OLG München 03. September 2019
31 Wx 313/18, 31 Wx 268/19
EGBGB Artt. 11, 25; BGB §§ 1924, 1937, 1944, 1945; FamFG §§ 59, 84

Erbfall vor dem 17.8.2015 und Anwendung des Art. 25 Abs. 1 EGBGB; zuständiges Nachlassgericht für die Ausschlagung der Erbschaft

letzte Aktualisierung: 18.10.2019
OLG München, Beschl. v. 3.9.2019 – 31 Wx 313/18, 31 Wx 268/19

EGBGB Artt. 11, 25; BGB §§ 1924, 1937, 1944, 1945; FamFG §§ 59, 84
Erbfälle vor dem 17.8.2015 bei Anwendung des Art. 25 Abs. 1 EGBGB; zuständiges Nachlassgericht für die Ausschlagung der Erbschaft

1. Bei Erbfällen vor dem 17.8.2015 erfolgt die Erklärung, dass die Erbschaft ausgeschlagen werde,
wirksam gegenüber dem zuständigen deutschen Nachlassgericht, wenn gemäß Art. 25 Abs. 1
EGBGB deutsches Erbrecht als Erbstatut anwendbar ist.

2. Bei dieser Frage handelt es sich nicht um eine Frage der Form im Sinne von Art. 11 Abs. 1
EGBGB, sondern um eine inhaltliche Frage, so dass das Erbstatut maßgeblich ist (im Anschluss an
OLG Schleswig FGPrax 2015, 130 ff).

3. Lehnt es das Nachlassgericht ab, einem gesetzlichen Erben der 2. Ordnung einen Erbschein zu
erteilen, weil es der Ansicht ist, die gesetzlichen Erben der 1. Ordnung hätten die Erbschaft nicht
wirksam ausgeschlagen, sind diese nicht beschwerdeberechtigt, weil keine unmittelbare
Rechtsbeeinträchtigung vorliegt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 5 bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zutreffend ist das
Nachlassgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung des vom
Beschwerdeführer beantragten Erbscheins nicht vorliegen.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 3 war unzulässig und deswegen zu verwerfen.

I.
Der Erblasser war deutscher Staatsangehöriger und ist am 03.06.2014 in …/Landkreis … verstorben. Er war
verheiratet und hinterließ 3 Kinder; sein letzter Wohnsitz befand sich in der Schweiz.
Zum Zeitpunkt des Erbfalls lebten ebenfalls noch die zwischenzeitlich nachverstorbene Mutter des
Erblassers, sowie sein Vater, der Beschwerdeführer (= Beteiligter zu 5), der die nachverstorbene Mutter des
Erblassers allein beerbt hat.

Durch Erklärungen gegenüber dem Bezirksgericht …/Schweiz haben sowohl die Ehefrau als auch die Kinder
des Erblassers, teilweise vertreten durch die Mutter als gesetzliche Vertreterin, die Ausschlagung der
Erbschaft erklärt. Über den Nachlass des Erblassers in der Schweiz wurde im Anschluss ein
Konkursverfahren nach schweizerischem Recht eröffnet. Die Ausschlagungserklärungen wurden durch
Verfügung vom 29.7.2016 seitens des Amtsgerichts Rosenheim - Nachlassgericht - beim Bezirksgericht
…/Schweiz angefordert und durch dieses am 11.8.2016 in Kopie übersandt.

Mit notarieller Urkunde vom 18.05.2016 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung eines
gemeinschaftlichen Erbscheins, der ihn als Erben seines am 03.06.2014 verstorbenen Sohnes gemeinsam
mit seiner Ehefrau ausweist.

Das Nachlassgericht hat diesen Erbscheinsantrag zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen
ausgeführt, dass der Beschwerdeführer (und die nachverstorbene Mutter des Erblassers) nicht als
gesetzliche Erben berufen seien, da die seitens der Ehefrau und der Kinder erklärten Erbausschlagungen
nach deutschem Recht unwirksam seien, so dass die Ehefrau und die Kinder gesetzliche Erben des
Erblassers seien und damit den Beschwerdeführer und die nachverstorbene Mutter des Erblassers von der
gesetzlichen Erbfolge ausschließen würden.

Dagegen richten sich die Beschwerde des Beteiligten zu 3 (Sohn des Erblassers) und des Beteiligten zu 5
(Vater des Erblassers).

II.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 3 ist unzulässig, da eine Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 3 im
Sinne des § 59 FamFG nicht ersichtlich ist.

1. Gemäß § 59 Abs. 1 FamFG ist (nur) beschwerdeberechtigt, wer durch die angefochtene Entscheidung
unmittelbar in eigenen subjektiven Rechten verletzt ist, wobei bei sogenannten doppelt-relevanten Tatsachen
die Möglichkeit einer Rechtsbeeinträchtigung ausreichend ist (im Einzelnen: Krätzschel in: Firsching/Graf
Nachlassrecht 11. Auflage <2019> § 33 Rn. 1 ff).

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt durch den angefochtenen Beschluss jedoch keine
Rechtsbeeinträchtigung gegenüber dem Beteiligten zu 3 vor. Der angefochtene Beschluss weist den
Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 5 mit der Begründung zurück, nicht der Beteiligte zu 5, sondern der
Beteiligte zu 3 sei (neben weiteren Beteiligten) gesetzlicher Erbe des Erblassers.

Diese Entscheidung des Nachlassgerichts beruht zwar auf dem Umstand, dass es die u.a. von dem
Beteiligten zu 3 abgegebenen Ausschlagungserklärungen gegenüber dem schweizerischen Gericht nach
deutschem Recht als unwirksam angesehen und deswegen eine entsprechende Erbenstellung des
Beteiligten zu 3 bejaht hat. Im vorliegenden Erbscheinserteilungsverfahren, das vom Beteiligten zu 5
eingeleitet wurde, ist die Frage der Erbenstellung des Beteiligten zu 3 indes lediglich eine inzident zu
prüfende Vorfrage, deren Beantwortung den Beteiligten zu 3 jedenfalls nicht unmittelbar in einer eigenen
Rechtsposition beeinträchtigt, denn durch die Entscheidung des Nachlassgerichts wird jedenfalls nicht
positiv festgestellt, dass der Beteiligte zu 3 seinerseits Erbe ist, vielmehr geht es um die Entscheidung, dass
der Beteiligte zu 5 nicht Erbe geworden ist. Diese Entscheidung beeinträchtigt den Beteiligten aber nicht
unmittelbar in eigenen subjektiven Rechten.

III.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 5 ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.

Der Senat teilt die Ansicht des Nachlassgerichts, wonach der Erblasser nicht von seinem Vater, sondern von
seiner Ehefrau und seinen Kindern als gesetzlichen Erben beerbt worden ist.

Der Senat nimmt zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf den sorgfältig begründeten Beschluss
des Nachlassgerichts Bezug.

Ergänzend ist folgendes auszuführen:

1. Bei Erblassern, die vor dem 17.8.2015 verstorben sind, bestimmt sich das anwendbare Erbrecht nach
dem Recht des Staates, dem der Erblasser zur Zeit seines Todes angehört hat (Art. 25 EGBGB in der bis
zum 17.8.2015 geltenden Fassung).

Liegt nach dem anwendbaren deutschen Recht keine Verfügung von Todes wegen vor, bestimmt sich die
Erbfolge nach dem Gesetz. Mit dem Tod des Erblassers geht die Erbschaft mithin unmittelbar und von selbst
auf den oder die Erben kraft Gesetzes über, der Nachlass fällt den Erben ipso iure an (Palandt/Weidlich BGB
78. Auflage <2019> § 1922 Rn. 6; Krätzschel in: Firsching/Graf, a.a.O. § 1 Rn. 1). Dieser sog.
Vonselbsterwerb bedeutet grundsätzlich, dass der Erbanfall auch ohne Wissen des Erbens und sogar gegen
seinen Willen erfolgt; auf eine Annahme oder einen Antritt der Erbschaft kommt es nicht an. Mit ihm korreliert
auf der anderen Seite das Recht des Erben, die Erbschaft unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen
auszuschlagen.

Die(se) Ausschlagung der Erbschaft erfolgt grundsätzlich durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht.
Sie ist gemäß § 1944 Abs. 1 BGB binnen einer Frist von 6 Wochen zu erklären, wobei die Frist in dem
Zeitpunkt beginnt, in welchem der Erbe von dem Anfall und in dem Grunde der Berufung Kenntnis erlangt (§
1944 Abs. 2 Satz 1 BGB). Gemäß § 1944 Abs. 3 BGB beträgt die Frist 6 Monate, wenn der Erblasser seinen
letzten Wohnsitz nur im Ausland gehabt hat oder sich der Erbe bei Beginn der Frist im Ausland aufhält (im
Einzelnen: Krätzschel in: Firsching/Graf, a.a.O. § 16 Rn. 4 ff).

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze teilt der Senat die Ansicht des Nachlassgerichts, wonach die
Erben der ersten Ordnung, das heißt die Ehefrau (§ 1937 BGB) und die Kinder (§ 1924 BGB) die Erbschaft
nach dem zur Anwendung kommenden deutschen Recht nicht wirksam ausgeschlagen haben, so dass sie
als gesetzliche Erben der ersten Ordnung den Beschwerdeführer als gesetzlichen Erben der zweiten
Ordnung (§ 1925 Abs. 1 BGB) von der Erbfolge verdrängen. Dementsprechend ist dieser nicht als Erbe
berufen ist und die Erteilung eines Erbscheins kommt nicht in Betracht.

a) Auf den vorliegenden Erbfall ist gemäß Art. 25 EGBGB in der bis zum 16.08.2015 geltenden Fassung
deutsches Erbrecht anwendbar, weil der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes deutscher Staatsangehöriger
war. Soweit im Verfahren vor dem Nachlassgericht zwischen den Verfahrensbeteiligten streitig war, ob die
Ehefrau des Erblassers und seine Kinder die Erbschaft wirksam ausgeschlagen haben, ist wegen der
Anwendbarkeit des deutschen Rechts allein auf§§ 1944, 1945 BGB abzustellen.

aa) Voraussetzung für eine wirksame Ausschlagung ist danach, dass eine Ausschlagungserklärung vorliegt,
die innerhalb der gehörigen Frist und in der gehörigen Form dem Nachlassgericht zugeht.

Die Ausschlagungserklärung selbst ist dabei eine form- und amtsempfangsbedürftige Willenserklärung
(BeckOGK/Heinemann BGB § 1945 Rn. 9). Sie ist beachtlich, wenn sie innerhalb der Frist
dem zuständigen Nachlassgericht gegenüber abgegeben wird.

Zuständiges Nachlassgericht ist im vorliegenden Falle, da der Erblasser vor dem 16.08.2015 verstorben ist,
das Amtsgericht Rosenheim - Nachlassgericht - auf Grund § 343 Abs. 1 FamFG in der bis zum 16.08.2015
geltenden Fassung.

Gegenüber dem Amtsgericht Rosenheim - Nachlassgericht - sind Ausschlagungserklärungen der Ehefrau
und den Kindern des Erblassers nicht abgegeben worden.

Dass derartige Erklärungen gegenüber dem Bezirksgericht …/Schweiz abgegeben worden sind, spielt für die
Beurteilung des vorliegenden Erbfalls keine Rolle. Dabei kann dahinstehen, ob gemäß Art. 90
schweizerisches IPRG auf den vorliegenden Erbfall auch schweizerisches Recht anwendbar ist, weil der
Erblasser seinen letzten Wohnsitz in der Schweiz hatte und deswegen nach vorgenannter Vorschrift auch
schweizerisches Recht anwendbar sein könnte. Folge dieses Umstandes wäre insoweit ein sogenannter
internationaler Entscheidungsdissens (Döbereiner in: Firsching/Graf, a.a.O., § 48 Rn. 56), der jedoch
lediglich zur Folge hätte, dass die mit der Sache befassten schweizerischen Gerichte den vorliegenden
Erbfall nach schweizerischem, die deutschen Gerichte den Erbfall jedoch nach deutschem Recht zu
beurteilen hätten. Aus Sicht des mit der Sache befassten deutschen Nachlassgerichts, dem Amtsgericht
Rosenheim - Nachlassgericht - kommt mithin allein deutsches Erbrecht und damit auch § 1945 BGB zur
Anwendung. Dieser verlangt jedoch ausdrücklich, dass die Ausschlagungserklärung gegenüber dem
Nachlassgericht abzugeben ist, was vorliegend nicht der Fall ist. Dass das Amtsgericht Rosenheim -
Nachlassgericht - die Erklärungen seinerseits mit richterlicher Verfügung vom 29.7.2016 angefordert hat und
die Erklärungen nachfolgend übersandt worden sind, genügt, wie das Nachlassgericht zutreffend festgestellt
hat, nicht den Anforderungen, die an die Abgabe einer amtsempfangsbedürftigen Willenserklärung
gegenüber dem Nachlassgericht zu stellen sind. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den
angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

bb) Soweit das Nachlassgericht erörtert hat, ob zukünftig noch Ausschlagungserklärungen abgegeben
werden könnten, weil sich die Beteiligten gegebenenfalls in einem beachtlichen Rechtsirrtum befanden,
bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Der Erbscheinsantrag des Beschwerdeführers (Beteiligter zu 5) auf
Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbe kann jedenfalls schon deshalb nicht erfolgreich sein, weil zum
Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht alle Erben der ersten Ordnung wirksam die Erbschaft
ausgeschlagen haben.

c) Nicht zu entscheiden hat der Senat ferner die Frage, ob die Erklärung der vorgeschriebenen Form
entspräche, wenn sie gegenüber dem Amtsgericht Rosenheim - Nachlassgericht - erklärt worden wäre.
Zwar wird insoweit vertreten, dass gemäß Art. 11 Abs. 1 EGBGB ein Rechtsgeschäft auch dann formgültig
ist, wenn es entweder die Formerfordernisse des Rechts erfüllt, das auf das seinen Gegenstand bildende
Rechtsverhältnis anzuwenden ist (das sogenannte Geschäftsrecht) oder aber die Formerfordernisse des
Rechts des Staates erfüllt, in dem es vorgenommen wird (das sogenannte Ortsrecht) (vgl. dazu: OLG
Schleswig, FG Prax 2015, 130/131 m.w.N.). Auf diese Frage kommt es im vorliegenden Falle jedoch bereits
deshalb nicht an, weil die Frage, wem gegenüber die Ausschlagungserklärung abzugeben ist, jedenfalls
keine Frage der Form ist (OLG Schleswig, a.a.O.).

Dass nach den vorgenannten Ausführungen der Erblasser nach deutschem materiellen Erbrecht von seiner
Ehefrau und seinen Kindern beerbt worden ist, die nach erfolgter Ausschlagung der Erbschaft nach
schweizerischem Recht nicht als Erben berufen sind, ist für Altfälle, d.h. solche vor Anwendbarkeit in der
EuErbVO, hinzunehmen (vgl. Döbereiner in: Firsching/Graf, a.a.O. Rn. 63).

Aus den vorgenannten Gründen bleibt die Beschwerde in der Sache ohne Erfolg, das Nachlassgericht hat
den Erbscheinsantrag des Beschwerdeführers zu Recht zurückgewiesen.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens des Beteiligten zu 5 wird entsprechend dem wirtschaftlichen
Interesse des Beschwerdeführers gemäß §§ 61, 40, 36 GNotKG auf den vollen Nachlasswert festgesetzt.
Maßgeblich ist insoweit der vom Nachlassgericht mit Beschluss vom 20.5.2019 festgesetzte Nachlasswert
zum Zeitpunkt des Erbfalls (400.000 €).

Hinsichtlich des Geschäftswertes des Beschwerdeverfahrens des Beteiligten zu 3 hält es der Senat für
angemessen, diesen mit einem Bruchteil des Nachlasswertes zum Zeitpunkt des Erbfalls festzusetzen, da es
im Ergebnis nur um eine inzident zu prüfende Frage geht.

V.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

03.09.2019

Aktenzeichen:

31 Wx 313/18, 31 Wx 268/19

Rechtsgebiete:

Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Gesetzliche Erbfolge
Kostenrecht
Deutsches IPR (EGBGB)
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

EGBGB Artt. 11, 25; BGB §§ 1924, 1937, 1944, 1945; FamFG §§ 59, 84