OLG Karlsruhe 22. November 2000
9 U 43/00
BGB §§ 242, 1414

Ausgleich für unbenannte Zuwendung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage bei Gütertrennung

Rechtsprechung RNotZ 2001, Heft 10 453
2) In dem von ihm beabsichtigten Sinn kann der Senat
nicht entscheiden, ohne i. S. d. § 28 Abs. 2 FGG von den
genannten Entscheidungen des KG und des OLG Hamburg abzuweichen.
Die Entscheidungen des KG und OLG Hamburg beruhen
auf der genannten Rechtsauffassung. Das KG hat aufgrund seiner Rechtsauffassung die Entscheidungen des
AG und LG, die einen anderen Rechtsstandpunkt vertreten hatten, aufgehoben, soweit diese die Beschlüsse der
Eigentümerversammlung über die Genehmigung des
Wirtschaftsplans, die Erhebung einer Sonderumlage für
den Außenanstrich der Fenster und die Fassadenrenovierung und die Verwalterbestellung wegen der Nichtladung
der Wohnungseigentümerin und damit deren Nichtberücksichtigung bei den Abstimmungen in der Versammlung für ungültig angesehen bzw. erklärt haben.
Das OLG Hamburg hat die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt, die die Anträge eines zu einer Eigentümerversammlung nicht geladenen Wohnungseigentümers, die in der Versammlung gefassten Beschlüsse über
die Jahresabrechnung und den Wirtschaftsplan wegen der
nicht erfolgten Ladung für ungültig zu erklären, als unbegründet zurückgewiesen hatten.
Auf der Grundlage der Rechtsauffassung des KG und
OLG Hamburg müsste der Senat hier zu der Beurteilung
gelangen, dass auf den von dem Ast. gestellten Antrag die
in der Eigentümerversammlung gefassten Beschlüsse für
ungültig zu erklären sind, weil sie nicht mit der notwendigen Stimmenmehrheit beschlossen worden sind.
4. Familienrecht — Ausgleich für unbenannte Zuwendung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage bei Gütertrennung
(OLG Karlsruhe, Urteil vom 23. 11. 2000-9 U 43/00)
BGB §§ 242; 1414
1. Ein Ausgleichsanspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist in Fällen der Gütertrennung
zu bejahen, wenn die durch eine ehebedingte unbenannte Zuwendung herbeigeführte Vermögenslage dem benachteiligten Ehegatten nicht zugemutet werden kann.
2. Die Art und Höhe des Billigkeitsanspruchs hängt
von einer Gesamtwürdigung aller Einzelumstände
ab, z. B. Ehedauer, Alter der Ehegatten u. a.
(Leitsatz nicht amtlich)
Zum Sachverhalt:
Der Kl. beansprucht von der Bekl., seiner von ihm rechtskräftig
geschiedenen Ehefrau, in der Berufungsinstanz eine Ausgleichszahlung von 125.000,— DM wegen der Übertragung
eines bebauten Grundstücks auf die Bekl.
Der Kl. und die Bekl. waren nahezu 37 Jahre lang verheiratet.
Der Kl. übertrug, um das Familienwohnheim vor dem etwaigen
Zugriff von Gläubigem zu schützen, das mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück als „Schenkung" auf die Bekl. Zugleich schlossen die Parteien einen Erbvertrag sowie einen Ehevertrag, durch den sie den gesetzlichen Güterstand aufhoben
und Gütertrennung vereinbarten. Einen Zugewinnausgleich
nach Beendigung des gesetzlichen Güterstandes schlossen sie
aus.
Die Bekl. verkaufte mit notariellem Kaufvertrag das auf einen
Wert von ca. 370.000,— DM geschätzte Grundstück für
250.000,— DM.
Das LG hat der Klage auf Zahlung von 250.000,— DM in Höhe
von 50.000,— DM stattgegeben, sie im Übrigen aber abgewiesen.
Aus den Gründen:
Die Berufungen sind zulässig, die Berufung des Kl. ist
begründet, die Berufung der Bekl. unbegründet.
Der Kl. kann von der Bekl. nach den Grundsätzen des
Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 242 BGB) über die
durch das LG bereits zuerkannten 50.000,— DM weitere
75.000,— DM beanspruchen.
Ein Anspruch aus einer stillschweigend vereinbarten Innengesellschaft scheidet hier aus, da die Ehegatten durch
ihre beiderseitigen Leistungen keinen über den typischen
Rahmen der ehelichen Lebensgemeinschaft hinausgehenden Zweck verfolgten bzw. solches nicht dargetan
haben. Ein solcher Zweck ist regelmäßig dann nicht gegeben, wenn, wie hier, der Einsatz von Vermögen und
Arbeit nur dem Bestreben dient, durch den Ausbau und
Erhalt des Familienheims die Voraussetzung für die Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu schaffen (vgl. BGH FamRZ 1999, 1580, 1581 = DNotZ 2000,
514 = MittRhNotK 1999, 308).
Auch die Regelungen des Schenkungsrechts (§§ 516 f.
BGB) sind hier nicht anzuwenden, da keine Schenkung
i. S. der Vorschrift sondern eine sogenannte ehebedingte
Zuwendung des Kl. vorlag. Zwar kommt der Wortwahl in
der Notariatsurkunde für die Einschätzung des rechtsgeschäftlichen Inhalts der beurkundeten Erklärung erhebliches Gewicht zu, weil die notarielle Urkunde, die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich hat
(BGH NJW 1992, 238 m.w.N. = DNotZ 1992, 439). Für
die Abgrenzung zwischen Schenkung und ehebedingter
Zuwendung kann dies aber nicht in gleicher Weise gelten,
da in den siebziger Jahren in der notariellen Praxis Zuwendungen unter Ehegatten, die ohne direkte Gegenleistung erfolgten, ohne weiteres als Schenkung bezeichnet und beurkundet wurden (BGH a. a. 0.).
Auf die hier somit vorliegende unbenannte Zuwendung
des Kl. sind die von der Rspr. für diese Fälle entwickelten Grundsätze über den Ausgleich derartiger unbenannter Zuwendungen nach den Grundsätzen des Wegfalls der
Geschäftsgrundlage anzuwenden. Maßgebend ist dabei
die vom Zuwendenden gehegte Erwartung des Bestandes
der Ehe. Ein solcher Ausgleichsanspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist gerade in Fällen der Gütertrennung, wie hier, schon dann zu bejahen, wenn die
durch die Zuwendung herbeigeführte Vermögenslage
dem benachteiligten Ehegatten nicht zugemutet werden
kann. Die Art und Höhe des Billigkeitsanspruchs hängt
dann von einer Gesamtwürdigung aller Einzelumstände
ab, z. B. Ehedauer, der Frage wie lange und mit welchem
Erfolg die Zuwendung ihrem Zweck gedient hat, Alter
der Ehegatten, Art und Umfang der vom Zuwendungsempfänger innerhalb seines Aufgabenbereichs erbrachten Leistungen, Einsatz eigenen Vermögens, Höhe der
noch vorhandenen Vermögensmehrung, dem Zuwendenden verbliebenes Vermögen u. a.. Die Anwendung dieser
Grundsätze führt hier dazu, dass dem Kl. ein Anspruch in


454 RNotZ 2001, Heft 10
Höhe der Hälfte des von der Bekl. erzielten Kaufpreises
von 250.000,— DM zuzusprechen ist. Hierbei ist im vorliegenden Fall entscheidend darauf abzustellen, dass
beiden im bzw. kurz vor dem Rentenalter stehenden Eheleuten außer dem der Bekl. vom Kl. zugewendeten
Grundstück im Wesentlichen kein Vermögen verblieben
ist. Die ausgezahlten Lebensversicherungssummen wurden weitgehend einvernehmlich den Kindern der Parteien
zugewandt, so dass sie nicht mehr zur Verfügung stehen.
Der Kl. kann billigerweise insoweit schon deshalb nicht
auf eventuelle Ansprüche gegenüber den Kindern verwiesen werden, weil die Bekl. ihrerseits unstreitig das
Grundstück zu einem wesentlich unter dem Verkehrswert
liegenden Preis an eines der Kinder veräußert hat.
Während der Ehe hat die Zuwendung beiden Eheleuten
gedient, beide Eheleute haben innerhalb Ihres Aufgabenbereichs in gleicher Weise zum Erhalt und zur Vermehrung des Vermögens beigetragen. Es entspricht in einer
Gesamtschau der Billigkeit, dass beide Eheleute in gleicher Weise an dem durch den Verkauf des Grundstücks
erzielten Erlös teilhaben. Entsprechend hätte der Kl. bei
Fortbestand der Zugewinngemeinschaft von der Bekl. als
Zugewinnausgleich in etwa die Hälfte des am Stichtag für
das Endvermögen vorhandenen Verkaufserlöses beanspruchen können. (... )
5. Familienrecht — Belehrungspflicht bei Verzicht auf
nachehelichen Unterhalt
(OLG Köln, Urteil vom 30. B. 2001 —7 U 21/01 — mitgeteilt von Notar Dr. Frank Schürmann, Köln)
BGB §§ 242; 1569 ff.
BNotO § 19 Abs. 1 S. 1
Der Notar muss im Rahmen seiner Belehrungspflicht
gemäß § 17 Abs. 1 BeurkG bei Beurkundung eines
gegenseitigen nachehelichen Unterhaltsverzichts
zukünftiger Eheleute darauf hinweisen, dass der
Verzicht möglicherweise im Falle einer notwendigen
Versorgung gemeinsamer Kinder nicht eingreift, der
beabsichtigte Erfolg also nicht zweifelsfrei erreicht
werden kann (im Anschluss an OLG Düsseldorf
DNotZ 1997, 656).
(Leitsatz nicht amtlich)
Zum Sachverhalt:
Der Kl. macht einen Schadensersatzanspruch aus Notarhaftung
wegen fehlerhafter Belehrung im Zusammenhang mit der Beurkundung eines Ehevertrages geltend.
Der Bekl. beurkundete einen Ehevertrag zwischen dem Kl. und
Frau F. Unter „IV. Unterhaltsvereinbarung" wurde Folgendes
vereinbart:
„Unter der aufschiebenden Bedingung, dass aus unserer Ehe
Kinder hervorgehen, verpflichtet sich der Ehemann an die Ehefrau eine monatliche, jeweils bis zum 3. Werktag eines jeden
Monats im Voraus zu entrichtende Unterhaltsrente in Höhe von
500,00 DM zu zahlen, längstens jedoch für einen Zeitraum von
3 1/2 Jahren bzw. bis zur Kindergartenfähigkeit des jüngsten
Kindes, und erstmals für den Monat, der auf die Rechtskraft der
Scheidung folgt.
(...)
Für den Fall der rechtskräftigen Scheidung ihrer Ehe verzichten
die Erschienenen im Übrigen gegenseitig auf jegliche UnterRechtsprechung
haltsansprüche — auch für den Fall des Notbedarfs — und nehmen diesen Verzicht gegenseitig an. Über die rechtliche und
wirtschaftliche Bedeutung und Tragweite dieses wechselseitigen Unterhaltsverzichts wurden wir vom Notar eingehend belehrt. Uns ist bewusst, dass jeder von uns bei einer Scheidung
unserer Ehe wirtschaftlich auf sich alleine angewiesen ist und
für seinen Unterhalt auch dann alleine zu sorgen hat, wenn er infolge Krankheit oder aus anderen Gründen zu einer eigenen Erwerbs- oder Berufstätigkeit nicht in der Lage sein sollte."
Der Kl. und Frau F heirateten. Es wurde der gemeinsame Sohn
D geboren. Einige Monate später trennten sich die Eheleute.
Im Rahmen des Scheidungsverfahrens forderte Frau F vom Kl.
die Zahlung nachehelichen Unterhalts wegen Kindesbetreuung
gem. § 1570 BGB.
Auf Hinweis des Gerichts, dass der Unterhaltsverzicht „im Wesentlichen unwirksam sein dürfte", erkannte der Kl. einen Unterhaltsanspruch in Höhe von DM 1.000,— DM an. Durch das inzwischen rechtskräftig gewordene Scheidungsurteil wurde der
Kl. dementsprechend verpflichtet.
Der Kl. hat aus erster Ehe 3 weitere Kinder. Für diese sowie für
seinen Sohn D zahlt er monatlich Kindesunterhalt.
Das LG hat einen Schadensersatzanspruch gegen den Bekl.
gem. § 19 BNotO i. V. mit § 839 BGB in erster Instanz mit der
Begründung verneint, es fehle jedenfalls an der vom Kl. darzulegenden und zu beweisenden Kausalität zwischen Pflichtverletzung und behauptetem Schaden. Die Frage, ob der Bekl. eine
ihm obliegende Belehrungspflicht schuldhaft verletzt hat, hat
das LG dabei mit folgender Begründung ausdrücklich offen gelassen:
.. In Übereinstimmung mit der st. Rspr. des BGH geht die
Kammer davon aus, dass der durch den Bekl. im Ehevertrag beurkundete nacheheliche Unterhaltsverzicht zwar wirksam, aber
unter Umständen in seiner Durchsetzbarkeit gehemmt ist. Danach kann die Berufung auf einen vereinbarten Unterhaltsverzicht nach Treu und Glauben verwehrt sein, wenn und soweit
das Wohl eines gemeinschaftlichen, von dem anderen Ehegatten betreuten Kindes den Bestand der Unterhaltspflicht erfordert (vgl. BGH FamRZ 1992, 1403 = NJW 1992, 3164 = DNotZ
1993, 524 = MittRhNotK 1992, 244; BGH NJW 1995, 1148;
BGH FamRZ 1997, 873).
Auf der Grundlage dieser Rspr. hat das OLG Düsseldorf
(DNotZ 1997, 656) in einem vergleichbaren Fall eine Pflichtverletzung bejaht und entschieden, dass der Notar im Rahmen
seiner Belehrungspflicht gem. § 17 Abs. 1 BeurkG bei Beurkundung eines gegenseitigen nachehelichen Unterhaltsverzichts zukünftiger Eheleute darauf hinweisen muss, dass der
Verzicht möglicherweise im Falle einer notwendigen Versorgung gemeinsamer Kinder nicht eingreift, der beabsichtigte Erfolg also nicht zweifelsfrei erreicht werden kann.
Gegen die Annahme einer Belehrungspflichtverletzung spricht
aber, dass der vereinbarte Unterhaltsverzicht nicht unwirksam
ist, sondern grundsätzlich voll wirksam, jedoch unter Umständen zeitweise einredebehaftet. Das Risiko, das sich verwirklicht
hat, rührt nicht aus der rechtlichen Gestaltung des Geschäfts,
sondern aus dem „Geschäft" Ehe und Kinder, mithin aus außerhalb des Geschäfts anzusiedelnden Umständen. Eine rechtliche
Gestaltung, die das Risiko sicher umgeht, konnte der Bekl. gar
nicht vorschlagen. Selbst wenn er von der Eheschließung abgeraten hätte, hätte dies keine Sicherheit gebracht, da wegen
§ 1615 1 BGB auch der Vater eines unehelichen Kindes unter
Umständen zur Zahlung nachehelichen Unterhalts an die Mutter verpflichtet ist. Der Bekl. hätte somit in letzter Konsequenz
von der Kinderzeugung abraten müssen. Ehe- oder sogar Familienberatung in diesem Sinne kann aber nicht Sache des Notars
sein."

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Karlsruhe

Erscheinungsdatum:

22.11.2000

Aktenzeichen:

9 U 43/00

Erschienen in:

RNotZ 2001, 453-454

Normen in Titel:

BGB §§ 242, 1414