Unwirksamkeit eines Ehevertrags, der auf einem Muster des Bundesverwaltungsamtes für Ehen nicht-islamischer Ehefrauen mit islamischen Ehemännern beruht
letzte Aktualisierung: 11.9.2023
OLG Celle, Beschl. v. 14.12.2022 – 15 UF 137/21
BGB §§ 134, 138 Abs. 1, 139, 1379, 1564 ff., 1569 ff.; EGBGB Art. 6, 15 Abs. 1 u. 2 a. F.;
EUV 1259/2010 Art. 5 Abs. 1 lit. c, 8; ZPO §§ 256 Abs. 2, 201; FamFG § 113 Abs. 1 S. 2;
GG Art. 3 Abs. 2, 6 Abs. 1
Unwirksamkeit eines Ehevertrags, der auf einem Muster des Bundesverwaltungsamtes für
Ehen nicht-islamischer Ehefrauen mit islamischen Ehemännern beruht
1. Zu den Anforderungen an eine stillschweigend getroffene Rechtswahl in einem Ehevertrag.
2. Die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 1564 ff. BGB über die Voraussetzungen der Ehescheidung
sind wegen der darin enthaltenen Ausformung der negativen Eheschließungsfreiheit (Art. 6 GG)
nicht disponibel.
3. Eine Vereinbarung, wonach der nacheheliche Ehegattenunterhaltsanspruch von einem
Verschulden an der Ehescheidung abhängig sein soll, stellt eine evident einseitige und unzumutbare
Lastenverteilung dar und ist somit unwirksam.
4. Eine Mindestdauer der elterlichen Sorge eines der Ehegatten für gemeinsame Kinder, getrennt für
Söhne und Töchter, wie sie nur das islamische Recht kennt, kann nicht wirksam vereinbart werden.
5. Ergibt die Gesamtwürdigung eines Ehevertrags, dessen Inhalt für eine Partei ausnahmslos
nachteilig ist und dessen Einzelregelungen durch keine berechtigten Belange der anderen Partei
gerechtfertigt werden, dessen Sittenwidrigkeit nach
ergebende Nichtigkeitsfolge notwendigerweise den gesamten Vertrag. Dies gilt auch dann, wenn die
Ehegatten eine entsprechende salvatorische Klausel in den Vertrag aufgenommen haben.
(Leitsätze der DNotI-Redaktion)
Gründe
I.
Die Antragsgegnerin, die deutsche Staatsangehörige ist, und der Antragsteller, der die
libanesische Staatsangehörigkeit besitzt, streiten im vorliegenden Beschwerdeverfahren
betreffend die Folgesache Güterrecht des im Übrigen noch in erster Instanz anhängigen
Scheidungsverbundverfahrens um die Frage, ob der Antragsgegnerin ein Zugewinnausgleich
nach §§ 1372 ff BGB zusteht oder ob dieser durch die in einem Ehevertrag der Beteiligten unter
anderem vereinbarte Gütertrennung wirksam ausgeschlossen ist.
Die Beteiligten schlossen am 27. September 1996 vor dem Standesbeamten des Standesamts H.
miteinander die Ehe. Zuvor hatten sie mit notariellem Ehevertrag vom 29. August 1996
(Urkundenrolle Nr. ...9/1996 des Notars v. W., H.; Bl. 5 - 11 d.A.) umfassende Regelungen für
ihre künftige Ehe getroffen. Unter Ziffer II. (Ehevertragliche Regelungen) ist dort unter
anderem vereinbart:
a) Wir sind uns darüber einig, dass die von uns einzugehende Ehe für dauernd geschlossen und
zeitlich nicht beschränkt sein soll.
b) Nach der Eheschließung werden wir unseren Wohnsitz in H., Bundesrepublik Deutschland,
beibehalten.
c) Wir vereinbaren für unsere Ehe den Güterstand der Gütertrennung.
(...)
d) Ich, der Erschienene zu 1., ermächtige und bevollmächtige hiermit die Erschienene zu 2. als
zukünftige Ehefrau, sich durch Scheidung aus dem ehelichen Band zu befreien, wenn die
gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, insbesondere in Fällen des Gesetzes, falls
aa) der Ehemann eine andere Frau nimmt,
bb) der Ehemann länger als drei Monate abwesend ist,
cc) der Ehemann den Unterhalt für die Ehefrau nicht zahlt,
dd) der Ehemann die Ehefrau in einem Grade misshandelt, dass das eheliche Zusammenleben
unerträglich wird,
ff) der Ehemann die Ehefrau an der Ausübung eines standesgemäßen Berufs hindert.
e) Ich, der Erschienene zu 1., verpflichte mich hiermit, meiner zukünftigen Ehefrau eine
standesgemäße Morgengabe in Höhe von insgesamt 5.000,00 DM in zwei Teilen zu zahlen. Der
erste Teil ist bei der Eheschließung zu bezahlen, der zweite Teil ist bis zur Auflösung der Ehe
gestundet.
Unabhängig von diesem ziffernmäßig heute noch nicht festgelegten Betrag ist im Fall der
Auflösung der Ehe durch Tod des Ehemannes oder Ehescheidung eine Abstandssumme in
Höhe von 1.000,00 DM zu zahlen.
f) Ich, der Erschienene zu 1., verpflichte mich hierdurch für den Fall einer Scheidung meiner
Ehe mit der Erschienenen zu 2. aus meinem Verschulden, der Erschienenen zu 2. einen
standesgemäßen Unterhalt zu gewähren. Diese Verpflichtung soll eintreten, wenn der Ehemann
die Scheidung veranlasst oder die Ehefrau die Ehescheidung aus einem der gesetzlichen und
vorstehend vereinbarten in der Person des Ehemannes liegenden Gründe verlangt.
g) Wenn aus der Ehe Kinder hervorgehen, so hat im Falle ihrer Auflösung die Erschienene zu 2.
weiterhin das Sorgerecht für die Kinder. Die Kosten werden durch den Richter oder im
Einvernehmen der Parteien festgesetzt. Das Sorgerecht dauert für die Knaben mindestens
sieben Jahre, für Mädchen mindestens neun Jahre nach der Geburt.
h) Ich, der Erschienene zu 1., ermächtige hiermit die Erschienene zu 2. als meine zukünftige
Ehefrau, im Geschäftsleben sowie für alle Personenstands-, urkundlichen, Pass- und
registerlichen Zwecke ihren vorehelichen Familiennamen auch während der Ehe
weiterzuführen.
i) Ich, der Erschienene zu 1., ermächtige und bevollmächtige hierdurch die Erschienene zu 2. als
meine zukünftige Ehefrau unwiderruflich:
aa) einen ehrenhaften Beruf auszuüben,
bb) in der ehelichen Wohnung Besuch aus dem Ausland zu empfangen,
cc) jederzeit frei und ohne Beschränkung zu reisen und auszureisen sowie sich alle hierfür
erforderlichen Urkunden, Genehmigungen und Ausweispapiere selbständig und ohne
Zustimmung oder Genehmigung des Ehemannes zu beschaffen.
Unter Ziffer III. (Allgemeines) hatten die Beteiligten des Weiteren Folgendes vereinbart:
1. Sollten einzelne Bestimmungen dieses Ehevertrages unwirksam sein oder werden, so wird
davon die Wirksamkeit des übrigen Vertragsinhalts nicht berührt.
2. Wir, die Erschienenen zu 1. und 2., entbinden hierdurch den amtierenden Notar von jeder
Haftung aus Nicht- oder Falschanwendung anderen als Deutschen Rechts.
Seit dem 30. August 2018 leben die Beteiligten nunmehr durchgängig getrennt voneinander. Der
Scheidungsantrag des Antragstellers wurde der Antragsgegnerin am 25. Juli 2019 zugestellt
(Bl. 15 d.A.).
In dem vom Ehemann und Antragsteller am 19. Juli 2019 eingeleiteten Scheidungsverfahren
begehrt die Antragsgegnerin mit ihrer am 1. Februar 2021 anhängig gemachten Folgesache
Güterrecht im Wege des Stufenantrags derzeit zunächst die Verpflichtung des Antragstellers zur
Auskunftserteilung über sein Anfangsvermögen zum 27. September 1996, sein
Trennungsvermögen zum 30. August 2018 und sein Endvermögen zum 20. Juli 2019. Der
Antragsteller ist dem entgegengetreten unter Hinweis auf die ehevertraglich vereinbarte
Gütertrennung.
Mit Teilbeschluss vom 6. Oktober 2021 hat das Amtsgericht den Auskunftsantrag abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antragsgegnerin stehe ein Anspruch auf
Auskunftserteilung nicht zu, da ihr ein Anspruch auf Zugewinnausgleich aufgrund des notariell
vereinbarten Ausschlusses bereits dem Grunde nach nicht zustehe. Die im notariellen
Ehevertrag vom 29. August 1996 vereinbarte Gütertrennung einschließlich des Ausschlusses
jeglicher Ausgleichsansprüche am Vermögen des anderen Ehegatten halte einer Inhalts- und
Ausübungskontrolle stand. Dabei könne im Ergebnis dahinstehen, ob einzelne andere Klauseln
des Vertrages als unwirksam anzusehen seien, da hierdurch wegen der salvatorischen Klausel
unter Ziffer III.1 des notariellen Vertrages die Wirksamkeit im Übrigen nicht berührt werde.
Eine ausdrückliche Rechtswahl im Sinne von Art. 15 EGBGB habe unstreitig nicht
stattgefunden. Auch eine notariell beurkundete konkludente Rechtswahl, an deren Annahme im
Hinblick auf die weitreichenden Konsequenzen hohe Anforderungen zu stellen seien, liege hier
nicht vor. Der Vertrag enthalte nämlich auch explizite Vereinbarungen zu einzelnen
Rechtswirkungen der Ehe nach deutschem Recht, insbesondere zum Güterstand. Gerade die
gewählten Formulierungen unter Ziffer II Buchstabe c des notariellen Vertrags seien genau auf
die Wirkungen der §§ 1357,1365 und 1369 BGB sowie den seinerzeit noch bestehenden § 1370
BGB a.F. zugeschnitten. Den Ehegatten sei es mithin offensichtlich nicht um die Vereinbarung
der Anwendbarkeit einer bestimmten Rechtsordnung insgesamt gegangen, vielmehr hätten die
mit Blick auf den seinerzeitigen und künftigen Aufenthaltsort geltenden Regelungen gemäß den
individuellen und teils auch kulturell/religiös geprägten Vorstellungen angepasst werden sollen.
Für eine Festlegung auf libanesisches Recht spreche auch in subjektiver Hinsicht nach dem
Vorbringen der Beteiligten nichts. Dass dieses übereinstimmend hätte vereinbart werden sollen,
ergebe sich weder aus dem Vortrag des Ehemannes noch der Ehefrau im vorliegenden
Verfahren.
Die Antragsgegnerin werde durch die Annahme der Wirksamkeit der vereinbarten
Gütertrennung in der Gesamtschau auch nicht unangemessen benachteiligt. Die Modifikation
des Güterstandes wirkten nämlich in beide Richtungen. Auch die seitens der Antragsgegnerin
angesprochene Störung der Funktionsäquivalenz von Versorgungsausgleich und Zugewinn sei
nicht zwingend eine Frage der Unwirksamkeit der vertraglichen Vereinbarung, sondern könne
erforderlichenfalls über § 27 Versorgungsausgleichsgesetz gelöst werden. Sollte tatsächlich ein
Millionenvermögen an Immobilien auf Seiten des Antragstellers vorhanden sein und damit ein
erhebliches Vermögensgefälle bestehen, könne eine uneingeschränkte Durchführung des
Versorgungsausgleichs der Billigkeit widersprechen.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin,
die ihr erstinstanzliches Begehren, den Antragsteller zur Auskunftserteilung über den Stand
seines Anfangs-, Trennungs- und Endvermögens (letzteres inzwischen berichtigt auf
25. Juli 2019) weiterverfolgt. Die amtsgerichtliche Entscheidung verkenne den Gesamtcharakter
des vorliegenden Ehevertrags, den es auf die jeweiligen Einzelregelungen der Scheidungsfolgen
reduziert habe. Damit werde sie den Grundsätzen einer am objektiven Gehalt eines
Vertragswerks zu prüfenden Wirksamkeit nicht gerecht, da dieses nicht in seinem
Gesamtcharakter zugrunde gelegt worden sei. Wie in erster Instanz bereits ausgeführt, orientiere
sich der Ehevertrag an den libanesischen Vorschriften zur rechtlichen Gestaltung der künftigen
Ehe und beinhalte damit eine konkludente Rechtswahl des libanesischen Rechts. Eine solche sei
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Zeitpunkt des Abschlusses des
Ehevertrags möglich gewesen (BGH,
deutlich, dass in dem Ehevertrag die Voraussetzungen der Scheidung geregelt worden seien und
hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts eine davon und vom Verschulden des Antragstellers
an der Scheidung abhängige materielle Rechtsfolge in Bezug auf die Verpflichtung zur
Gewährung von nachehelichem Unterhalt bestimmt werde. Beide Regelungen enthielten ihrem
Grundgehalt nach libanesisches Recht. Dies setze sich an der Regelung der elterlichen Sorge für
gemeinsame Kinder fort. Hinzu kämen hier eine Berücksichtigung libanesischer
Formbestimmungen im Rahmen der bei einem deutschen Notar vorgenommene Beurkundung,
in dem der Beurkundungsvorgang von zwei vom Antragsteller gestellten Zeugen begleitet
worden sei, die sich ausdrücklich als Muslime bezeichneten, womit auch den Formvorgaben des
Heimatsrechts des Antragstellers habe Rechnung getragen werden sollen.
Selbst die Vereinbarung der Gütertrennung lasse nicht eindeutig auf deutsches Güterrecht
schließen, denn dann wäre von dem beurkundenden Notar die Vorschrift des § 1414 BGB
ausdrücklich zitiert worden, auf die er im Rahmen seiner Belehrungspflicht nach § 17
Beurkundungsgesetz hätte hinweisen müssen. Zudem hätte es einer Einzelregelung der
Befugnisse zur Verwaltung des Vermögens und zur Zuordnung geschenkten ererbten
Vermögens gar nicht bedurft. Vielmehr entspreche die getroffene Regelung auch insoweit in
wesentlichen Teilen den güterrechtlichen Regelungen des dem Antragsteller zuzuordnenden
sunnitischen Rechts libanesischer Prägung.
Unabhängig von der Wirksamkeit der bestehenden Rechtswahl werde diese aufgrund ihres
Gesamtgepräges dem Prüfungsmaßstab des ordre public nicht gerecht, denn die vereinbarten
Regelungen zur Gestaltung der ehelichen Beziehungen sowie zur Abwicklung der persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnisse im Falle der Auflösung der Ehe seien wegen ihrer
ausschließlichen Orientierung am libanesischen Recht in grundlegenden Fragen
gleichheitswidrig. Sie bezweckten vorrangig die Gestaltungsbefugnis des Ehemannes während
der Ehe und dessen einkommens- und vermögensrechtlichen Schutz im Fall der Auflösung und
verletzten deshalb elementar den Grundsatz der Gleichwertigkeit von Mann und Frau.
So beinhalte der Ehevertrag trotz einer im Verhältnis zu den grundlegenden Vorschriften des
libanesischen Rechts für die Antragsgegnerin verbesserten Rechtslage mit der Möglichkeit zur
Stellung eines Scheidungsantrags dennoch einen Verstoß gegen den Grundsatz eines
gleichberechtigten Rechtszugangs zur Ehescheidung. Denn die vertragliche Vereinbarung
beseitigen nicht die gemäß dem sunnitischen Recht bestehende Möglichkeit des Ehemannes,
durch eine einseitig erklärte und zudem voraussetzungslose Verstoßung der Ehefrau die
Auflösung der Ehe zu bewirken. Für die Antragsgegnerin bewirke die vertragliche Vereinbarung
hier, dass bei Geltendmachung eines Scheidungsgrundes im Sinne der Ziffer II Buchstabe d des
Ehevertrags durch die Ehefrau ein entsprechend vorgebrachter Scheidungsgrund gegebenenfalls
einer gerichtlichen Prüfung unterliege, während dies umgekehrt für den Ehemann nicht gelte.
Bestätigt werde dies auch durch die Verwendung der Begriffe "Ermächtigung" und
"Bevollmächtigung" durch den Ehemann nach den Einzelregelungen unter Buchstaben d.aa bis
ff, die ebenfalls die Einseitigkeit des Rechtszugangs zur Auflösung der Ehe belegten.
Der gleichheitswidrige Kern des Ehevertrags äußere sich auch in einer unmittelbaren
Benachteiligung der Ehefrau in Bezug auf die Geltendmachung nachehelichen
Ehegattenunterhalts, der ausschließlich im Falle des festgestellten Verschuldens des Ehemannes
gewährt werden solle. Gleiches gelte in Bezug auf die elterliche Sorge für gemeinsame Kinder,
wonach die Sorgerechtsbefugnis nur bis zu einem begrenzten Lebensalter der minderjährigen
Kinder von der Ehefrau wahrgenommen werden könne. Diese Regelung richte sich nach den
sunnitischen Rechtsvorstellungen, wie sie in der Familienrechtsordnung für die sunnitischen
Gerichte ihren Niederschlag gefunden hätten. Sie beinhalteten eine unmittelbare
Benachteiligung der Mutter und Ehefrau und stellten eine abstrakte Diskriminierung aufgrund
des Geschlechts eines Ehegatten dar. Dadurch werde Art. 3 Abs. 2 und 3 i.V. mit Art. 6 Abs. 2
Grundgesetz verletzt. Auch die übrigen Bestimmungen des Ehevertrags seien von einem
gleichheitswidrigen Verständnis der Ehewirkungen geprägt, wenn etwa der Ehemann die
Ehefrau ermächtige, ihren Namen während der Ehe weiterzuführen, und sie bevollmächtige,
einen ehrenhaften Beruf auszuüben und sich jederzeit frei bewegen zu können.
Damit sei der Ehevertrag hinsichtlich sämtlicher Regelungen unter Buchstaben a bis j wegen
Verstoßes gegen den ordre public nicht wirksam, da insbesondere die gleichheitswidrigen
Regelungen des Ehevertrags sämtliche seiner Bestimmungen erfassten. Dieser stelle daher ein
einheitliches Rechtsgeschäft im Sinne von § 139 BGB dar. Die unter Ziffer III.1 enthaltene
salvatorische Klausel könne den übergeordneten Unwirksamkeitsgrund eines
Grundrechtsverstoßes, der in der Unvereinbarkeit mit dem ordre public liege, nicht beseitigen.
Nach der neueren Rechtsprechung des BGH (
9. Juli 2008,
vor, da dieser aufgrund einer Gesamtwürdigung als sittenwidrig anzusehen sei, wenn er
insgesamt zu einer einseitigen Benachteiligung eines Ehegatten führe.
Der Antragsteller tritt der Beschwerde entgegen und beantragt, diese zurückzuweisen. Gemäß
Art. 15 i.V. mit Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB a. F. sei hier deutsches Güterrecht anwendbar. Da
das Güterrechtstatut unwandelbar sei, habe das spätere Inkrafttreten der Rom-III-Verordnung
keine Auswirkungen. Die von den Beteiligten vereinbarte Gütertrennung sei danach wirksam.
Beide Ehegatten hätten sich bei Abschluss des Ehevertrags vor der Eheschließung in keiner
Drucksituation befunden und den Ehevertrag aus freien Stücken abgeschlossen, weil sie der
Auffassung gewesen seien, dass die Regelungen ihrem Wunsch nach Gestaltung der ehelichen
Lebensverhältnisse und Abwicklung der Folgen im Falle einer Scheidung entsprechen sollten.
Auch nach der Kernbereichslehre des Bundesgerichtshofs in seinem Grundsatzurteil vom
11. Februar 2004 sei zunächst die Vertragsfreiheit hervorzuheben. Danach sei es den Ehegatten
freigestellt, die gesetzlichen Regelungen über den Zugewinn, den nachehelichen
Ehegattenunterhalt und den Versorgungsausgleich vertraglich zu regeln und gegebenenfalls auch
auszuschließen. Die Grenze der Vertragsfreiheit sei erst dort zu ziehen, wo die vereinbarte
Lastenverteilung der individuellen Gestaltung der ehelichen Lebenswelten in keiner Weise mehr
gerecht werde, weil sie evident einseitig sei und für den belasteten Ehegatten bei verständiger
Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheine. Maßstab sei dabei, wie weit durch den
Ehevertrag in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingegriffen werde. Das Güterrecht
gehöre danach jedoch nicht zum Kernbereich der Scheidungsfolgen und sei einer Abänderung
daher am weitesten zugänglich. Die Antragsgegnerin habe ihn geheiratet, obwohl er seinerzeit
ein vermögensloser Flüchtling gewesen sei. Sie komme aus einer vermögenden Familie und habe
damit absichern wollen, dass er an diesem Vermögen nicht partizipieren solle. Daher sei die
Gütertrennung vereinbart worden.
Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass eine Rechtswahl weder ausdrücklich noch
konkludent getroffen worden sei. Für die Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl sei
bereits deshalb kein Raum, weil der Ehevertrag notariell beurkundet worden sei und der
beurkundende Notar als außerordentlich gewissenhaft bekannt sei, der seine Amtspflichten
ausfülle. Aufgrund der notariellen Belehrung- und Erforschungspflichten sei es ausgeschlossen,
dass im Rahmen der notariellen Beurkundung eine Rechtswahl nicht ausdrücklich vereinbart
werde, wenn dies dem Wunsch der Beteiligten entspreche.
Hilfsweise sei der Vertrag jedoch auch nach libanesischem Recht wirksam, da auch dieses die
Gütertrennung kenne. Im Übrigen hätte die Vereinbarung der Gütertrennung selbst bei
Unwirksamkeit anderer Bestandteile des Ehevertrags hier weiterhin Bestand.
Der Senat hat mit den Beteiligten am 5. Mai 2022 mündlich verhandelt. Am 6. Juli 2022 hat er
auf diese mündliche Verhandlung hin einen Hinweisbeschluss erlassen, mit dem er darauf
hingewiesen hat, dass die Beschwerde der Antragsgegnerin zulässig und nach derzeitigen Stand
voraussichtlich auch erfolgreich sein dürfte, da der zwischen den Beteiligten geschlossene
Ehevertrag vom 29. August 1996 nach derzeitiger Beurteilung durch den Senat insgesamt und
damit auch hinsichtlich der darin unter anderem vereinbarten Gütertrennung unwirksam sein
dürfte. Zugleich wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass auch im Falle einer Stattgabe
hinsichtlich des Auskunftsantrags lediglich die Auskunftsverpflichtung des Antragstellers in
Rechtskraft erwachsen würde, nicht jedoch die lediglich in den Gründen der noch zu
erlassenden Endentscheidung auszuführende rechtliche Begründung hierfür. Denn weder
erstrecke sich die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung auch auf deren
Entscheidungsgründe, noch enthalte eine Entscheidung über eine Auskunft etwa eine rechtlich
bindende Feststellung zum Grund des Leistungsanspruchs (Zöller-Greger, ZPO, 34. Auflage,
§ 254 Rn. 10). Damit würde jedoch die zwischen den Beteiligten bis zuletzt streitig gebliebene
Rechtsfrage, ob der Ehevertrag vom 29. August 1996 teilweise oder in vollem Umfang
unwirksam sei, noch keiner rechtsverbindlichen und damit abschließenden Klärung zugeführt.
Darin zeige sich zugleich, dass es sich bei dem angefochtenen (Teil-)Beschluss des Amtsgerichts
vom 6. Oktober 2021 bei Lichte betrachtet um eine insoweit unzulässige Teilentscheidung
handele, als darin - trotz Annahme einer Wirksamkeit der ehevertraglich vereinbarten
Gütertrennung und infolgedessen eines wirksamen Ausschlusses von
Zugewinnausgleichsansprüchen überhaupt - lediglich der Auskunftsanspruch abgewiesen
worden sei. Wenn nämlich, wie hier, die Rechtsgrundlage des Leistungsanspruchs, dessen
späterer Bezifferung der im Wege des Stufenantrags zunächst zur Entscheidung gestellte
Auskunftsanspruch dienen solle, streitig sei, mit der Entscheidung auf der Auskunftsstufe
jedoch nicht zugleich eine rechtskräftige Feststellung zum streitigen Grund des
Leistungsanspruchs erfolge, bestehe die Möglichkeit von dessen abweichender Beurteilung auf
den weiteren Stufen (BGH, Urteil vom 27. November 1998 - V ZR 180/97 -
[Rn. 8]; OLG Celle, Beschluss vom 19. August 2022 - 10 UF 186/14 -
Um dies zu vermeiden, bestehe die Möglichkeit, im Rahmen des vorliegenden
Beschwerdeverfahrens im Wege einer Zwischenfeststellungsentscheidung die Frage der
Wirksamkeit des Ehevertrags verbindlich zu klären; die Zulässigkeit eines diesbezüglichen
Feststellungsantrags (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 254 ZPO) neben dem Auskunftsantrag sei hier zu
bejahen. So könne durch den Senat sowohl die Zwischenfeststellung getroffen und zugleich die
beantragte Auskunftsverpflichtung ausgesprochen werden. Einer Aufhebung und
Zurückverweisung an das Amtsgericht bedürfe es hierfür nicht.
Die Antragsgegnerin beantragt daraufhin nunmehr zunächst,
festzustellen, dass der am 29. August 1996 zur UR-Nr. ...9/1996 geschlossene und von dem
Notar v. W. beurkundete Ehevertrag der Beteiligten unwirksam sei.
Der Antragsgegner beantragt,
den Zwischenfeststellungsantrag zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass im Falle einer Zulassung des vorgenannten
Zwischenfeststellungsantrags in zweiter Instanz der Rechtsweg hierfür zu seinen Ungunsten
verkürzt werde. Bei einer Stattgabe könne daher lediglich der angefochtene Beschluss des
Amtsgerichts aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen werden. Im
Übrigen bleibe er weiterhin bei seiner Auffassung, dass der Zugewinnausgleich durch den
geschlossenen notariellen Ehevertrag wirksam ausgeschlossen sei. Er habe seinerzeit den Notar
nicht selbst ausgesucht. Auch sei der gesamte Inhalt der Vertragsurkunde so vorgegeben
worden. Er selbst sei gar nicht in der Lage gewesen, Text vorzugeben oder zu gestalten. Zudem
beinhalte der Vertrag mit Ausnahme der Vereinbarung der Gütertrennung lediglich die
Antragsgegnerin bevorzugende Klauseln. Eine einseitige, unzumutbare Lastenverteilung zulasten
der Antragsgegnerin liege daher nicht vor. Gerade die Gütertrennung sei nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 21. Dezember 2012 - XII ZR 48/11) einer
Vereinbarung durch Ehevertrag im Hinblick auf die nachrangige Bedeutung des
Zugewinnausgleichs im System des Scheidungsfolgenrechts am weitesten zugänglich. Die darin
aufgenommene Klausel zur Gütertrennung entspreche der geltenden Rechtslage; insbesondere
sei keine Modifikation nach muslimischen Wertevorstellungen vorgenommen worden.
Schließlich sei der Ehevertrag seinerzeit auch ohne eine Drucksituation für die Antragsgegnerin
und aus freien Stücken heraus geschlossen worden.
Weil die Sache grundsätzliche Bedeutung habe und es zur Rechtsfortbildung notwendig sei,
müsse ggf. die Rechtsbeschwerde zugelassen werden. Da der Vertragstext des notariellen
Ehevertrags einem Formulierungsvorschlag des Bundesverwaltungsamts zu Eheverträgen mit
muslimischem Einschlag entspreche und zudem verschiedene obergerichtliche Entscheidungen
sich mit derartigen Verträgen bereits befasst hätten (z.B. OLG Hamm, Beschluss vom
22. April 2016 - 3 UF 262/15; ähnlich auch OLG Köln, Urteil vom 23. März 2006 - 21 UF
144/05, sowie Beschluss vom 5. November 2015 - 21 UF 32/15, und AG München, Beschluss
vom 10. August 2018 - 527 F 12575/17, alle jeweils zur Vereinbarung einer Morgengabe), habe
die Sache auch grundsätzliche Bedeutung und sei eine Zulassung der Rechtsbeschwerde auch für
die Fortbildung des Rechts erforderlich. Zudem habe der Bundesgerichtshof in seiner
vorgenannten Entscheidung vom 21. Dezember 2012 auch deutlich gemacht, dass die
Vereinbarung von Gütertrennung nicht per se unwirksam sei und dass selbst bei Annahme der
Nichtigkeit einzelner Klauseln eine im Vertrag aufgenommene salvatorische Klausel nicht von
vornherein unbeachtlich sein müsse.
Mit Schriftsatz vom 18. Juli 2022 hat der Antragsteller darüber hinaus dem ehemaligen Notar v.
W. den Streit verkündet mit der Aufforderung, dem Rechtsstreit auf seiner Seite beizutreten.
Der ehemalige Notar v. W. hat über seine Verfahrensbevollmächtigte Akteneinsicht genommen;
eine Erklärung über einen etwaigen Beitritt ist bislang nicht erfolgt.
II.
1. Die Beschwerde ist nach §§ 58 ff. FamFG zulässig, insbesondere form- und fristgerecht
eingelegt und gegenüber dem Senat begründet worden.
2. Der im Verlauf des Beschwerdeverfahrens von der Antragsgegnerin zusätzlich gestellte
Zwischenfeststellungsantrag ist ebenfalls zulässig, denn die besonderen
Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 256 Abs. 2 ZPO i.V. mit § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG sind
erfüllt. Dieser setzt ein im Laufe des Verfahrens streitig gewordenes Rechtsverhältnis voraus,
von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum
Teil abhängt. Ein solches für die Entscheidung über das Bestehen des
beschwerdegegenständlichen Auskunftsanspruchs der Antragsgegnerin nach
vorgreifliches Rechtsverhältnis ist hier in Gestalt des notariellen Ehevertrags der Beteiligten vom
29. August 1996 gegeben. Von der Wirksamkeit der darin vereinbarten Gütertrennung hängt ab,
ob der Antragsgegnerin ein solcher güterrechtlicher Auskunftsanspruch zusteht.
Die Wirksamkeit der vereinbarten Gütertrennung hat das Amtsgericht mit seiner angefochtenen
Teilentscheidung vom 6. Oktober 2021 bejaht und daraufhin den im Rahmen des Stufenantrags
der Antragsgegnerin zur Folgesache Zugewinnausgleich gestellten Auskunftsantrag abgewiesen.
Wie der Senat in seinem Hinweisbeschluss vom 6. Juli 2022 bereits ausgeführt hat, erweist sich
die angefochtene Entscheidung damit jedoch insoweit als eine unzulässige Teilentscheidung, als
- trotz Annahme einer Wirksamkeit der ehevertraglich vereinbarten Gütertrennung und
infolgedessen eines wirksamen Ausschlusses von Zugewinnausgleichsansprüchen überhaupt -
lediglich der Auskunftsanspruch abgewiesen wurde. Wenn nämlich, wie hier, die
Rechtsgrundlage des Leistungsanspruchs, dessen späterer Bezifferung der im Wege des
Stufenantrags zunächst zur Entscheidung gestellte Auskunftsanspruch dienen soll, streitig ist,
mit der Entscheidung auf der Auskunftsstufe jedoch nicht zugleich eine rechtskräftige
Feststellung zum streitigen Grund des Leistungsanspruchs erfolgt, besteht die Möglichkeit von
dessen abweichender Beurteilung auf den weiteren Stufen (BGH, Urteil vom
27. November 1998 - V ZR 180/97 - juris, Rn. 8 =
19. August 2022 - 10 UF 186/14 -
Eine Teilentscheidung darf hingegen nur erlassen werden, wenn die Gefahr widersprechender
Entscheidungen, auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht,
ausgeschlossen ist. Im Rahmen des § 301 ZPO soll eine unterschiedliche Beurteilung von
bloßen Urteilselementen, die nicht in Rechtskraft erwachsen, ausgeschlossen sein. Ein Teilurteil
ist daher unzulässig, wenn es eine Frage entscheidet, die sich im weiteren Verfahren über die
anderen Ansprüche noch einmal stellen kann (BGH, Urteil vom 13. April 2000 - I ZR 220/97 -
28. November 2002 - VII ZR 270/01 -
250). So liegt der Fall angesichts der Möglichkeit unterschiedlicher Beurteilungen der
Wirksamkeit des Ehevertrags oder zumindest der darin vereinbarten Gütertrennung in den
jeweiligen Teilentscheidungen in der Auskunftsstufe einerseits und gegebenenfalls der
Leitungsstufe andererseits.
Diese Gefahr sich widersprechender Teilentscheidungen kann verfahrensrechtlich dadurch
ausgeschlossen werden, dass über die betreffende Vorfrage eine
Zwischenfeststellungsentscheidung gemäß § 256 Abs. 2 ZPO ergeht (BGH, Urteil vom
28. November 2002 - VII ZR 270/01 -
Urteil vom 26. April 2012 - VII ZR 25/11 -
und Zöller-Feskorn, ZPO, 34. Auflage, § 301 Rn. 15 sowie Zöller-Heßler, a.a.O., § 525 Rn. 8,).
Diese kann auch noch in der Berufungs- bzw. Beschwerdeinstanz auf entsprechend dahin
erweiterten Antrag hin ergehen (Zöller-Heßler, a.a.O., § 525 Rn. 8), wie hier seitens der
Antragsgegnerin auch beantragt. Eine unzulässige Verkürzung des Instanzenzuges liegt darin,
angesichts der Tatsache, dass die Wirksamkeit der in dem Ehevertrag vereinbarten
Gütertrennung schon in erster Instanz die entscheidende, zwischen den beteiligten Ehegatten
umstrittene Rechtsfrage war, nicht. Einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht
bedarf es daher nicht.
3. Der Zwischenfeststellungsantrag der Antragsgegnerin ist auch begründet. Der Ehevertrag der
Beteiligten vom 29. August 1996 ist insgesamt unwirksam.
a. Die Unwirksamkeit des Ehevertrags ergibt sich indes nicht, wie die Antragstellerin meint,
wegen eines Verstoßes gegen die Öffentliche Ordnung (ordre public) nach Art. 6 EGBGB.
Danach ist eine Rechtsnorm eines anderen Staates dann nicht anzuwenden, wenn ihre
Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen
Rechts offensichtlich unvereinbar ist, was insbesondere dann der Fall ist, wenn die Anwendung
dieser Rechtsnorm mit den Grundrechten unvereinbar ist. Art. 6 EGBGB setzt damit zunächst
voraus, dass hinsichtlich der Bestimmungen des Ehevertrags ausländisches Recht, d.h. die
Rechtsordnung eines bestimmten anderen Staates, anwendbar wäre. Daran fehlt es im
vorliegenden Fall jedoch.
aa. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin haben die Beteiligten in dem vorgenannten
Ehevertrag keine stillschweigende Rechtswahl dahingehend getroffen, dass sie die
Rechtsordnung eines bestimmten ausländischen Staates, hier der Libanesischen Republik
(Libanon), für anwendbar erklärt hätten.
(1) Zwar war eine solche Rechtswahl, soweit es die Gütertrennung betrifft, zum Zeitpunkt des
Abschlusses des Ehevertrags nach der damals geltenden diesbezüglichen Bestimmung des
deutschen Internationalen Privatrechts (Art. 15 Abs. 2 EGBGB in der bis zum 28. Januar 2019
geltenden Fassung (a.F.) vom 21. September 1994) zulässig. Ungeachtet des zwischenzeitlichen
Inkrafttretens der Verordnung (EU) Nr. 2016/1103 des Rates vom 24. Juni 2016 zur
Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des
anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in
Fragen des ehelichen Güterstands (EuGüVO) bleibt Art. 15 Abs. 2 EGBGB a.F. gemäß der
Übergangsvorschrift des Art. 229 § 47 Abs. 2 EGBGB vorliegend für die Bestimmung des
maßgeblichen Güterrechts der Beteiligten weiterhin anwendbar, da die Ehe der Beteiligten vor
dem 29. Januar 2019 geschlossen wurde und die Beteiligten auch nach diesem Zeitpunkt keine
Rechtswahl mehr getroffen haben.
Demnach konnten die Ehegatten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages für die
güterrechtlichen Wirkungen ihrer Ehe unter anderem das Recht des Staates wählen, dem einer
von ihnen angehört (Art. 15 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB a.F.), also auch das Recht des Staates
Libanon.
(2) Für die Beurteilung des maßgeblichen, auf die Ehescheidung selbst anzuwendenden
nationalen Rechts gilt für seit dem 21. Juni 2012 eingeleitete Scheidungsverfahren gemäß
Art. 229
Artikels 17 EGBGB die Verordnung (EG) Nummer 1259/2010 des Rates vom
20. Dezember 2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf
die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (sog.
Rom-III-VO). Nach dessen Art. 5 Abs. 1 Buchstabe c können die Ehegatten nunmehr das auf
die Ehescheidung anzuwendenden Recht durch Vereinbarung bestimmen, sofern es sich dabei
um das Recht des Staates handelt, dessen Staatsangehörigkeit einer der Ehegatten zum
Zeitpunkt der Rechtswahl besitzt. Danach hätten die Beteiligten hier das libanesische Recht für
eine Scheidung ihrer Ehe wählen können.
(3) Für die Anknüpfung des Unterhaltsstatuts gilt für Fälle, in denen nachehelicher
Ehegattenunterhalt für einen Zeitraum nach dem 18. Juni 2011 geltend gemacht wird, das
Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom
23. November 2007 (HUntProt; vgl. Art. 15 der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates über
die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von
Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen vom 18. Dezember 2008
(EuUntVO)). Auch Art. 8 HUntProt sieht die Möglichkeit einer Rechtswahl vor, bei der auch
das Recht eines Staates gewählt werden kann, dem eine der Parteien im Zeitpunkt der
Rechtswahl angehört (Art. 8 Abs. 1 Buchstabe a HUntProt), also neben dem deutschen
wiederum auch das libanesische Recht.
(4) Unbeschadet der Frage, ob Art. 5 Rom-III-VO auch auf Fälle Anwendung findet, in denen
die Rechtswahl bezüglich des anzuwendenden Scheidungsrechts vor dem 21. Juli 2012 erfolgt ist
(bejaht von OLG Hamm, Beschluss vom 22. April 2016 - II-3 UF 262/15 - FamRZ 2016,1926)
sowie insbesondere hinsichtlich der hier vereinbarten Gütertrennung liegt eine stillschweigende
Rechtswahl der Beteiligten jedoch tatsächlich nicht vor. Aus Sicht des Senats sind weder in
Ziffer II Buchstabe c des Ehevertrags noch in dessen übrigen Regelungen hinreichend
eindeutige Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass vorliegend für die Ehe der Beteiligten die
Geltung libanesischen Rechts hätte vereinbart werden sollen. Die Vereinbarung der
Gütertrennung ist auch unter Geltung deutschen Familienrechts eine in Eheverträgen häufig
anzutreffende Regelung, von der sich die hier unter Ziffer II Buchstabe c des Ehevertrags
vorgenommene inhaltlich in keiner Weise unterscheidet.
Die übrigen Bestimmungen des Ehevertrags unterscheiden sich zwar erheblich von dem
Regelungsgehalt der Gesetzesbestimmungen des BGB betreffend die Ehescheidung und die
Scheidungsfolgen. Sie entsprechen inhaltlich vielmehr unzweideutig maßgeblich den
Vorstellungen des islamischen Kulturkreises in Bezug auf Ehe und Familie, wie der von dem
Antragsgegner im Beschwerdeverfahren vorgelegten Veröffentlichung "Islamische Eheverträge"
des Bundesverwaltungsamts (Bd. II Bl. 148 - 258 UA GÜ) zu entnehmen ist. Dem dort unter
Ziffer 7.1 wiedergegebenen Mustertext (Bd. II Bl. 181 ff. UA GÜ) entspricht der Ehevertrag der
Beteiligten vom 29. August 1996 weitestgehend. Auch wurde dieser Ehevertrag ausdrücklich im
Beisein zweier volljähriger männlicher Zeugen muslimischen Glaubens abgeschlossen, wie es
den Formerfordernissen vieler islamisch geprägter Staaten entspricht. Nicht zuletzt deutet auch
die in Ziffer III. 2 des Ehevertrags aufgenommene Freistellung des Notars von jeglicher
Haftung aus "Nicht- oder Falschanwendung anderen als des Deutschen Rechts" darauf hin, dass
die Beteiligten möglicherweise von einer Anwendbarkeit ausländischen Rechts ausgegangen sind
oder diese zumindest für möglich hielten.
Für eine Rechtswahl im Sinne der vorgenannten Bestimmungen des EGBGB reicht dies jedoch
noch nicht aus. Denn es fehlt eine eindeutige Bezugnahme auf die Rechtsordnung eines
bestimmten Staates, hier des Libanon. Auch eine konkludente Rechtswahl genauso wie eine
ausdrückliche Rechtswahl setzt einen kollisionsrechtlichen Rechtswahlwillen gerade für die
betreffenden Regelungsgegenstände und die Einhaltung der Ehevertragsform voraus. Die
Ehegatten müssen objektiv Handlungen vornehmen, die den Schluss auf eine Rechtswahl
zulassen; subjektiv müssen sie die Umstände, die den Schluss auf einen Rechtsfolgewillen
begründen, kennen oder müssen zumindest erkennen, dass ihre jeweilige Äußerung nach Treu
und Glauben oder der Verkehrssitte als Rechtswahl aufgefasst werden darf und vom jeweiligen
Empfänger auch so verstanden wird (Staudinger-Mankowski, Neubearbeitung 2010, Art. 14
EGBGB, Rn. 143; BayObLG
103, 107 f). Von einer konkludenten ehewirkungsrechtlichen Rechtswahl ist daher nur dann
auszugehen, wenn der Abschluss des Ehevertrags eindeutig auf der Basis eines bestimmten
Rechts erfolgt und auch die allgemeinen Ehewirkungen und nicht nur das Ehegüterrecht betrifft
(Staudinger-Mankowski, a.a.O.;
Dass diese Voraussetzungen hier erfüllt wären, ist vorliegend nicht mit der erforderlichen
Deutlichkeit zu erkennen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Beteiligten mit Abschluss
ihres Ehevertrags die (ihre vertraglichen Bestimmungen gegebenenfalls ergänzende) Geltung
gerade des libanesischen Familienrechts insgesamt hätten vereinbaren wollen. Auch dem vom
Antragsgegner vorgelegten Formulierungsvorschlag des Bundesverwaltungsamts in der
Veröffentlichung "Islamische Eheverträge" ist zu entnehmen, dass der dort unter Ziffer 7.1
wiedergegebene Mustertext, dem der im vorliegenden Verfahren zugrundeliegende notarielle
Vertrag weitestgehend entspricht, für eine Eheschließung mit einem ägyptischen, syrischen oder
jordanischen Mann und für den Fall entworfen wurde, dass das eheliche Zusammenleben (auch)
im Heimatland des Mannes stattfinden solle (siehe Anmerkung S. 39, Bd. II Bl. 186 UA GÜ).
Weder dem dortigen Mustertext noch den hier zu beurteilenden Bestimmungen des Ehevertrags
der Beteiligten sind eindeutige Hinweise auf eine Orientierung gerade am libanesischen Recht zu
entnehmen.
bb. Nach den vorstehend genannten maßgeblichen gesetzlichen Anknüpfungsbestimmungen ist
auf den vorliegenden Ehevertrag der Beteiligten vielmehr insgesamt deutsches Sachrecht
anzuwenden. Für die vereinbarte Gütertrennung gilt dies gemäß Art. 15 Abs. 2 a.F. i.V.m. 14
Abs. 1 Nr. 2 a.F., 229 § 47 Abs. 2 EGBGB, weil zu dem danach maßgeblichen Zeitpunkt der
Eheschließung beide Beteiligten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik
Deutschland hatten.
Auch auf die Ehescheidung selbst findet hier in Ermangelung einer gültigen Rechtswahl nach
der gesetzlichen Anknüpfung (Art. 8 Rom-III-VO) deutsches Scheidungsrecht Anwendung, da
auch zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts, also der Einleitung des Scheidungsverfahrens
am 19. Juli 2019, beide Beteiligten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik
Deutschland hatten.
Das auf den nachehelichen Ehegattenunterhalt anzuwendende Sachrecht bestimmt sich nach
hier also die Antragsgegnerin, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, womit ebenfalls deutsches
Sachrecht anzuwenden ist.
cc. (1) Nach dem somit hier anzuwendenden deutschen Sachrecht unterliegen Eheverträge,
soweit es darin enthaltene Vereinbarung über die Scheidungsfolgen betrifft, jedoch nach
heutiger Rechtsprechung (seit BGH, Urteil vom 11. Februar 2004 - XII ZR 265/02 - BGHZ
158, 81-110 =
ZR 296/01 -
2009 - XII ZB 94/06 -
Ausübungskontrolle (§ 242 BGB). Im Rahmen der zunächst vorzunehmenden
Wirksamkeitskontrolle ist zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres
Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den
Scheidungsfall führt, dass ihr - und zwar losgelöst von der zukünftigen Entwicklung der
Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die
Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre
Stelle die gesetzlichen Regelungen treten (
(2) Soweit es Vereinbarungen über die Voraussetzungen der Ehescheidung selbst betrifft, gilt
darüber hinaus ohnehin, dass die dafür - bei Anwendbarkeit des deutschen Scheidungsrechts -
geltenden gesetzlichen Bestimmungen der §§ 1564 ff. BGB wegen der darin enthaltenen
Ausformung der negativen Eheschließungsfreiheit (Art. 6 GG) nicht disponibel, also einer
anderweitigen vertraglichen Vereinbarung dahingehend zugänglich sind, dass das
Scheidungsrecht eines der Ehegatten ausgeschlossen wird (BGH, Urteil vom 9. April 1986 - IVb
ZR 32/85 -
zugrunde liegenden Bild der "verweltlichten" bürgerlich-rechtlichen Ehe gehört es, dass
Ehegatten unter den vom Gesetz normierten Voraussetzungen geschieden werden können
(BGH a.a.O.; vgl. auch BVerfG, Entscheidungen vom 4. Mai 1971 - 1 BvR 636/68, BVerfGE
31, 58, 82 f, und vom 28. Februar 1980 - 1 BvL 136/78 -
Abs. 1 GG gewährleistet den Ehegatten auch das Recht, nach Eintritt der gesetzlichen
Scheidungsvoraussetzungen geschieden zu werden und damit ihre Eheschließungsfreiheit
wiederzuerlangen (BGH, Urteile vom 9. April 1986 - IVb ZR 32/85 -
vom 14. Juni 1978 - IV ZR 167/77 -
Ehescheidung ist daher sowohl nach
Fischinger/Hengstberger, BGB, Neubearbeitung 2021, § 134, Rn. 339) als auch nach § 134 BGB
nichtig, denn die Vorschriften der
enthalten zwingendes Recht im Sinne des § 134 BGB, als die Ehegatten die Scheidung ihrer Ehe
nicht ausschließen können und es ihnen auch verwehrt ist, der Scheidung einer gescheiterten
Ehe aus anderen als den dort genannten Gründen zu widersprechen
(Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger- Nassall, jurisPK-BGB, 9. Auflage, § 134
BGB (Stand: 18.05.2020), Rn. 92).
Gemessen daran sind die von den Beteiligten hier in Ziffer II Buchstabe d des Ehevertrags
vereinbarten Regelungen über die Voraussetzungen, unter denen die Antragsgegnerin die
Scheidung verlangen kann, als gemäß §§ 134 und 138 BGB in Verbindung mit Artikel 6 Abs. 1
GG unwirksam anzusehen. Denn sie schränken die danach lediglich vorgesehenen rechtlichen
Möglichkeiten der Antragsgegnerin, die Scheidung zu beantragen, in einem Maße ein, dass dies -
vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses aus betrachtet - zu einem teilweisen Ausschluss ihres
Scheidungsrechts führt. Zwar enthält die vorgenannte Vereinbarung auch einen Bezug auf "die
gesetzlichen Voraussetzungen". Durch den unmittelbar nachfolgenden Zusatz "insbesondere in
Fällen des Gesetzes, falls" wird dieser Verweis auf die gesetzlichen Voraussetzungen jedoch
sogleich erheblich eingeschränkt, indem die dort unter Buchstaben aa) bis ff) aufgezählten
Gründe angeführt werden. Aus Sicht des Senats handelt es sich hierbei um eine abschließende
Aufzählung dahingehend, dass zusätzlich zu den gesetzlichen Voraussetzungen noch einer der
dort aufgezählten Gründe hinzukommen muss. Dieses Auslegungsergebnis wird auch gestützt
durch die sich hieran anlehnende Vereinbarung unter Ziffer II Buchstabe f zum nachehelichen
Ehegattenunterhalt, in dessen Satz 2 für das Entstehen eines solchen Anspruchs vorgesehen ist,
dass der Ehemann die Scheidung veranlasst oder die Ehefrau die Ehescheidung aus einem der
gesetzlichen und vorstehend vereinbarten in der Person des Ehemannes liegenden Gründe
verlangt. Auch hier wird die nach dem Vertragstext als kumulativ verstandene Verknüpfung der
gesetzlichen mit den vertraglich vereinbarten Voraussetzungen deutlich.
Der nach dem heutigen deutschen Scheidungsrecht einzige gesetzliche Scheidungsgrund des §
1565 Abs. 1 BGB, die Zerrüttung der Ehe, findet sich unter den in Ziffer II Buchstabe d,
Buchstaben aa) bis ff) aufgezählten Gründen jedoch nicht. Einzig der unter dd) genannte Grund
der Unerträglichkeit des ehelichen Zusammenlebens deutet in diese Richtung, setzt jedoch
voraus, dass diese durch eine erhebliche (körperliche) Misshandlung der Ehefrau durch den
Ehemann bedingt ist, und ist damit erheblich enger, als die gesetzliche Regelung des § 1565
Abs. 1 BGB. Die ehevertragliche Regelung unter Ziffer II Buchstabe d steht daher in einem
erheblichen Widerspruch zur gesetzlichen Scheidungsregelung der §§ 1565 ff. BGB, wodurch
die Scheidung für die Antragsgegnerin im Falle der Maßgeblichkeit der vertraglichen Regelung
rechtlich erschwert und für den Fall einer Zerrüttung der Ehe, ohne dass die Voraussetzungen
des Buchstaben d, aa) bis ff) vorliegen, ausgeschlossen würde.
Hinzu kommt, dass für den Antragsteller diese Voraussetzungen nicht gelten, womit ein
gleichwertiger Zugang zum Scheidungsverfahren nicht für beide Ehegatten gewährleistet ist. Ob
die Beteiligten bei Vertragsschluss davon ausgegangen sind, dass dem Mann das Recht der
Verstoßung der Ehefrau etwa nach islamischen Rechtsgrundsätzen auch ohne eine Regelung im
Ehevertrag zustehen sollte, kann hier dahinstehen, da die Regelung nach den vorstehenden
Ausführungen ohnehin keine Wirksamkeit entfaltet.
Ferner garantiert die vorgenannte Vereinbarung der Ehegatten nicht, dass das nach deutschem
Scheidungsrecht grundsätzlich erforderliche Trennungsjahr (§ 1566 Abs. 1 BGB) eingehalten
wird, bevor von einem der Ehegatten ein Scheidungsantrag eingereicht wird.
(3) Gleiches gilt für die Vereinbarung der Beteiligten unter Ziffer II Buchstabe f betreffend den
Nachehelichen Ehegattenunterhalt: Auch hier besteht eine erhebliche Schlechterstellung der
Antragsgegnerin gegenüber der gesetzlichen Lage nach den
nachehelicher Ehegattenunterhaltsanspruch hier von einem Verschulden des Antragstellers an
der Ehescheidung oder einem von ihm zu vertretenden Grund abhängig gemacht wurde. Eine
solche Voraussetzung ist seit dem Inkrafttreten der Eherechtsreform durch das 1. EheRG im
Jahr 1977 dem deutschen Ehegattenunterhaltsrecht fremd. Zugleich liegt insoweit auch eine
evident einseitige und für die Antragsgegnerin unzumutbare Lastenverteilung im Sinne der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit der Entscheidung vom 11. Februar 2004 - XII ZR
265/02 -
unter Ziffer II Buchstabe d, aa) bis ff) aufgeführten und für das Bestehen eines nachehelichen
Ehegattenunterhaltsanspruchs nach Ziffer II Buchstabe f verlangten Voraussetzungen
vorliegend gegeben. Bei einer Wirksamkeit der vorgenannten Bestimmungen hätte die
Antragsgegnerin mithin keinen nachehelichen Ehegattenunterhaltsanspruch, ohne dass dies nach
den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 1569 BGB gerechtfertigt wäre.
Dass dieser Zustand durch anderweitige Rechte der Antragsgegnerin gegenüber dem
Antragsteller hier kompensiert wäre, ist ebenfalls nicht erkennbar. Die der Antragsgegnerin in
Ziffer II Buchstabe e versprochene Morgengabe von 2.500 DM (als Abendgabe bei Auflösung
der Ehe) zuzüglich der dort in Absatz 2 ferner zugesagten Abstandssumme von 1.000 DM
wiegen die Nachteile eines teilweisen Ausschlusses des nachehelichen Ehegattenunterhalts und
des vollständigen Ausschlusses des Zugewinnausgleichs bei weitem nicht auf und können daher
nicht als angemessene Kompensation angesehen werden.
Damit liegen hinsichtlich der ehevertraglichen Regelung des Ehegattenunterhaltsanspruchs die
Voraussetzungen für eine Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit gemäß
vorgenannten Rechtsprechung vor.
(4) Auch die ehevertragliche Regelung zur elterlichen Sorge für gemeinsame Kinder (Ziffer II
Buchstabe g) widerspricht der deutschen Gesetzeslage, denn sie sieht eine "Mindestdauer" der
elterlichen Sorge der Kindesmutter/Antragsgegnerin, getrennt für Söhne und Töchter, vor, wie
sie nur das islamische Recht kennt. Andererseits ist dem Wortlaut der ehevertraglichen Regelung
nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit zu entnehmen, dass unter "Sorgerecht" und den damit
verbundenen "Kosten" (Ziffer II Buchstabe g, Satz 1) ggf. zugleich die Verpflichtung des
Antragstellers zur Deckung (auch) des Unterhalts der Kinder und der sie während des Zeitraums
nach Ziffer II Buchstabe g, Satz 3 betreuenden Mutter, wie dies etwa nach islamischem
Rechtsverständnis der Fall wäre (vgl. Bundesverwaltungsamt, Islamische Eheverträge, S. 15,
Bd. II Bl. 162 UA GÜ) zu verstehen wäre.
(5) Selbst die weiteren "Ermächtigungen und Bevollmächtigungen" der Antragsgegnerin durch
den Antragsteller in Ziffer II Buchstabe j) widersprechen von ihrer Grundkonzeption des
Ehemannes als Vollmachtgeber von Rechten an die Ehefrau dem Gleichheitssatz des Art. 3
Abs. 2 GG. Nach heutigem Grundrechtsverständnis benötigt die Ehefrau derartige Erlaubnisse
und Ermächtigungen ihres Ehemannes schon dem Grunde nach nicht. Diese Regelung zählt
zwar nicht zum Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts, bestätigt im Rahmen der
anzustellenden Gesamtschau jedoch ebenfalls die Einseitigkeit der vertraglichen Bestimmungen.
b. Die Nichtigkeit der ehevertraglichen Regelungen betreffend die Ehescheidung selbst wie auch
betreffend den nachehelichen Ehegattenunterhalt und die elterliche Sorge führt im vorliegenden
Fall zugleich zur Nichtigkeit des gesamten Ehevertrags. Hierzu ist in der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs anerkannt, dass in Fällen, in denen - wie hier - bereits die Gesamtwürdigung
eines Ehevertrags, dessen Inhalt für eine Partei ausnahmslos nachteilig ist und dessen
Einzelregelungen durch keine berechtigten Belange der anderen Partei gerechtfertigt werden,
dessen Sittenwidrigkeit nach
Nichtigkeitsfolge notwendigerweise den gesamten Vertrag erfasst und für eine Teilnichtigkeit in
einem solchen Fall kein Raum bleibt, selbst wenn die Ehegatten eine entsprechende
salvatorische Klausel hierfür in den Vertrag aufgenommen hatten (BGH, Beschluss vom
17. Mai 2006 - XII ZB 250/03 -
ZR 6/07 -
So liegt der Fall hier. In Anbetracht der sich nach den vorstehenden Ausführungen ergebenden
Nichtigkeit der vertraglichen Vereinbarungen betreffend die Ehescheidung selbst wie auch
hinsichtlich des nachehelichen Ehegattenunterhalts und der elterlichen Sorge wegen einseitiger,
allein die Rechte der Antragsgegnerin gegenüber den gesetzlichen Bestimmungen des BGB
verkürzender Regelungen liegt aus Sicht des Senats eine Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit in
dem vorgenannten Sinne vor, die hier den Ehevertrag im Ganzen erfasst. Damit erweist sich
auch die unter Ziffer II Buchstabe c vereinbarte Gütertrennung als unwirksam.
4. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist auch begründet. Wegen der Gesamtnichtigkeit des
Ehevertrags und damit auch der vereinbarten Gütertrennung besteht zwischen den Beteiligten
der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft gemäß §§ 1363 ff. BGB. Damit steht der
Antragsgegnerin auch der geltend gemachte Auskunftsanspruch aus
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 91 Abs. 1 ZPO, die
Wertfestsetzung auf § 40, 42 Abs. 5 FamGKG.
IV.
Gemäß § 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 FamFG war vorliegend wegen grundsätzlicher Bedeutung der
Rechtssache die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zuzulassen. Denn der zwischen den
Beteiligten abgeschlossene Ehevertrag beruht, wie sich aus der von dem Antragsteller
vorgelegten Auskunftserteilung des Bundesverwaltungsamts über ausländisches Recht zu
"Islamische[n] Eheverträge" (Bd. II Bl. 148 - 258 UA GÜ) ergibt, auf einem für
Eheschließungen nicht islamischer Ehefrauen mit Ehemännern, die dem Islam angehören,
entworfenen Formulierungsvorschlag (siehe dort Ziffer 7.1, Bd. II Bl. 181 - 186 UA GÜ). Die
Entscheidung über die Nichtigkeit von ehevertraglichen Regelungen, die inhaltlich den dort für
einen solchen Ehevertrag vorgeschlagenen Formulierungen entsprechen, betrifft daher mit der
Frage, ob solchermaßen für eine Ehe, die voraussichtlich im Heimatland des islamischen
Ehemannes gelebt werden soll, vorgeschlagene ehevertragliche Vereinbarungen im Falle einer
tatsächlich jedoch in der Bundesrepublik Deutschland gelebten Ehe gemäß
sind, eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige sowie klärungsfähige Rechtsfrage, die
wegen des vorgenannten Formulierungsvorschlags des Bundesverwaltungsamts über den
konkreten Einzelfall hinaus in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen auftreten könnte und
deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und
Handhabung des Rechts berührt (BGH
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Celle
Erscheinungsdatum:14.12.2022
Aktenzeichen:15 UF 137/21
Rechtsgebiete:
Ehegatten- und Scheidungsunterhalt
Ehevertrag und Eherecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
Eheliches Güterrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
BGB §§ 134, 138 Abs. 1, 139, 1379, 1564 ff., 1569 ff.; EGBGB Art. 6, 15 Abs. 1 u. 2 a. F.; EUV 1259/2010 Art. 5 Abs. 1 lit. c, 8; ZPO §§ 256 Abs. 2, 201; FamFG § 113 Abs. 1 S. 2; GG Art. 3 Abs. 2, 6 Abs. 1