aus Rechtsgründen
nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die vorgelegten Lichtbilder ausgewertet und
dabei einen Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG festgestellt hat (vgl. BayObLG NJWRR 1998, 875/876).
Zutreffend erkennt das Landgericht auch, dass das Anbringen der Garderobenelemente
im Eingangsbereich des Anwesens und dessen Umgestaltung zu einem offenen Garderobenraum einer bestimmungsgemäßen Nutzung des Treppenhauses widerspricht. Mit
dieser Maßnahme hat die Antragsgegnerin Alleinbesitz an einem Teil des im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Treppenhauses begründet und insoweit die übrigen
Wohnungseigentümer von dem ihnen grundsätzlich zustehenden Mitgebrauch des Gemeinschaftseigentums (§ 13 Abs. 2 WEG) ausgeschlossen. Dies läuft auf die Begründung eines Sondernutzungsrechts hinaus und erfordert daher eine Vereinbarung aller
Wohnungseigentümer gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2, § 15 Abs. 1 WEG (vgl. BayObLG
NJW-RR 1998, 875/876).
d) Ein Sondernutzungsrecht der Antragstellerin besteht nicht.
(1) In der Teilungserklärung wird der Antragstellerin ein Sondernutzungsrecht für den
Treppenabsatz vor ihrer Wohnung nicht eingeräumt.
(2) Eine formlos mögliche, schuldrechtliche Vereinbarung der Wohnungseigentümer, die
die Antragstellerin zur Duldung verpflichtet würde, liegt nicht vor. Die Begründung eines
Sondernutzungsrechts kann nur durch Vereinbarung aller Wohnungseigentümer getroffen werden. Mit der Antragstellerin wurde eine solche Vereinbarung nicht getroffen. Eine
möglicherweise getroffene frühere Vereinbarung durch die Rechtsvorgänger der Antragstellerin bedürfte zu ihrer Wirksamkeit gegenüber der Antragstellerin der Eintragung in
das Grundbuch (§ 10 Abs. 2 WEG). Da die Begründung eines Sondernutzungsrechts
am Gemeinschaftseigentum nicht zu den Angelegenheiten gehört, die die Wohnungseigentümer durch Beschluss entscheiden können (§ 23 WEG), greift auch § 10 Abs. 3
WEG nicht ein, so dass auf die Eintragung in das Grundbuch nicht verzichtet werden
kann. Ob in der Vergangenheit zwischen den Eigentümern eine entsprechende Vereinist daher entbehrlich.
(3) Auch durch den Beschluss der Wohnungseigentümer vom 27.11.2004 konnte ein
solches Sondernutzungsrecht nicht begründet werden. Denn dazu fehlt den Wohnungseigentümern die Beschlusskompetenz. Ein trotz absoluter Beschlussunzuständigkeit
gefasster Beschluss ist nichtig (BGH NJW 2000, 3500/3503).
Der Beschluss der Eigentümer über das Aufstellen von Garderoben im Treppenhaus
stellt keine Gebrauchsregelung dar, weil dadurch nicht die bestimmungsmäßige Nutzung des Treppenhauses konkretisiert wird. Im gegebenen Fall enthält der Beschluss
die Zuweisung von Sondernutzungsrechten und ist deswegen insgesamt nichtig. Der
Senat brauchte daher das vorliegende Verfahren im Hinblick auf die Beschlussanfechtung nicht wegen Vorgreiflichkeit auszusetzen. Die Nichtigkeit jenes Beschlusses kann
er vielmehr inzident feststellen (Palandt/Bassenge BGB 65. Auflage § 23 WEG Rn. 23
m.w.N.)
e) Auch eine Verwirkung des Beseitigungsanspruchs der Antragstellerin liegt nicht vor.
Dabei kann dahinstehen, ob die widerspruchslose Duldung der Garderobe von Anfang
1999 bis zur Antragstellung im Februar 2004, also über rund fünf Jahre, für die Verwirkung des Beseitigungsanspruchs zeitlich überhaupt ausreichend wäre. Denn die Antragstellerin hat über diesen Zeitraum die Garderobe nicht widerspruchslos hingenommen. Sie hat sie bereits in der Eigentümerversammlung im Januar 1999 beanstandet.
Zudem hat sie in der Eigentümerversammlung vom 21.7.2001 einen positiven Beschluss
zur Räumung der Garderoben im Treppenhaus erwirken wollen. Nach alledem konnte
die Antragsgegnerin nicht davon ausgehen, dass die Antragstellerin mit den von ihr
dauerhaft im Treppenhaus aufgestellten Möbeln einverstanden ist.
f) Ebenso scheidet ein Rechtsmissbrauch der Antragstellerin gemäß § 242 BGB aus.
Insbesondere fällt der Antragstellerin eine Verletzung eigener Pflichten nicht deshalb zur
Last, weil sie selbst den ursprünglichen Treppenhausbereich vor ihrer Wohnung vollständig in ihre Eigentumswohnung einbezogen hat. Denn die Teilungserklärung wurde
einschließlich des früher gemeinschaftlichen Bereichs vor der Wohnung erworben.
3. Die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist es nach § 47 Satz 1 und 2 WEG angemessen,
der in allen Instanzen erfolglosen Antragsgegnerin die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.
Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf
§ 48 Abs. 3 Satz 1 WEG; sie stimmt mit den unbeanstandeten Geschäftswertfestsetzungen der Vorinstanzen überein.
Baßler
Dr. Deneke-Stoll
Förth
WEG § 10 Abs. 3, § 22, 43 Abs. 4 Nr. 1
1. Das Anbringen einer Garderobe im Treppenhaus bedarf als Inanspruchnahme des
Alleingebrauchs an Teilen des Gemeinschaftseigentums der Zustimmung sämtlicher
Wohnungseigentümer.
2. An dem Verfahren, das ein Eigentümers gegen einen anderen Eigentümer
wegen Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums führt, sind in der Regel die
übrigen Eigentümer zwingend zu beteiligen.
OLG München, 34. Zivilsenat
Beschluss vom 15.3.2006
34 Wx 160/05

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

14.03.2006

Aktenzeichen:

34 Wx 160/05

Rechtsgebiete:

WEG

Erschienen in:

FGPrax 2006, 110-111
NJW-RR 2006, 803-804

Normen in Titel:

WEG § 10 Abs. 3, § 22 Abs. 1, 43 Abs. 4 Nr. 1