Nachweis der Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung; Reichweite der unwiderleglichen Vermutung des § 123 Abs. 4 S. 5 AktG
letzte Aktualisierung: 10.4.2025
BGH, Urt. v. 25.3.2025 – II ZR 208/22
AktG § 123 Abs. 3 u. Abs. 4 S. 5
Nachweis der Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung; Reichweite der unwiderleglichen
Vermutung des
a) Die unwiderlegliche Vermutung des
AktG genannten Nachweise und ist nicht auf davon abweichende Satzungsbestimmungen über die
Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung oder zur Ausübung des Stimmrechts
anwendbar.
b) Für eine Inhaberaktien ausgebende nicht börsennotierte Aktiengesellschaft begründet § 123
Abs. 3 Halbsatz 1 AktG weitgehende Satzungsfreiheit, wie sie den Nachweis der Berechtigung zur
Teilnahme an der Hauptversammlung oder zur Ausübung des Stimmrechts ausgestaltet.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin und des Nebenintervenienten hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht (OLG Stuttgart, Urteil vom 16. November 2022
- 20 U 45/21,
Revisionsverfahren von Bedeutung, wie folgt begründet:
Die Hauptversammlungsbeschlüsse zu TOP 3, TOP 8, TOP 9 und TOP 10
seien nicht wegen mangelnder Beschlussfähigkeit der Hauptversammlung oder
fehlender Stimmmehrheit im Hinblick auf die Stimmabgabe der CDE aus
12.860.677 Aktien anfechtbar. Die Beklagte könne sich als nicht börsennotierte
Aktiengesellschaft iSd
12.860.677 Aktien auf die Vermutung des
Erwägungen und Systematik auch auf nicht börsennotierte Gesellschaften anwendbar.
Der Nachweis von Dr. E. genüge dieser Vorschrift und entspreche
im Übrigen auch den Anforderungen der Satzung der Beklagten. Der
Legitimationswirkung von
werden, dass konkrete Anhaltspunkte für die inhaltliche Unrichtigkeit des von
der CDE vorgelegten Nachweises bestanden. Deshalb komme es auf die Frage,
ob die CDE im Zeitpunkt der Anmeldung Eigentümerin der fraglichen Aktien der
Beklagten gewesen sei, ebenso wenig an wie auf die Frage, ob Dr. E.
tatsächlich unmittelbare Besitzerin der fraglichen Sammelurkunden und ob das
zwischen ihr und der CDE bestehende Besitzmittlungsverhältnis wirksam gewesen
sei.
II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis
stand. Die Hauptversammlungsbeschlüsse zu TOP 3, TOP 8, TOP 9 und TOP 10
sind nicht wegen mangelnder Beschlussfähigkeit der Hauptversammlung oder
fehlender Stimmmehrheit im Hinblick auf die Stimmabgabe der CDE anfechtbar.
Zwar ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die unwiderlegliche Vermutung
des
12.860.677 Aktien anwendbar. Das Berufungsurteil stellt sich jedoch aus anderen
Gründen als richtig dar. Denn die Bestätigung von Dr. E.
entspricht den in der Satzung der Beklagten aufgestellten Anforderungen an
den Nachweis der Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung und
zur Ausübung des Stimmrechts.
1. Die unwiderlegliche Vermutung des
für die in
Satzungsbestimmungen über die Berechtigung zur Teilnahme an der
Hauptversammlung oder zur Ausübung des Stimmrechts anwendbar.
a) § 123 AktG wurde 2005 durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität
und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) neu gefasst. Der Regierungsentwurf
(BT-Drs. 15/5092, S. 5) lautete zu § 123 Abs. 3 AktG aF wie folgt:
"Bei Inhaberaktien kann die Satzung zusätzlich bestimmen, wie
die Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung oder
zur Ausübung des Stimmrechts nachzuweisen ist. Ein in Textform
erstellter Nachweis des Anteilsbesitzes durch das depotführende
Institut reicht aus. Der Nachweis nach Satz 2 hat sich auf
den vierzehnten Tag vor der Versammlung zu beziehen und
muss der Gesellschaft bis spätestens am siebten Tage vor der
Versammlung zugehen, soweit die Satzung keine kürzere Frist
vorsieht. Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt für die Teilnahme an
der Hauptversammlung oder die Ausübung des Stimmrechts als
Aktionär nur, wer den Nachweis erbracht hat."
Die Vermutung des
des Gesetzgebers nur auf die im Gesetz geregelte Nachweismöglichkeit des
die § 123 Abs. 3 Satz 1 AktG aF ermöglichen wollte, gelten.
Die Anordnung der gesetzlichen Vermutung des
aF hat der Gesetzgeber wie folgt begründet (BT-Drucks. 15/5092, S. 14):
"Die Stichtagsregelung für den Nachweis (Absatz 3 Satz 3) und
die damit verbundene Vermutung (Absatz 3 Satz 4) führen zu
sammlung. ... Sieht die Satzung einen Berechtigungsnachweis
vor, der den gesetzlichen Mindestanforderungen der Sätze 2 und
3 Anmerkung: § 123 Abs. 3 AktG in der Fassung des Regierungsentwurfs
des UMAG entspricht, so gilt im Verhältnis zur
Gesellschaft bis zum Ende der Hauptversammlung als Aktionär
nur, wer den Nachweis ordnungsgemäß erbracht hat. Der statuarische
Berechtigungsnachweis führt also zu einer relativen Berechtigung
gegenüber der Gesellschaft. Die Vorschrift führt zu
einer unwiderleglichen Vermutung der Mitgliedschaft im Verhältnis
zur Gesellschaft. Dies entspricht der Eintragung des
Namensaktionärs im Aktienregister (§ 67 Abs. 2). Da der angemeldete
Aktionär relativ zur Gesellschaft auch trotz Veräußerung
weiterhin als Aktionär gilt, kann er in der Hauptversammlung der
Gesellschaft das Stimmrecht ausüben."
Auf Initiative des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 15/5693, S. 5) wurde
§ 123 Abs. 3 AktG aF geändert und in die Sätze 2 und 3 des Absatzes 3 der
Terminus "bei börsennotierten Gesellschaften" aufgenommen. Die Intention dieser
Änderung bestand darin, den Stichzeitpunkt (international: "Record Date") für
börsennotierte Gesellschaften vom 14. auf den 21. Tag zu verändern, während
nicht börsennotierte Gesellschaften hinsichtlich der Anforderungen an den Nachweis
und das "Record Date" völlige Satzungsautonomie behalten sollten. Ein
Nachweis des depotführenden Instituts als gesetzlicher Regelfall mache wenig
Sinn, da die Aktien nichtbörsennotierter Gesellschaften in der Regel nicht in ein
Bankdepot gebucht würden (BT-Drucks. 15/5693, S. 17).
Sinn und Zweck des
allein, bei Inhaberaktien den Stichzeitpunkt ("Record Date") bei börsennotierten
Gesellschaften durch die Aufgabe der strikten Bindung der Aktionärsrechte an
den Aktienbesitz im Zeitpunkt der Hauptversammlung zu sichern (Butzke in
Hirte/Mülbert/Roth, AktG, 5. Aufl., § 123 Rn. 15; Spindler
In den Gesetzesmaterialien gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich mit dieser
Änderung die unwiderlegbare Vermutung des
auf andere als die im Gesetz geregelte Nachweismöglichkeit des § 123 Abs. 3
Satz 2 und 3 AktG aF erstrecken sollte, insbesondere eine Erstreckung auf Satzungsgestaltungen
nach § 123 Abs. 3 Satz 1 AktG aF beabsichtigt war (Butzke,
Wille, durch diese Änderung nicht börsennotierten Gesellschaften hinsichtlich der
Anforderungen an den Nachweis "völlige Satzungsautonomie" zu gewähren,
spricht zudem dafür, die Vermutung des
von
b) Das Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) vom
30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2479) hat in der Folge § 123 Absatz 3 Satz 4 AktG aF
ohne inhaltliche Änderungen zu § 123 Absatz 3 Satz 6 AktG aF werden lassen.
Durch das Gesetz zur Änderung des Aktienrechtes (Aktienrechtsnovelle 2016)
vom 22. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2565) kam es zu einer Veränderung der
Systematik des § 123 AktG. Der bisherige Absatz 3 wurde in die Absätze 3 und
4 aufgespalten, womit der Gesetzgeber eine redaktionelle Verbesserung der
Norm beabsichtigte (Begründung des RegE, BT-Drucks. 18/4349, S. 2, 23). Die
nun nicht mehr nur für Inhaberaktien geltende Ermächtigung, in der Satzung zu
bestimmen, wie die Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung oder
zur Ausübung des Stimmrechts nachzuweisen ist, bekam einen eigenen Platz in
Absatz 3. Der für Inhaberaktien börsennotierter Gesellschaften als stets ausreichend
angesehene Nachweis durch das depotführende Institut verblieb zusammen
mit der sich darauf beziehenden Vermutung in Absatz 4. Es ist nicht ersichtlich,
dass diese Vermutung sich auf von Absatz 4 abweichende Satzungsgestaltungen
erstrecken sollte. Die systematische Trennung der Regelung zur Satzungsfreiheit
im Hinblick auf den Berechtigungsnachweis in Absatz 3 spricht vielmehr
dagegen. Schließlich erlaubt auch das wenige Jahre später folgende Gesetz
zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) vom
12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2637) keinen anderen Schluss.
2. Die Revision hat jedoch trotz des vorstehend dargelegten Rechtsfehlers
keinen Erfolg. Das Berufungsurteil erweist sich aus anderen Gründen im Ergebnis
als richtig (§ 561 ZPO). Die Beklagte durfte für den Nachweis des Aktienbesitzes
in ihrer Satzung eine von
treffen und deren Anforderungen durch die von Dr. E. vorgelegte
Bestätigung als erfüllt ansehen.
a) Die Regelung in Ziffer 14.1 Satz 1 und 2 der Satzung der Beklagten ist
zulässig. Für eine Inhaberaktien ausgebende nicht börsennotierte Aktiengesellschaft
begründet § 123 Abs. 3 Halbsatz 1 AktG weitgehende Satzungsfreiheit,
wie sie den Nachweis der Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung
oder zur Ausübung des Stimmrechts ausgestaltet. Satzungsfreiheit besteht
insbesondere bezüglich der Art des Nachweises (KK-AktG/Noack/Zetzsche,
4. Aufl., § 123 Rn. 146; Koch, AktG, 18. Aufl., § 123 Rn. 18; Grigoleit/Herrler,
AktG, 2. Aufl., § 123 Rn. 15), allerdings muss eine solche Satzungsregelung
hinreichend bestimmt sein (vgl. BeckOGKAktG/Rieckers, Stand 1.10.2024, § 123
Rn. 36; OLG Frankfurt,
durch das Verbot begrenzt, die Teilnahme unangemessen zu erschweren
(Butzke in Hirte/Mülbert/Roth, AktG, 5. Aufl., § 123 Rn. 51;
BeckOGKAktG/Rieckers, Stand: 1.10.2024, § 123 Rn. 35; Koch, AktG, 18. Aufl.,
§ 123 Rn. 19; MünchKommAktG/Kubis, 6. Aufl., § 123 Rn. 23; Ziemons in
K. Schmidt/Lutter AktG, 5. Aufl., § 123 Rn. 43).
b) Ziffer 14.1 Satz 1 und 2 der Satzung der Beklagten ist hinreichend bestimmt
und enthält keine unangemessene Teilnahmeerschwernis für die Aktionäre.
aa) Der Senat kann diese Auslegung selbst vornehmen.
Bei der Regelung in Ziffer 14.1 Satz 1 und 2 der Satzung der Beklagten
über die Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung
des Stimmrechts handelt es sich um eine Satzungsbestimmung mit körperschaftsrechtlichem
Charakter, da sie als Ausgestaltung des gesetzlichen
Organisationsrechts die Beziehung der Gesellschaft zu ihren Gesellschaftern
regelt und alle gegenwärtigen und zukünftigen Aktionäre betrifft (vgl. BGH, Urteil
vom 16. Dezember 1991 - II ZR 58/91,
11. Oktober 1993 - II ZR 155/92,
Stand: 30.8.2024, § 53 Rn. 23). Satzungsbestimmungen, denen körperschaftsrechtlicher
Charakter zukommt, sind grundsätzlich nach objektiven Gesichtspunkten
einheitlich aus sich heraus auszulegen. Dabei kommen Wortlaut, Sinn
und Zweck der Regelung ebenso maßgebende Bedeutung zu wie dem systematischen
Bezug der Klausel zu anderen Satzungsvorschriften (BGH, Urteil vom
9. November 2021 - II ZR 137/20,
- II ZR 141/21,
bb) Aktionär im Sinne der Satzung der Beklagten und damit zur Teilnahme
an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts berechtigt
ist der, der den Nachweis nach Ziffer 14.1 Satz 2 der Satzung erbringt.
Die Satzung knüpft an den Aktienbesitz des Aktionärs an und lässt neben dem
von einem in- oder ausländischen Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut als
depotführendem Institut oder von einem deutschen Notar erstellten besonderen
Nachweis des Anteilsbesitzes eine entsprechende Bescheinigung der Gesellschaft
oder einen sonstigen von der Gesellschaft als ausreichend angesehenen
Nachweis genügen. Ziffer 14.1 Satz 3 berechtigt die Gesellschaft, bei Zweifeln
an der Richtigkeit des Berechtigungsnachweises einen geeigneten weiteren
Nachweis zu fordern.
Die Anknüpfung an den Anteilsbesitz ist bei verbrieften Inhaberaktien
praktikabel und nicht zu beanstanden (Butzke in Hirte/Mülbert/Roth, AktG,
5. Aufl., § 123 Rn. 53; Ziemons in K. Schmidt/Lutter AktG, 5. Aufl., § 123 Rn. 43).
Im Hinblick auf
des besitzlosen wahren Eigentümers verletzt (vgl. BGH, Urteil vom
19. Januar 1994 - IV ZR 207/92,
- XI ZR 321/95,
Rn. 16; MünchKommAktG/Heider, 6. Aufl., § 10 Rn. 40; Mock in Hirte/
Mülbert/Roth, AktG, 5. Aufl., § 10 Rn. 59; BeckOGK AktG/Vatter,
Stand: 1.10.2024, § 10 Rn. 56). Der Streit über das Eigentum an den Aktien zwischen
der CDE und dem Nebenintervenienten ist damit für den vorliegenden
Rechtsstreit unerheblich. Die Klärung der tatsächlichen Berechtigung obliegt,
auch im Hinblick auf die Wahrung des Interesses an der rechtssicheren Durchführung
der Hauptversammlung, nicht der Gesellschaft bei der Zulassungsentscheidung
zur Hauptversammlung, sondern ist zwischen den Prätendenten herbeizuführen.
Um einer behaupteten Entrechtung vorzubeugen, besteht die Möglichkeit
der Erwirkung einer einstweiligen Verfügung (vgl. zur Gesellschafterliste
einer GmbH: BGH, Urteil vom 2. Juli 2019 - II ZR 406/17,
39).
Der Nachweis des Anteilsbesitzes durch die Bescheinigung eines inoder
ausländischen Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstituts als depotführendem
Institut, durch einen deutschen Notar oder die Gesellschaft selbst ist ebenfalls
empfohlene und zulässige Praxis (vgl. Butzke in Hirte/Mülbert/Roth, AktG,
5. Aufl., § 123 Rn. 51; MünchKommAktG/Kubis, 6. Aufl., § 123 Rn. 19; Ziemons
in K. Schmidt/Lutter AktG, 5. Aufl., § 123 Rn. 44).
cc) Soweit die Satzung der Beklagten in Ziffer 14.1 Satz 2 Var. 4 einen
sonstigen von der Gesellschaft als ausreichend angesehenen Nachweis genügen
lässt, führt dies nicht zur Unbestimmtheit der Regelung und verletzt gleichfalls
nicht das Teilnahmerecht des sich nicht im Anteilsbesitz befindlichen wahren
Eigentümers. Aufgrund der vielfältigen Verwahrungsmöglichkeiten von Inhaberaktien
bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften ist es zulässig, neben von
der Satzung vorgesehenen Regelbeispielen für den Nachweis eine Öffnungsklausel
vorzusehen, die diesem Umstand Rechnung trägt. Dies gilt insbesondere
vor dem Hintergrund, dass die Gesellschaft auf jegliche Regelung zur Legitimation
in der Satzung verzichten kann (Butzke in Hirte/Mülbert/Roth, AktG, 5. Aufl.,
§ 123 Rn. 50; KK-AktG/Noack/Zetzsche, 4. Aufl., § 123 Rn. 167 ff.; Koch,
AktG, 18. Aufl., § 123 Rn. 19; MünchKommAktG/Kubis, 6. Aufl., § 123 Rn. 16;
Ziemons in K. Schmidt/Lutter AktG, 5. Aufl., § 123 Rn. 46), was ebenfalls dazu
führen kann, dass die Gesellschaft die effektive Legitimation des Aktionärs anhand
einer im Vorfeld der Hauptversammlung nicht näher bezeichneten Nachweisart
prüfen muss.
Die Öffnungsklausel erlaubt es der Beklagten entgegen der Sicht der
Revision der Klägerin nicht, jeden beliebigen sonstigen Nachweis genügen zu
lassen. Vielmehr müssen die "sonstigen Nachweise" von ihrer Richtigkeitsgewähr
mit den zuvor in den Varianten 1 bis 3 genannten Regelbeispielen vergleichbar
sein. Für diese Auslegung spricht die Aufnahme der Regelbeispiele in den
Varianten 1 bis 3, derer es nicht bedurft hätte, wenn jeder beliebige Nachweis
hätte ausreichen sollen sowie die Stellung der Öffnungsklausel als abschließender
Teil dieser Aufzählung.
c) Die Teilnahme- und Stimmberechtigung der CDE konnte auf den von
Dr. E. ausgestellten Nachweis vom 20. August 2020 gestützt werden.
Das Schreiben erfüllt die Anforderungen von Ziffer 14.1 Satz 2 der Satzung der
Beklagten, da es als anwaltliche Erklärung eine ähnliche Richtigkeitsgewähr bietet
wie die in der Satzung formulierten Regelbeispiele. Dr. E. bescheinigt
dort die Verwahrung der streitgegenständlichen 12.860.677 Aktien für die
CDE. Dabei kommt es allein auf ihren Willen als Besitzmittlerin an, den unmittelbaren
Besitz für den mittelbaren Besitzer auszuüben (BGH, Urteil vom
10. November 1982 - V ZR 245/81,
1999 - XII ZR 134/97,
- VIII ZR 186/03,
§ 868 Rn. 17; BeckOGK BGB/Götz, Stand 1.10.2024, § 868 Rn. 46).
Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass für die Beklagte keine konkreten
Anhaltspunkte für die inhaltliche Unrichtigkeit des von der CDE vorgelegten
Nachweises bestanden. Dies ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
Insbesondere im Hinblick auf die Strafbewehrung der Ausstellung einer unrichtigen
Hauptversammlungsbescheinigung durch
für die Verwaltung der Beklagten ohne weiteren Anhaltspunkt kein Anlass, an der
inhaltlichen Richtigkeit dieser Erklärung und deshalb auch an dem dort erklärten
unmittelbaren Besitz der Sammelurkunden zu zweifeln, zumal die Erklärung von
Dr. E. als Partnerin der P. LLP, welche die Sammelurkunden
zunächst noch für den Nebenintervenienten verwahrt hatte, erst
nach der Freigabeentscheidung des Bundesministeriums für Wirtschaft und
Energie ausgestellt worden ist. Gegenteiliges folgt auch nicht daraus, dass
Dr. E. für die CDE gerichtlich und außergerichtlich auftritt, dem Aufsichtsrat
der Beklagten angehört und die Erklärung in ihrer Eigenschaft als
Rechtsanwältin und nicht als Notarin abgegeben hat. Letzteres dürfte gerade
dem zugrundeliegenden Auftrag der CDE für die Abgabe der Erklärung geschuldet
sein, so dass es nicht gegen den Wahrheitsgehalt der Bestätigung spricht,
dass Dr. E. nicht in ihrer Eigenschaft als Notarin gehandelt hat, zumal
Dr. E. als Rechtsanwältin ebenfalls Standespflichten unterlag. Soweit
der Nebenintervenient geltend macht, ihm sei durch die P.
LLP als Treuhänderin eine entsprechende Verwahrungsbescheinigung
für die von ihm hinterlegten Aktien verweigert worden, weshalb es ihm nicht möglich
gewesen sei, diese Aktien zur Hauptversammlung anzumelden, hätte es ihm
freigestanden, dagegen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorzugehen.
Dieser Umstand spricht zudem nicht gegen, sondern für die inhaltliche Richtigkeit
der Bescheinigung von Dr. E. , dass sie die Aktien für die CDE verwahrt
hat.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:25.03.2025
Aktenzeichen:II ZR 208/22
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Aktiengesellschaft (AG)
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
AktG § 123 Abs. 3 u. Abs. 4 S. 5