BGH 20. Oktober 1988
VII ZR 219/87
BGB § 179

Haftung des für eine noch nicht gebildete Bauherrengemeinschaft handelnden Vertreters

2. BGB § 179 (Haftung des für eine noch nicht gebildete
Bauherrengemeinschaft handelnden Vertreters)
Zur Haftung des. im Rahmen eines Bauherrenmodells tätigen Treuhänders, der im Namen einer noch nicht gebildeten
Bauherrengemeinschaft. mit einem Bauunternehmer einen
Vertrag über die Errichtung der geplanten Wohnanlage
geschlossen hat, wenn die Bauherrengemeinschaft später
nicht zustande kommt (im Anschluß an BGHZ 63, 45 [= MittBayNot 1975, 32 = DNotZ 1975, 224]).
BGH, Urteil vom 20.10.1988 — VII ZR 219/87 — mitgeteilt von
D. Bundschuh, Richter am BGH
Aus dem Tatbestand:
Die Firma G.+C. Grundstücks- und Baut-ägergesellschaft mbH wollte auf einem Grundstück in M. ein Wohn- und Geschäftshaus nach
dem Bauherrenmodell errichten. Der Beklagte, der als Treuhänder der
noch zu werbenden Bauherrenvorgesehen war, beauftragte deshalb
in dieser Eigenschaft als Vertreter der „Mitglieder der Bauherrengemeinschaft" in einem Werkvertrag vom 30. August 1984 die Firma
K. GmbH Bau- und Beton KG mit der schlüsselfertigen Erstellung der
Wohnanlage zum Pauschalfestpreis von netto 2.899.500,— DM. In
einem mit diesem Vertrag vereinbarten Terminplan ist die „Baureifmachung" des Grundstücks für September 1984 vorgesehen. Nach
einem Zahlungsplan sollte die erste Rate in Höhe von 145.000,— DM
zuzüglich Mehrwertsteuer nach durchgeführter „Baustelleneinrichtung, Erdarbeiten, Werkplanung" zur Zahlung fällig sein.
Nach Beginn der Bauarbeiten verlangte die Firma K. mit Abschlagsrechnung vom 31. Oktober 1984 von dem Beklagten als Vertreter der
Bauherrengemeinschaft Zahlung von 165.300,— DM. Da ein Bankdarlehen nicht zur Verfügung gestellt wurde und Bauherren nicht
gefunden werden konnten, zahlte der Beklagte nicht. Die Firma K.
stellte daraufhin am 20. Dezember 1984 ihre Arbeiten ein. Nachdem
auch in der Folgezeit die Bauherrengemeinschaft nicht zustande
kam, wurde das Bauvorhaben nicht durchgeführt.
Mit der Klage forderte die Firma K. von dem Beklagten einen Teilbetrag des ihr entstandenen Schadens in Höhe von 750.000,— DM
nebst Zinsen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Während
des Berufungsverfahrens wurde über das Vermögen der Firma K. das
Anschlußkonkursverfahren eröffnet. Nach Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens durch den zum Konkursverwalter bestellten Kläger hat das Oberlandesgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die — angenommene — Revision des Klägers führte zur
Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
1.Das Berufungsgericht geht mit Recht davon aus, daß der
Beklagte, der als Treuhänder im Namen noch nicht geworbener Mitglieder einer Bauherrengemeinschaft mit der Gemeinschuldnerin einen Werkvertrag abschloß, als Vertreter
ohne Vertretungsmacht i. S. d. § 179 Abs. 1 BGB handelte.
Vollmachtloser Vertreter ist nach dieser Bestimmung nicht
nur derjenige, der ohne rechtsgeschäftliche oder gesetzliche Vertretungsmacht im Namen eines Dritten tätig wird.
Die Vorschrift ist vielmehr auch dann entsprechend anzuwenden, wenn jemand im Namen einer nicht vorhandenen
Person vertragliche Vereinbarungen trifft, der angeblich Vertretene also gar nicht existiert (BGHZ 63, 45, 49 [= MittBayNot 1975, 32 = DNotZ 1975, 224]; Thiele in MünchKomm,
BGB, 2. Aufl., § 179 Rdnr. 9 m. w. N.).
2. Dem Berufungsgericht kann aber nicht gefolgt werden,
wenn es die Haftung des als vollmachtlosen Vertreter
handelnden Beklagten aufgrund der Ausnahmeregelung
des § 179 Abs. 3 BGB ausschließt.
a) Die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht ist
eine gesetzliche Garantenhaftung, die dem Vertreter das verschuldensunabhängige Risiko auferlegt, seine Erklärung, er
habe die erforderliche Vertretungsmacht, sei richtig. Das
Einstehenmüssen des vollmachtlosen Vertreters für die
Rechtsfolgen dieser Erklärung beruht somit auf einer im
Interesse der Verkehrssicherheit geregelten Vertrauenshaftung (vgl. Thiele aaO Rdnrn. 1, 2 m.. N.). Behauptet der Vertreter ausdrücklich oder schlüssig, die für die Vornahme des
Rechtsgeschäfts erforderliche Vertretungsmacht zu haben,
darf der Vertragspartner daran grundsätzlich glauben. Insbesondere ist er nicht ohne weiteres zu Nachforschungen über
Bestand und Umfang der Vertretungsmacht verpflichtet;
auch kann er den Mangel der Vertretungsmacht -in der Regel
nicht erkennen. Fehlt die von dem Vertreter behauptete Vertretungsmacht, muß grundsätzlich dieser und nicht der Vertragspartner für die Folgen des vollmachtlosen Handels einstehen. Denn der Schutz des auf die Vertretungsmacht des
Vertreters vertrauenden Gegners geht etwaigen schutzwürdigen Interessen des vollmachtlosen Vertreters vor.
Der Vertragspartner des vollmachtlosen Vertreters verdient
jedoch dann keinen Schutz, wenn er den Mangel der Vertretungsmacht kennt oder infolge Fahrlässigkeit nicht kennt
(§ 179 Abs. 3 Satz 1 BGB). Soweit Anhaltspunkte hierfür vorliegen kann ihm zugemutet werden, den Vertreter zu Erklärungen über die angebliche Vertretungsmacht aufzufordern
oder darüber Erkundigungen einzuziehen. Kommt er dem
nicht nach, vernachlässigt er die im Verkehr erforderliche
Sorgfalt und muß die Folgen selbst tragen (Thiele aaO
Rdnr. 36 m. N.). Die Vertrauenshaftung des vollmachtlosen
Vertreters ist dann ausgeschlossen, weil sein Vertragspartner aufgrund der Zweifel an der Vertretungsmacht Vertrauen
in die Richtigkeit der vom Vertreter abgegebenen Erklärung
gerade nicht in Anspruch nimmt.
b) Die Ausnahmeregelung des § 179 Abs. 3 Satz 1 BGB kann
aber dann nicht ohne Einschränkung entsprechend herangezogen werden, wenn ein Vertreter für eine (noch) nicht existente Person gehandelt hat. Zwar haftet — wie ausgeführt
— der Vertreter in diesem Fall ebenfalls nach § 179 Abs. 1
BGB wie ein vollmachtloser Vertreter. Weiß der Vertragspartner jedoch, daß der Vertretene nicht vorhanden ist, ist das
dem Wissen von der fehlenden Vertretungsmacht nicht ohne
weiteres gleichzusetzen. Vielmehr ist von dem Inhalt der Erklärung auszugehen, die der Vertreter in einem solchen Fall
abgibt und auf deren Richtigkeit der Vertragspartner vertraut. Erklärt der Vertreter neben der Behauptung, Vertretungsmacht zu haben, noch weitere Tatsachen, kann die ihn
nach § 179 Abs. 1 BGB grundsätzlich treffende Haftung nur
dann in entsprechender Anwendung des § 179 Abs. 3 Satz 1
BGB ausgeschlossen werden, wenn der Vertragspartner
auch die Unrichtigkeit dieser Umstände kennt. Nur dann ist
es gerechtfertigt, dem Gegner des vollmachtlosen Vertreters
den ihm durch die Vorschrift des § 179 Abs. 1 BGB gewährten Vertrauensschutz zu versagen. Hat der Vertreter bei dem
Vertragspartner dagegen zumindest zum Teil Vertrauen in
die Richtigkeit der von ihm abgegebenen Erklärung erweckt,
muß die Haftung des vollmachtlosen Vertreters bestehen
bleiben.
Im vorliegenden Fall behauptete der Beklagte bei Abschluß
des Werkvertrags mit der Gemeinschuldnerin nicht nur, er
handle als Treuhänder und somit Vertreter noch nicht geworbener Mitglieder einer Bauherrengemeinschaft. Vielmehr erklärte er zusätzlich, die Bauherrengemeinschaft werde alsbald entstehen und damit Vertragspartner der Gemeinschuldnerin werden; nur in dieser Weise kann seine Erklärung gegenüber der Gemeinschuldnerin ausgelegt werden.
Entscheidend für die Schutzwürdigkeit der Gemeinschuldnerin und die Haftung des Beklagten gemäß § 179 Abs. 1
BGB ist daher, in welchem Umfang die Gemeinschuldnerin
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auf die Richtigkeit der Behauptungen des Beklagten vertraute oder vertrauen durfte. Wußte sie — wovon das Berufungsgericht ausgeht —, daß die Bauherren noch nicht geworben
waren, reicht das für einen Ausschluß der Haftung des Beklagten gemäß § 179 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht aus. Entscheidend ist vielmehr, ob die Gemeinschuldnerin Kenntnis davon hatte, daß die Bauherrengemeinschaft in absehbarer
Zeit nicht zustande kommen werde bzw. ob sie diese Kenntnis haben mußte. Nur dann kann ihr der durch § 179 Abs. 1
BGB gebotene Vertrauensschutz versagt und die Haftung,
des Beklagten gemäß § 179 Abs. 3 Satz 1 BGB in vollem Umfang ausgeschlossen werden. Durfte die Gemeinschuldnerin dagegen auf die Richtigkeit dieser vom Beklagten ebenfalls abgegebenen Behauptung vertrauen, kann eine Kenntnis bzw. ein Kennenmüssen i. S. d. § 179 Abs. 3 Satz 1 BGB
nicht angenommen werden. In diesem Fall haftet der Beklagte als Vertreter ohne Vertretungsmacht.
c) Das ist auch sack- und interessengerecht. Nach dem Terminplan, den der Beklagte als Treuhänder noch nicht geworbener Bauherren mit der Gemeinschuldnerin als Anlage zu
dem geschlossenen Werkvertrag vereinbarte, sollte mit den
Bauarbeiten. bereits im September 1984, also unmittelbar
nach dem Vertragsschluß vom 30. August 1984, begonnen
werden. Da nach dem ebenfalls vereinbarten Zahlungsplan
die erste Rate der festgelegten Pauschalvergütung in Höhe
von 145.000,— DM zuzüglich Mehrwertsteuer bereits nach
Fertigstellung der Baustelleneinrichtung, der Erdarbeiten
und der Werkplanung zur Zahlung fällig war, ging der Beklagte bewußt das Risiko ein, bei nicht rechtzeitigem Zustandekommen der Bauherrengemeinschaft als Vertreter
ohne Vertretungsmacht in Anspruch genommen zu werden.
Dieses Risiko hätte der Beklagte, der sich selbst um die
Gewinnung von Bauherren und die Förderung des Bauvorhabens bemühte, wie dem unstreitigen Teil des Tatbestands
des Berufungsurteils zu entnehmen ist, durch eine entsprechende Vertragsgestaltung ausschließen oder mindern
können und müssen; das hat er unterlassen.
Demgegenüber konnte der Vertragspartner des Treuhänders,
die Gemeinschuldnerin, auf die Werbung der Bauherren und
die Förderung des Projekts keinerlei Einfluß nehmen. Es
wäre daher unbillig, ihr das Risiko einer nicht vergüteten,
aber sofort verlangten Vorleistung aufzubürden, wenn das
Bauvorhaben nicht durchgeführt wird, weil sich keine oder
nicht genügend Bauherren finden lassen. Eine solche
Risikoverteilung würde den Interessen der Beteiligten nicht
gerecht werden, zumal die Gefahr eines Scheiterns des Projekts eindeutig im Risikobereich des Beklagten lag. Dies verkennt das Berufungsgericht, nach dessen Ansicht es Sache
der Auftragnehmerin, der Gemeinschuldnerin, gewesen
wäre, bei Vermeidung des Ausfallrisikos eine Haftung des
Beklagten ausdrücklich in den Vertrag mitaufzunehmen.
Eine solche Risikoverteilung entspräche nicht der beiderseitigen Interessenlage.
d) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann eine
Haftung des Beklagten auch nicht deshalb verneint werden,
weil der Treuhänder eine dem Baubetreuer entsprechende
Stellung habe und im Schrifttum allgemein die Haftung des
Baubetreuers für die Vergütung der am Bau Beteiligten
abgelehnt werde, wenn die Bauherrengemeinschaft nicht
zustande kommt und das Bauvorhaben nicht durchgeführt
wird. Anders, als das Berufungsgericht meint, bejahen
Locher/Koebie- (Baubetreuungs- und Bauträgerrecht, 4. Aufl.,
Rdnr. 152) ausdrücklich eine Verpflichtung des Betreuers
gemäß § 179 Abs. 1 BGB gegenüber dem Architekten und
MittBayNot 1989 Heft 2
versagen dem Betreuer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB)
die Berufung auf § 179 Abs. 3 BGB (vgl. a. Werner/Pastor, Der
Bauprozeß, 5. Aufl., Rdnr. 779). Scheffler ( Betrieb 1982, 633)
vertritt zwar die, Auffassung, die gesetzliche Haftung des
Baubetreuers sei gemäß § 179 Abs. 3 Satz 1 BGB ausgeschlossen, wenn der Vertragspartner wisse, daß noch keine
Bauherren geworben seien: Diese Ansicht verkennt jedoch,
daß bei einer entsprechenden Anwendung des Haftungstatbestandes des § 179 Abs. 1 BGB auch die in § 179 Abs. 3
Satz 1 BGB enthaltene Ausnahmeregelung nur entsprechend herangezogen werden kann. Ferner übersieht sie, daß
sie im Ergebnis zu einer unbilligen Risikoverteilung führt.
Diese Auffassung wird denn auch mit Recht im Schrifttum
abgelehnt (vgl. Locher/Koeb /e aaO; ebenso Locher/König,
Bauherrenmodelle in zivil- und steuerrechtlicher Sicht
[1982], Rdnrn. 53, 54 und wohl auch Brych in Reithmann/
Brych/Manhart, Kauf vom Bauträger und Bauherrenmodelle,
5. Aufl., Rdnr. 140 e a. E.).
e) Hält man mit dem Berufungsgericht die Vorschrift des
§ 179 Abs. 3 Satz 1 BGB im vorliegenden Fall für anwendbar,
würde im übrigen einem Ausschluß der Vertreterhaftung der
Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegenstehen. Der Bundesgerichtshof (BGHZ 63, 45, 49/50) hat bereits entschieden, daß diese Bestimmung nach ihrem Sinngehalt nicht angewendet werden könne, wenn jemand für
eine gegründete, aber noch nicht entstandene Handelsgesellschaft auftrete. Er hat dies damit begründet, daß der Geschäftsgegner der noch nicht entstandenen Gesellschaft
entgegen der für den vollmachtlosen Vertreter getroffenen
Regelung weder das Recht zum Widerruf nach § 178 BGB
noch die Möglichkeit habe, durch eine Aufforderung nach
§ 177 Abs. 2 BGB klare Verhältnisse zu schaffen. Es sei
daher sachgerecht, den Gesellschaftsgründern das Risiko
zuzumuten, bei Scheitern der Gesellschaft für die Vertragserfüllung eintreten zu müssen.
Bei einer nicht zustandegekommenen Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ist es ebenso. Auch hier kann der über den
Sachverhalt unterrichtete Vertragspartner den Vertrag nicht
gemäß § 178 BGB widerrufen. Ihm fehlt jede Möglichkeit,
den Schwebezustand, der durch das Handeln des vollmachtlosen Vertreters entstanden ist, zu beseitigen. Mit Recht
wird deshalb von der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte dem Vertreter einer noch nicht gebildeten Bauherrengemeinschaft die Berufung auf § 179 Abs. 3 Satz 1 BGB als
mit dem Grundsatz von Treu und Glauben unvereinbar versagt (vgl. OLG Frankfurt BB 1984, 692; OLG Hamm BauR
1987, 592; OLG Köln WM 1987, 1081).
3. MRVG Art. 10 § 3 (Kein Koppelungsverbot für den als
Generalunternehmer tätigen Architekten/Ingenieur)
Für einen gewerbsmäßig (mit Erlaubnis nach § 34 c GewO)
als Generalunternehmer tätigen Architekten oder Ingenieur,
der schlüsselfertige Bauten auf einem dem Erwerber vorweg
zu übertragenden Grundstück errichtet, gilt das Koppelungsverbot des Art. 10 § 3 MRVG grundsätzlich nicht (im Anschluß an BGHZ 89, 240 [= MittBayNot 1984, 82]).
BGH, Urteil vom 29.9.1988 — VII ZR 94/88 —
Aus dem Tatbestand:
Im Frühjahr 1986 zeigte die Maklerfirma H., die damals in B. zusammen mit dem Makler S. eine Bürogemeinschaft unterhielt, in mehreren Inseraten an, daß in St. A. Einfamilienhäuser zu erwerben seien.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

20.10.1988

Aktenzeichen:

VII ZR 219/87

Erschienen in:

MittBayNot 1989, 78-79

Normen in Titel:

BGB § 179