BGH 27. Oktober 2021
XII ZR 84/20
BGB § 566 Abs. 1

Analoge Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB bei Personenverschiedenheit von Vermieter und Veräußerer

letzte Aktualisierung: 9.12.2021
BGH, Urt. v. 27.10.2021 – XII ZR 84/20

BGB § 566 Abs. 1
Analoge Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB bei
Personenverschiedenheit von Vermieter und Veräußerer

a) Bei fehlender Identität zwischen Vermieter und Veräußerer ist § 566 Abs. 1 BGB entsprechend
anwendbar, wenn die Vermietung des veräußerten Grundstücks mit Zustimmung und im alleinigen
wirtschaftlichen Interesse des Eigentümers erfolgt und der Vermieter kein eigenes Interesse am
Fortbestand des Mietverhältnisses hat.
b) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, wenn der Grundstückseigentümer erst im Zeitpunkt der
Veräußerung des vermieteten Grundstücks ein wirtschaftliches Interesse am Eintritt des Erwerbers
in den bestehenden Mietvertrag hat (Abgrenzung zu Senatsurteil vom 12. Juli 2017 – XII ZR 26/16,
BGHZ 215, 236 = NZM 2017, 847).

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und
zur Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.

I.
Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Räumung der Liegenschaft aus
§ 546 Abs. 1 i.V.m. § 578 BGB zu. Denn das zwischen den Parteien bestehende
Mietverhältnis über die Grundstücksfläche sei durch die Kündigung vom 2. Januar
2017 nicht beendet worden.

Die Klägerin sei infolge des Erwerbs des Grundstücks in analoger Anwendung
von § 566 Abs. 1 BGB in den von der S-GmbH mit dem Beklagten begründeten
Vertrag eingetreten, der eine wirksame Befristung im Sinne von §§ 578,
550 BGB enthalte, weshalb die ordentliche Kündigung vom 2. Januar 2017 unwirksam
gewesen sei.

Der Pachtvertrag vom 18. Januar 2008 sei allerdings rechtlich als Mietvertrag
über eine Grundstücksfläche zu qualifizieren. Denn der Vertrag enthalte
keinerlei Regelungen, die auf eine Bewirtschaftung der Fläche oder das Ziehen
von Früchten gerichtet seien. Dieser Mietvertrag sei in § 3 wirksam auf eine Mietdauer
von mindestens zehn Jahren mit einer eingetretenen Verlängerung von
weiteren zehn Jahren befristet worden, wodurch zugleich das Recht der Vermieterin
zur ordentlichen Kündigung ausgeschlossen sei.

Die für die Wirksamkeit der Befristung erforderliche Schriftform sei gewahrt.
Zwar sei die Grundstücksfläche in der Anlage des Vertrags nicht rot schraffiert
hervorgehoben, sondern nur schwarz umrandet. Dadurch sei die Mietfläche
aber auch für Außenstehende erkennbar. Darüber hinaus habe der Beklagte die
Mietfläche bereits vor Abschluss des schriftlichen Mietvertrags seit dem Jahr
2006 genutzt, so dass auch aufgrund der tatsächlichen Nutzung bei Abschluss
des Mietvertrags anhand der Skizze kein Zweifel habe bestehen können, welche
Fläche gemeint gewesen sei.

In diesen wirksam befristeten Mietvertrag sei die Klägerin in analoger Anwendung
von § 566 Abs. 1 i.V.m. § 578 BGB eingetreten.

Der Bundesgerichtshof habe entschieden, dass bei fehlender Identität zwischen
Vermieter und Veräußerer § 566 Abs. 1 BGB entsprechend anwendbar
sei, wenn die Vermietung des veräußerten Grundstücks mit Zustimmung und im
alleinigen wirtschaftlichen Interesse des Eigentümers erfolge und der Vermieter
kein eigenes Interesse am Fortbestand des Mietverhältnisses habe.
Vorliegend sei der Mietvertrag nicht zwischen Eigentümer und Mieter, sondern
durch einen Dritten abgeschlossen worden, dem das Objekt zur freien Nutzung
mit Zustimmung des Eigentümers überlassen worden sei. Jedenfalls läge
in der Aufnahme des Mietvertrags in den notariellen Kaufvertrag vom 20. Juni
2008 eine stillschweigende Gestattung dieses Vorgehens der S-GmbH durch die
Eigentümerin.

Zwar könne nicht festgestellt werden, dass die Vermietung der Teilflächen
durch die S-GmbH zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages allein im
wirtschaftlichen Interesse der Projekt-Gesellschaft als Eigentümerin gelegen
habe. Eine analoge Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB sei aber dennoch gerechtfertigt.
Denn zum Zeitpunkt der Veräußerung der vermieteten Immobilie hätten
sowohl der Fortbestand des Mietverhältnisses als auch der Eintritt des Käufers
in den bestehenden Mietvertrag im wirtschaftlichen Interesse des veräußernden
Eigentümers sowie im zumindest ideellen Interesse des Vermieters gelegen
und hätten auch dem Bestandsinteresse des Mieters entsprochen.

Da die streitgegenständliche Grundstücksfläche Bestandteil des Kaufvertrags
geworden sei, habe es ersichtlich im Interesse der Projekt-Gesellschaft gelegen,
dass der Mietvertrag mit dem Beklagten über die Veräußerung hinaus Bestand
habe, da ersichtlich nur auf diese Weise die H-GmbH zu einem Verzicht
auf den ihr zustehenden Rückübertragungsanspruch aus dem Vertrag vom
12. Juli 1995 zu bewegen gewesen sei. Dieser Rückübertragungsanspruch sei
auch nicht durch den im Vertrag vom 29. November 2005 erklärten Verzicht der
S-GmbH erloschen.

Die Projekt-Gesellschaft als Eigentümerin habe sich damit den durch den
berechtigten Dritten im eigenen Namen abgeschlossenen Mietvertrag im Rahmen
des Verkaufs ausdrücklich wirtschaftlich zu eigen gemacht. In dieser
Konstellation sei eine analoge Anwendung von § 566 Abs. 1 BGB geboten, um
dem Schutz des Mieters, der mit dieser Norm bezweckt werde, Genüge zu tun.

II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der streitgegenständliche
Vertrag trotz seiner Bezeichnung als Pachtvertrag mangels Überlassung
der Grundstücksfläche zur Fruchtziehung rechtlich als Mietvertrag zu qualifizieren
ist. Im Ausgangspunkt ebenfalls zutreffend ist es davon ausgegangen,
dass § 566 Abs. 1 BGB vorliegend keine unmittelbare Anwendung finden kann,
weil es an der hierfür notwendigen Personenidentität zwischen Veräußerer und
Vermieter fehlt.

a) Gemäß §§ 566 Abs. 1, 578 Abs. 2 Satz 1 BGB tritt der Erwerber eines
gewerblich vermieteten Hausgrundstücks anstelle des Vermieters in die sich
während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden
Rechte und Pflichten ein. Mit dem Eigentumsübergang entsteht ein neues Mietverhältnis
zwischen dem Erwerber des Grundstücks und dem Mieter mit dem
gleichen Inhalt, mit dem es zuvor mit dem Veräußerer bestanden hat. Nach seinem
Wortlaut findet § 566 Abs. 1 BGB allerdings nur dann Anwendung, wenn
das vermietete Grundstück durch den Vermieter veräußert wird. Wie das Berufungsgericht
richtig sieht, ist § 566 Abs. 1 BGB deshalb grundsätzlich nur bei
Identität zwischen Vermieter und Veräußerer unmittelbar anwendbar (Senatsurteil
BGHZ 215, 236 = NZM 2017, 847 Rn. 15 mwN).

b) Danach sind die Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendung
des § 566 Abs. 1 BGB im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Nach den getroffenen
Feststellungen war Vermieterin der streitgegenständlichen Grundstücksfläche
die S-GmbH; die Teilfläche wurde jedoch von der Projekt-Gesellschaft und damit
von einer eigenständigen juristischen Person an die Klägerin veräußert.

2. Unzutreffend ist dagegen die Auffassung des Berufungsgerichts, im vorliegenden
Fall sei § 566 Abs. 1 BGB entsprechend anwendbar, weil jedenfalls
zum Zeitpunkt der Veräußerung der vermieteten Grundstücksfläche sowohl der
Fortbestand der Vermietung als auch der Eintritt der Klägerin in den bestehenden
Mietvertrag im wirtschaftlichen Interesse des veräußernden Eigentümers sowie
zumindest im ideellen Interesse des Vermieters gestanden und dem Bestandsinteresse
des Mieters entsprochen hätten.

a) Der in § 566 Abs. 1 BGB geregelte Eintritt des Erwerbers in ein bestehendes
Mietverhältnis dient dem Schutz des Mieters, dem eine Wohnung, ein
Grundstück (§ 578 Abs. 1 BGB) oder gewerblich genutzte Räume (§ 578 Abs. 2
Satz 1 BGB) aufgrund eines wirksamen Mietvertrags überlassen worden sind.
Die ihm dadurch von seinem Vertragspartner eingeräumte Rechtsstellung - der
berechtigte Besitz - soll ihm auch gegenüber einem späteren Erwerber des
Grundstücks erhalten bleiben. Hierfür enthält § 566 Abs. 1 BGB eine - ausdrücklich
auf die Veräußerung des vermieteten Grundstücks oder Grundstücksteils beschränkte
- Durchbrechung des schuldrechtlichen Grundsatzes, wonach Rechte
und Pflichten nur zwischen den am Schuldverhältnis beteiligten Personen entstehen.
Sie legt dem Mietverhältnis für den Fall der Veräußerung des Mietgrundstücks
eine gleichsam dingliche Wirkung bei, indem sie mit dem Übergang des
Eigentums am vermieteten Grundstück auf den Erwerber auch die Vermieterrechte
und -pflichten auf diesen übergehen lässt. Als Ausnahmevorschrift ist
§ 566 Abs. 1 BGB daher eng auszulegen und nur anzuwenden, soweit der mit ihr
bezweckte Mieterschutz dies erfordert (Senatsurteil vom 12. Oktober 2016
- XII ZR 9/15 - NJW 2017, 254 Rn. 24; vgl. auch BGH Urteile vom 22. Mai 1989
- VIII ZR 192/88 - NJW 1989, 2053 und BGHZ 141, 239 = NJW 1999, 2177, 2178
mwN). Der Ausnahmecharakter der Vorschrift steht jedoch hinsichtlich einer Erweiterung
des Veräußerungsbegriffs oder der anderen Tatbestandsmerkmale
der Norm einer Analogie nicht generell entgegen (Senatsurteil BGHZ 215, 236
= NZM 2017, 847 Rn. 33).

Neben dem Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke ist Voraussetzung
für eine analoge Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB die Vergleichbarkeit
der Sachverhalte. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der zu beurteilende
Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber
geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber
wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen
Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift,
zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (Senatsurteil
BGHZ 215, 236 = NZM 2017, 847 Rn. 34 mwN).

b) Auf dieser rechtlichen Grundlage hat der Senat entschieden, dass die
Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB dann vorliegen,
wenn die Vermietung des veräußerten Grundstücks mit Zustimmung des
Eigentümers und in dessen alleinigem wirtschaftlichen Interesse erfolgt und der
Vermieter kein eigenes Interesse am Fortbestand des Mietverhältnisses hat. Unter
diesen Voraussetzungen ist nicht nur eine planwidrige Regelungslücke gegeben,
sondern der zur Beurteilung stehende Sachverhalt ist auch mit dem vergleichbar,
den der Gesetzgeber geregelt hat (Senatsurteil BGHZ 215, 236 = NZM
2017, 847 Rn. 26).

In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der
frühere Eigentümer des Grundstücks zur Vermietung seiner Immobilie eine
Grundstücksgesellschaft errichtet und dieser das Eigentum an dem Grundstück
übertragen. Zusätzlich hatte er eine Grundbesitz- und Handelsgesellschaft gegründet,
die auf Anweisung der Grundstücksgesellschaft die Mietverträge über
die Immobilie abgeschlossen hatte. Die Grundstücksgesellschaft hatte die Immobilie
auch verwaltet und die Mieten eingezogen. Unter diesen Umständen war es
ausnahmsweise gerechtfertigt, den Mietvertrag in entsprechender Anwendung
der §§ 566 Abs. 1, 578 Abs. 1 BGB so zu behandeln, als habe die veräußernde
Grundstücksgesellschaft die Mietverträge abgeschlossen (Senatsurteil BGHZ
215, 236 = NZM 2017, 847 Rn. 42).

Denn der Gesetzeszweck des § 566 Abs. 1 BGB greift nicht nur dann,
wenn das Mietobjekt unmittelbar vom Eigentümer des Mietobjekts vermietet wird,
sondern auch dann, wenn ein Nichteigentümer den Mietvertrag im eigenen Namen,
aber im wirtschaftlichen Interesse des Eigentümers abschließt. Das Interesse
des Mieters, nach einem Wechsel der Eigentumsverhältnisse unbeeinträchtigt
die angemieteten Wohn- oder Geschäftsräume weiter nutzen zu können,
besteht unabhängig davon, ob er den Mietvertrag mit dem Eigentümer selbst
oder einer anderen Person abgeschlossen hat, die hierbei für den Eigentümer
mit dessen Wissen und Einverständnis tätig geworden ist (Senatsurteil BGHZ
215, 236 = NZM 2017, 847 Rn. 36 f.).

Um bei der Veräußerung eines vermieteten Grundstücks das fehlende
Identitätserfordernis durch eine entsprechende Anwendung des § 566 Abs. 1
BGB überwinden zu können, darf allerdings nicht allein das Besitzschutzinteresse
des Mieters in den Blick genommen werden. Die für eine Analogie notwendige
Vergleichbarkeit der Interessenlagen wird erst dann erreicht, wenn der Eigentümer
bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise gleichsam als Vermieter
angesehen werden kann. Dann ist es gerechtfertigt, dass er den von einem Dritten
abgeschlossenen Mietvertrag gegen sich gelten lassen muss und er sein Eigentum
nur mit einem Mietvertrag belastet veräußern kann, an dessen Abschluss
er nicht selbst beteiligt war (Günter WuM 2013, 264, 270). Deshalb
kommt bei Nichterfüllung des Identitätserfordernisses eine analoge Anwendung
des § 566 Abs. 1 BGB etwa dann in Betracht, wenn der Eigentümer zur Vermietung
seines Grundstücks einen Hausverwalter einsetzt oder als einer von mehreren
Eigentümern oder als Alleingesellschafter einer GmbH den Mietvertrag
schließt (vgl. BeckOGK/Harke [Stand: 1. Oktober 2021] BGB § 566 Rn. 20).
Nutzt der Eigentümer, statt selbst den Mietvertrag abzuschließen, eine formale
rechtliche Konstruktion, um nicht selbst als Vermieter in Erscheinung zu treten,
ist es gerechtfertigt, ihn im Rahmen des § 566 BGB so zu behandeln, als habe
er den Mietvertrag selbst abgeschlossen. Dadurch wird auch verhindert, dass der
Eigentümer, um den von § 566 Abs. 1 BGB gewährten Mieterschutz zu umgehen,
nicht selbst den Mietvertrag abschließt, sondern eine dritte Person einschaltet,
die formal als Vermieter auftritt, letztlich aber allein im Interesse des Eigentümers
handelt (Senatsurteil BGHZ 215, 236 = NZM 2017, 847 Rn. 37).

Die bloße Zustimmung oder das Einverständnis des Eigentümers zur Vermietung
seines Grundstücks durch einen Dritten oder die spätere Genehmigung
des durch einen Nichteigentümer abgeschlossenen Mietvertrags reichen hingegen
nicht aus, um eine analoge Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB zu rechtfertigen
(vgl. Schmidt-Futterer/Streyl Mietrecht 14. Aufl. § 566 BGB Rn. 68). Denn
nur durch eine Beschränkung der analogen Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB
auf die Fälle, in denen der Dritte nicht nur mit Zustimmung des Eigentümers,
sondern auch in dessen wirtschaftlichem Interesse handelt, wird gewährleistet,
dass bei einer bloßen Untervermietung eine entsprechende Anwendung der Vorschrift
ausscheidet. Bei der Untervermietung gestattet der Eigentümer zwar dem
Hauptmieter auch, das Mietobjekt weiterzuvermieten. Der Abschluss des Untermietvertrags
erfolgt jedoch nicht im Interesse des Eigentümers, sondern stellt
eine besondere Art der Nutzung der Mietsache durch den Hauptmieter dar (Senatsurteil
BGHZ 215, 236 = NZM 2017, 847 Rn. 40).

c) Auf dieser rechtlichen Grundlage ist die Annahme des Berufungsgerichts,
§ 566 Abs. 1 BGB sei im vorliegenden Fall entsprechend anwendbar,
rechtsfehlerhaft. Die für eine analoge Anwendung der Vorschrift erforderliche
Vergleichbarkeit der Sachverhalte ist nicht gegeben.

Nach den getroffenen Feststellungen lagen der Abschluss des Mietvertrags
und die Durchführung des Mietverhältnisses nicht im alleinigen wirtschaftlichen
Interesse der Projekt-Gesellschaft als veräußernde Eigentümerin. Sie hatte
die S-GmbH weder mit der Vermietung der Flächen beauftragt noch ist festgestellt,
dass sie überhaupt in die Vermietung an den Beklagten eingewilligt hätte.
Ihr flossen während der gesamten Mietzeit keine Mietzahlungen zu. Sie hat auch
keine anderen wirtschaftlichen Vorteile aus dem Mietverhältnis erhalten. Es liegt
hier also kein bloß formales Auseinanderfallen von Vermieter- und Eigentümerstellung
vor. Die S-GmbH ist bei Abschluss des Mietvertrags auch bei einer wirtschaftlichen
Betrachtungsweise nicht für die Projekt-Gesellschaft aufgetreten.
Das wirtschaftliche Interesse der Projekt-Gesellschaft, das das Berufungsgericht
für eine entsprechende Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB herangezogen
hat, bestand allein darin, dass zum Zeitpunkt der Veräußerung der streitgegenständlichen
Fläche an die Klägerin der Mietvertrag fortbesteht, um einer möglichen
Ausübung des Rückgewähranspruchs durch die H-GmbH zu begegnen.
Wie die Revision zutreffend ausführt, hatte die Projekt-Gesellschaft damit rechtlich
betrachtet zum Zeitpunkt der Veräußerung der Grundstücksfläche lediglich
ein Interesse am Eintritt der Rechtsfolge des § 566 Abs. 1 BGB. Dies genügt für
eine analoge Anwendung der Vorschrift aber nicht.

Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung führt auch die Regelung
in § 4 Abs. 4 des Grundstückskaufvertrags vom 20. Juni 2008 zu keiner anderen
Beurteilung. In dieser Vertragsbestimmung haben die Kaufvertragsparteien
zwar vereinbart, dass die Käuferin das Pachtverhältnis übernehmen und es
mit Wirkung ab dem Übergabetag mit allen Rechten und Pflichten des Verpächters
fortsetzen soll. Dies zeigt aber ebenfalls nur, dass die Kaufvertragsparteien
zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags im Hinblick auf eine mögliche
Ausübung des Rückgewähranspruchs durch die H-GmbH ein Interesse am Fortbestand
des Mietverhältnisses hatten.

3. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist die Klägerin
auch nicht im Wege einer rechtsgeschäftlichen Vertragsübernahme in den zwischen
der S-GmbH und dem Beklagten abgeschlossenen Mietvertrag vom
18. Januar 2008 eingetreten. Zwar enthält § 4 Abs. 4 des Grundstückskaufvertrags
vom 20. Juni 2008 eine Verpflichtung der Klägerin zur Übernahme und Fortsetzung
des Mietverhältnisses. Für eine rechtsgeschäftliche Übernahme des
Mietvertrags genügt dies jedoch nicht. Nach allgemeiner Meinung ist die
Vertragsübernahme ein einheitliches Rechtsgeschäft, das der Zustimmung aller
Beteiligter bedarf. Dabei kann die Vertragsübernahme als dreiseitiger Vertrag
oder durch Vertrag zwischen zwei Beteiligten geschlossen werden, der durch
den dritten Beteiligten genehmigt wird (Senatsurteil vom 30. Januar 2013
- XII ZR 38/12 - NJW 2013, 1083 Rn. 19 mwN). Erforderlich ist jedoch stets die
Beteiligung der ursprünglichen Mietvertragsparteien. Daran fehlt es im vorliegenden
Fall, weil die S-GmbH als Vermieterin der Grundstücksfläche weder an dem
Grundstückskaufvertrag vom 20. Juni 2008 beteiligt war, noch nachträglich
- auch nicht durch schlüssiges Verhalten - der Vertragsübernahme zugestimmt
hat. Soweit die Revisionserwiderung in der mündlichen Verhandlung die Auffassung
vertreten hat, die Regelung in § 4 Abs. 4 des Grundstückskaufvertrags
könne ähnlich einem Vertrag zugunsten Dritter verstanden werden, führt auch
dies nicht zu einem Übergang des Mietverhältnisses auf die Klägerin. Zwar ist es
möglich, dass ein Vermieter in einem Grundstückskaufvertrag mit dem Erwerber
eine Vereinbarung zugunsten seines Mieters trifft, die rechtlich als ein Vertrag
zugunsten Dritter i.S.v. § 328 Abs. 1 BGB zu qualifizieren ist (vgl. etwa BGH Urteil
vom 14. November 2018 - VIII ZR 109/18 - NZM 2019, 209 Rn. 26). Eine vollständige
Vertragsübernahme kann auf diese Weise jedoch nicht erreicht werden.
Daher kann dahinstehen, ob der Mietvertrag vom 18. Januar 2008 im Hinblick
auf die Bestimmbarkeit des Mietgegenstands den Anforderungen an die
Einhaltung der Schriftform nach §§ 550 Satz 1, 578 Abs. 2 Satz 1 BGB genügt
und vor Ablauf der vereinbarten Mietdauer ordentlich gekündigt werden konnte.
Allerdings ist - wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat - zwischen
der Klägerin und dem Beklagten konkludent ein Mietvertrag zustande gekommen,
indem die Klägerin dem Beklagten die Grundstücksfläche seit 2009 überlassen
und der Beklagte die Miete an die Klägerin gezahlt hat. Dieser eigenständige
konkludente Mietvertrag ist entgegen §§ 550 Satz 1, 578 Abs. 2 Satz 1 BGB
nicht schriftlich abgeschlossen worden, so dass er für unbestimmte Zeit galt und
ordentlich kündbar war. Er wahrte auch nicht etwa deswegen die Schriftform der
§§ 578, 550 BGB, weil er inhaltsgleich mit den in der äußeren Form niedergelegten
Vertragsbedingungen konkludent abgeschlossen worden ist (vgl. dazu Senatsurteil
vom 17. Juni 2015 - XII ZR 98/13 - NJW 2015, 2648 Rn. 33). Denn im
Gegensatz zu dem genannten Senatsurteil liegt hier schon keine von beiden Parteien
unterzeichnete Mietvertragsurkunde vor.

Der konkludent abgeschlossene Mietvertrag wurde von der Klägerin wirksam
gemäß § 580 a Abs. 1 Nr. 3 BGB zum 30. Juni 2017 gekündigt. Entgegen
der Auffassung der Revisionserwiderung war die Kündigung durch die Klägerin
auch nicht treuwidrig. Die Klägerin hat zwar über Jahre hinweg entsprechend ihrer
in § 4 Abs. 4 des Grundstückskaufvertrags übernommenen Verpflichtungen
das Mietverhältnis mit dem Beklagten fortgesetzt. Aus diesem Umstand lässt sich
jedoch nicht herleiten, der Beklagte hätte darauf vertrauen können, dass die Klägerin
nicht von der Kündigungsmöglichkeit Gebrauch macht, die das Gesetz vorsieht,
wenn die Schriftform nicht eingehalten ist. Nur ausnahmsweise, wenn die
Unwirksamkeit der vereinbarten langfristigen Vertragsdauer zu einem schlechthin
untragbaren Ergebnis führen würde, kann es gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlich
sein, sich auf den Formmangel zu berufen. Das kann insbesondere
dann der Fall sein, wenn der eine Vertragspartner den anderen schuldhaft von
der Einhaltung der Schriftform abgehalten oder sich sonst einer besonders
schweren Treuepflichtverletzung schuldig gemacht hat (vgl. Senatsurteil vom
9. April 2008 - XII ZR 89/06 - NJW 2008, 2181, 2183 mwN). Für einen solchen
Ausnahmefall liegen hier jedoch keine Anhaltspunkte vor.

Die Klägerin kann daher von dem Beklagten gemäß § 546 BGB Herausgabe
der streitgegenständlichen Grundstücksfläche verlangen. Zudem ist auch
das Feststellungsbegehren der Klägerin begründet (vgl. OLG Celle BB 1978,
576; OLG Düsseldorf ZMR 2011, 282 f.).

III.
Das angefochtene Urteil ist mithin aufzuheben. Der Senat kann nach
§ 563 Abs. 3 ZPO in der Sache abschließend entscheiden. Da die Klage aufgrund
des vom Berufungsgericht erschöpfend festgestellten Sachverhalts begründet
ist, ist das amtsgerichtliche Urteil wiederherzustellen.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

27.10.2021

Aktenzeichen:

XII ZR 84/20

Rechtsgebiete:

Allgemeines Schuldrecht
Miete
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB § 566 Abs. 1