BGH 20. Dezember 2024
V ZR 41/23
BGB §§ 433 Abs. 1 S. 2, 435, 278 Abs. 1 S. 2

Kaufpreisfälligkeit; Sicherstellung der Lastenfreistellung; Direktzahlungsmodell; Vorlage der Löschungsunterlagen beim Notar in angemessener Frist; erfolgsbezogene Pflicht des Verkäufers; Verlust des Grundschuldbriefs durch den Grundpfandgläubiger; Vertretenmüssen

BGB §§ 433 Abs. 1 S. 2, 435, 278 Abs. 1 S. 2
Kaufpreisfälligkeit; Sicherstellung der Lastenfreistellung; Direktzahlungsmodell; Vorlage der Löschungsunterlagen beim Notar in angemessener Frist; erfolgsbezogene Pflicht des Verkäufers; Verlust des Grundschuldbriefs durch den Grundpfandgläubiger; Vertretenmüssen

1. Hängt die Fälligkeit des Kaufpreises in einem Grundstückskaufvertrag davon ab, dass der Verkäufer die Lastenfreistellung sichergestellt hat (sog. Direktzahlungsmodell), müssen die Löschungsunterlagen dem Notar in angemessener Frist vorgelegt werden; da es sich um eine erfolgsbezogene Pflicht handelt, genügt es nicht, wenn der Verkäufer zwar alles tut, um die Vorlage der Unterlagen herbeizuführen, diese aber gleichwohl unterbleibt.

2. Muss der Verkäufer eines Grundstücks die Lastenfreistellung sicherstellen, hat er es nicht zu vertreten, wenn die Löschungsunterlagen (hier: Grundschuldbrief) infolge eines Verschuldens des zur Löschung verpflichteten Grundpfandgläubigers nicht vorgelegt werden können. Der Grundpfandgläubiger ist nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers.

BGH, Urt. v. 20.12.2024 – V ZR 41/23

Problem
Die Parteien schlossen am 12.8.2019 einen Grundstückskaufvertrag. Als Fälligkeitsvoraussetzung vereinbarten sie u. a. die Sicherung der Lastenfreistellung. Mit der Einholung der Löschungsunterlagen wurde der Notar beauftragt. Im Grundbuch war eine Briefgrundschuld eingetragen.

Die Gläubigerin konnte den Grundschuldbrief nicht mehr auffinden, was sich im Oktober 2019 herausstellte. Sie leitete ein Aufgebotsverfahren zu dessen Kraftloserklärung ein. Am 15.9.2020 wurde der Ausschließungsbeschluss rechtskräftig. Die Käuferin hatte dem Verkäufer zuvor eine Frist zur „lastenfreien Auflassung“ bis 27.2.2020 gesetzt.

Die Käuferin macht i. E. geltend, ihr stünde ein Schadensersatzanspruch in sechsstelliger Höhe zu; darin enthalten sei entgangener Gewinn i. H. v. 700.000 €. Denn sie habe die Immobilie mit Gewinn weiterverkaufen wollen, der Weiterverkauf sei aber wegen der langen Vollzugszeiten gescheitert. Für die Umstände, die zur Verzögerung des Vollzugs führten, habe der Verkäufer einzustehen.

Es stellt sich die Frage, von welcher Qualität die Pflicht des Verkäufers zur Herbeiführung der Lastenfreistellung ist und ob der Verkäufer im Verhältnis zum Käufer für ein Verschulden der abzulösenden Grundpfandrechtsgläubigerin einzustehen hat. Denn nicht der Verkäufer, sondern die Gläubigerin hatte schließlich den Brief verloren.

Entscheidung
Der BGH stimmt mit der Vorinstanz darin überein, dass die Käuferin keinen Schadensersatzan-
spruch gegen den Verkäufer habe (Rn. 3, 5). Es gebe zwei denkbare Pflichten, die verletzt sein könnten, wobei die eine zeitlich vor der anderen aktuell werde. Bei der späteren Pflicht handele es sich um die Pflicht zur Lastenfreistellung. Der darauf gerichtete Anspruch sei jedoch noch gar nicht fällig gewesen, so dass auch eine darauf bezogene Pflichtverletzung i. E. nicht in Betracht komme. Dieser Anspruch setze die Fälligkeit des Kaufpreises voraus. Die Kaufpreisfälligkeitsvoraussetzungen seien jedoch noch nicht gegeben gewesen (Rn. 3, 8). Die zeitlich frühere Pflicht sei die Pflicht zur Beschaffung der zur Sicherheit der Lastenfreistellung notwendigen Unterlagen (Rn. 9). Die Vorinstanz ließ noch offen, ob es sich hierbei um eine bloße Bemühenspflicht oder um eine Erfolgspflicht handelt. Jedenfalls habe die Käuferin auch im Hinblick auf diese Pflicht keine Ansprüche.

Der BGH entscheidet die von der Vorinstanz offen gelassene Frage dahingehend, dass es sich bei der Pflicht des Verkäufers, für die Sicherheit der Löschung der nicht übernommenen Lasten zu sorgen, um eine Erfolgspflicht handele (Rn. 9 ff.). Diese Erfolgspflicht werde durch Vorlage der Löschungsunterlagen erfüllt, im Fall also durch Vorlage von Löschungsbewilligung und Grundschuldbrief. Das bloße Bemühen um die Pflichterfüllung (d. h. das Beauftragen des Notars mit der Einholung der Lastenfreistellungsunterlagen) genüge zur Pflichterfüllung nicht (Rn. 10). Der BGH schließt sich damit einer in der Literatur bereits vertretenen Ansicht an (vgl. die Nachweise in Rn. 13). Hänge die Fälligkeit des Kaufpreises in einem Grundstückskaufvertrag davon ab, dass der Verkäufer die Lastenfreistellung sichergestellt hat (sog. Direktzahlungsmodell), so müssten die Löschungsunterlagen dem Notar auch in angemessener Frist vorgelegt werden (Rn. 15). Hierbei handele es sich um eine Primärpflicht des Verkäufers (Rn. 17). Wann diese Pflicht fällig werde, sei „in den Grundstückskaufverträgen häufig“ (Rn. 18) nicht geregelt. Es gelte daher § 271 Abs. 1 BGB, die Fälligkeit sei also aus den Umständen zu entnehmen und richte sich nach dem Zeitraum, der typischerweise für die Beschaffung der benötigten Unterlagen zu erwarten sei. Rechtsprechung und Literatur gingen insoweit von einem Zeitraum zwischen vier Wochen und zwei Monaten aus (Rn. 18).

Der Verkäufer habe diese Pflicht verletzt. Ausgehend davon, dass der Verkäufer nicht gewusst habe, dass der Grundschuldbrief bei der Gläubigerin abhandengekommen sei, sei die Pflicht zur Vorlage spätestens nach Ablauf von zwei Monaten nach Beurkundung fällig geworden. Der Ausschließungsbeschluss sei jedoch erst deutlich später vorgelegt worden (Rn. 19).

Den Verkäufer rettet, dass der BGH weiter entscheidet, dass es an einem Verschulden des Verkäufers fehle (Rn. 21 ff.). Er habe die Verzögerung der Leistung nicht zu vertreten. Eigenes Verschulden oder eine verschuldensunabhängige Einstandspflicht (Garantie) sei nicht gegeben (Rn. 23, 24). Eigenes Verschulden des Verkäufers verneint der BGH deswegen, weil der Verkäufer den Notar in dem Kaufvertrag mit der Lastenfreistellung beauftragt und damit die Beschaffung der Unterlagen unmittelbar bei Vertragsschluss eingeleitet habe. Dies genüge zwar nicht zur Erfüllung der Pflicht (s. o.), schließe aber eigenes Verschulden aus. Da der Verkäufer zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst habe, dass der Brief abhandengekommen sei, habe er hiermit seiner im Verkehr erforderlichen Sorgfalt genügt (Rn. 25). Er habe nicht auch selbst zusätzlich bei der Grundpfandgläubigerin die Unterlagen anfordern müssen.

Für das Verschulden der Grundschuldgläubigerin habe der Verkäufer nicht einzustehen. Die Voraussetzungen des § 278 BGB lägen nicht vor, die Grundpfandrechtsgläubigerin sei nicht Erfüllungsgehilfin des Verkäufers (Rn. 27 ff.). Der BGH schließt sich damit der insoweit wohl bereits bisher herrschenden Ansicht in der Literatur an und erteilt einer abweichenden Literaturansicht eine Absage (Rn. 28 f.). Der Anwendungsbereich von § 278 BGB erstrecke sich nicht auf jeden, der durch sein eigenes Tätigwerden eine Vorbedingung für die Leistungserbringung setze (Rn. 31). Es seien schließlich auch weder der Hersteller noch der Lieferant Erfüllungsgehilfen des Verkäufers. Im zu entscheidenden Fall komme es auch darauf an, ob der Käufer nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses vom Verkäufer selbst die Lastenfreistellungsunterlagen verlangen könnte und das Handeln des Grundschuldgläubigers im konkreten Pflichtenkreis des Verkäufers liege. Dies sei aber nicht der Fall. Der Verkäufer sei zwar auf die Mitwirkung des Gläubigers angewiesen, dessen Verhalten falle aber nicht in das vertraglich geschuldete Gesamtverhalten des Verkäufers (Rn. 32). Die Löschungsunterlagen könne von vornherein nur der Gläubiger zur Verfügung stellen. Der Grundgedanke des § 278 BGB, dass derjenige, der den Vorteil von Arbeitsteilung genieße, auch deren Nachteile tragen solle, greife daher hier nicht ein.

Zuletzt verneint der BGH auch einen Direktanspruch der Käuferin gegen die Grundschuldgläubigerin. Insbesondere sei der Sicherungsvertrag (zwischen Gläubigerin und Verkäufer) kein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Käuferin. Es fehle bereits an der Leistungsnähe der Käuferin (Rn. 37).

Praxishinweis
Die Entscheidung erinnert daran, dass in der Praxis bei zu löschenden Briefrechten im Hinblick auf die Verlängerung der Vollzugszeiten Vorsicht geboten und ggf. Vorsorge zu treffen ist.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

20.12.2024

Aktenzeichen:

V ZR 41/23

Rechtsgebiete:

Allgemeines Schuldrecht
Kaufvertrag

Erschienen in:

DNotI-Report 2025, 27-29

Normen in Titel:

BGB §§ 433 Abs. 1 S. 2, 435, 278 Abs. 1 S. 2