Aufgaben und Befugnisse des Verwalters bei Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum; Haftung des Verwalters für pflichtwidrige Abschlagszahlungen
letzte Aktualisierung: 15.4.2024
BGH, Urt. v. 26.1.2024 – V ZR 162/22
Aufgaben und Befugnisse des Verwalters bei Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen am
Gemeinschaftseigentum; Haftung des Verwalters für pflichtwidrige Abschlagszahlungen
1. Hat eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit einem Werkunternehmer einen Vertrag zur
Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums geschlossen, gehört es zu den Pflichten des
Verwalters, Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum wie ein Bauherr zu überwachen. Bei
der Bewirkung von Zahlungen ist er verpflichtet, wie ein Bauherr im Interesse der
Wohnungseigentümer sorgfältig zu prüfen, ob bestimmte Leistungen erbracht und Abschlags- oder
Schlusszahlungen gerechtfertigt sind (im Anschluss an Senat, Urteil vom 19. Juli 2019 – V ZR
75/18,
2a. Zahlt der Verwalter im Zuge der Vornahme von Erhaltungsmaßnahmen pflichtwidrig
Abschläge, kann für die Ermittlung des Schadens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht
allein auf die durch die Abschlagszahlungen hervorgerufene Minderung des
Gemeinschaftsvermögens abgestellt werden. In den Gesamtvermögensvergleich einzubeziehen ist
vielmehr auch, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Werkleistungen vertragsgerecht
erbracht worden sind. Die Beweislast dafür, dass den gezahlten Abschlägen keine werthaltigen
Leistungen gegenüberstehen, trifft die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.
2b. Eine Haftung des Verwalters wegen pflichtwidriger Abschlagszahlungen scheidet aus, solange
eine vertragsgerechte Leistung noch im Wege der (Nach-)Erfüllung durch den Werkunternehmer
herbeigeführt werden kann.
2c. Ist dagegen die (Nach-)Erfüllung ausgeschlossen und das Vertragsverhältnis zwischen der
Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und dem Werkunternehmer in ein Abrechnungsverhältnis
übergegangen, haftet der Verwalter für die durch die pflichtwidrigen Abschlagszahlungen
entstandenen Schäden neben dem Werkunternehmer. Der Verwalter ist in diesem Fall aber nur Zug
um Zug gegen Abtretung der auf Geldzahlung gerichteten Ansprüche der Gemeinschaft der
Wohnungseigentümer gegen den Werkunternehmer zu Schadensersatz verpflichtet.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht verneint einen Schadensersatzanspruch der Klägerin
wegen einer Verletzung von Pflichten aus dem Verwaltervertrag. Es meint, die
Klägerin habe, eine Pflichtverletzung des Beklagten unterstellt, nicht hinreichend
dargelegt, dass der Vermögensabfluss von 104.500
che, denn sie lasse den Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung außer Betracht.
Das Privatgutachten enthalte lediglich die nicht ausreichende pauschale Feststellung,
dass die erbrachten Werkleistungen unbrauchbar seien; es verhalte sich
nicht dazu, ob die von dem Beklagten gezahlten Gelder nicht auch einen Vermögenszufluss
bei der Klägerin verursacht hätten. Außerdem bleibe der Klägerin
der von dem Werkunternehmer vorgenommene Abriss des alten Daches als Vorteil
erhalten, und es könne eventuell Material bei einer Beseitigung der behaupteten
Mängel (wieder-)verwendet werden. Im Übrigen hätten sich unterstellt vorzeitige
Abschlagszahlungen nicht kausal ausgewirkt. Denn ein rechtmäßiges
Alternativverhalten des Beklagten, das in Zahlungen auf berechtigte Abschlagsforderungen
zu sehen wäre, hätte die Klägerin nicht vor einem Schaden durch
die behauptete mangelhafte Werkausführung bewahrt. Der Beklagte verfüge
auch nicht über bausachverständige Fertigkeiten, so dass nur der Maßstab angelegt
werden könne, welcher der üblichen Sorgfalt eines Wohnungseigentümers
entspreche.
II.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der von dem
Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der geltend gemachte Schadensersatzanspruch
aus
wegen pflichtwidriger Abschlagszahlungen nicht verneint werden.
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe - eine Pflichtverletzung
des Beklagten unterstellt - den Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung
außer Acht gelassen und infolgedessen nicht hinreichend dargelegt, dass
, ist unzutreffend.
a) Das Berufungsgericht verkennt insoweit, wie die Revision mit Recht
rügt, die Darlegungs- und Beweislast. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
ist für die tatsächlichen Voraussetzungen der Vorteilsausgleichung der
Schädiger darlegungs- und beweispflichtig (vgl. etwa Senat, Urteil vom 17. Oktober
2003 - V ZR 84/02,
- IX ZR 9/21,
erbrachten Leistungen, wie das Berufungsgericht annimmt, unter dem
Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen (vgl. allerdings unten
Rn. 24), müsste nicht die Klägerin, sondern der Beklagte darlegen und beweisen,
ob und in welchem Umfang bei der Klägerin mit Rücksicht auf die erbrachten
Leistungen des Werkunternehmers ein Vorteil verblieben sein könnte.
b) Aber auch von seinem Standpunkt aus durfte das Berufungsgericht den
Vortrag der Klägerin nicht als unsubstantiiert erachten.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Sachvortrag
schlüssig und ausreichend substantiiert, wenn die vorgetragenen Tatsachen
in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte
Recht zu begründen. In Fallgestaltungen, in denen ein erfolgversprechender Parteivortrag
fachspezifische Fragen betrifft und besondere Sachkunde erfordert,
dürfen an den klagebegründenden Sachvortrag der Partei nur maßvolle Anforderungen
gestellt werden. Die Partei darf sich in diesem Fall auf den Vortrag von
ihr zunächst nur vermuteter Tatsachen beschränken. Zur Ermittlung von Umständen,
die ihr nicht bekannt sind, ist eine Partei im Zivilprozess grundsätzlich nicht
verpflichtet (vgl. nur Senat, Beschluss vom 22. März 2023 - V ZR 128/22, NJW
2023, 718 Rn. 9 f. mwN).
bb) Daran gemessen ist der Vortrag der Klägerin, wonach pflichtwidrigen
Abschlagszahlungen insgesamt unbrauchbare Werkleistungen gegenüberstehen,
die (auch) den Abriss des neuen Daches erfordern, ohne jeden Zweifel
schlüssig und hinreichend substantiiert. Der Umstand, dass die Klägerin zur Untermauerung
ihres Vortrags ein aus Sicht des Berufungsgerichts unzureichendes
Privatgutachten eingereicht hat, ändert hieran nichts. Denn bei einem Privatgutachten
handelt es sich nur um (substantiierten) Parteivortrag (vgl. Senat, Urteil
vom 20. September 2002 - V ZR 170/01,
eines Privatgutachters hat die Klägerin mehr veranlasst, als prozessual
von ihr verlangt werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 22. März
2023 - V ZR 128/22,
detaillierten Ausführungen zu den einzelnen Mängeln enthalten mag, rechtfertigt
es daher nicht, den klägerischen Vortrag als unerheblich anzusehen; deshalb
wären auch dann, wenn die Klägerin darlegungs- und beweisbelastet wäre, genauere
Angaben zu einzelnen Mängeln und dem Umfang der Mangelbeseitigung
nicht erforderlich gewesen.
2. Der Klage kann der Erfolg entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
auch nicht mit dem Verweis auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten, also
auf einen fehlenden Kausalzusammenhang zwischen einer - unterstellten -
Pflichtverletzung des Beklagten und einem - unterstellt wegen der mangelhaften
Werkleistungen eingetretenen - Schaden der Klägerin versagt werden.
a) Die Berufung des Schädigers auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten,
das heißt der Einwand, der Schaden wäre auch bei einer ebenfalls möglichen,
rechtmäßigen Verhaltensweise entstanden, kann nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs für die Zurechnung eines Schadenserfolgs beachtlich sein.
Die Erheblichkeit des Einwandes richtet sich nach dem Schutzzweck der jeweils
verletzten Norm. Voraussetzung ist zudem, dass derselbe Erfolg effektiv herbeigeführt
worden wäre; die bloße Möglichkeit, ihn rechtmäßig herbeiführen zu können,
reicht nicht aus (st. Rspr., vgl. Senat, Urteil vom 9. März 2012 - V ZR 156/11,
Rn. 39).
b) Hiervon ausgehend liegen die Voraussetzungen rechtmäßigen Alternativverhaltens
nicht vor. Das Berufungsgericht unterstellt zugunsten der Klägerin,
dass die Abschlagszahlungen von dem Beklagten pflichtwidrig vorgenommen
worden sind. In diesem Fall wäre aber die unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen
Alternativverhaltens zu prüfende Handlungsalternative (vgl. beispielhaft
etwa Senat, Urteil vom 29. Januar 2016 - V ZR 285/14,
BGH, Urteil vom 11. Februar 2020 - II ZR 427/18,
die Nichtvornahme der Zahlungen gewesen; dadurch wäre der - unterstellte -
Schaden gerade nicht gleichermaßen entstanden, sondern vielmehr verhindert
worden. Demgegenüber knüpft die Annahme, dass der Beklagte berechtigte Abschlagsforderungen
des Werkunternehmers bei pflichtgemäßen Verhalten zu er-
füllen gehabt hätte, nicht (nur) - wie es aber Voraussetzung eines solchen Einwands
wäre - an ein rechtmäßiges Alternativverhalten des Beklagten an, sondern
setzt außerdem ein fiktives Alternativverhalten eines Dritten, nämlich des
Werkunternehmers, voraus.
III.
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben
(
neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Sie ist nicht zur Endentscheidung reif, weil weitere Feststellungen zu treffen
sind. Dazu weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Das Berufungsgericht wird zunächst zu prüfen haben, ob der Beklagte
seine Pflichten als Verwalter der Klägerin verletzt hat (
a) Hat eine GdWE mit einem Werkunternehmer einen Vertrag zur Erhaltung
des gemeinschaftlichen Eigentums geschlossen, gehört es zu den Pflichten
des Verwalters nach Maßgabe des hier noch anwendbaren (vgl. dazu Senat,
Urteil vom 17. März 2023 - V ZR 140/22,
Abs. 1 Nr. 2 WEG in der bis zum 30. November 2020 geltenden Fassung (jetzt
am Gemeinschaftseigentum wie ein Bauherr zu überwachen. Bei der Bewirkung
von Zahlungen gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 5 WEG aF ist er verpflichtet, wie ein Bauherr
im Interesse der Wohnungseigentümer sorgfältig zu prüfen, ob bestimmte
Leistungen erbracht und Abschlags- oder Schlusszahlungen gerechtfertigt sind;
für ihn erkennbare Mängel muss er hierbei berücksichtigen (vgl. Senat, Urteil vom
19. Juli 2019 - V ZR 75/18,
b) Der Verwalter einer GdWE hat demnach zu prüfen, ob eine von dem
mit einer Erhaltungsmaßnahme beauftragten Werkunternehmer verlangte Abschlagszahlung
dem Grunde und der Höhe nach berechtigt ist. Daraus folgt, dass
der Verwalter im Regelfall (auch) die Voraussetzungen des
weitgehend § 16 Abs. 1 VOB/B entspricht (vgl. BT-Drucks. 18/8486 S. 47), beachten
muss. Hierzu gehört unter anderem das in § 632a Abs. 1 Satz 5 BGB
geregelte Erfordernis einer Aufstellung, die eine rasche und sichere Beurteilung
der Leistungen ermöglicht; ohne sie ist ein Anspruch auf Abschlagszahlung nicht
gegeben (vgl. BeckOGK/Mundt, BGB [1.10.2023], § 632a Rn. 38; BeckOK
BGB/Voit [1.11.2022], § 632a Rn. 10; MüKoBGB/Busche, 9. Aufl., § 632a Rn. 7).
Der Verwalter muss die Abschlagsrechnung außerdem daraufhin durchsehen, ob
sie zu dem Auftrag und dem Leistungsstand passt (ebenso etwa OLG Frankfurt
a.M.,
die angeliefert oder eigens angefertigt und bereitgestellt sind, erfordert - abgesehen
davon, dass die Stoffe oder Bauteile den vertraglichen Vorgaben entsprechen
müssen (BeckOK BGB/Voit [1.11.2022], § 632a Rn. 11) - außerdem
gemäß
an den Stoffen oder Bauteilen übertragen oder entsprechende Sicherheit
hierfür geleistet wird.
c) Von einer Verletzung der Pflicht, die verlangten Abschlagszahlungen
auf ihre Berechtigung zu überprüfen, dürfte nach den bisherigen Feststellungen
auszugehen sein. So fehlt es für einen erheblichen Teil der Zahlungen an einer
Abschlagsrechnung beziehungsweise einer Aufstellung, die eine sichere Beurteilung
der erbrachten Leistungen ermöglichen würde; damit bestand insoweit
von vorneherein kein Anspruch des Werkunternehmers. Soweit für andere Teilzahlungen
eine Abschlagsrechnung für Material vorhanden ist, hätte der Beklagte
jedenfalls stichprobenartig überprüfen müssen, ob diese zu dem Auftrag
und dem angelieferten Material passt und ob das Material übereignet oder Sicherheit
geleistet worden ist; nach den bisherigen Feststellungen kann hiervon
nicht ausgegangen werden.
d) Auf die Frage, ob die in dem Privatgutachten genannten Mängel der
Werkleistungen für den Beklagten erkennbar waren, was die Revisionserwide-
rung in Abrede stellt, kommt es demnach (zunächst) nicht an. Sollte sich im Verlauf
des weiteren Verfahrens allerdings herausstellen, dass der Beklagte seinen
Pflichten bei Überprüfung der vorhandenen Abschlagsrechnung genügt hat, hätte
sich das Berufungsgericht damit zu befassen, ob sich ein Verwalter, der nicht
selbst über die erforderlichen Kenntnisse für die Prüfung der Werkleistungen verfügt,
überhaupt auf eine allein auf mangelnder Fachkunde beruhende fehlende
Erkennbarkeit von Mängeln der Werkleistung berufen kann. Das kann insbesondere
dann zu verneinen sein, wenn es der Verwalter bei einer mit erheblichem
Kostenrisiko verbundenen umfangreichen baulichen Maßnahme unterlassen hat,
die Wohnungseigentümer auf seine fehlende Fachkompetenz hinzuweisen und
eine Beschlussfassung über eine überwachende Tätigkeit durch Sonderfachleute
vorzubereiten (vgl. hierzu Bärmann/Becker, WEG, 15. Aufl., § 27 Rn. 109;
Staudinger/Jacoby, BGB [2023],
4. Aufl., § 10 Rn. 254; Bub, PiG 7, 57, 68; Vandenhouten, ZWE 2012,
237, 241; s. zur tatsächlichen Vermutung für eine entsprechende Beschlussfassung
in vergleichbaren Fällen Senat, Urteil vom 19. Juli 2019 - V ZR 75/18, ZWE
2020, 44 Rn. 39 f.).
2. Das Berufungsgericht wird, wenn sich Pflichtverletzungen des Beklagten
bestätigen sollten, weiter zu prüfen haben, ob das Verhalten des Beklagten
zu einem Schaden der Klägerin geführt hat.
a) Ob ein zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, ist nach der sogenannten
Differenzhypothese durch einen Vergleich der infolge des haftungsbegründenden
Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich
ohne dieses Ereignis ergeben hätte, zu beurteilen (vgl. etwa Senat, Urteil vom
22. Februar 2019 - V ZR 244/17,
1997 - V ZR 29/96,
der Vornahme von Erhaltungsmaßnahmen pflichtwidrig Abschläge, kann für die
Ermittlung des Schadens der GdWE, was das Berufungsgericht im Grundsatz
auch erkennt, allerdings nicht allein auf die durch die Abschlagszahlungen hervorgerufene
Minderung des Gemeinschaftsvermögens abgestellt werden. In den
Gesamtvermögensvergleich einzubeziehen ist vielmehr auch, ob und gegebenenfalls
in welchem Umfang die Werkleistungen vertragsgerecht erbracht worden
sind. Die Beweislast dafür, dass den gezahlten Abschlägen keine werthaltigen
Leistungen gegenüberstehen, trifft die GdWE.
b) Das folgt entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht
des Beklagtenvertreters allerdings nicht daraus, dass es sich bei den erbrachten
Werkleistungen um unmittelbar in die Schadensberechnung einzubeziehende
Vorteile handelte.
aa) Zwar geht der Bundesgerichtshof etwa für den Spezialfall der Steuerberaterhaftung
davon aus, dass (Steuer-)Vorteile, die unmittelbare Folge des haftungsbegründenden
Ereignisses sind, also solche, die zwangsläufig - sozusagen
spiegelbildlich - mit den negativen Folgen der Pflichtverletzung zusammenhängen,
Teil des Gesamtvermögensvergleichs und unmittelbar in die Schadensberechnung
einzubeziehen sein können mit der Folge, dass die Darlegungs- und
Beweislast bei dem Geschädigten liegt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2021
- IX ZR 9/21,
752/22,
des Bundesgerichtshofs, dass Vorteile - auch Steuervorteile - nur im
Wege der auf dem Gedanken von Treu und Glauben beruhenden Vorteilsausgleichung
zu berücksichtigen sind; diese kommt nur in Betracht, wenn zwischen
dem schädigenden Ereignis und dem Vorteil ein adäquater Kausalzusammenhang
besteht, was der Schädiger darzulegen und zu beweisen hat (vgl. nur Senat,
Urteil vom 21. April 2023 - V ZR 86/22,
vom 15. April 1983 - V ZR 152/82,
Senat, Urteil vom 30. November 2007 - V ZR 284/06,
BGH, Urteil vom 31. Mai 2010 - II ZR 30/09,
mwN).
bb) Hier ergeben sich etwaige Vorteile, sofern sie bei der Klägerin überhaupt
eingetreten sind, allein infolge des Bauvertrags. Sie beruhen nicht kausal
auf der Verletzung der Verwalterpflichten des Beklagten im Zusammenhang mit
der Erbringung von Abschlagszahlungen, sondern auf den Leistungen des beauftragten
Werkunternehmers, die ohne die Zahlungen auch nicht zwangsläufig
entfielen.
c) Ob eine pflichtwidrige Abschlagszahlung zu einem Schaden geführt hat,
hängt aber gleichwohl davon ab, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die
Werkleistungen vertragsgerecht erbracht worden sind. Diese Frage stellt sich
schon im Rahmen des Gesamtvermögensvergleichs, weil sich die Differenzhypothese
auch einer normativen Kontrolle zu unterziehen hat (vgl. Senat, Urteil
vom 26. September 1997 - V ZR 29/96,
insoweit, dass es sich bei den Abschlagszahlungen um vorläufige Zahlungen
handelt.
aa) Die in
bezweckt, den nach § 641 Abs. 1 Satz 1 BGB vorleistungspflichtigen
Werkunternehmer zu entlasten und die gerade bei Bauleistungen mit der Vorfinanzierung
verbundenen wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen (vgl. etwa
BGH, Urteil vom 20. August 2009 - VII ZR 205/07,
Urteil vom 21. Februar 1985 - VII ZR 160/83,
auf Abschlagszahlungen ist auf Anzahlungen in Bezug auf den Vergütungsanspruch
für das Gesamtwerk gerichtet. Die Abschlagsforderungen und auch die
Anzahlungen haben keinen endgültigen Charakter, sondern sind nur vorläufig
(BGH, Urteil vom 20. August 2009 - VII ZR 205/07, aaO). Der Werkunternehmer
hat daher über die ihm zustehende endgültige Vergütung unter Berücksichtigung
der geleisteten Abschlagszahlungen mit der Schlussrechnung abzurechnen (vgl.
BGH, Urteil vom 8. Januar 2015 - VII ZR 6/14,
24. Januar 2002 - VII ZR 196/00,
sind dabei lediglich Rechnungsposten, die nicht auf einzelne Leistungspositionen
des Vertrags bezogen werden können (vgl. BGH, Urteil vom
20. August 2009 - VII ZR 205/07, aaO Rn. 45). Zur Rückzahlung ist der Unternehmer
aus dem geschlossenen Vertrag (nur) verpflichtet, soweit die Summe der
Abschlagszahlungen die ihm zustehende Gesamtvergütung übersteigt (vgl.
BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 - VII ZR 399/97,
bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze besteht ein Schaden der
GdWE aufgrund pflichtwidrig erbrachter Abschlagszahlungen des Verwalters nur,
soweit deren Summe die dem Werkunternehmer zustehende Gesamtvergütung
übersteigt.
(1) Demnach wird zum einen aufzuklären sein, ob die durch den Werkunternehmer
erbrachten Leistungen, wie die Klägerin, gestützt auf das Privatgutachten,
hinreichend substantiiert behauptet, unbrauchbar sind. Die Beweislast
trifft, da es um die tatsächlichen Voraussetzungen des Gesamtvermögensvergleichs
geht, die Klägerin.
(2) Zum anderen kann der Verwalter nur dann erfolgreich wegen pflichtwidriger
Abschlagszahlungen in Anspruch genommen werden, wenn das Vertragsverhältnis
zwischen dem Werkunternehmer und der GdWE in ein Abrechnungsverhältnis
übergegangen ist; auch hierzu fehlt es bislang an Feststellungen.
(a) Eine Haftung des Verwalters wegen pflichtwidriger Abschlagszahlungen
scheidet aus, solange eine vertragsgerechte Leistung noch im Wege der
(Nach-)Erfüllung durch den Werkunternehmer herbeigeführt werden kann. Es
entspricht einhelliger - wenngleich nicht näher begründeter - Ansicht in Rechtsprechung
und Literatur, dass eine Inanspruchnahme des Verwalters wegen
pflichtwidrig veranlasster Abschlagszahlungen die Nichtdurchsetzbarkeit von Ansprüchen
gegen den beauftragten Werkunternehmer voraussetzt (vgl. OLG
Frankfurt a.M.,
Rn. 195; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, WEG,
13. Aufl., § 27 Rn. 161; Spielbauer in Spielbauer/Then, WEG, 3. Aufl., § 26
Rn. 45; Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 4. Aufl., § 10 Rn. 254).
(b) Diese Auffassung trifft grundsätzlich zu. Allerdings scheidet die Inanspruchnahme
des Verwalters nur aus, wenn noch durchsetzbare (Nach-)Erfüllungsansprüche
gegen den Werkunternehmer bestehen. Solange besteht nämlich
die Möglichkeit, dass der Werkunternehmer im Wege der (Nach-)Erfüllung
ein vertragsgemäßes Werk erbringt, wozu ihn der Verwalter in Erfüllung seiner
ihm gegenüber der GdWE obliegenden Pflichten auch anhalten muss. In diesem
Stadium lässt sich wegen des vorläufigen Charakters der Abschlagszahlungen
(vgl. dazu Rn. 25) noch nicht beurteilen, ob - und ggf. in welcher Höhe - die
pflichtwidrigen Abschlagszahlungen einen Schaden verursacht haben.
d) Ist dagegen die (Nach-)Erfüllung ausgeschlossen und das Vertragsverhältnis
zwischen der GdWE und dem Werkunternehmer in ein Abrechnungsverhältnis
übergegangen, haftet der Verwalter für die durch die pflichtwidrigen Abschlagszahlungen
entstandenen Schäden neben dem Werkunternehmer. Der
Verwalter ist in diesem Fall aber nur Zug um Zug gegen Abtretung der auf Geldzahlung
gerichteten Ansprüche der GdWE gegen den Werkunternehmer zu
Schadensersatz verpflichtet.
aa) Ist das Vertragsverhältnis zwischen der GdWE und dem Werkunternehmer
in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen, bestehen zwischen der
GdWE und dem Werkunternehmer nur noch Zahlungsansprüche (vgl. dazu BGH,
Urteil vom 19. Januar 2017 - VII ZR 301/13,
28. Mai 2020 - VII ZR 108/19,
Abschlagszahlungen als Rechnungsposten einzustellen, und es lässt sich nunmehr
feststellen, ob und in welcher Höhe der GdWE ein Schaden entstanden ist.
Infolgedessen gilt im Verhältnis der GdWE zu dem pflichtwidrig Abschläge zahlenden
Verwalter der allgemeine Grundsatz, wonach sich ein Geschädigter nicht
darauf verweisen lassen muss, dass er (auch) einen Anspruch gegen einen Dritten
hat; es steht dem Geschädigten vielmehr grundsätzlich frei, wen er in Anspruch
nimmt. Dadurch soll der Geschädigte den mit der Durchsetzung des anderen
Anspruchs verbundenen Aufwand und das Insolvenzrisiko des Dritten auf
den Schädiger verlagern können (vgl. zum Ganzen Senat, Urteil vom
24. September 2021 - V ZR 272/19,
bb) Nimmt die GdWE in diesem Fall den Verwalter in Anspruch, ist der
Verwalter wegen pflichtwidriger Abschlagszahlungen aber entsprechend § 255
BGB nur Zug um Zug gegen Abtretung der auf Geldzahlung gerichteten Ansprüche
der GdWE gegen den Werkunternehmer zu Schadensersatz verpflichtet.
(1) Zwar betrifft
wegen des Verlusts einer Sache oder eines Rechts gegen Abtretung der Ansprüche,
die dem Ersatzberechtigten auf Grund des Eigentums an der Sache oder
auf Grund des Rechts gegen Dritte zustehen. Die Vorschrift beruht aber auf der
grundsätzlichen Überlegung, dass einer von mehreren Schädigern dem Schaden
ferner steht und deshalb im Innenverhältnis in vollem Umfang bei dem anderen
Schuldner Regress nehmen können soll; der Gläubiger wiederum soll die Leistung
nicht doppelt erhalten (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 1989 - III ZR 192/87,
über ihren Wortlaut hinaus auf vergleichbare Fälle entsprechend anzuwenden
(vgl. Senat, Urteil vom 24. September 2021 - V ZR 272/19,
Rn. 19 mwN).
(2) Die Inanspruchnahme des Verwalters durch die GdWE wegen pflichtwidriger
Abschlagszahlungen an einen Werkunternehmer, dem gegenüber die
GdWE (nur noch) Zahlungsansprüche hat, gebietet die entsprechende Anwendung
von
Werkunternehmer. Eine gesamtschuldnerische Haftung nach
dem Verwalter und dem Werkunternehmer besteht mangels Gleichstufigkeit
der Verpflichtungen des Verwalters und des Werkunternehmers nicht (vgl. zu
den Voraussetzungen einer gesamtschuldnerischen Haftung BGH, Urteil vom
18. April 2023 - VI ZR 345/21,
soll die Zahlungen nicht doppelt erlangen können.
cc) Einer Erhebung der Zug-um-Zug-Einrede durch den Beklagten bedarf
es jedenfalls nicht. Denn die Klägerin trägt dem Zurückbehaltungsrecht des Beklagten
bereits durch ihre ausdrücklich so formulierte hilfsweise Antragstellung
Rechnung (vgl. Senat, Urteil vom 16. März 1973 - V ZR 118/71,
323; BGH, Urteil vom 25. November 1998 - VIII ZR 323/97, juris Rn. 9), auch
wenn es sich nicht um einen Hilfsantrag im Sinne einer von einer innerprozessualen
Bedingung abhängigen eventuellen Klagehäufung, sondern um ein in dem
Hauptantrag ohnehin enthaltenes Minus handelt.
3. Sollte es im weiteren Verlauf des Verfahrens noch auf den als zweiten
Hilfsantrag gestellten Feststellungsantrag ankommen, wäre dieser - wie das Berufungsgericht
zutreffend erkannt hat - unzulässig. Ein Schadensposten, der zum
Gegenstand einer bezifferten Leistungsklage gemacht worden ist, kann grundsätzlich
nicht in identischem Umfang Gegenstand eines hilfsweise gestellten
Feststellungsantrags sein (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 1998 - VI ZR 342/96,
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:26.01.2023
Aktenzeichen:V ZR 162/22
Rechtsgebiete:
Allgemeines Schuldrecht
WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Bauträgervertrag und Werkvertrag
WEG § 27; BGB § 632a