BGH 24. Januar 2019
IX ZR 233/17
BGB §§ 212 Abs. 1 Nr. 1, 2303, 2314, 2315

Anerkenntnis des Pflichtteilsanspruchs durch tatsächliches Verhalten

letzte Aktualisierung: 03.01.2020
BGH, Urt. v. 24.1.2019 – IX ZR 233/17

BGB §§ 212 Abs. 1 Nr. 1, 2303, 2314, 2315
Anerkenntnis des Pflichtteilsanspruchs durch tatsächliches Verhalten

Zu den Voraussetzungen eines Anerkenntnisses im Auskunftsprozess des Pflichtteilsberechtigten
gegen den Erben.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und
zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Beklagte habe den Pflichtteilsanspruch
der Klägerin bis zur Beendigung des Mandats spätestens im Monat
August 2014 nicht verjähren lassen. Zwar wäre der Pflichtteilsanspruch nach
§§ 195, 199 BGB zum Ablauf des Jahres 2013 verjährt gewesen. Doch habe
die Erbin den Pflichtteilsanspruch der Klägerin im Verlauf des Rechtsstreits um
die Erteilung der Auskunft mehrfach im Sinne von § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB anerkannt,
zuletzt am 21. September 2012, weswegen die Verjährung jeweils neu
begonnen habe und frühestens mit Ablauf des 21. September 2015 eingetreten
sei. Zwar habe der Beklagte pflichtwidrig verkannt, dass die Verjährung nicht
gemäß § 204 BGB durch die Erhebung der Auskunftsklage gehemmt worden
sei, doch treffe auch den neuen anwaltlichen Berater der Klägerin, den Zweitanwalt,
ein Verschulden. Dieser habe - über den Vorprozess informiert - nicht
die verjährungsrechtlichen Folgen der von der Schwester erklärten Anerkenntnisse
erkannt und deswegen nicht rechtzeitig die Verjährung verhindert. Dieser
Fehler sei der Klägerin zuzurechnen, weil sie den Zweitanwalt ausdrücklich
damit beauftragt habe, nachteilige Folgen des Fehlers des Beklagten zu behe-
ben. Der Verursachungsbeitrag des Zweitanwalts überwiege den des Beklagten
so, dass jener allein für den Schaden aufzukommen habe. In Fällen, bei denen
der Schaden auf der Verjährung von Ansprüchen beruhe, sei nämlich in besonderem
Maße auf das Zeitmoment abzustellen. Je geringer der durch Fehler des
Erstanwalts eingetretene Verjährungszeitverlust sei und je mehr Zeit dem
Zweitbevollmächtigten für die Vorbereitung einer Klage oder anderer Hemmungstatbestände
bleibe, desto geringer sei das Verschulden des zunächst
tätig gewesenen Rechtsanwalts zu gewichten.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der
Begründung des Berufungsgerichts lässt sich eine (alleinige) Verantwortlichkeit
des von der Klägerin beauftragten Zweitanwalts für den der Klägerin entstandenen
Schaden nicht begründen.

1. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen nicht den Schluss
auf eine Pflichtverletzung des Beklagten.

a) Nach derzeitigem Sach- und Streitstand war ein sich aus § 2303
Abs. 1 Satz 1 BGB ergebender etwaiger Pflichtteilsanspruch der Klägerin bereits
bei der Beauftragung des Zweitanwalts verjährt.

aa) Der Anspruch auf den Pflichtteil aus § 2303 BGB verjährt gemäß
§ 195 BGB in drei Jahren ab dem Schluss des Jahres, in welchem der Pflichtteilsberechtigte
vom Eintritt des Erbfalls und von der ihn beeinträchtigenden
Verfügung Kenntnis erlangt oder grob fahrlässig nicht erlangt hat (§ 199 Abs. 1
BGB). Die Klägerin wusste um den Tod ihrer Mutter und das sie beeinträchtigende
Testament spätestens im August 2010, als sie die Erbin anschrieb und
um Auskunft über den Bestand des Nachlasses bat, um ihren Pflichtteilsanspruch
beziffern zu können. Mithin begann die Verjährung mit Ende des Jahres
2010 zu laufen und endete mit Ablauf des Jahres 2013, wenn die Verjährung
nicht gehemmt wurde oder neu begann.

bb) Die Verjährung war möglicherweise in der Zeit vom 1. April bis zum
24. Mai 2011 für einen Monat und 24 Tage gehemmt, so dass der Pflichtteilsanspruch
der Klägerin nicht bereits mit Ablauf des 31. Dezember 2013, sondern
erst gut zwei Monate später verjährte. Zu diesem Zeitpunkt war der Zweitanwalt
aber noch nicht mandatiert und ist auch nicht um anwaltlichen Rat gebeten
worden.

(1) Der Beklagte muss die Ansicht des Gerichts im Rechtsstreit zwischen
der Klägerin und der Erbin über die Zahlung des Pflichtteils, der Anspruch sei
verjährt, nicht nach §§ 74, 68 ZPO gegen sich gelten lassen. Die Klägerin hat
dem Beklagten in diesem Rechtsstreit den Streit nicht verkündet. Die Frage, ob
die Parteien wirksam vereinbart haben und vereinbaren konnten, dass der Beklagte
sich so behandeln lassen muss, als wäre ihm im Vorprozess wirksam der
Streit verkündet worden, und zwar nicht nur in Bezug auf die Teilklage, sondern
auch auf den gesamten von der Klägerin geforderten Betrag, muss nicht beantwortet
werden. Denn eine Interventionswirkung ist schon deswegen nicht
eingetreten, weil es entgegen §§ 74, 68 ZPO zu keinem rechtskräftigen Sachurteil
gekommen ist, sondern die Klägerin ihre Klage nach Erteilung des richterlichen
Hinweises zurückgenommen hat (MünchKomm-ZPO/Schultes, 5. Aufl.,
§ 68 Rn. 5; BeckOK-ZPO/Dressler, 2018, § 68 Rn. 5; Zöller/Althammer, ZPO,
32. Aufl., § 68 Rn. 4; für die Beendigung des Vorprozesses durch Vergleich:
BGH, Urteil vom 24. Mai 2005 - IX ZR 276/03, WM 2005, 1902).

(2) Durch die Erhebung der Auskunftsklage im Oktober 2010 wurde die
Verjährung nicht gemäß § 204 BGB gehemmt. Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB
hemmt allein die Leistungsklage auf Zahlung des Pflichtteils die Verjährung des
Pflichtteilsanspruchs gegen den Erben. Demgegenüber kommt der Klage auf
schlichte Auskunftserteilung nach § 2314 BGB diese Wirkung nicht zu, weil der
Anspruch auf Zahlung durch die Klage auf Auskunftserteilung nicht rechtshängig
wird (BGH, Urteil vom 14. Mai 1975 - IV ZR 19/74, NJW 1975, 1409, 1410
aE; OLG Zweibrücken, FamRZ 1969, 230, 231). Der Beklagte hätte zumindest
eine Stufenklage (§ 254 ZPO) auf Auskunft und Zahlung erheben müssen, um
die Verjährung des Anspruchs auf den Pflichtteil nach dieser Vorschrift zu
hemmen (BGH, Urteil vom 14. Mai 1975, aaO; vom 22. März 2006 - IV ZR
93/05, WM 2006, 1398 Rn. 13).

(3) Ob die Verjährung nach § 203 BGB durch das von den Schwestern in
der Zeit vom 1. April bis zum 24. Mai 2011 betriebene Mediationsverfahren gehemmt
war, ist zwischen den Parteien streitig. Eine Mediation kann eine Verhandlung
im Sinne des § 203 BGB darstellen (BT-Drucks. 17/5335, S. 11 r. Sp.
oben; Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 15. Aufl., § 203 Rn. 5a; jurisPK-BGB/
Lakkis, 8. Aufl., § 203 Rn. 5). Der Gläubiger muss zur Annahme von Verhandlungen
lediglich klarstellen, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf
er ihn stützen will. Geschieht das, genügt jeder Meinungsaustausch über den
Schaden oder einen anderen Sachverhalt, der Gegenstand von Ansprüchen
sein kann, sofern nicht jeder Anspruch sofort und eindeutig abgelehnt wird
(BGH, Urteil vom 14. Juli 2009 - XI ZR 18/08, BGHZ 182, 76 Rn. 16; vom
15. Dezember 2016 - IX ZR 58/16, BGHZ 213, 213 Rn. 13; vom 21. Juni 2018 -
IX ZR 129/17, WM 2018, 1349 Rn. 10). Der Gegenstand der Verhandlungen im
Mediationsverfahren ist streitig; Feststellungen hierzu hat das Berufungsgericht
nicht getroffen. Selbst wenn unterstellt wird, dass Gegenstand des Mediationsverfahrens,
wie der Beklagte vorträgt, die Gesamtbereinigung der zwischen den
Schwestern streitigen Ansprüche einschließlich des von der Klägerin geltend
gemachten Pflichtteilsanspruchs war und die Schwestern darüber verhandelt
haben, endete die Verjährung mit dem Abbruch des Mediationsverfahrens am
24. Mai 2011. Mithin war die Verjährung allenfalls für einen Monat und 24 Tage
gehemmt. Diese Frist verlängerte sich entgegen der vom Beklagten in den Tatsacheninstanzen
geäußerten Rechtsansicht nicht nach § 204 Abs. 2 BGB um
sechs Monate. Die dort geregelte sechsmonatige Nachfrist betrifft nur die
Hemmungstatbestände des § 204 Abs. 1 BGB, nicht den Hemmungstatbestand
des § 203 BGB (vgl. Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, 2014, § 203 Rn. 3; jurisPK-
BGB/Lakkis, 8. Aufl., § 203 Rn. 19).

cc) Die Verjährung hat nicht gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB neu begonnen.
Mit der Begründung des Berufungsgerichts lässt sich ein Anerkenntnis des
Pflichtteilsanspruchs durch die Schwester nicht begründen.

(1) Für ein Anerkenntnis genügt jedes - auch ein rein tatsächliches - Verhalten
des Schuldners oder auch seines Prozessbevollmächtigten (vgl. BGH,
Urteil vom 17. März 1970 - VI ZR 148/68, NJW 1970, 1119; vom 19. Juni 1985 -
IVa ZR 114/83, NJW 1985, 2945 f, insoweit unter BGHZ 95, 76 nicht abgedruckt;
vom 28. September 1995 - IX ZR 227/94, WM 1996, 33, 34 f) gegenüber
dem Gläubiger, aus dem sich das Bewusstsein vom Bestehen des Anspruchs
- wenigstens dem Grunde nach - unzweideutig ergibt und das deswegen das
Vertrauen des Gläubigers begründet, dass sich der Schuldner nicht nach Ablauf
der Verjährungsfrist alsbald auf Verjährung berufen werde (BGH, Beschluss
vom 6. November 2018 - XI ZR 369/18, WM 2018, 2356 Rn. 10 mwN). Ein sol-
ches tatsächliches Verhalten eines Erben kann etwa in der Auskunftserteilung
nach § 2314 BGB auf ein entsprechendes Verlangen des Pflichtteilsberechtigten
(BGH, Urteil vom 24. Mai 2012 - IX ZR 168/11, NJW 2012, 2180 Rn. 29;
vom 4. Juni 2014 - IV ZR 348/13, NJW 2014, 2574 Rn. 13) oder in der Erklärung
der Bereitschaft zur Inventarerrichtung (BGH, Urteil vom 14. Mai 1975 -
IV ZR 19/74, NJW 1975, 1409) liegen. Es bedarf allerdings einer umfassenden
Würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls (BGH, Urteil vom
27. Januar 2015 - VI ZR 87/14, NJW 2015, 1589 Rn. 7). Ob eine Erklärung des
Schuldners die Voraussetzungen eines verjährungsunterbrechenden Anerkenntnisses
im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB erfüllt, ist als Frage der tatrichterlichen
Auslegung im Einzelfall revisionsrechtlich nur beschränkt auf die
Verletzung von Auslegungsregeln, Denkgesetzen, Erfahrungssätzen und Verfahrensvorschriften
überprüfbar (BGH, Urteil vom 27. Januar 2015, aaO Rn. 9).

(2) Die Auslegung der Erklärungen der Schwester im Auskunftsprozess
durch das Berufungsgericht leidet unter solchen Fehlern.

(a) Das Berufungsgericht hat nicht hinreichend gewürdigt, dass die Erbin
die von ihr erbetene und ihr aufgegebene Auskunft nie erteilt hat. Im Auskunftsrechtsstreit
hat sie bis zum Schluss Klageabweisung beantragt und geltend
gemacht, zur Auskunftserteilung aus verschiedenen Gründen jedenfalls derzeit
nicht in der Lage zu sein. Sie hat darauf verwiesen, erst Auskunft erteilen zu
können, wenn die Klägerin ihrerseits Auskünfte über in den Nachlass fallende
Mieteinnahmen und ihr gewährter Zuwendungen erteile. Ihrer Verurteilung zur
Auskunftserteilung über den Nachlass stehe entgegen, dass ihr nicht bekannt
sei, welche Ansprüche dem Nachlass im Übrigen noch gegen die Klägerin und
dem Ehemann der Erblasserin zustünden. Weiter hielt sie die Wertangaben in
den Gutachten über den Wert der in den Nachlass gefallenen Grundstücksan-
teile für unzutreffend. Damit hat sie gegen den Auskunftsanspruch Gegenrechte
geltend gemacht und einen solchen (wenn auch nur derzeit) in Abrede gestellt
(BGH, Urteil vom 27. Februar 1969 - VII ZR 18/67, NJW 1969, 1108; vom
21. März 1972 - VI ZR 110/71, WM 1972, 1284, 1285; vom 22. Oktober 1998 -
VII ZR 99/97, BGHZ 139, 387, 393; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, 2014,
§ 212 Rn. 11). Aus ihrem Prozessverhalten ergibt sich deswegen nicht hinreichend
deutlich, dass ihr bewusst war, ein Auskunftsanspruch und damit ein
Pflichtteilsanspruch bestehe tatsächlich. Deswegen konnte dieses Verhalten
das Vertrauen der Klägerin nicht begründen, die Erbin werde sich nicht nach
Ablauf der Verjährungsfrist alsbald auf Verjährung berufen.

(b) Im Übrigen hat die Erbin in der Klageerwiderung zwar einleitend eingeräumt,
über den Bestand des Nachlasses "grundsätzlich" auskunftspflichtig
zu sein, sie hat den Satz aber unmittelbar fortgesetzt mit den Worten, aufgrund
nicht in ihrem Verantwortungsbereich liegender Umstände zur Auskunftserteilung,
zumindest teilweise nicht in der Lage zu sein, weil sie auf Auskünfte der
Klägerin und des Ehemanns der Erblasserin angewiesen sei und der Wert der
beiden sich im Nachlass befindlichen Grundstücke erst nach der laufenden
Zwangsversteigerung angegeben werden könne. Weiter machte sie im Hinblick
auf die von ihr erhobene Widerklage auf Auskunftserteilung durch die Klägerin
ein Zurückbehaltungsrecht geltend, weil die Auskünfte der Klägerin für die Bezifferung
der Pflichtteilsansprüche der Klägerin ebenso maßgeblich seien wie
ihre eigenen Auskünfte. Der Klageanspruch der Klägerin sei deswegen "zumindest
derzeit" unbegründet. Sie verwies auf die Ausgleichspflicht der Klägerin
nach § 2316 BGB und darauf, dass dadurch deren Pflichtteilsanspruch "erheblich"
beeinflusst werde, weil sie sich dies pflichtteilsmindernd anrechnen lassen
müsse. Sie verwies auf Grundschulden, die erheblichen Einfluss auf den Verkehrswert
und damit auf den Pflichtteilsanspruch der Klägerin hätten. Die
Pflichtteilsansprüche der Klägerin hingen vom Ergebnis des Rechtsstreits ab,
weil erst dann die "Pflichtteils- und gegebenenfalls Pflichtteilsergänzungsansprüche"
der Klägerin ermittelt werden könnten.

Diese Ausführungen belegen, dass die Erbin nicht bereit war, der Klägerin
Auskunft über den Bestand des Nachlasses zu erteilen. Weiter machen die
Ausführungen deutlich, dass die Erbin das Bestehen eines Pflichtteilsanspruchs
zwar theoretisch zur Kenntnis nahm, aber davon ausging, dass die Klägerin
über 35 Jahre in großem Umfang ausgleichungspflichtige Zuwendungen erhalten
hatte, welche einen etwaigen Pflichtteilsanspruch "erheblich" vermindern
würden. Mithin hat die Erbin den Auskunftsanspruch der Klägerin "zumindest
zurzeit" in Abrede gestellt und wollte ihn nicht erfüllen. Auch war ihr lediglich
bewusst, dass ein Pflichtteilsanspruch möglicherweise bestehe. Dies aber
reicht, wie das Berufungsgericht übersehen hat, für die Annahme eines Anerkenntnisses
nicht aus (BGH, Beschluss vom 27. Juni 1990 - IV ZR 115/89, FamRZ
1990, 1107, 1108; Urteil vom 27. Januar 1999 - XII ZR 113/97, NJW 1999,
1101, 1103; vom 24. Mai 2012 - IX ZR 168/11, NJW 2012, 2180 Rn. 29; jurisPK-
BGB/Lakkis, 8. Aufl., § 212 Rn. 18). Berücksichtigt man weiter, dass die
Erbin sich zur Auskunft wenigstens während des Laufs des Auskunftsrechtsstreits
nicht verpflichtet fühlte und sie auch nach rechtskräftiger Verurteilung zur
Auskunftserteilung keine Auskunft erteilt hat, liegt die Annahme des Berufungsgerichts
fern, die Klägerin habe aus dem Verhalten der Erbin schließen können,
dieser sei das Bestehen des Pflichtteilsanspruch - wenigstens dem Grunde
nach - bewusst und sie werde die Verjährungseinrede nicht erheben. Bezeichnenderweise
haben auch weder der Beklagte noch der Zweitanwalt, so er denn
die entsprechenden Schriftsätze kannte, die entsprechenden Schlüsse gezogen.
Einen Vertrauenstatbestand in diese Richtung hatte die Erbin gerade nicht
geschaffen.

b) Selbst wenn in den Schriftsätzen der Erbin im Auskunftsprozess Anerkenntnisse
im Sinne von § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB lägen, belegen die Feststellungen
des Berufungsurteils ein pflichtwidriges Handeln des Zweitanwalts nicht.

Das Berufungsgericht hat insoweit nur festgestellt, dass dieser von dem Vorprozess
wusste. Den Inhalt der Schriftsätze kannte er allein deshalb noch nicht.

2. Auch wenn die Erbin im Auskunftsprozess den Pflichtteilsanspruch der
Klägerin im Sinne von § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB anerkannt und der Zweitanwalt
dies pflichtwidrig nicht erkannt hätte, lässt sich mit der Begründung des Berufungsgerichts
dem Zweitanwalt nicht alleine die Haftung für den bei der Klägerin
eingetretenen Schaden aufbürden. Allerdings ist die Entscheidung über eine
Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB grundsätzlich Sache des
Tatrichters und im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob dieser alle
in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der
Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt hat (BGH, Urteil
vom 19. Dezember 2017 - VI ZR 128/16, NJW 2018, 1751 Rn. 20). Dies war
vorliegend nicht der Fall. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
ist in erster Linie das Maß der Verursachung von Belang, in dem die
Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben. Die unter diesem Gesichtspunkt
vorzunehmende Abwägung kann zwar bei besonderen Fallgestaltungen
zu dem Ergebnis führen, dass einer der Beteiligten allein für den Schaden
aufkommen muss, eine vollständige Überbürdung des Schadens auf einen
der Beteiligten ist aber unter dem Gesichtspunkt der Mitverursachung nur ausnahmsweise
in Betracht zu ziehen (BGH, Urteil vom 28. April 2015 - VI ZR
206/14, VersR 2015, 767 Rn. 10; vgl. auch BGH, Urteil vom 29. November
2001 - IX ZR 278/00, NJW 2002, 1117, 1121).

Insbesondere kommt es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts bei
der Gewichtung der Verursachungsbeiträge nicht allein auf den von jedem Anwalt
zu vertretenden Verjährungszeitverlust an, sondern auf das Gewicht des
anwaltlichen Fehlers für den Schadenseintritt. Hier hatte der Beklagte durch
den fehlerhaften Hinweis auf die Hemmungswirkung der Auskunftsklage eine
wesentliche Ursache dafür gesetzt, dass der Zweitanwalt den Pflichtteilsanspruch
für verjährt gehalten hatte. Auf Vorhalt des Fehlers durch die Klägerin
hat der Beklagte zudem diesen eingeräumt und die Klägerin nicht auf die etwaigen
Anerkenntnisse der Erbin in dem Auskunftsprozess und einen etwaigen
Neubeginn der Verjährung hingewiesen. Ebenso wenig wie der Zweitanwalt hat
der Beklagte die vom Berufungsgericht angenommenen Anerkenntnisse und
ihre Bedeutung für die Verjährung erkannt und die Klägerin deswegen nicht
über einen etwaigen Neubeginn der Verjährung aufgeklärt. Angesichts dieser
vom Beklagten zu verantwortenden Fehler liegt der Ausnahmefall nicht vor, der
die Überbürdung des Schadens allein auf den Zweitanwalt rechtfertigen könnte.

III.

Das Urteil ist nicht aus anderen Gründen richtig (§ 561 ZPO).

1. Der Beklagte hat den ihm erteilten Auftrag fehlerhaft bearbeitet. Er
unterließ es, die Hemmung oder den Neubeginn der Verjährung durch Erfolg
versprechende Maßnahmen zu erreichen und die Klägerin auf die Notwendigkeit
solcher Maßnahmen hinzuweisen. Vielmehr unterrichtete er sie falsch über
die Verjährung.

a) War der Beklagte beauftragt, den Pflichtteilsanspruch gegenüber der
Erbin durchzusetzen, und wurde das Mandat durch die Klägerin erst gekündigt,
nachdem der Pflichtteilsanspruch verjährt war, handelte er in jedem Fall pflichtwidrig.
Der Beklagte hätte die Verjährung durch Erhebung einer Stufenklage
nach § 254 ZPO oder, wenn die Erhebung einer Stufenklage oder Leistungsklage
den Interessen der Klägerin widersprach, durch andere geeignete Maßnahmen
verhindern müssen, etwa durch eine Vereinbarung mit der Erbin über
die Verlängerung der Verjährung (§ 202 Abs. 2 BGB) oder durch Einholung eines
Verzichts der Erbin, die Einrede der Verjährung geltend zu machen.

b) Endete der Auftrag schon vor Verjährung des Pflichtteilsanspruchs,
hätte der Beklagte ebenfalls pflichtwidrig gehandelt. Die Verpflichtung des
Rechtsanwalts, den Mandanten vor der Verjährung von Ansprüchen zu schützen,
setzt nicht erst kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist ein. Vielmehr sind Vorkehrungen
dagegen, dass es nicht zur Verjährung kommt, erforderlich, sobald
infolge des dem Anwalt erteilten Auftrags oder der von ihm gewählten Vorgehensweise
die Gefahr besteht, dass die Verjährung des Anspruchs aus dem
Blick gerät (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 2001 - IX ZR 278/00,
NJW 2002, 1117, 1119).

Solche Vorkehrungen hat der Beklagte nicht getroffen. Er hat gegen die
Erbin einen über zwei Jahre dauernden Auskunftsprozess geführt, ohne durch
eigene Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass die Verjährung gehemmt wurde.
Durch seine Fehleinschätzung der die Verjährung hemmenden Wirkung der
Auskunftsklage und die fehlerhafte Information der Klägerin hat er erst die Gefahr
geschaffen, dass die Forderung verjährte. Eine eigene Prüfung während
des Mandats, ob - unabhängig von der von ihm fehlerhaft angenommenen
Hemmung durch die Auskunftsklage - die Verjährung durch andere Ereignisse
gehemmt war oder neu begann, hat er nicht unternommen.

c) Aber auch wenn der Beklagte - so sein Vortrag - nur beauftragt war,
die Auskunftsklage zu erheben, und sein Auftrag deswegen mit der rechtskräftigen
Verurteilung der Schwester zur Auskunftserteilung beendet war, schuldete
er der Klägerin den Hinweis, dass die Auskunftsklage die Verjährung nicht gehemmt
hat, sondern der Pflichtteilsanspruch tatsächlich mit Ablauf des Jahres
2013 zu verjähren drohte. Allerdings braucht der Anwalt Vorgänge, die ihm lediglich
bei Gelegenheit des Mandats bekannt geworden sind, die jedoch in keiner
inneren Beziehung zu der ihm übertragenen Aufgabe stehen, nicht daraufhin
zu untersuchen, ob sie Veranlassung zu einem Rat oder Hinweis geben.
Jedoch muss er den Mandanten auch innerhalb eines eingeschränkten Mandats
vor Gefahren warnen, die sich bei ordnungsgemäßer Bearbeitung aufdrängen,
wenn er Grund zu der Annahme hat, dass sein Auftraggeber sich dieser
Gefahr nicht bewusst ist. Eine solche Verpflichtung kommt vor allem in Betracht,
wenn Ansprüche gegen Dritte zu verjähren drohen (BGH, Urteil vom
29. November 2001, aaO S. 1118 mwN).

Entsprechendes gilt vorliegend. Der Klägerin war bekannt, dass ihr Anspruch
mit Ablauf des Jahres 2013 zu verjähren drohte. Ihr war aber nicht bekannt,
dass die vom Beklagten eingeleiteten Maßnahmen - entgegen der ihr
vom Beklagten aufgrund einer Nachfrage erteilten Auskunft - die Verjährung
nicht verhinderten. Mit diesem falschen Hinweis hat der Beklagte in der Klägerin
den Irrtum geweckt, sie könne sich mit der Verfolgung des Pflichtteilsanspruchs
im Hinblick auf die zweijährige Dauer des Auskunftsrechtsstreits und der sich
aus § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB sechsmonatigen Nachfrist bis Mitte des Jahres
2016 Zeit lassen, die Zahlungsklage zu erheben.

2. Der Beklagte hat den Schaden der Klägerin, die Verjährung ihres
Pflichtteilsanspruchs, jedenfalls mitverursacht.

a) Aufgrund der pflichtwidrigen Untätigkeit des Beklagten und aufgrund
seiner pflichtwidrig fehlerhaften Auskunft über die Hemmung ist ein etwaiger
Pflichtteilsanspruch der Klägerin verjährt. Der Beweis des ersten Anscheins
spricht dafür, dass die Klägerin den Beklagten oder einen anderen Anwalt vor
Ablauf des 31. Dezember 2013 beauftragt hätte, für eine Hemmung oder einen
Neubeginn der Verjährung zu sorgen, wenn sie über die Rechtslage ins Bild
gesetzt worden wäre; denn dies wäre die allein interessengerechte Entschließung
gewesen (BGH, Urteil vom 29. November 2001, aaO S. 1120).

b) Etwaige Fehler des Zweitanwalts unterbrechen den Zurechnungszusammenhang
nicht, selbst wenn der Pflichtteilsanspruch der Klägerin bei der
Beauftragung des Zweitanwalts wegen etwaiger Anerkenntnisse der Erbin und
etwaiger Verhandlungen noch nicht verjährt war. Fehler des von der Klägerin
später beauftragten Anwalts schließen nicht aus, die Schadensfolge dem Beklagten
als demjenigen zuzurechnen, der die Kausalkette in Gang gesetzt hat.

Greifen weitere Personen in ein schadensträchtiges Geschehen ein, entlasten
sie damit regelmäßig nicht den Erstschädiger, sondern begründen - zum Schutz
des Geschädigten - allenfalls eine eigene, zusätzliche Haftung. Das Verhalten
Dritter beseitigt allgemein die Schadenszurechnung im Verhältnis zu früheren
Verursachern nur, sofern es als gänzlich ungewöhnliche Beeinflussung des Gesche-
hensablaufs zu werten ist. Dementsprechend wird der von einer früheren Vertragsverletzung
eines Rechtsanwalts ausgehende Zurechnungszusammenhang
grundsätzlich nicht dadurch unterbrochen, dass nach dem pflichtwidrig handelnden
Anwalt eine andere rechtskundige Person mit der Angelegenheit befasst
worden ist, die noch in der Lage gewesen wäre, den Schadenseintritt zu
verhindern, die ihr obliegende Sorgfaltspflicht jedoch nicht beachtet hat (BGH,
Urteil vom 29. November 2001, aaO; vom 7. April 2005 - IX ZR 132/01,
WM 2005, 1812, 1813).

Etwas Anderes gilt lediglich dort, wo der zweite Anwalt eine Entschließung
trifft, die schlechterdings unverständlich, also gemessen an sachgerechter
Berufsausübung sachfremd und nicht nachvollziehbar erscheint oder den Geschehensablauf
so verändert, dass der Schaden bei wertender Betrachtungsweise
in keinem inneren Zusammenhang zu der vom beklagten Rechtsanwalt
zu vertretenden Vertragsverletzung steht (BGH, Urteil vom 29. November 2001
- IX ZR 278/00, NJW 2002, 1117, 1120). Solche Umstände sind hier nicht ersichtlich.
Vorliegend hat der Zweitanwalt den Fehler des Beklagten aufgedeckt
und festgestellt, dass durch die Erhebung der Auskunftsklage durch den Beklagten
die Verjährung nicht gehemmt worden war. Sodann hat er - sofern ihm
die entsprechenden Schriftsätze des Vorprozess vorgelegen haben - die sich
aus ihnen nach Ansicht des Berufungsgerichts ergebenden Anerkenntnisse wie
der Beklagte selbst nicht erkannt. Seine Entscheidungen beruhen also auf den
Vorgaben, welche der Beklagte geschaffen hat, und erscheinen deswegen nicht
sachfremd und nicht nachvollziehbar.

c) Lässt ein Rechtsanwalt pflichtwidrig einen Anspruch verjähren, obliegt
dem Auftraggeber der Schadensnachweis, dass er den Anspruch gegen seinen
Schuldner in unverjährter Zeit hätte durchsetzen können (BGH, Urteil vom
6. Mai 2004 - IX ZR 211/00, WM 2004, 2220, 2221). Voraussetzung einer Haftung
des Beklagten ist mithin, dass ein Pflichtteilsanspruch der Klägerin überhaupt
bestand. Dies hat die Klägerin behauptet. Feststellungen hierzu hat das
Berufungsgericht nicht getroffen. Revisionsrechtlich ist deswegen davon auszugehen,
dass ein solcher Pflichtteilsanspruch bestand.

3. Allerdings kann ein etwaiger Fehler des Zweitanwalts in der Mandatsbearbeitung
der Klägerin im Grundsatz als Mitverschulden nach § 254 BGB angerechnet
werden. Rechtsanwälte, die nacheinander demselben Auftraggeber
Schaden zugefügt haben, haften diesem grundsätzlich als Gesamtschuldner,
ohne dass sich der Geschädigte bei der Inanspruchnahme eines haftpflichtigen
Anwalts den Schadensbeitrag des anderen Anwalts als Mitverschulden entgegenhalten
lassen muss. Die Anrechnung eines Mitverschuldens des Mandanten
setzt voraus, dass dieser sich des Zweitanwalts bedient hat, um eine im eigenen
Interesse gebotene Obliegenheit zur Abwehr oder Minderung des Schadens
zu erfüllen, der durch den in Anspruch genommenen Erstanwalt herbeigeführt
wurde (BGH, Urteil vom 7. April 2005 - IX ZR 132/01, WM 2005, 1812,
1813).

Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts
war das vorliegend der Fall. Die Klägerin hat den Zweitanwalt mit
der Durchsetzung des Pflichtteilsanspruchs und gegebenenfalls auch zur
Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen den Beklagten mandatiert, nachdem sie
in Erfahrung gebracht hatte, dass die Auskunftsklage jedenfalls den Verjährungseintritt
zum Ende des Jahres 2013 nicht verhindert hatte. Der Zweitanwalt,
welcher die Klägerin auf den Anwaltsfehler des Beklagten hingewiesen hatte,
sollte also mögliche nachteilige Folgen des Fehlers des Beklagten beheben.

Doch lässt sich eine alleinige Haftung des Zweitanwalts aufgrund der vom Berufungsgericht
getroffenen Feststellungen nicht begründen.

IV.

Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Sie
ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung
reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563
Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO). Der Erfolg der Klage hängt davon ab, ob und in
welcher Höhe die Klägerin gegen die Erbin einen Pflichtteilsanspruch (§ 2303
Abs. 1 BGB) hatte, den der Beklagte, gegebenenfalls im Zusammenspiel mit
dem Zweitanwalt, hat verjähren lassen.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

24.01.2019

Aktenzeichen:

IX ZR 233/17

Rechtsgebiete:

Allgemeines Schuldrecht
Vorweggenommene Erbfolge (Ausgleichung, Anrechnung)
Pflichtteil
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

NJW 2019, 1219-1223
ZEV 2019, 220-225

Normen in Titel:

BGB §§ 212 Abs. 1 Nr. 1, 2303, 2314, 2315