OLG Frankfurt a. Main 26. Juli 2006
20 W 450/2005
BGB §§ 1093, 1090; GBO §§ 22, 29

Kein Wohnungsrecht, sondern bloßes Wohnrecht als beschränkte persönliche Dienstbarkeit bestellt, wenn in Bestellungsurkunde jeder Hinweis auf den Ausschluss des Eigentümers von der Nutzung fehlt

DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 20w450_2005
letzte Aktualisierung: 26.07.2006
OLG Frankfurt, 26.07.2006 - 20 W 450/2005
BGB §§ 1093, 1090; GBO §§ 22, 29
Kein Wohnungsrecht, sondern bloßes Wohnrecht als beschränkte persönliche
Dienstbarkeit bestellt, wenn in Bestellungsurkunde jeder Hinweis auf den Ausschluss des
Eigentümers von der Nutzung fehlt


Gründe:
Die Beteiligten waren seit 1990 je zur Hälfte Berechtigte des betroffenen
Erbbaurechts. Zu UR.-Nr. .../1993 des Notars B, O1, übertrug der Beteiligte zu 1)
seinen hälftigen Erbbaurechtsanteil an die Beteiligte zu 2). In dem Vertrag vom
06.07.1993 heißt es:
" Die Erschienene zu 2) räumt dem Erschienenen zu 1) ein lebenslängliches
Wohnrecht an dem Neubau auf sämtlichen drei Etagen bestehend aus 6 Räumen
nebst Küche, Bad, Toilette, Flur und Keller auf dem oben näher bezeichneten
Grundstück ein.
Die Beteiligten bewilligen und beantragen die Eintragung des Wohnrechts im
Grundbuch."
Wegen der Einzelheiten des Vertrags wird auf Bl. 104-109 der Akten Bezug
genommen.
Die Eintragung der Beteiligten zu 2) als alleinige Inhaberin des Erbbaurechts erfolgte
am 09.09.1993. Die Eintragung des Wohnrechts wurde zunächst nicht vorgenommen.
Erst nach Hinweis des Beteiligten zu 2) mit Schreiben 19.05.2004 (Bl. 177 d. A.)
wurde am 02.06.2004 in Abt. II, lfde. Nr. 9 des Erbbaugrundbuchs eingetragen:
" Beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Wohnungsrecht gemäß § 1093 BGB) für C,
geb. am …1961; gemäß Bewilligung vom 06.07.1993 (UR-Nr. …/1993 Notar B, O1)
eingetragen am 02.06.2004."
Die Beteiligte zu 2) machte mit Schreiben vom 17.12.2004 geltend, das Grundbuch sei
unrichtig, da kein Wohnrecht unter Ausschluss der Erbbauberechtigten vereinbart
worden sei. Zum Zeitpunkt der Bewilligung seien die Beteiligten noch verheiratet
gewesen und hätten mit ihren beiden minderjährigen Kindern die Räumlichkeiten
bewohnt.
Der Auszug des Beteiligten zu 1) aus der Wohnung und die Scheidung seien erst in
2002 erfolgt. Ohne vorherige Anhörung des Beteiligten zu 1) wurde am 21.12.2004
das Grundbuch in Bezug auf das in Abt. II, lfde. Nr. … eingetragene Recht mit einem
in der Veränderungsspalte eingetragenen Vermerk von Amts wegen dahin berichtigt,
dass es sich um ein Wohnrecht nach §§ 1090-1092 BGB handele. In dem
Eintragungsvermerk vom 02.06.2004 wurde der Zusatz "Wohnungsrecht gemäß §
1093" gerötet. Der gegen die berichtigende Eintragung vom 21.12.2004 gerichteten
Beschwerde des Beteiligten zu 1) hat das Amtsgericht nicht abgeholfen und die Akten
dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.
der Eintragung vom 21.12.2004 angeordnet. Die Kammer hat ausgeführt, die
Voraussetzungen einer Berichtigung von Amts wegen gemäß § 22 GBO lägen nicht
vor, da die Beteiligte zu 2) nicht in der Form des § 29 GBO nachgewiesen habe, dass
das Grundbuch unrichtig sei. Die Urkunde vom 06.07.1993 enthalte keinen
hinreichend deutlichen Verweis auf die Regelung des § 1093 BGB. Die Eintragung
eines Amtswiderspruchs scheitere daran, dass die Auslegung der Urkunde vom
06.07.1993 im Sinn der Bestellung eines Wohnrechts nach § 1093 Abs. 1 BGB
vertretbar sei und es deshalb an der erforderlichen Gesetzeswidrigkeit der zu
berichtigenden Eintragung fehle. Außerdem könne sich wegen der Unübertragbarkeit
des Wohnrechts kein gutgläubiger Erwerb an die zu berichtigende Eintragung
anschließen, was ebenfalls die Eintragung eines Amtswiderspruchs ausgeschlossen
habe. Da die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 53 Abs. 1 GBO nicht
vorgelegen hätten, sei die Eintragung vom 21.12.2004 zu löschen. Durch diese sei
das Grundbuch unrichtig geworden, da sie einen mit der tatsächlichen Rechtslage
nicht übereinstimmenden Berichtigungsanspruch der Beteiligten zu 2) dokumentiere.
Mit ihrer weiteren Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts macht die
Beteiligte zu 2) geltend, die Voraussetzungen eines Berichtigungsanspruchs nach §
22 GBO seien gegeben gewesen, da die Eintragung eines Wohnungsrechts gemäß §
1093 BGB nicht der materiellen Rechtslage entsprochen habe. Die Urkunde vom
06.07.1993 enthalte keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Beteiligten einen Ausschluss
der Erbbauberechtigten von der Nutzung gewollt hätten. Eine ohne Ausschluss des
Mitbenutzungsrechts des Eigentümers im Grundbuch für dessen Ehegatten
eingetragenes Wohnrecht sei lediglich als eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit
im Sinn des § 1090 BGB aufzufassen (OLG Koblenz FamRZ 2001, 225). Die
Unrichtigkeit des Grundbuchs sei auch durch die Urkunde vom 06.07.1993 in der
Form des § 29 GBO nachgewiesen. Jedenfalls seien die Voraussetzungen für die
Eintragung eines Amtswiderspruchs gegeben. Auch unabhängig von einem
gutgläubigen Erwerb könne die Eintragung eines widerspruchslos eingetragenen
Rechts rechtliche Auswirkungen haben.
Der Beteiligte zu 1) ist der weiteren Beschwerde entgegengetreten mit dem Vortrag,
das Grundbuch sei richtig gewesen, da ein Wohnrecht unter Ausschluss der
Beteiligten zu 2) als Gegenleistung für die Übertragung der hälftigen Berechtigung an
dem Erbbaurecht gewollt gewesen sei.
Die weitere Beschwerde ist zulässig gemäß §§ 78, 80 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GBO.
Die Beteiligte zu 2) ist beschwerdeberechtigt, da sie durch die vom Landgericht
angeordnete Löschung des Berichtigungsvermerk in ihren Rechten unmittelbar
betroffen wird. Durch die Löschung des Berichtigungsvermerks würde der
ursprünglichen Eintragungsvermerk, der eine weitreichendere Belastung ihres
Erbbaurecht zum Inhalt hat, wieder Geltung erlangen.
einer Überprüfung auf Rechtsfehler (§§ 78 GBO, 546 ZPO) nicht standhält.
Dabei ist die Kammer zunächst zutreffend stillschweigend davon ausgegangen, dass
die Erstbeschwerde des Beteiligten zu 1) zulässig ist, weil sie sich gegen eine
Eintragung richtet, an die sich kein gutgläubiger Erwerb anschließen kann. Sowohl die
beschränkte persönliche Dienstbarkeit gemäß den §§ 1090- 1092 BGB mit dem Inhalt
eines Wohnrechts als auch das Wohnungsrecht des § 1093 BGB sind nicht
übertragbar ( § 1092 Abs. 1 Satz 1 BGB). Auch der Ausnahmefall der Bestellung zu
Gunsten einer juristischen Person oder einer rechtsfähigen Personengesellschaft liegt
nicht vor (Demharter: GBO, 25. Aufl., § 71, Rdnr. 43). Was für die Eintragung des
Rechts selbst gilt, muss auch für Berichtigungsvermerke gelten, die sich auf das Recht
beziehen.
Die Erstbeschwerde des Beteiligten zu 1) war aber unbegründet. Soweit die
Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt worden ist, war diese - falls eine Verpflichtung
zur Anhörung bestanden hätte- durch das Erstbeschwerdeverfahren geheilt.
In der Sache waren die Voraussetzungen für eine Berichtigung gemäß § 22 GBO
gegeben.
Eine ursprüngliche Unrichtigkeit des Grundbuchs liegt vor, wenn (versehentlich) ein
anderes Recht oder etwas über die Einigung Hinausgehendes eingetragen wird, als
bewilligt worden ist (Demharter, aaO., § 22, Rdnr. 7). Dies ist vorliegend der Fall, da
die Eintragungsbewilligung in der Urkunde vom 06.07.1993 nach Auffassung des
Senats nicht die Eintragung eines Wohnungsrechts im Sinn des § 1093 BGB deckt,
sondern nur die Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit gemäß den
§§ 1090-1092 BGB.
Die Bewilligung muss Art und Inhalt der gestatteten Eintragung eindeutig und
vollständig wiedergeben, wie sie zum Grundbuchinhalt werden soll, wobei die
Sicherheit des Grundbuchverkehrs eine klare Ausdrucksweise verlangt. Als
verfahrensrechtliche Erklärung ist sie jedoch auslegungsfähig entsprechend § 133
BGB, wobei der das Grundbuchverfahren beherrschende Bestimmtheitsgrundsatz und
das grundsätzliche Erfordernis urkundlich belegter Eintragungsunterlagen der
Auslegung Grenzen setzen. Die Auslegung der Eintragungsbewilligung kann der
Senat ohne Bindung an die Auffassung des Landgerichts vornehmen, da sie eine
Verfahrenshandlung darstellt. Bei der Auslegung ist auf Wortlaut und Sinn der
Erklärung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als
nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt. Umstände außerhalb der Erklärung
dürfen zur Auslegung nur insoweit herangezogen werden, als sie für jedermann ohne
weiteres erkennbar sind (Demharter, aaO., § 19, Rdnr. 13 m. w. H.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist festzustellen, dass das wesentliche Kriterium
für die Abgrenzung zwischen einem Wohnrecht als beschränkte persönliche
darin besteht, dass der Eigentümer bzw. vorliegend die Erbbauberechtigte im Fall des
§ 1093 BGB von der Nutzung des Gebäudes/Gebäudeteiles ausgeschlossen ist ( OLG
Düsseldorf Rpfleger 1997, 472; Palandt/Bassenge: BGB, 65. Aufl., § 1093, Rdnr. 4;
Schöner/Stöber: Grundbuchrecht, 13. Aufl., Rdnr. 1236). Die Eintragungsbewilligung
in der Urkunde vom 06.07.1993 kann nicht dahin ausgelegt werden, dass sie die
Bewilligung eines Wohnungsrechts nach § 1093 BGB enthalte. Schon nach dem
Wortlaut fehlt jeder Hinweis darauf, dass die Erbbauberechtigte von der Nutzung der
im einzelnen bezeichneten Räume ausgeschlossen wäre, wie es bei einer notariell
beurkundeten Erklärung zu erwarten wäre. Auch wenn die Worte " unter Ausschluss
des Eigentümers" in der Eintragungsbewilligung fehlen, kann dennoch ein echtes
Wohnungsrecht nach § 1093 BGB vorliegen, wenn sich die Ausschließlichkeit der
Benutzung wenigstens sonst aus dem Inhalt ergibt, wozu auch die der
Gesetzesüberschrift entsprechende Bezeichnung als "Wohnungsrecht" genügen kann
(OLG Zweibrücken DNotZ 1997, 325; Staudinger/Mayer: BGB, 2002, § 1093, Rdnr. 3;
Schöner/Stöber: Grundbuchrecht, 13. Aufl., Rdnr. 1236 ).Von der Bestellung eines
Wohnungsrechts im Sinn von § 1093 BGB kann aber ohne zusätzliche Anhaltspunkte,
die sich aus der Urkunde selbst ergeben müssen, nicht ausgegangen werden, wenn
weder der Gesetzestext des § 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB, noch die allgemein
gebräuchliche Überschrift verwendet werden (OLG Celle Nds.Rechtspfleger 1997,
258). So liegt der Fall aber hier, da in der Urkunde vom 06.07.1993 nur die Eintragung
eines "Wohnrechts" bewilligt wird und von einem Ausschluss der Beteiligten zu 2) von
der Nutzung nicht die Rede ist. Die zusätzlichen Anhaltspunkte für eine Auslegung,
soweit sie sich aus der Urkunde ergeben, sprechen für die Bestellung eines
Wohnrechts nach den §§ 1090-1092 BGB, da sich aus der Bezeichnung der
Beteiligten in der Urkunde ergibt, dass sie Eheleute sind und über eine gemeinsame
Adresse in dem betroffenen Wohnhaus verfügen. Insoweit hat die im Zeitpunkt der
Bewilligung des streitgegenständlichen Rechts bestehende familiäre Situation, wie sie
die Beteiligte zu 2) unwidersprochen vorgetragen hat, nämlich dass die Beteiligten als
Eheleute (mit ihren minderjährigen Kindern) die betroffene Wohnung gemeinsam
nutzten, in der Urkunde einen Niederschlag gefunden. Es fehlt dagegen jeder
Anhaltspunkt dafür, dass sich die Beteiligte zu 2) in 1993 trotz ihrer Alleinberechtigung
an dem Erbbaurecht jedes eigenen Nutzungsrechts daran hätte begeben wollen.
Deshalb folgt der Senat der Auffassung des OLG Koblenz (FamRZ 2001, 225), dass
bei der hier gegebenen Fallgestaltung der Bestellung eines Wohnrechts durch
Eheleute betreffend die gemeinsame Ehewohnung von einem Wohnrecht nach den
§§1090-1092 BGB auszugehen ist.
Damit entsprach der ursprüngliche Eintragungsvermerk nicht dem Inhalt der
Eintragungsbewilligung bei einer rechtsfehlerfreien Auslegung, wobei die
Auslegungskriterien sich aus der notariellen Urkunde vom 07.06.1993 ergaben und
somit die Unrichtigkeit auch in der Form des § 29 GBO nachgewiesen sind.
dahingestellt bleiben, ob die Eintragung eines Amtswiderspruchs in Betracht
gekommen wäre. Da die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) bereits mit dem
Hauptantrag Erfolg hatte, kam es auf die Hilfsanträge nicht mehr an.
Die Entscheidung zu den Gerichtskosten des Erstbeschwerdeverfahrens beruht auf §
131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KostO und die Anordnung der Kostenerstattung für das
Erstbeschwerdeverfahren auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.
Für das Verfahren der weiteren Beschwerde war keine Erstattung der
außergerichtlichen Kosten anzuordnen, da das Unterliegen des Beteiligten zu 1) allein
nach Billigkeitserwägungen dafür nicht ausreicht (§ 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG).
Der Beteiligten zu 2) war gemäß den §§ 14 FGG, 114 ZPO Prozesskostenhilfe für das
Verfahren der weiteren Beschwerde zu gewähren und ihr gemäß § 121 Abs. 2 ZPO
ihre Verfahrensbevollmächtigte beizuordnen.
Die Festsetzung der Beschwerdewerte beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1, 24 Abs. 3
und 5 KostO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Frankfurt a. Main

Erscheinungsdatum:

26.07.2006

Aktenzeichen:

20 W 450/2005

Rechtsgebiete:

Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Grundbuchrecht

Normen in Titel:

BGB §§ 1093, 1090; GBO §§ 22, 29