Versicherungspflicht bei unabhängiger Beschäftigung einer Rechtsanwältin als Geschäftsführerin
letzte Aktualisierung: 16.04.2020
LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 21.1.2020 – L 11 BA 1596/19
SGB §§ 25 Abs. 1, 7 Abs. 1 S. 1 u. 2, 24 Abs. 2 u. Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Versicherungspflicht bei unabhängiger Beschäftigung einer Rechtsanwältin als
Geschäftsführerin
Eine hauptberuflich selbständige Rechtsanwältin, die neben ihrer anwaltlichen Tätigkeit als
Geschäftsführerin eines eingetragenen Vereins (eV) tätig ist und hierfür eine monatliche Vergütung
erhält, ist in der Tätigkeit als Geschäftsführerin abhängig beschäftigt. Dies gilt auch für Zeiten, in
denen sie dem Vorstand des Vereins angehört.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist
statthaft und zulässig. Richtige Klageart ist die isolierte Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 1. Alt SGG). Der
Erhebung auch einer damit verbundenen Feststellungsklage bedarf es bei einer Klage gegen einen
Beitragsbescheid auf der Grundlage von § 28p SGB IV nicht. Eine (zusätzliche) Feststellungsklage wäre
überdies unzulässig, da die Beschwer des Klägers mit der Aufhebung des angefochtenen Bescheides
vollständig beseitigt ist und es für eine auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer
Versicherungspflicht der bei ihm Beschäftigten gerichteten Feststellungsklage an einem Feststellungsinteresse
fehlt.
Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der streitgegenständliche Bescheid
der Beklagten vom 04.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.02.2018 ist rechtmäßig und
verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat zu Recht vom Kläger Beiträge in Höhe von
26.287,68 EUR inklusive Säumniszuschläge gefordert. Die Beigeladene übte ihre Tätigkeit beim Kläger in der
Zeit vom 01.01.2012 bis 31.12.2015 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses aus und
unterlag der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der
Arbeitsförderung.
Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid ist § 28p SGB IV. Nach § 28p Abs 1 SGB IV prüfen
die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen
Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen,
ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen
mindestens alle vier Jahre. Die Prüfung soll in kürzeren Zeitabständen erfolgen, wenn der Arbeitgeber dies
verlangt. Die Einzugsstelle unterrichtet den für die Arbeitgeber zuständigen Träger der Rentenversicherung,
wenn sie eine alsbaldige Prüfung bei dem Arbeitgeber für erforderlich hält. Die Prüfung umfasst auch die
Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt werden. Die Träger der Rentenversicherung
erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in der
Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der
Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Abs 2 SGB IV sowie § 93 iVm § 89
Abs 5 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht. Zwar entscheidet grundsätzlich gemäß § 28h Abs 2 Satz
1 Halbsatz 1 SGB IV die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken-,
Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Dies gilt aber ausnahmsweise
nicht für Entscheidungen im Rahmen einer Arbeitgeberprüfung.
Betriebsprüfungen durch den Rentenversicherungsträger haben nach der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) nur eine Kontrollfunktion. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern,
andererseits die Sozialversicherungsträger davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht
versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Die Entscheidung stellt sich vor diesem
Hintergrund als kombinierte - positive oder negative - Feststellung von Versicherungspflicht und
Beitragsnachentrichtung oder Beanstandung dar. Die Besonderheit eines Bescheids nach § 28p Abs 1 Satz 5
SGB IV liegt insoweit darin, dass über das Bestehen von Versicherungspflicht und die daraus resultierende
Beitragsnachforderung gemeinsam zu entscheiden ist. Dies unterscheidet das Nachprüfungsverfahren
hinsichtlich der Feststellung der Versicherungspflicht vom Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs 1 Satz 1
SGB IV (BSG 14.09.2004, B 12 KR 1/04, SozR 4-2400 § 22 Nr 2). Die hier streitigen Beiträge werden als
Gesamtsozialversicherungsbeiträge vom Arbeitgeber gezahlt (§ 28g Satz 1 und 2, 28e Abs 1 Satz 1 SGB IV).
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen grundsätzlich ua in der Renten- und
Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes
Buch
Kranken- und Pflegeversicherung ist nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens, da die Beklagte
Beiträge für diese Versicherungszweige nicht erhoben hat. Insoweit steht der Versicherungspflicht die
hauptberuflich ausgeübte selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwältin entgegen (§ 5 Abs 5 SGB V). Nach § 7
Abs 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach
der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom
Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn
der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung
umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit
vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die
Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und
Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend
von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche
Merkmale überwiegen. Ausgangspunkt für die Beurteilung ist demnach zunächst das Vertragsverhältnis der
Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten
Beziehung erschließen lässt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12). Die von der Rechtsprechung
formulierten Kriterien orientieren sich am Typus des Arbeitnehmers, der in § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV als
normativer Regelfall abhängiger Beschäftigung genannt wird. Kennzeichnend für die persönliche Abhängigkeit
Beschäftigter ist ebenfalls, dass Beschäftigte ihre Arbeitsleistung auf der Grundlage eines gegenseitigen
Vertrages oder Rechtsverhältnisses (insbesondere eines Arbeitsverhältnisses) erbringen, um als Gegenleistung
dafür eine Entlohnung zu erhalten, sodass die Arbeitsleistung bei objektiver Betrachtung zu Erwerbszwecken
erbracht wird (BSG 16.08.2017, B 12 KR 14/16 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 13; zur Rechtsfigur des Typus vgl
BVerfG Beschluss vom 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr 11).
Im Zeitraum 01.01.2012 bis 31.07.2013 war die Beigeladene allein aufgrund des Geschäftsführervertrags von
2004 für den Kläger tätig und erhielt hierfür eine feste monatliche Vergütung iHv 1.200 EUR. Für diesen
Zeitraum bestehen keine wesentlichen Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladene selbstständig tätig war. Nach
der Satzung des Klägers ist der Vorstand für alle Angelegenheiten des Vereins zuständig, ihm obliegt die
Führung der Geschäfte der laufenden Verwaltung (§ 6 Ziff 3 der Satzung). Schon dies zeigt, dass die
Beigeladene als Geschäftsführerin nur für den Vorstand tätig werden kann und an dessen Weisungen
gebunden ist. Ob im konkreten Fall der Beigeladenen freie Hand gelassen wurde, wie in der
Berufungsbegründung vorgetragen, spielt keine Rolle. Der Senat weist die Berufung insoweit aus den
zutreffenden und überzeugenden Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zurück und nimmt zur
Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug (§ 153 Abs 2 SGG). Im Übrigen sind offensichtlich auch der
Kläger und die Beigeladene für die in diesem Zeitraum zugrundeliegende Konstellation davon ausgegangen,
dass eine abhängige Beschäftigung hieraus folgt, denn der für den folgenden Zeitraum maßgebende Vertrag
über freie Mitarbeit wurde nach ihrem eigenen Vortrag nach Bestandskraft des Betriebsprüfungsbescheids vom
08.03.2013 betreffend den vorangegangenen Prüfzeitraum eigens geschlossen, um insoweit eine Änderung der
Rechtslage herbeizuführen.
Jedoch bleibt es auch unter Geltung des ab 01.08.2013 maßgebenden Vertrag über freie Mitarbeit vom
10.07.2013 bei einer abhängigen Beschäftigung der Beigeladenen. Zwar zeigt der Vertrag – wie schon die
Bezeichnung deutlich macht - dass der Kläger und die Beigeladene kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis
begründen wollten. Entsprechend findet sich auch keine Regelung über bezahlten Urlaub oder Lohnfortzahlung
im Krankheitsfall. Wie im vorangegangen Zeitraum gestaltet sich das Aufgabengebiet sowie die Regelung einer
festen Bezahlung iHv zunächst 1.800 EUR und ab 01.08.2014 iHv 2.000 EUR. Die Beigeladene bleibt jedoch
wie im früheren Zeitraum eingegliedert in den Betrieb des Klägers. Auch tatsächlich hat sich insoweit keinerlei
Änderung ergeben. Weisungsgebundenheit und Eingliederung in den Betrieb stehen weder in einem
Rangverhältnis zueinander, noch müssen sie stets kumulativ vorliegen. Eine Eingliederung geht nicht zwingend
mit einem umfassenden Weisungsrecht einher. Die in § 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV genannten Merkmale sind
schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nur „Anhaltspunkte“ für eine persönliche Abhängigkeit, also im
Regelfall typische Merkmale einer Beschäftigung und keine abschließenden Bewertungskriterien (vgl auch BTDrucks
14/1855 S 6). So hat das BSG bereits 1962 im Anschluss an die Rechtsprechung des BAG zu
Chefärzten (
heute würde man von Hochqualifizierten oder Spezialisten sprechen - aufs Stärkste eingeschränkt sein kann.
Dennoch kann die Dienstleistung in solchen Fällen fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung
des Betriebes erhält, in deren Dienst die Arbeit verrichtet wird (BSG 04.06.2019, B 12 R 12/18 R). Dies ist hier
der Fall. Soweit in § 1 des Vertrags ausdrücklich geregelt ist, dass die Beigeladene bei Durchführung der
Tätigkeit keinen Weisungen des Klägers unterliegt, wird dies sogleich relativiert durch die Verpflichtung zur
Rücksichtnahme auf vereinsspezifische Belange im Zusammenhang mit der Tätigkeit. In gleicher Weise wird
die im nachfolgenden Absatz ausgeschlossene Bindung an Vorgaben zum Arbeitsort oder zur Arbeitszeit
wieder eingeschränkt durch die Verpflichtung zur Einhaltung projektbezogener Zeitvorgaben sowie die
Einhaltung „fachlicher Vorgaben, soweit diese zur ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung erforderlich sind“.
Eine tatsächlich nach den vertraglichen Regelungen weisungsfreie Tätigkeit lässt sich damit nicht feststellen.
Ob konkret im streitigen Zeitraum Weisungen erteilt wurden, spielt keine Rolle.
Ein unternehmerisches Risiko der Beigeladenen ist nicht erkennbar. Sie erhält eine feste monatliche Vergütung
unabhängig vom Erfolg ihrer Tätigkeit, wobei im Vertrag über freie Mitarbeit nicht einmal der zeitliche Umfang
der geschuldeten Tätigkeit für den Kläger festgelegt wird. Die Beigeladene selbst hat im Verwaltungsverfahren
von einem Aufwand von 8 bis 10 Stunden monatlich gesprochen. Soweit vorgetragen wurde, die Höhe des
Honorars richte sich nach den für Rechtsanwälte üblichen Stundensätzen, ergibt sich daraus, dass die
Beigeladene nach den Vorstellungen der Vertragspartner in vergleichbarer Weise verdienen soll, wie in ihrer
Haupttätigkeit als Rechtsanwältin, gleichsam im Sinne einer Entschädigung für entgangenen Gewinn. Legt man
einen Umfang von 10 Stunden monatlich zugrunde, spricht die Lohnhöhe selbst für eine selbstständige
Tätigkeit. Insoweit handelt es sich allerdings nur um eines von vielen in der Gesamtabwägung zu
berücksichtigenden Indizien (BSG 31.03.2017, B 12 R 7/15 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 30; BSG 04.06.2019, B 12
R 12/18 R). Soweit in § 5 des Vertrags über freie Mitarbeit eine Haftungs- und Gewährleistungsregelung
getroffen wurde, könnte dies zwar für ein gewisses Unternehmerrisiko sprechen. Allerdings erschließt sich
angesichts der Aufgabengebiete der Beigeladenen (Einrichtung und Verwaltung von Geschäftsstellen,
Akquisition neuer Geschäftsstellen, Überwachung und Koordination der Schiedsverfahren, Koordination der
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Koordination von Meetings der Geschäftsstelleninhaber, Koordination von
Seminaren) nicht, worin hier das konkrete Haftungsrisiko liegen sollte. Auch hieraus lässt sich daher kein
Unternehmerrisiko herleiten.
Im Rahmen der Gesamtwürdigung spricht die Honorarhöhe sowie der Parteiwille für eine selbstständige
Tätigkeit. Die der Beigeladenen mögliche freie Zeiteinteilung ist kein maßgebendes Kriterium, da dies bei einer
neben einer hauptberuflich ausgeübten Tätigkeit ausgeübten Nebentätigkeit schon aus der Natur der Sache
herrührt. Die im Tatsächlichen weitgehend weisungsfrei ausgeübte Tätigkeit spricht für eine hochqualifizierte
Tätigkeit, sagt jedoch nichts über den Status aus. Für eine abhängige Beschäftigung sprechen dagegen die
betriebliche Eingliederung durch die nahezu vollständige Übertragung der laufenden Geschäftsführung unter
Bindung an den Vereinszweck auf die Beigeladene und das fehlende Unternehmerrisiko. Nur durch die
Einordnung in die Organisation des Klägers wird letztlich die Funktionsfähigkeit der Organisation gewährleistet.
Der Gesichtspunkt der betrieblichen Eingliederung ist von überragender Bedeutung. Zusammen mit dem
fehlenden Unternehmerrisiko wird das für selbstständige Tätigkeit sprechende Indiz der Lohnhöhe deutlich
überlagert. Der Parteiwille hat ohnehin nur dann ausschlaggebende Bedeutung, wenn sich im Rahmen der
Gesamtabwägung kein Überwiegen der für abhängige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit
sprechenden Gesichtspunkte ergibt.
Ab 01.08.2015 war die Beigeladene zusätzlich Vorstand des Klägers und ihr war der Status eines
Gründungsmitglieds zuerkannt. Der Vertrag über freie Mitarbeit galt unverändert fort – abweichendes haben die
Beteiligten nicht vorgetragen. Soweit die Beigeladene nunmehr anders als zuvor auch organschaftlich für die
Führung der laufenden Geschäfte zuständig war, ergibt sich daraus im Ergebnis jedoch keine andere
Beurteilung. Zwar führen Beschlüsse der Mitgliederversammlung, die den Vorstand ggf binden, nicht zu einer
Weisungsgebundenheit der Tätigkeit. Solche Beschlüsse geben die Ausrichtung des Klägers vor, es handelt
sich aber nicht um eine Weisung iSv § 7 Abs 1 SGB IV (vgl BSG 16.08.2017, B 12 KR 14/16 R, SozR 4-2400 §
7 Nr 13). Bei der Rechtsstellung eines Organs einer juristischen Person differenziert die Rechtsprechung
zwischen Repräsentationsaufgaben bzw mitgliedschaftlicher Verpflichtung und allgemein zugänglicher
(Verwaltungs-)Tätigkeit. Die Besonderheiten ehrenamtlichen Engagements werden damit anerkannt und die mit
einem Ehrenamt verbundenen Repräsentationsaufgaben als weisungsfreie, dem Grunde nach nicht
versicherungspflichtige Tätigkeiten qualifiziert (BSG 27.03.1980, 12 RK 56/78, SozR 2200 § 165 Nr 44).
Dagegen wird in einer Gesamtwürdigung jedoch insgesamt abhängige Beschäftigung dann angenommen,
wenn ein ehrenamtlich Tätiger zugleich allgemein zugängliche Verwaltungsaufgaben übernommen und zudem
für die Ausübung dieser Tätigkeiten eine Aufwandsentschädigung erhalten hat, die über den tatsächlichen
Aufwänden lag (vgl BSG Urteil vom 25.1.2006, B 12 KR 12/05 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 6 mwN). Weiter wird ein
abhängiges Beschäftigungsverhältnis in Fällen angenommen, in denen die Betätigung nicht allein aufgrund
mitgliedschaftlicher Verpflichtung und wegen dieser Verpflichtung ohne Erwerbszweck für einen Verein
ausgeübt wurde (BSG 20.12.1961, 3 RK 65/57, SozR Nr 5 zu § 160 RVO; BSG 18.12.2001, B 12 KR 8/01 R,
SozR 3-2400 § 7 Nr 19). Die Unentgeltlichkeit, die für diverse Ehrenämter auch von Gesetzes wegen
angeordnet ist (zB § 27 Abs 3 Satz 2 BGB für Vereinsvorstände), ist Ausdruck dafür, dass bei der im Rahmen
ideeller Zwecke „geleisteten Arbeit“ keine maßgebliche Erwerbsabsicht im Vordergrund steht. Sofern finanzielle
Zuwendungen erfolgen, schließen diese die Unentgeltlichkeit des ehrenamtlichen Engagements nicht prinzipiell
aus. Sie sind unschädlich, wenn sie in Form von Aufwendungsersatz konkrete oder pauschal berechnete
Aufwände abdecken. Finanzielle Zuwendungen können auch Ausfall für Zeitversäumnis oder Verdienstausfall
enthalten (vgl auch BFH 31.1.2017, IX R 10/16,
ehrenamtlicher Richter). Die Beurteilung der Erwerbsmäßigkeit erfolgt dabei nicht aus der subjektiven Sicht des
Einzelnen; das ehrenamtliche Engagement ist objektiv abzugrenzen. Die Verrichtung von Tätigkeiten zur
Verfolgung eines ideellen Zwecks ohne Erwerbsabsicht muss objektiv erkennbar vorliegen; die gewährte
Aufwandsentschädigung darf sich nicht als verdeckte Entlohnung einer Erwerbsarbeit darstellen (BSG
16.08.2017, B 12 KR 14/16 R, aaO).
Vorliegend sieht die Satzung des Klägers für Vorstände nach § 6 Ziff 4 der Satzung Auslagenersatz sowie eine
der Aufgabenstellung und dem Arbeitsaufwand angemessene Vergütung vor; dies ist nach
zulässig. Für die Beigeladene ergab sich durch die zusätzliche Berufung in den Vorstand keine Änderung, sie
erhielt weiter 2.000 EUR monatlich. Schon dies belegt, dass es sich um ein Entgelt für die geschäftsführende
Tätigkeit handelt, welche die Beigeladene bereits seit Jahren für den Kläger ausübt. Damit steht zur
Überzeugung des Senats fest, dass es um die Vergütung allgemeiner Verwaltungsaufgaben geht, die der
Kläger bereits seit 2004 durch die Beigeladene durchführen lässt. Die ursprüngliche Auslagerung dieser
Aufgaben vom zuständigen Organ des Vereins auf die Geschäftsführerin zeigt, dass es sich um allgemein
zugängliche Verwaltungsaufgaben handelt, die nicht auf die organschaftliche Stellung beschränkt sind. Nach
alledem war die Beigeladene im gesamten Zeitraum vom 01.01.2012 bis 31.12.2015 beim Kläger abhängig
beschäftigt.
Die streitigen Beiträge zur Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung sind auch der Höhe nach zutreffend
ausgehend von der jeweiligen Lohnhöhe festgesetzt worden. Eine Nettolohnhochrechnung nach § 14 Abs 2
SGB IV ist nicht erfolgt. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Nachforderung von Beiträgen zur
Rentenversicherung auch nicht ausgeschlossen im Hinblick auf die Pflichtmitgliedschaft der Beigeladenen im
Versorgungswerk der Rechtsanwälte. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Rentenversicherung gemäß § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI wurde nicht ausgesprochen, wie die Deutsche
Rentenversicherung Bund mit Schreiben vom 05.01.2017 mitgeteilt hat; eine Befreiung wurde auch nicht
beantragt. Die Beitragsbemessungsgrenze für die Rentenversicherung (§§ 157, 159 SGB VI) ist nicht
überschritten. Sie gilt für Versicherungspflichtverhältnisse der gesetzlichen Rentenversicherung. Liegen
insoweit mehrere Versicherungspflichtverhältnisse vor (zB selbstständige Tätigkeit nach § 2 Satz 1 SGB VI und
abhängige Beschäftigung), sind die Arbeitsentgelte bzw Arbeitseinkommen zusammenzurechnen und daraus
nach Maßgabe des § 22 Abs 2 SGB IV insgesamt Beiträge bis zur Bemessungsgrenze zu entrichten (vgl BSG
04.11.2009, B 12 R 7/08R, SozR 4-2600 § 2 Nr 13). Die Vorschrift des § 22 Abs 2 SGB IV ist nicht analog
anzuwenden auf die vorliegende Konstellation der doppelten Versicherung durch die gesetzliche
Rentenversicherung auf der einen Seite und die berufsständische Versorgung auf der anderen Seite. Zur
Vermeidung einer ungewollten Doppelversorgung dienen die Befreiungsmöglichkeiten nach § 6 SGB VI. Dass
die Beigeladene aufgrund ihrer Fehleinschätzung, es handele sich um selbstständige Tätigkeit, keinen
entsprechenden Antrag gestellt hat, führt zu keiner anderen Beurteilung.
Säumniszuschläge hat die Beklagte allein für den Zeitraum 01.01.2012 bis 31.07.2013 festgesetzt. Die
Festsetzung dieser Säumniszuschläge auf Grundlage des § 24 Abs 2 SGB IV ist zutreffend erfolgt und nicht zu
beanstanden. Denn die Berechtigung, rückwirkend Säumniszuschläge zu erheben, beruht auf der vom
Gesetzgeber implizit angestellten Vermutung, dass der Beitragsverpflichtete den Entstehungs- und
Fälligkeitszeitpunkt seiner konkreten Verpflichtung kennt und deshalb für Rückstände verantwortlich ist, so dass
insoweit grundsätzlich kein Vertrauensschutz in Frage kommt (vgl Seewald, Kasseler Kommentar zum
Sozialversicherungsrecht, SGB IV, § 24 Rn 13). Säumniszuschläge sind nach § 24 Abs 2 SGB IV nur dann
nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der
Zahlungspflicht hatte (vgl Schlegel in Küttner, Personalhandbuch 2011, Stichwort
„Säumniszuschlag/Sozialversicherungsrecht“ Rn 16). Allein das Fehlen der Kenntnis von der
Beitragszahlungspflicht steht der Festsetzung von Säumniszuschlägen noch nicht entgegen. Vielmehr sind
Säumniszuschläge nur dann nicht zu erheben, wenn die Unkenntnis unverschuldet ist. Dieses
(Un-)Verschulden bestimmt sich nicht nach
Verschuldensmaßstabs wenigstens bedingten Vorsatz voraus. Denn die mit der Erhebung von
Säumniszuschlägen angestrebte Drucksituation bleibt unspezifisch und ist nicht zur Durchsetzung der
rechtzeitigen Zahlung im Einzelfall geeignet, wenn der Zahlungspflichtige keinen hinreichenden Anhaltspunkt
für seine Beitragsschuld hat. Unter Berücksichtigung des bei der Festsetzung von Säumniszuschlägen zu
beachtenden verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips kann der Zweck der Säumniszuschläge, die
rechtzeitige Zahlung der Beiträge durchzusetzen, rechtmäßig nur erreicht werden, wenn der betroffene
Arbeitgeber seine Zahlungspflicht zumindest für möglich hält und billigend in Kauf nimmt. Das gilt umso mehr,
als die Ausnahmeregelung des § 24 Abs 2 SGB IV unbillige Härten vermeiden soll. Für die Härtefallregelung
bliebe aber kaum ein denkbarer Anwendungsbereich, wenn bereits fahrlässiges Verhalten, insbesondere durch
die unterbliebene Einleitung eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV oder fehlende
Herbeiführung einer Entscheidung der Einzugsstelle nach § 28h SGB IV, die unverschuldete Unkenntnis
ausschließen würde. Das fakultativ ausgestaltete Statusfeststellungsverfahren würde entgegen dem
Gesetzeswortlaut des § 7a Abs 1 Satz 1 SGB IV faktisch obligatorisch (zum Ganzen: BSG 12.12.2018, B 12 R
15/18 R, SozR 4-2400 § 24 Nr 8).
Bedingt vorsätzlich handelt, wer seine Beitragspflicht für möglich gehalten und die Nichtabführung der Beiträge
billigend in Kauf genommen hat (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen 16.09.2013, L 8 R 361/13 B ER
mwN). Diese Voraussetzung ist zur Überzeugung des Senats erfüllt. Die Tätigkeit der Beigeladenen
unterscheidet sich weder tatsächlich noch hinsichtlich der rechtlichen Vorgaben und Vertragsgestaltungen für
den Zeitraum 01.01.2012 bis 31.07.2013 von dem vorangegangenen Zeitraum. Für diesen Zeitraum ist jedoch
bereits eine Betriebsprüfung erfolgt, bei der eine abhängige Beschäftigung der Beigeladenen festgestellt
worden ist. Hiervon hatte der Kläger bereits seit der Prüfung am 12.06.2012 Kenntnis, der Prüfbescheid datiert
vom 07.03. bzw 08.03.2013. Gleichwohl hat es der Kläger unterlassen, die geschuldeten Beiträge abzuführen.
Die Kostenentscheidung beruht auf
Beigeladene trägt gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 162 Abs 3 VwGO ihre außergerichtlichen Kosten
selbst. Der Senat sieht keine Veranlassung, diese Kosten aus Billigkeit dem unterliegenden Kläger
aufzuerlegen, weil die Beigeladene keine Anträge gestellt hat (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer
/Schmidt, 12. Aufl 2017, § 197a Rn 29 mwN).
Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt nach § 197a Abs 1 SGG iVm §§ 1 Abs 2 Nr 3, 47, 52 Abs 3
Gerichtskostengesetz und entspricht der streitigen Nachforderung.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Entscheidung, Urteil
Gericht:LSG Baden-Württemberg
Erscheinungsdatum:21.01.2020
Aktenzeichen:L 11 BA 1596/19
Rechtsgebiete:
Verein
Allgemeines Schuldrecht
Sozialrecht
SGB §§ 25 Abs. 1, 7 Abs. 1 S. 1 u. 2, 24 Abs. 2 u. Abs. 1 S. 1 Nr. 1