Zeitliche Begrenzung schuldrechtlicher Verfügungsunterlassungsverpflichtung in Übergabeverträgen; sittenwidrige Knebelung durch ausnahmsloses Verfügungsverbot bzgl. unbeweglichen Betriebsvermögens
DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 11053R
letzte Aktualisierung: 6.9.2012
BGH, 6.7.2012 - V ZR 122/11
Zeitliche Begrenzung schuldrechtlicher Verfügungsunterlassungverpflichtung in Übergabeverträgen; sittenwidrige Knebelung durch ausnahmsloses Verfügungsverbot bzgl. unbeweglichen Betriebsvermögens
1. Unterlassungsverpflichtungen nach
werden nicht nach 30 Jahren nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unwirksam.
2. In Übergabeverträgen zur vorweggenommenen Erbfolge vereinbarte Unterlassungspflichten,
die dem Übernehmer Verfügungen über das Vermögen eines übergebenen Betriebs insgesamt
oder über dessen Grundvermögen untersagen, sind nach
Übernehmer von dem Übergeber nicht die Zustimmung zu einer mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Wirtschaft zu vereinbarenden und den Zweck des Verfügungsverbots nicht wesentlich gefährdenden Verfügung (Veräußerung oder Belastung) verlangen kann.
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 122/11
Verkündet am:
6. Juli 2012
Lesniak
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 137 Satz 2
Unterlassungsverpflichtungen nach
BGB § 138 Abs. 1 Bb
In Übergabeverträgen zur vorweggenommenen Erbfolge vereinbarte Unterlassungspflichten, die dem Übernehmer Verfügungen über das Vermögen eines übergebenen
Betriebs insgesamt oder über dessen Grundvermögen untersagen, sind nach § 138
Abs. 1 BGB nichtig, wenn der Übernehmer von dem Übergeber nicht die Zustimmung zu einer mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Wirtschaft zu vereinbarenden
und den Zweck des Verfügungsverbots nicht wesentlich gefährdenden Verfügung
(Veräußerung oder Belastung) verlangen kann.
BGH, Urteil vom 6. Juli 2012 - V ZR 122/11 - OLG Frankfurt/Main
LG Kassel
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Juli 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter
Dr. Lemke und Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und
den Richter Dr. Czub
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 14. Zivilsenats in
Kassel
des
Oberlandesgerichts
Frankfurt
am
Main
vom
12. April 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgeboben, als zu
Gunsten des Beklagten entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Mit notariellem Vertrag vom 11. April 1980 übertrug die im Jahre 2007
verstorbene Mutter der Parteien ihren ¾ Miteigentumsanteil des zu einem Gut
gehörenden Grundbesitzes im Wege vorweggenommener Erbfolge auf den
Beklagten, dem bereits ¼ Miteigentumsanteil an dem Grundbesitz gehörte.
In dem Vertrag verpflichtete sich der Beklagte dazu, die Grundstücke
während eines Zeitraums von 35 Jahren, hilfsweise von 30 Jahren - mit Ausnahme einer Übertragung an leibliche, eheliche Abkömmlinge - nicht zu veräußern (§ 4 Nr. 1). Der Verstoß gegen das Veräußerungsverbot sollte den Rückfall der betroffenen Ländereien an den Veräußerer zur Folge haben (§ 4 Nr. 2).
Das Veräußerungsverbot sollte nach dem Tod der Veräußerin fortbestehen
und danach der Rückfallanspruch dem Kläger zustehen (§ 4 Nr. 3). Der Anspruch auf Rückübertragung sollte auch bei Eingriffen Dritter, wie Pfändungen,
ebenso bei Verpfändungen wirksam werden (§ 4 Nr. 5). Zur Sicherung des
Rückübertragungsanspruchs wurden die betroffenen Grundstücke mit Vormerkungen belastet.
Nach Eintragung von Zwangssicherungshypotheken auf drei Grundstücken hat der Kläger von dem Beklagten die Rückauflassung eines dieser
Grundstücke verlangt. Mit der Widerklage verlangt der Beklagte von dem Kläger, die Löschung der auf den anderen Grundstücken des Guts eingetragenen
Vormerkungen zu bewilligen. Das Landgericht hat der Klage durch Teilurteil
stattgegeben und die Widerklage durch Schlussurteil abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat der Widerklage - unter Zurückweisung des Löschungsanspruchs für die zwei weiteren mit Zwangssicherungshypotheken belasteten
Grundstücke - stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision
will der Kläger auch im Übrigen die Abweisung der Widerklage erreichen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, dass der Beklagte von dem Kläger nach
auf den Grundstücken verlangen könne, die bis zum 1. Juli 2010 weder veräußert, verpfändet noch von Dritten mit Pfandrechten belastet worden seien.
Das Verfügungsverbot sei nämlich an diesem Tage, 30 Jahre nach dem
im Übergabevertrag vereinbarten Zeitpunkt für den Übergang des Besitzes, der
Nutzungen und der Lasten, erloschen. Die primär vereinbarte Bindungsfrist von
35 Jahren komme nicht zum Tragen, weil Unterlassungsverpflichtungen nach
zeitliche Begrenzung für schuldrechtlich wirkende Verfügungsverbote verneine,
sei die primär vereinbarte 35jährige Bindungsfrist unwirksam, da die nach
dem Zweck diene, den übertragenen Grundbesitz im Familienbesitz zu halten,
nach 30 Jahren erreicht sei. Der durch eine Vormerkung gesicherte Rückübertragungsanspruch verleihe dem schuldrechtlichen Verfügungsverbot eine gewisse dingliche Wirkung, welche die Kernbefugnisse des Eigentümers betreffe,
wobei sich hier eine zusätzliche besondere Belastung schon daraus ergebe,
dass dem Beklagten bereits vor der Übertragung ein ¼ Miteigentumsanteil an
dem Grundbesitz gehört habe. Die Bindung durch das Verfügungsverbot sei
deshalb gemäß dem Rechtsgedanken der erbrechtlichen Vorschriften (§ 2044
Abs. 2 Satz 1,
Ablauf von 30 Jahren weggefallen.
II.
Das hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Widerklage ist
nicht deshalb begründet, weil bereits 30 Jahre seit dem Wirksamwerden des
Unterlassungsanspruchs vergangen sind.
1. Richtig ist, dass der Beklagte, soweit innerhalb der vereinbarten Frist
nicht gegen das schuldrechtliche Veräußerungs- und Belastungsverbot (§ 137
Satz 2 BGB) verstoßen worden ist, nach Fristablauf von dem Widerbeklagten
die Zustimmung zur Löschung der auf seinen Grundstücken eingetragenen
Vormerkungen verlangen kann. Worauf dieser Anspruch beruht, kann offen
bleiben.
a) Er ergäbe sich aus
für das Verbot zugleich der durch die Vormerkung gesicherte Rückübertragungsanspruch erloschen wäre. Mit dem gesicherten Anspruch erlischt
auch die akzessorische Vormerkung (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember
1972 - V ZR 76/71,
432/98,
b)
Verfügungsverbot, jedoch nicht der gesicherte Rückübertragungsanspruch befristet wäre. Der Grundeigentümer kann nach
die Beseitigung der Vormerkung verlangen, wenn der gesicherte Anspruch
zwar noch besteht, aber demjenigen, dessen Grundstück oder Recht von der
Vormerkung betroffen ist, eine die Geltendmachung des Anspruchs auf Dauer
ausschließende materiell-rechtliche Einrede zusteht (vgl. BayObLGZ 1997,
223, 226).
2. Das Verfügungsverbot ist - entgegen der von dem Berufungsgericht
vertretenen Ansicht - nicht bereits infolge Zeitablaufs erloschen. Unterlassungsverpflichtungen nach
a) Das Berufungsgericht ist allerdings einer im Schrifttum weit verbreiteten Auffassung gefolgt, nach der schuldrechtliche Verfügungsverbote mit Ablauf von 30 Jahren erlöschen (Großfeld/Gersch,
Rechtsgeschäftliche
Verfügungsbeschränkungen,
S. 116 f.;
MünchKommBGB/Armbrüster, 6. Aufl., § 137 Rn. 25; Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Aufl.,
§ 137 Rn. 5; Wiesmann, Zur Tragweite des
diese Auffassung - bei Unterschieden in der Begründung im Einzelnen - auf
eine Rechtsanalogie zu den Vorschriften in § 462 Satz 1, § 544, § 2044 Abs. 2
Satz 1,
b) Andere verweisen darauf, dass es keinen allgemeinen Rechtssatz
gibt, der die Geltung vertraglicher Verpflichtungen auf eine Frist von 30 Jahren
begrenzt (Schack,
Rn. 45), und daher auch rechtsgeschäftliche Verfügungsverbote nach § 137
Satz 2 BGB nicht schon wegen Ablaufs dieser Frist erlöschen, weil dem vereinbarten Untersagungsanspruch auch noch nach dieser Zeit ein anerkennenswertes Interesse zugrunde liegen könne (Staudinger/Kohler, BGB [2011], § 137
Rn. 45; Schippers,
c) Die letztgenannte Auffassung ist richtig. Das Bürgerliche Gesetzbuch
enthält keine Bestimmung zur höchstzulässigen Geltungsdauer vertraglicher
Verpflichtungen nach
aa) Eine zeitliche Obergrenze lässt sich (entgegen Großfeld/Gersch,
langfristige Unterlassungsverpflichtungen nach
Regelung in
Verfügungsbefugnis des Rechtsinhabers durch ein Rechtsgeschäft nicht mit
dinglicher Wirkung ausgeschlossen werden kann, sind schuldrechtlich wirkende
Verfügungsverbote, auch wenn sie für eine lange Zeit vereinbart werden, nicht
als Umgehung von
nicht den Schutz der persönlichen Freiheit des Rechtsinhabers, sondern dient
der Sicherung des numerus clausus der Sachenrechte und der Zwangsvollstreckung (Senatsbeschluss vom 5. Dezember 1996 - V ZB 27/96,
186 mwN), die der Gesetzgeber durch allein schuldrechtlich wirkende Verfügungsbeschränkungen nicht als gefährdet angesehen hat.
bb) Eine Höchstdauer von 30 Jahren für schuldrechtliche Verfügungsverbote lässt sich (entgegen Berger, Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen, S. 117) auch nicht daraus herleiten, dass für unbefristete Wiederkaufsrechte eine solche Frist gilt (
deshalb kein gesetzliches Leitbild für eine 30jährige Höchstdauer vereinbarter
Unterlassungsverpflichtungen nach
weil die gesetzliche Ausschlussfrist für das Wiederkaufsrecht subsidiär ist und
die Vertragsparteien auch längere, über 30 Jahre hinausgehende Fristen für die
Geltendmachung eines Wiederkaufsrechts vereinbaren können (Senatsurteile
vom 21. April 1967 - V ZR 75/64,
2010 - V ZR 48/10,
cc) Aus
ergibt sich (entgegen Großfeld/Gersch, aaO; MünchKomm-BGB/Armbrüster,
6. Aufl., § 137 Rn. 25) ebenfalls keine allgemeine Höchstgrenze für die Dauer
schuldrechtlicher Verpflichtungen. Diese Vorschrift soll "ewige", vertraglich begründete Nutzungsrechte, sog. "Erbmieten" oder ähnliche Verhältnisse, verhindern (
Zeiträume nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - I ZR 221/05, NJW
2008, 2995, 2996 Rn. 16 - 40jährige Haltbarkeitsgarantie).
dd) Schließlich lässt sich auch nicht aus den Befristungen in erbrechtlichen Vorschriften (§ 2044 Abs. 2 Satz 1, § 2109 Abs. 1, § 2262 Abs. 2 Satz 1,
Abs. 2 BGB nach Ablauf von 30 Jahren unwirksam werden.
Das Erbrecht beschränkt die Geltungsdauer bestimmter letztwilliger Verfügungen auf einen Zeitraum von 30 Jahren nach dem Erbfall. Diese Befristungen verfolgen das Ziel, den Erben nicht 30 Jahre über den Tod des Erblassers
hinaus an dessen Anordnungen zu binden (Schack,
Erbrecht trifft jedoch keine Bestimmungen für die Abreden, welche die Vertragsparteien im Zusammenhang mit einer Übertragung von Vermögensgegenständen zu Lebzeiten des Übertragenden vereinbaren. Ihm lässt sich demzufolge auch nicht entnehmen, dass die Geltungsdauer der in einem Übergabevertrag vereinbarten Unterlassungspflichten nach
Zeitraum von 30 Jahren nach dem Übergang des Eigentums auf den Übernehmer begrenzt ist, was im Übrigen zur Folge hätte, dass die Bindung des
Übernehmers unter Umständen schon vor dem Ableben des Übertragenden
endete.
Ob Verfügungsbeschränkungen, zu denen sich der Übernehmer in einem zur vorweggenommenen Erbfolge abgeschlossenen Übergabevertrag verpflichtet hat, 30 Jahre nach dem Tod des Übergebers unwirksam werden, weil
sich aus dem Erbrecht ein Rechtssatz ergibt, dass der Erblasser nicht über diesen Zeitraum hinaus über sein Vermögen bestimmen können soll (so Schack,
2037, mithin lange nach Ablauf der vertraglich vereinbarten 35jährigen Bindungsfrist.
3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts verstößt ein in einem
Übertragungsvertrag dem Übernehmer auferlegtes Verfügungsverbot nach
30 Jahre dauert. Die 35jährige Bindung des Beklagten ist nicht deshalb nach
a) Rechtsgeschäftliche Verfügungsverbote sind allerdings wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach
Verfügungsbefugnis des Schuldners auf übermäßige Dauer einschränken (Senatsbeschluss vom 5. Dezember 1996 - V ZB 27/96,
das der Fall ist, ist unter Würdigung aller Umstände, insbesondere des Maßes
der Beeinträchtigung des Schuldners, der Dauer der Bindung und des durch die
Verfügungsbeschränkung geschützten Interesses des Begünstigten zu entscheiden (vgl. Staudinger/Kohler, BGB [2011], § 137 Rn. 46).
b) Das vereinbarte Verfügungsverbot mit einer Geltungsdauer von mehr
als 30 Jahren stellt sich nicht - wie das Berufungsgericht meint - deswegen als
sittenwidrig dar, weil der Zweck, dem das Verbot dienen soll, nach Ablauf von
30 Jahren erreicht ist. Der Zweck, das zum Gut gehörende Grundvermögen im
Familienbesitz zu halten, ist zeitlos. Er ist nicht verwirklicht, wenn der Beklagte
in einem Zeitraum von 30 Jahren nach der Übergabe keine den Zweck beeinträchtigenden Verfügungen vorgenommen hat. Der Beklagte wird dadurch auch
nicht unverhältnismäßig belastet. Er hat mit dem Vertragsschluss das durch
das Verfügungsverbot gesicherte Familieninteresse anerkannt und ist eine entsprechende vertragliche Bindung gegenüber der Übergeberin und seinen Geschwistern eingegangen, ohne die er das Vermögen nicht übertragen bekommen hätte.
III.
Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben, soweit darin der Widerklage stattgegeben worden ist. Die Sache ist jedoch insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung
reif ist (
1. Die Sittenwidrigkeit eines Verfügungsverbots nach
kann sich nämlich nicht nur aus der Dauer, sondern auch aus dem Umfang der
Verfügungsbeschränkung ergeben (vgl. Senat, Beschluss vom 5. Dezember
1996 - V ZB 27/96,
in den Tatsacheninstanzen nicht geprüft worden.
a) Das wäre hier jedoch geboten gewesen, weil das in § 4 des Übergabevertrags enthaltene Verfügungsverbot, das dem Beklagten jedwede Veräußerung oder Verpfändung eines der zum Gut gehörenden Grundstücke untersagt, wegen übermäßiger Beschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit nicht sein kann,
b) Vertragliche Verfügungsverbote nach
zwar dann die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Schuldners in der Regel
nicht übermäßig, wenn sie sich nur auf einen Gegenstand beziehen (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Dezember 1996 - V ZB 27/96, aaO); sie sind aber unter
dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Knebelung des Schuldners als sittenwidrig anzusehen, wenn sie sich auf dessen gesamtes Vermögen erstrecken
(vgl. Berger, Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen, S. 114; MünchKomm-BGB/Armbrüster, 6. Aufl., § 137 Rn. 25; Staudinger/Kohler, BGB [2011],
§ 137 Rn. 46).
c) Die Einschränkungen der Verfügungsbefugnisse des Beklagten durch
die in dem Übergabevertrag vereinbarten Veräußerungs- (§ 4 Nr. 1) und Verpfändungsverbote (§ 4 Nr. 4) liegen dazwischen. Das Verfügungsverbot erfasst
zwar das gesamte Immobiliarvermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs einschließlich des dem Beklagten bereits zuvor gehörenden ¼ Anteils; es
erstreckt sich aber nicht auf das bewegliche Betriebs- und auf das Privatvermögen.
aa) Die Zulässigkeit solcher Verfügungsbeschränkungen wird allerdings
im Schrifttum meistens bejaht (Faßbender,
der Praxis, Rn. 1559; Wegmann, Grundstücksüberlassung, 2. Aufl., Rn. 180)
und nur von eigenen Autoren als bedenklich angesehen (Lüdtke-Handjery,
bb) Die Rechtsprechung sieht in solchen Verfügungsbeschränkungen indessen eine wesentliche Einschränkung bei der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung eines übernommenen Betriebs, zu der auch die Aufnahme von Krediten und deren dingliche Absicherung gehört (vgl. Senat, Urteil vom 17. Oktober 2008 - V ZR 14/08,
Vermögen des Betriebs oder über dessen Grundvermögen untersagt, beschränkt die wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten des Übernehmers in einem Maße, dass dieser seine Selbständigkeit und wirtschaftliche Handlungsfreiheit in einem wesentlichen Teil einbüßt, und stellt sich damit als sittenwidrige Knebelung dar (vgl. Senat, Urteil vom 17. Oktober 2008 - V ZR 14/08, aaO).
cc) Verfügungsverbote in Verträgen zur Übertragung der Grundstücke
eines Guts sind, auch wenn sich der Grundbesitz seit vielen Generationen im
Besitz einer Familie befindet, nicht anders zu beurteilen. Die mit dem Verbot
verbundenen Einschränkungen bei der Bewirtschaftung des Betriebs, die die
wirtschaftliche Existenz des Übernehmers gefährden können (vgl. LüdtkeHandjery,
Rn. 1564), stellen sich auch unter Berücksichtigung des grundsätzlich anzuerkennenden Interesses des Übergebenden, das übertragene Vermögen weiterhin im Familienbesitz zu halten, als eine unverhältnismäßige Einschränkung der
Selbständigkeit und wirtschaftlichen Handlungsfreiheit des Übernehmers dar.
Sie sind daher nach
Übergeber nicht die Zustimmung zu einer mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Wirtschaft zu vereinbarenden und den Zweck des Verfügungsverbots
nicht wesentlich gefährdenden Verfügung (Veräußerung oder Belastung) verlangen kann.
d) Gemessen daran ist das Verfügungs- und Belastungsverbot mit dem
in § 4 vereinbarten Inhalt nach
danach alle Veräußerungen (sofern nicht an eheliche, leibliche Abkömmlinge)
und ausnahmslos auch alle Verpfändungen verboten. Der Rückfallanspruch
entsteht bei jedem Verstoß gegen das Verbot. Der Befugnisse des Übernehmers sind - solange das Verbot gilt - auf die aus dem Grundvermögen zu ziehenden Nutzungen beschränkt; jede Verfügung über das Eigentum an den
Grundstücken ist ihm dagegen untersagt.
2. Ist ein solches Verfügungsverbot in einem Übertagungsvertrag vereinbart worden, muss jedoch geprüft werden, ob die nichtige Verfügungsbeschränkung im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung (
um einen Anspruch des Schuldners auf Zustimmung des Begünstigten zu den
ordnungsgemäßer Bewirtschaftung entsprechenden Verfügungen zu ergänzen
ist, um die Nichtigkeit des ganzen Vertrags zu vermeiden.
a) Die Nichtigkeit des Verfügungsverbots beträfe nämlich in diesen Fällen den Übergabevertrag insgesamt, weil vor dem Hintergrund der weitreichenden vertraglichen Regelungen zum Erhalt des Guts im Familienbesitz nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Vertrag auch ohne eine diesen
Zweck sichernde Verfügungsbeschränkung abgeschlossen worden wäre. Die
Gesamtnichtigkeit des Übergabevertrags nach
ersichtlich dem Willen der Vertragsparteien. Sie führte nämlich oft dazu, dass
mit dem Tod des Übergebers auf den Nachlass das gesetzliche Erbrecht des
Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden wäre, was zum Entstehen einer Miterbengemeinschaft nach
in einem klaren Gegensatz zu dem mit den Übergabeverträgen verfolgten Ziel,
das gesamte Grundvermögen der Familie ungeteilt auf einen Abkömmling zu
übertragen.
b) Danach wäre von einer Regelungslücke auszugehen, weil sich die
vereinbarte Vertragsbestimmung über das Verfügungsverbot als nichtig erweist,
die Parteien den Übergabevertrag jedoch nicht ohne eine der unwirksamen Bestimmung vergleichbare Abrede abgeschlossen hätten (vgl. BGH, Urteil vom
16. April 1973 - VII ZR 140/71,
120). In diesen Fällen wird es in der Regel dem Willen der Parteien entsprechen, das unwirksame Verfügungsverbot durch ein weniger weitreichendes zu
ersetzen oder durch einen Anspruch auf Zustimmung zu ergänzen, um die ersichtlich nicht gewollte Rechtsfolge der Nichtigkeit des Übergabevertrags insgesamt zu vermeiden (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1967 - III ZR 68/66,
Rn. 17; Staudinger/Kohler, BGB [2011], § 137 Rn. 46).
c) Eine solche Ergänzung des Vertrags setzt allerdings voraus, dass unter Anlegung des in
werden kann, wie die Parteien den Vertrag gestaltet hätten, wenn ihnen die
Unwirksamkeit der Abrede bekannt gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom
16. April 1973 - VII ZR 140/71,
120). Die Vereinbarungen über den Umfang und die Dauer der Verfügungsbeschränkung sprechen dafür, dass die Vertragsparteien den von ihnen verfolgten
Zweck, das zum Gut gehörende Grundvermögen im Eigentum der Familie zu
halten, so weit wie möglich sichern wollten und daher statt des unwirksamen
Verfügungsverbots die im Rahmen des rechtlich Zulässigen am weitesten gehende Verfügungsbeschränkung vereinbart hätten. Dem entspräche eine Regelung, die das vereinbarte Verfügungsverbot um die Abrede ergänzt, dass der
Übernehmer von der Übergeberin eine Zustimmung zu einer Veräußerung oder
Belastung verlangen kann, wenn diese Maßnahme den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft entspricht und den mit dem Verfügungsverbot verfolgten Zweck, das Eigentum in der Familie zu halten, nicht wesentlich beeinträchtigt oder gefährdet.
d) Diese rechtlichen Gesichtspunkte sind bisher von beiden Parteien
nicht bedacht und in den Tatsacheninstanzen auch nicht erörtert worden. Die
Zurückverweisung gibt den Parteien Gelegenheit zu einer Ergänzung des Vorbringens, insbesondere zu der hier in Betracht kommenden ergänzenden Vertragsauslegung.
Krüger
Lemke
Stresemann
Schmidt-Räntsch
Czub
Vorinstanzen:
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:06.07.2012
Aktenzeichen:V ZR 122/11
Erschienen in:
DNotI-Report 2012, 154
MittBayNot 2013, 218-225
RNotZ 2012, 592
ZNotP 2012, 337-341
NJW 2012, 3162-3165
NotBZ 2012, 417-418
ZEV 2012, 550-554
Zerb 2012, 276-279
BGB §§ 137 S. 2, 138 Abs. 1