BFH 21. Juli 2020
IX R 26/19
EStG § 7 Abs. 4; FGO § 81 Abs. 1

Keine Ersetzung der Kaufpreisaufteilung auf Grund und Gebäude unter Verwendung der Arbeitshilfe des BMF

letzte Aktualisierung: 28.4.2021
BFH, Beschl. v. 21.7.2020 – IX R 26/19

EStG § 7 Abs. 4; FGO § 81 Abs. 1
Keine Ersetzung der Kaufpreisaufteilung auf Grund und Gebäude unter Verwendung der
Arbeitshilfe des BMF

1. Das FG darf eine vertragliche Kaufpreisaufteilung auf Grund und Gebäude, die die realen
Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint, nicht
durch die unter Verwendung der Arbeitshilfe des BMF ermittelte Aufteilung ersetzen.
2. Die Arbeitshilfe gewährleistet die von der Rechtsprechung geforderte Aufteilung nach den
realen Verkehrswerten von Grund und Gebäude im Hinblick auf die Verengung der zur
Verfügung stehenden Bewertungsverfahren auf das (vereinfachte) Sachwertverfahren und die
Nichtberücksichtigung eines sog. Orts- oder Regionalisierungsfaktors bei der Ermittlung des
Gebäudewerts nicht.
3. Im Fall einer streitigen Grundstücksbewertung ist das FG in der Regel gehalten, gemäß § 81
Abs. 1 FGO das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die
Bewertung von Grundstücken einzuholen, wenn es nicht ausnahmsweise selbst über die nötige
Sachkunde verfügt und diese in den Entscheidungsgründen darlegt.

Entscheidungsgründe

II.
Die Revision ist begründet. Sie führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG.

Die vom FG zu ermittelnden Anschaffungskosten für das Gebäude bilden die Grundlage für die Bestimmung der AfA (dazu unter 1.). Die Vorinstanz ist der kaufvertraglichen Aufteilung des Kaufpreises für die von der Klägerin erworbene Eigentumswohnung auf Grund und Boden sowie Gebäude zwar zutreffend nicht gefolgt (dazu unter 2.). Zu Unrecht hat das FG allerdings die auf der Grundlage der Arbeitshilfe des BMF ermittelte Kaufpreisaufteilung der AfA-Bemessung zugrunde gelegt (dazu unter 3.). Die Sache ist nicht spruchreif (dazu unter 4.).

1. Die Höhe der Gebäude-AfA richtet sich nach den Anschaffungskosten für das Gebäude (§ 7 Abs. 4 EStG). Deren Höhe bildet die Grundlage für die Bemessung der AfA. Ihre Ermittlung obliegt dem FG als Tatsacheninstanz. Dies gilt auch für die Aufteilung der Anschaffungskosten von Gebäude einerseits und dazugehörendem Grund und Boden andererseits (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16.09.2015 - IX R 12/14, BFHE 251, 214, BStBl II 2016, 397, Rz 18).

a) Wurde eine Kaufpreisaufteilung im Kaufvertrag vorgenommen, sind diese vereinbarten und bezahlten Anschaffungskosten grundsätzlich auch der Besteuerung zugrunde zu legen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile in BFHE 251, 214, BStBl II 2016, 397; vom 01.04.2009 - IX R 35/08, BFHE 224, 533, BStBl II 2009, 663; vom 18.01.2006 - IX R 34/05, BFH/NV 2006, 1634). Wenngleich dem Käufer im Hinblick auf seine AfA-Berechtigung typischerweise an einem höheren Anschaffungswert des Gebäudes gelegen ist und die entsprechende Aufteilungsvereinbarung --zu Gunsten des Verkäufers-- ggf. Einfluss auf eine für ihn positive sonstige Vertragsgestaltung haben kann, rechtfertigt dies grundsätzlich noch keine abweichende Verteilung.

Vereinbarungen der Vertragsparteien über Einzelpreise für Einzelwirtschaftsgüter binden allerdings nicht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, der Kaufpreis sei nur zum Schein bestimmt worden (vgl. BFH-Urteil vom 28.10.1998 - X R 96/96, BFHE 187, 450, BStBl II 1999, 217, unter B.IV.2.c, Rz 33) oder die Voraussetzungen eines Gestaltungsmissbrauchs i.S. von § 42 AO seien gegeben (BFH-Urteile in BFHE 224, 533, BStBl II 2009, 663; in BFH/NV 2006, 1634, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 04.12.2008 - IX B 149/08, BFH/NV 2009, 365).

Auch mit einer nach allgemeinen Grundsätzen der Besteuerung zugrunde zu legenden Vereinbarung können die Parteien jedoch angesichts der gebotenen Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung nicht die Höhe der Steuer des Käufers --konkret seiner AfA-- gestalten. Deshalb hat das FG im Rahmen der Ermittlung der AfA-Bemessungsgrundlage im Einzelfall (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 365, m.w.N.) zu prüfen, ob nennenswerte Zweifel an der vertraglichen Aufteilung bestehen (BFH-Urteil vom 10.10.2000 - IX R 86/97, BFHE 193, 326, BStBl II 2001, 183; BFH-Beschlüsse vom 24.01.2007 - IX B 84/06, BFH/NV 2007, 1104; vom 16.09.2002 - IX B 35/02, BFH/NV 2003, 40). Es darf sich nicht darauf beschränken, die vertragliche Aufteilung steuerrechtlich nachzuvollziehen, sondern hat das Ergebnis durch weitere Umstände, insbesondere die objektiv am Markt erzielbaren Preise oder Verkehrswerte zu verifizieren (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 365).

Eine wesentliche Diskrepanz zu den Bodenrichtwerten rechtfertigt es nicht ohne Weiteres, diese an die Stelle der vereinbarten Werte zu setzen oder die auf Grund und Gebäude entfallenden Anschaffungskosten zu schätzen. Es handelt sich lediglich um ein Indiz dafür, dass die vertragliche Aufteilung möglicherweise die Werte nicht angemessen wiedergibt. Ein solches Indiz kann durch andere Indizien entkräftet werden. Das FG hat die Gesamtumstände des Kaufobjekts aufzuklären und dahingehend zu würdigen, ob besondere Aspekte die Abweichung nachvollziehbar erscheinen lassen. Zu denken ist dabei etwa an besondere Ausstattungsmerkmale des Gebäudes, dessen ursprüngliche Baukosten und etwaige Renovierungen, eine ggf. eingeschränkte Nutzbarkeit wegen bestehender Mietverträge oder den Wohnwert des Gebäudes im Kontext der Nachbarschaft (z.B. Straßenlärm, soziale Einrichtungen oder besondere Ruhe wegen einer benachbarten Grünanlage). Parallel dazu hat das FG die besonderen Kriterien des Grundstücks zu berücksichtigen, etwa eine gepflegte Gartenanlage oder störenden Baumbestand (BFH-Urteil in BFHE 251, 214, BStBl II 2016, 397, Rz 22).

Eine Korrektur der von den Parteien getroffenen Aufteilung des Anschaffungspreises auf Grund und Gebäude ist lediglich geboten, wenn sie die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint (BFH-Urteil in BFHE 251, 214, BStBl II 2016, 397, Rz 23, m.w.N.).

Das FG hat im Rahmen seiner Gesamtwürdigung einen gewissen Bewertungsspielraum. Es gelten insoweit die allgemeinen Grundsätze der finanzgerichtlichen Sachverhaltsfeststellung und Sachverhaltswürdigung. Dabei kommt eine Bindung an etwaige Schätzungen des FA nicht in Betracht (BFH-Urteil in BFHE 251, 214, BStBl II 2016, 397, Rz 24).

b) Kann nach diesen Grundsätzen eine vereinbarte Kaufpreisaufteilung nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden, hat sie das FG entsprechend seiner Gesamtwürdigung der Verhältnisse durch eine Aufteilung nach den realen Verkehrswerten von Grund und Gebäude zu ersetzen. Dabei hat das FG die Frage, nach welchem Wertermittlungsverfahren die Kaufpreisaufteilung vorzunehmen ist, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beantworten (vgl. BFH-Beschluss vom 22.10.2007 - IV B 111/06, BFH/NV 2008, 360, m.w.N.; BFH-Urteil in BFHE 251, 214, BStBl II 2016, 397).

c) Bei der Aufteilung eines Gesamtkaufpreises sind zunächst Boden- und Gebäudewert gesondert zu ermitteln und sodann die Anschaffungskosten nach dem Verhältnis der beiden Wertanteile in Anschaffungskosten für den Grund- und Bodenanteil und den Gebäudeanteil aufzuteilen. Für die Schätzung des Werts des Grund- und Boden- sowie des Gebäudeanteils kann die ImmoWertV herangezogen werden, denn sie enthält anerkannte Grundsätze für die Schätzung von Verkehrswerten von Grundstücken (Senatsbeschluss vom 15.11.2016 - IX B 98/16, BFH/NV 2017, 292, Rz 4; Senatsurteil vom 15.01.1985 - IX R 81/83, BFHE 143, 61, BStBl II 1985, 252, unter 1.b, Rz 17, m.w.N. betreffend die Vorgängerregelung in Gestalt der Wertermittlungsverordnung vom 15.08.1972, BGBl I 1972, 1416, zuletzt vom 06.12.1988, BGBl I 1988, 2209).

Danach ist der Verkehrswert mit Hilfe des Vergleichswertverfahrens (einschließlich des Verfahrens zur Bodenwertermittlung), des Ertragswertverfahrens, des Sachwertverfahrens oder mehrerer dieser Verfahren zu ermitteln (§ 8 Abs. 1 Satz 1 ImmoWertV). Die Verfahren sind nach der Art des Wertermittlungsobjekts unter Berücksichtigung der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten und der sonstigen Umstände des Einzelfalls, insbesondere der zur Verfügung stehenden Daten, zu wählen; die Wahl ist zu begründen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 ImmoWertV). Welches dieser Wertermittlungsverfahren anzuwenden ist, ist nach den tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden. Dabei stehen die Wertermittlungsverfahren einander gleichwertig gegenüber (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27.11.2017 - IX B 144/16, BFH/NV 2018, 218, Rz 5, und in BFH/NV 2017, 292, Rz 4, m.w.N.).

Die Ermittlung der Verkehrswerte ist Teil der Sachverhaltsfeststellung des FG, die für das Revisionsgericht grundsätzlich bindend ist (§ 118 Abs. 2 FGO). Der BFH hat aber zu prüfen, ob das FG bei seiner Wertermittlung die zutreffende Methode angewandt hat (BFH-Urteil in BFHE 193, 326, BStBl II 2001, 183, unter II.2., Rz 28; zuletzt BFH-Urteile vom 29.10.2019 - IX R 38/17, BFHE 267, 18, Rz 42, und IX R 39/17, BFH/NV 2020, 681, Rz 40).

2. Die Vorinstanz hat die zuvor dargestellten Rechtssätze zur Bindungswirkung einer vertraglichen Kaufpreisaufteilung nur im Ansatz beachtet und auf den Streitfall angewandt. Es ist insoweit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG nennenswerte Zweifel an der kaufvertraglichen Kaufpreisaufteilung --unter Würdigung der konkreten Wertverhältnisse des Kaufobjekts-- bejaht hat. Da die vertragliche Kaufpreisaufteilung die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar ist, durfte das FA eine eigene Aufteilung vornehmen.

a) Zutreffend sind das FA und die Vorinstanz davon ausgegangen, dass nennenswerte Zweifel an der vertraglichen Aufteilung des Kaufpreises für die Eigentumswohnung bestehen. Diese ergeben sich bereits aus der erheblichen Abweichung zwischen dem im Kaufvertrag ausgewiesenen Kaufpreis für den Grund und Boden (20.000 €) und dem Bodenrichtwert (77.713 €). Der vereinbarte Kaufpreisanteil unterschreitet den Bodenrichtwert um rund 75 % und damit --ungeachtet der von der Vorinstanz aufgeworfenen Frage, welcher Grad der Abweichung noch als unerheblich angesehen werden kann (vgl. dazu Kohlhaas, Die Steuerberatung --Stbg-- 2016, 460, 462, der ein Unterschreiten bis zu 10 % als geringfügig ansieht; ebenso Thüringer FG, Urteil vom 20.02.2008 - III 740/05, EFG 2008, 1140, nachfolgend BFH-Beschluss vom 26.08.2008 - IX B 63/08, juris, rechtskräftig)-- mehr als nur geringfügig. Zwar handelt es sich bei einer Diskrepanz zum Bodenrichtwert nur um ein widerlegbares Indiz. Die Würdigung der Vorinstanz, die Klägerin habe dieses Indiz nicht durch andere Indizien entkräftet, ist jedoch revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Besondere Aspekte, die die vertragliche Kaufpreisaufteilung nachvollziehbar erscheinen lassen, hat das FG nicht feststellen können. Dem allgemeingehaltenen Vorbringen der Klägerin zu den (besonderen) Ausstattungsmerkmalen und zum Renovierungsstand der Wohnung sowie zur Lage des Objekts ist es zu Recht nicht gefolgt.

b) Da die vertragliche Kaufpreisaufteilung die realen Wertverhältnisse somit in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint, waren das FA und das FG zu einer eigenen Aufteilung berechtigt.

3. Allerdings durfte das FG die vertragliche Kaufpreisaufteilung jedenfalls im Streitfall nicht durch die mit Hilfe der Arbeitshilfe des BMF ermittelte Aufteilung ersetzen. Die Arbeitshilfe gewährleistet die von der Rechtsprechung geforderte Aufteilung nach den realen Verkehrswerten von Grund und Gebäude hier nicht. Dies folgt daraus, dass sie die zur Verfügung stehenden Bewertungsverfahren auf das (vereinfachte) Sachwertverfahren verengt und der Kaufpreisaufteilung unzulässige Parameter zugrunde legt. Die Schätzung des FG (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 AO) kann daher keinen Bestand haben.

a) Die Arbeitshilfe hat für die Beteiligten und das FG keine Bindungswirkung. Es handelt sich weder um eine Rechtsnorm noch um eine die Finanzbehörden bindende Verwaltungsanweisung, sondern --prozessrechtlich-- lediglich um Parteivortrag des FA. Sofern die Arbeitshilfe in der Praxis der Finanzverwaltung de facto als bindend für den Steuerpflichtigen behandelt wird, besteht hierfür keine Rechtsgrundlage. Sie folgt zwar insoweit der Senatsrechtsprechung zur Aufteilung von Gesamtkaufpreisen, als sie den Wert des Grund und Bodens sowie den Wert des Gebäudes getrennt voneinander ermittelt (Grundsatz der Einzelbewertung); die sog. Restwertmethode (vgl. nur BFH-Urteil in BFHE 193, 326, BStBl II 2001, 183, unter II.2., Rz 29) gelangt richtigerweise nicht zur Anwendung.

b) Die Arbeitshilfe genügt jedoch nicht den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung an die Methodenwahl und durfte daher nicht zugrunde gelegt werden. Sie setzt auf die SW-RL sowie die NHK 2010 (Anlage 1 zur SW-RL) auf und greift damit stets und allein auf das Sachwertverfahren zurück; es handelt sich mithin um ein vereinfachtes Sachwertverfahren (gleicher Ansicht Schaper, Grundstücksmarkt und Grundstückswert --GuG-- 2017, 100, 101). Wenngleich der Senat bei vermieteten Eigentumswohnungen im Privatvermögen --jedenfalls in der Vergangenheit-- regelmäßig eine Kaufpreisaufteilung unter Anwendung des Sachwertverfahrens für angezeigt gehalten hat (vgl. Senatsurteile in BFHE 267, 18, Rz 43, und in BFH/NV 2020, 681, Rz 41; vom 11.02.2003 - IX R 13/00, BFH/NV 2003, 769, unter II.2.a, Rz 15; in BFHE 193, 326, BStBl II 2001, 183; Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2018, 218, Rz 6; in BFH/NV 2017, 292, Rz 5; vom 23.06.2005 - IX B 117/04, BFH/NV 2005, 1813, unter II.1.a, Rz 3), widerspricht die Arbeitshilfe schon im Ausgangspunkt der zuvor dargelegten Gleichwertigkeit der zur Verfügung stehenden Bewertungsverfahren, da nicht im Einzelfall beurteilt werden kann, welches Wertermittlungsverfahren nach den tatsächlichen Gegebenheiten angezeigt erscheint. Der BFH hat stets betont, dass nach den tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden ist, welches Wertermittlungsverfahren anzuwenden ist, so dass sich die Wahl der Ermittlungsmethode einer Verallgemeinerung entzieht und jedenfalls nicht auf ein Wertermittlungsverfahren beschränkt werden kann (vgl. BFH-Urteile vom 27.06.1995 - IX R 130/90, BFHE 178, 151, BStBl II 1996, 215, unter 1.b, Rz 15, und vom 02.02.1990 - III R 173/86, BFHE 159, 505, BStBl II 1990, 497, unter I.2.c, Rz 29; BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2018, 218, Rz 6, und in BFH/NV 2005, 1813, unter 1.a, Rz 3). Eine Verplausibilisierung der Ergebnisse der Arbeitshilfe mittels weiterer Wertermittlungsverfahren, etwa nach Maßgabe des in der Praxis der Immobilienbewertung weitverbreiteten Ertragswertverfahrens, ist ebenfalls nicht vorgesehen. Darüber hinaus fehlt im Einzelfall auch die Begründung für die Methodenwahl.

c) Des Weiteren weist die Arbeitshilfe einen systemischen Fehler auf, indem bei der Ermittlung des Gebäudewerts (NHK) kein sog. Orts- oder Regionalisierungsfaktor berücksichtigt wird.

aa) Die Kostenkennwerte der NHK 2010 sind Bundesmittelwerte (Kleiber, Marktwertermittlung nach ImmoWertV, 8. Aufl., Syst. Darst. Sachwertverfahren Rz 137). Bei Anwendung der Arbeitshilfe ergeben sich bei gleichgroßen Gebäuden desselben Typs und derselben Baujahreskategorie modellbedingt bundesweit stets dieselben, lediglich alterswertgeminderten Gebäudekosten (Jacoby, Kaufpreisaufteilung für bebaute Grundstücke - Problematik und Lösungsansatz, 2018, S. 120 und 132; Jacoby/Geiling, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2020, 481, 483). In Hochpreisgebieten können die tatsächlichen Baukosten aber zum Teil erheblich über den Kostenkennwerten liegen (Schaper, GuG 2017, 100, 101). Die fehlende Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten bei der Ermittlung des Gebäudewerts führt gerade in Großstädten mit hohen Bodenrichtwerten --wie im Streitfall-- zu einem überproportionalen Anteil des Grund und Bodens und damit zu mitunter sehr niedrigen Gebäudebewertungen (gleicher Ansicht Rade/Stobbe in Herrmann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz 315; Jacoby, a.a.O., S. 3; s.a. Jardin/Roscher, Die Immobilienwertermittlung aus steuerlichen Anlässen, 2019, Rz 175 zur "Dämpfung" des Bodenwerts, etwa im Rahmen des sog. Münchner Modells). Dies betrifft hochwertige Objekte und (sanierte) Altbauten in besonderem Maße (Kohlhaas, Stbg 2016, 460, 465; Jacoby, a.a.O., S. 3). Hierin liegt ein systemischer Fehler der Arbeitshilfe, der zu einer tendenziell zu hohen Bewertung des Grund und Bodens führt (gleicher Ansicht Kaminski in Steuerberater Handbuch 2019, 27. Aufl., Teil 4, Immobilieninvestitionen durch Privatpersonen, Rz 1273; Wagner, Der Betrieb 2016, 556, 559; BeckOK EStG/Graw, 7. Ed. (01.05.2020), EStG § 7 Rz 185).

bb) Damit geht einher, dass der nach Maßgabe der Arbeitshilfe ermittelte Gebäudewert nur bedingt einen Marktbezug aufweist: Obschon sich der Bodenwert nach den vom örtlich zuständigen Gutachterausschuss festgesetzten Bodenrichtwerten bestimmt und damit die allgemeinen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 ImmoWertV berücksichtigt (Marktanpassung), gelangt auf der anderen Seite ein nicht marktgerechter Gebäudewert auf der Basis von THK zum Ansatz (Kohlhaas, Stbg 2016, 460, 463; Jardin/Roscher, a.a.O., Rz 176). Bodenwerte und Herstellungskosten lassen sich aber nicht unmittelbar ins Verhältnis setzen (Jacoby, a.a.O., S. 3, 90; Jacoby/Geiling, DStR 2020, 481, 482; Kleiber, a.a.O., Syst. Darst. Sachwertverfahren Rz 8). Die NHK 2010 sind reine Modellwerte; der Marktbezug wird erst durch den Sachwertfaktor hergestellt (Mann, GuG 2017, 17, 18; Schaper, GuG 2017, 100, 103; Seitz, GuG 2017, 142, 143; Jardin/Roscher, a.a.O., Rz 148, 1030), den die Arbeitshilfe aber gerade außer Acht lässt. Zwar weist die Finanzverwaltung in der Anleitung zur Arbeitshilfe darauf hin, dass auf eine Marktanpassung der (vorläufigen) Sachwerte verzichtet wurde, "da sich diese im gleichen Verhältnis auf den Grund und Boden einerseits sowie das Gebäude andererseits auswirkt. Die Summe der ermittelten Einzelwerte (vorläufigen Sachwerte) weist ohne Marktanpassung nicht den Verkehrswert aus". Allerdings wird bei der Ermittlung des Bodenwerts der erforderliche Marktbezug --wie zuvor dargestellt-- durchaus gewährleistet. Vor diesem Hintergrund ergibt sich ein Mangel in der Bewertungssystematik der Arbeitshilfe, der angesichts der äußerst dynamischen Entwicklung des Immobilienmarkts in den vergangenen Jahren noch verschärft wird. Diesem Defizit kommt umso größere Bedeutung zu, als die der Gebäudewertermittlung unterlegte Datenstruktur auf der Grundlage der NHK 2010 das "Herzstück" der Arbeitshilfe darstellt (Jardin/Roscher, NWB - Steuer- und Wirtschaftsrecht 2014, 3155, 3160; dies., a.a.O., Rz 160). Damit wird den Vorgaben des § 194 BauGB, der die Einbeziehung der Marktbegebenheiten in die Verkehrswertermittlung für das gesamte bebaute Grundstück verlangt, nicht genügt (gleicher Ansicht Jacoby, a.a.O., S. 138).

cc) Diesem systemischen Fehler kann --entgegen der Vorinstanz-- nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass es sich bei der geschilderten "Unwucht" um Unwägbarkeiten handele, die letztlich jedem Schätzungsverfahren immanent seien. Denn eine Schätzung für Zwecke der Kaufpreisaufteilung ist nur dann zu beachten, wenn sich ihre Grundlagen als nachvollziehbar und überzeugend darstellen (z.B. BFH-Urteil in BFHE 193, 326, BStBl II 2001, 183). Gerade dies ist jedoch im Hinblick auf die geschilderten systemischen Defizite der Kaufpreisaufteilung im vereinfachten Verfahren der Finanzverwaltung nicht der Fall.

dd) Die Vorinstanz hat die "Verzerrungen", die sich aus einem überproportionalen Anstieg der Baupreise in Ballungsgebieten (wie im Streitfall) --ohne entsprechendem Niederschlag in der Arbeitshilfe-- ergeben, ebenfalls erkannt. Mangels genauer Zahlen zur Baupreisentwicklung im betreffenden Bundesland hat sie ein korrigierendes Eingreifen in die Arbeitshilfe indes für nicht möglich gehalten. Mit dieser Erwägung lässt sich das Schätzungsergebnis der Finanzverwaltung jedoch nicht aufrechterhalten. Vielmehr muss der Gebäudeanteil regelmäßig durch das Gutachten eines unabhängigen vereidigten Sachverständigen ermittelt werden (s. 4.).

Das BMF verweist in diesem Zusammenhang zu Unrecht darauf, dass der Index für Bauleistungspreise des Statistikamtes X denjenigen des Statistischen Bundesamtes seit 2015 nur geringfügig übersteige. Zwar mag aus der angesprochenen Statistik hervorgehen, dass sich die Entwicklung der Baupreise im betreffenden Bundesland nicht wesentlich von der Entwicklung der Baupreise im gesamten Bundesgebiet unterscheidet. Dadurch werden die oben beschriebenen Defizite in der Bewertungssystematik aber nicht ausgeräumt.

4. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat im zweiten Rechtsgang die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zum Wert des Grund- und Boden- sowie des Gebäudeanteils nachzuholen. Es ist im vorliegenden Fall einer streitigen Grundstücksbewertung in der Regel gehalten, gemäß § 81 Abs. 1 FGO das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken einzuholen; hiervon kann es nur dann absehen, wenn es ausnahmsweise selbst über die nötige Sachkunde verfügt und diese in den Entscheidungsgründen darlegt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 07.01.2015 - I B 42/13, BFH/NV 2015, 1093, Rz 9; vom 21.12.2011 - VIII B 88/11, BFH/NV 2012, 600, Rz 4; vom 03.05.2001 - III B 52/00, BFH/NV 2001, 1419, Rz 4; s.a. Senatsurteil vom 06.02.2018 - IX R 14/17, BFHE 261, 20, BStBl II 2018, 522, Rz 19, zum Möblierungszuschlag). Ein Gutachten des Bausachverständigen der Finanzverwaltung ist im finanzgerichtlichen Verfahren hingegen als Privatgutachten zu behandeln. Ein solches kann vom FG seiner Entscheidung nur dann zugrunde gelegt werden, wenn keiner der Beteiligten substantiierte Einwendungen gegen die Richtigkeit erhebt (z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2015, 1093, Rz 15, m.w.N.).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BFH

Erscheinungsdatum:

21.07.2020

Aktenzeichen:

IX R 26/19

Rechtsgebiete:

Einkommens- und Körperschaftssteuer
Öffentliches Baurecht

Normen in Titel:

EStG § 7 Abs. 4; FGO § 81 Abs. 1