Kammergericht 25. Oktober 2016
6 W 80/16
EUErbVO Artt. 1 Abs. 2 lit. d, 68 lit. l; BGB § 1371

Qualifikation des pauschalierten Zugewinnausgleichs unter Geltung der EUErbVO; Ausweis im ENZ; Vorlage an den EuGH

DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 8.11.2016
KG, Beschl. v. 25.10.2016 - 6 W 80/16

EUErbVO Artt. 1 Abs. 2 lit. d, 68 lit. l; BGB § 1371
Qualifikation des pauschalierten Zugewinnausgleichs unter Geltung der EUErbVO;
Ausweis im ENZ; Vorlage an den EuGH

Dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) werden gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b,
Abs. 3 (AEUV) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art. 1 Abs. 1 EuErbVO dahin auszulegen, dass sich der Anwendungsbereich der
Verordnung („Rechtsnachfolge von Todes wegen“) auch auf Bestimmungen des nationalen
Rechts bezieht, die, wie § 1371 Abs. 1 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB),
güterrechtliche Fragen nach dem Tod eines Ehegatten durch Erhöhung des gesetzlichen Erbteils
des anderen Ehegatten regeln?
2. Sind, falls die Frage zu 1. verneint wird, jedenfalls Art. 68 lit. l, 67 Abs. 1 EuErbVO dahin
auszulegen, dass der Erbteil des überlebenden Ehegatten, auch wenn dieser zu einem Bruchteil
aus einer Erhöhung aufgrund einer güterrechtlichen Regelung wie § 1371 Abs. 1 BGB resultiert,
im Ganzen in das Europäische Nachlasszeugnis aufgenommen werden darf?
Wenn dies im Grundsatz zu verneinen ist, kann dies dennoch ausnahmsweise für Sachverhalte
bejaht werden, in denen
a) das Nachlasszeugnis auf den Zweck beschränkt ist, Rechte der Erbe in einem bestimmten
anderen Mitgliedstaat an dort befindlichen Vermögen des Erblassers geltend zu machen, und
b) die Entscheidung in Erbsachen (Art. 4 und 21 EuErbVO) und – unabhängig, welches
Kollisionsrecht angewendet wird – die Fragen des ehelichen Güterrechts nach derselben
nationalen Rechtsordnung zu beurteilen sind.
3. Ist, falls die Fragen 1. und 2. insgesamt verneint werden, Art. 68 lit. l EuErbVO dahin
auszulegen, dass der aufgrund der güterrechtlichen Regelung erhöhte Erbteil des überlebenden
Ehegatten insgesamt – wegen der Erhöhung dann aber nur informatorisch – in das Europäische
Nachlasszeugnis aufgenommen werden darf?
(Leitsätze der DNotI-Redaktion)

Gründe:

Die Beteiligte zu 1.) begehrt die Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses aufgrund
gesetzlicher Erbfolge, das in Anwendung deutschen Rechts sie und den Beteiligten zu 2.) als
Erben je zur Hälfte ausweist.
Der am 29. August 2015 mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland verstorbene
Erblasser war deutscher Staatsangehöriger. Im Zeitpunkt seines Todes war der Erblasser mit der
Beteiligten zu 1.) verheiratet und lebte mit ihr nach deutschem Recht im gesetzlichen Güterstand
der Zugewinngemeinschaft. Beide besaßen zum Zeitpunkt der Eheschließung die deutsche
Staatsangehörigkeit und hatten ihren Wohnsitz in Deutschland. Einen Ehevertrag hatten sie nicht
abgeschlossen.
Der Beteiligte zu 2.) ist das einzige gemeinsame Kind des Erblassers und der Beteiligten zu 1.)
und zugleich der einzige Abkömmling des Erblassers.
Der Erblasser hat keine Verfügung von Todes wegen hinterlassen.
Zum Nachlass des Erblassers gehört neben Vermögenswerten in Deutschland auch ein hälftiger
Miteigentumsanteil an einer Immobilie in Schweden.
Auf Antrag der Beteiligten zu 1.) hat das Nachlassgericht unter dem 30.05.2016 (BI. 19 d.A.) einen
nationalen Erbschein erteilt, wonach der Erblasser aufgrund gesetzlicher Erbfolge unter Anwendung
deutschen Rechts von den Beteiligten zu 1.) und 2.) je zur Hälfte beerbt worden ist.
In notarieller Verhandlung vom 16.06.2016 (BI. 24/25 d.A.) hat die Beteiligte zu 1.) beantragt, ihr
ein Europäisches Nachlasszeugnis nach der EuErbVO auszustellen, das ebenfalls sie und den
Beteiligten zu 2.) aufgrund gesetzlicher Erbfolge als Miterben je zur Hälfte ausweist. Als Zweck
des Nachlasszeugnisses gibt sie an, es solle für die Umschreibung der Eigentümerstellung an
dem in Schweden gelegenen Grundstück verwendet werden.
Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten ist im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch in § 1931 BGB
geregelt und lautet wie folgt:
§ 1931 BGB lautet (soweit für die Entscheidung im vorliegenden Fall relevant):
„(1) Der überlebende Ehegatte des Erblassers ist neben Verwandten der ersten Ordnung
zu einem Viertel, neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern zur
Hälfte der Erbschaft als gesetzlicher Erbe berufen. 2Treffen mit Großeltern Abkömmlinge
von Großeltern zusammen, so erhält der Ehegatte auch von der anderen Hälfte den Anteil,
der nach § 1926 den Abkömmlingen zufallen würde.
(2)...
(3) Die Vorschrift des § 1371 BGB bleibt unberührt.
(4) ..."
§ 1371 BGB lautet (soweit für die Entscheidung im vorliegenden Fall relevant):
„(1) Wird der Güterstand durch den Tod eines Ehegatten beendet, so wird der Ausgleich
des Zugewinns dadurch verwirklicht, dass sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden
Ehegatten um ein Viertel der Erbschaft erhöht; hierbei ist unerheblich, ob die Ehegatten im
einzelnen Falle einen Zugewinn erzielt haben.
(2) ...
(3)
(4) ..."
Das Nachlassgericht —Amtsgericht Schöneberg— hat den Antrag der Beteiligten zu 1.) auf Erlass
des Europäischen Nachlasszeugnis zurückgewiesen mit der Begründung, der Erbteil der
Beteiligten zu 1.) könne, soweit er auf der Regelung des §1371 Abs. 1 BGB beruhe, nicht in das
Nachlasszeugnis aufgenommen werden, weil es sich um eine Regelung des ehelichen
Güterrechts handele, die nicht unter den Anwendungsbereich der EuErbVO falle.
Dagegen richtet sich die zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 1.) vom 27.07.2016 (BI. 35/36
d.A.), mit der sie ergänzend hilfsweise beantragt, das Europäische Nachlasszeugnis mit den Erbquoten
wie beantragt zu erteilen mit dem Hinweis, dass das Erbrecht der Ehefrau zu einem Viertel
auf einer güterrechtlichen Regelung beruht und dieses Viertel deshalb lediglich informatorisch
aufgenommen worden sei.
Unter Aussetzung des Verfahrens ist gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 AEUV eine
Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen. Die Entscheidung über
die Beschwerde der Antragstellerin hängt von der —weder offenkundigen noch bereits geklärten—
Beantwortung der vorgelegten Fragen ab.
1. Das mit dem Hauptantrag verfolgte Begehren der Beteiligten zu 1.) ist auf die Erteilung eines
Europäischen Nachlasszeugnisses gerichtet, das die Beteiligte zu 1.) und den Beteiligten zu 2.)
als Miterben je zur Hälfte ausweist, wobei die hälftige Miterbenstellung der Beteiligten zu 1.)
auf § 1931 Abs. 1 S. 1 BGB (ein Viertel) und 1371 Abs. 1 BGB (ein Viertel) beruht.
a.) Der Beschwerde der Beteiligten zu 1.) käme im Hauptantrag ohne weiteres Erfolg zu, wenn
die Regelung in § 1371 Abs. 1 BGB, die im Falle der Beendigung des gesetzlichen Güterstandes
der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten einen pauschalen Zugewinnausgleich
durch Erhöhung des gesetzlichen Erbrechts des überlebenden Ehegatten um ein Viertel vorsieht,
in den Anwendungsbereich der EuErbVO fiele.
Der Senat würde dies mit dem Nachlassgericht verneinen wollen.
aa.) Gemäß Art. 1 Abs. 1 EuErbVO ist die Verordnung anzuwenden „auf die Rechtsnachfolge von
Todes wegen". Gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. d) EuErbVO sind vom Anwendungsbereich der
Verordnung ausgenommen „Fragen des ehelichen Güterrechts sowie des Güterrechts aufgrund
von Verhältnissen, die nach dem auf diese Verhältnisse anzuwendenden Recht mit der Ehe
vergleichbare Wirkungen entfalten."
Davon ausgehend kann der Erbteil der Beschwerdeführerin, soweit er auf der Regelung des
§ 1371 Abs. 1 BGB (ein Viertel) beruht, dann in das Europäische Nachlasszeugnis aufgenommen
werden, wenn es sich bei § 1371 Abs. 1 BGB um eine Regelung der „Rechtsnachfolge von Todes
wegen" im Sinne von Art. 1 Abs. 1 EuErbVO, also um eine erbrechtlich zu qualifizierende Norm handelt.
Gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. a) bezeichnet der Begriff „Rechtsnachfolge von Todes wegen" jede Form
des Übergangs von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten von Todes wegen, sei es im Wege
der gewillkürten Erbfolge durch eine Verfügung von Todes wegen oder im Wege der gesetzlichen Erbfolge.
In der deutschen Literatur ist streitig, ob die Regelung des § 1371 Abs. 1 BGB danach als
erbrechtliche oder als eine güterrechtliche Norm im Sinne des Art. 1 EuErbVO anzusehen ist.
Nationalrechtlich wird sie von der weit überwiegenden Meinung (vgl. Bundesgerichtshof,
Beschluss vom 13.05.2015 zum Az. IV ZB 30/14, ErbR 2015, 433 — 436, zitiert nach juris, dort
Leitsatz und Rdnr. 19 ff) als güterrechtlich qualifiziert.
Auch aus europarechtlicher Sicht wird die Norm überwiegend nicht dem Erbrecht, sondern dem
ehelichen Güterrecht zugeordnet (vgl. Weber, Interdependenzen zwischen Europäischer
Erbrechtsverordnung und Ehegüterrecht, DNotZ 2016, 424 ff., 430, 434; Dutta, Die europäische
Erbrechtsverordnung vor ihrem Anwendungsbeginn, IPRax 2015, 32, 33 je m.w.N., insbesondere
zur EuGH-Rspr.; Dörner, EuErbVO: Die Verordnung zum Internationalen Erb- und
Erbverfahrensrecht ist in Kraft!, ZEV 2012, 505 ff., 507; Mankowski, Das erbrechtliche Viertel nach
§ 1371 Abs. 1 BGB im deutschen und europäischen Internationalen Privatrecht, ZEV 2014, 121 ff.,
125 f. m.w.N.; Looschelders in Nomos-Kommentar BGB, 2. Aufl., Art. 1 EuErbVO Rn. 29 ff., 31).
Nur wenige sprechen sich für eine erbrechtliche Qualifikation aus (Fornasier in Dutta/Weber,
Internationales Erbrecht, 2016, Art. 63 Rn. 30, Kleinschmidt, Optionales Erbrecht: Das
Europäische Nachlasszeugnis, RabelsZ 77 (2013), 723 ff., 757; Süß, Das Europäische
Nachlasszeugnis, ZEuP 2013, 725 ff., 743).
Verlässliche Kriterien zur Grenzziehung zeigen weder die EuErbVO noch die zwischenzeitlich mit
Wirkung ab 29. Januar 2019 in Kraft getretene Verordnung 2016/1103 des Rates vom 24. Juni
2016 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des
anzuwenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des
ehelichen Güterstands (EuGüVO) bzw. der entsprechenden, parallel erlassenen Verordnung zu
den vermögensrechtlichen Wirkungen eingetragener Partnerschaften auf (vgl. dazu anschaulich
Mankowski, ZEV 2014 a.a.O., 126 f.).
Der Senat ist mit dem Nachlassgericht der Ansicht, die Frage, ob die Regelung des § 1371 Abs. 1
BGB im Sinne von Art. 1 Abs. 1 EuErbVO als erbrechlichtliche Norm zu qualifizieren ist, müsste
im Hinblick auf ihren Zweck, den Ausgleich des ehelichen Zugewinns nach Beendigung der
Gütergemeinschaft herbeizuführen, verneint werden. Denn der Sinn und Zweck der Regelung ist
es, den ehelichen Zugewinn im Falle der Beendigung des Güterstandes durch den Tod eines der
Ehegatten auszugleichen; sie soll immer dann zur Anwendung kommen, wenn sich die
Ehewirkungen, und damit auch die Fragen des ehelichen Güterrechts nach deutschem Recht
richten. Dies wäre nicht gewährleistet, wenn man die Regelung dem Erbstatut unterstellen würde,
weil ihr Anwendungsbereich dann auf die Fälle beschränkt würde, in denen sich die
Rechtsnachfolge gemäß Art. 21 und 22 EuErbVO nach deutschem Erbrecht bestimmt.
bb.) Die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses mit den im Hauptantrag begehrten
Quoten wäre aber auch dann möglich, wenn sich der Anwendungsbereich der EuErbVO —trotz des
Wortlautes des Art. 1 Abs. 2 lit. d) EuErbVO—jedenfalls auf solche güterrechtlichen Regelungen
erstreckt, die —wie z.B. § 1371 Abs. 1 BGB— die Folgen der Auflösung des Güterstandes durch
den Tod eines Ehegatten regeln, indem sie eine pauschale Erhöhung des gesetzlichen Erbteils
des überlebenden Ehegatten anordnen.
Aus der Sicht des Senates lassen die in der EuErbVO enthaltenen Bestimmungen allerdings eine
solche Auslegung nicht zweifelsfrei zu.
Gegen eine solche Auslegung spricht zunächst der klare Wortlaut des Art. 1 Abs. 2 lit. d)
EuErbVO, wonach Fragen des ehelichen Güterrechts umfassend aus dem Anwendungsbereich
der Verordnung ausgeschlossen werden.
Auch die Erwägungsgründe (EG) 11 und 12 Satz 1 sprechen gegen eine solche Auslegung. Dort
heißt es:
EG 11: „Diese Verordnung sollte nicht für Bereiche des Zivilrechts gelten, die nicht die
Rechtsnachfolge von Todes wegen betreffen. Aus Gründen der Klarheit sollte eine Reihe von
Fragen, die als mit Erbsachen zusammenhängend betrachtet werden könnten, ausdrücklich vom
Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen werden."
EG 12 S. 1: „Dementsprechend sollte diese Verordnung nicht für Fragen des ehelichen
Güterrechts, einschließlich der in einigen Rechtsverordnungen vorkommenden Eheverträge,
soweit diese keine erbrechtliche Fragen regeln, und des Güterrechts aufgrund von Verhältnissen,
die mit der Ehe vergleichbare Wirkungen haben, gelten."
Für eine solche Auslegung könnte jedoch der nachfolgende 2. Satz des Erwägungsgrundes 12
sprechen. Denn hier heißt es:
„Die Behörden, die mit einer bestimmten Erbsache nach dieser Verordnung befasst sind, sollten
allerdings je nach den Umständen des Einzelfalls die Beendigung des ehelichen oder sonstigen
Güterstandes des Erblassers bei der Bestimmung des Nachlasses und der jeweiligen Anteile der
Berechtigten berücksichtigen."
Auch könnte die Formulierung in Art. 23 Abs. 1, Abs. 2 lit. b) EuErbVO dafür sprechen, dass
Regelungen zur Beendigung des ehelichen Güterstandes, soweit sie sich auf die jeweiligen
Erbanteile auswirken, dem Anwendungsbereich der Verordnung unterfallen. Denn hier heißt es:
Dem anwendbaren Recht unterliegen insbesondere „die Berufung der Berechtigten, die
Bestimmung ihrer jeweiligen Anteile und etwaiger ihnen vom Erblasser auferlegter Pflichten sowie
die Bestimmung sonstiger Rechte an dem Nachlass, einschließlich der Nachlassansprüche des
überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners;" (Abs. 2 lit. b)).
Die Befürworter dieser Auslegung (z.B. Dutta in Münchener Kommentar BGB Bd. 10, 2015, Art. 1
Rn. 18, Art. 63 EuErbVO Rn. 8, 16; Looschelders in Nomos Kommentar BGB a.a.O., Rn. 35)
weisen darauf hin, dass dadurch vermieden werden könnte, dass im deutschen Erbschein und
dem Europäischen Nachlasszeugnis unterschiedlich große Erbanteile des überlebenden
Ehegatten und damit auch möglicher anderer gesetzlicher Erben ausgewiesen werden müssen.
Allerdings stellt es sich in diesem Zusammenhang als Problem dar, dass —solange es an einer
Harmonisierung der Vorschriften zum ehelichen Güterrecht fehlt— jeder mit der Sache befasste
Mitgliedstaat die Frage nach den Ehewirkungen bzw. nach dem anwendbaren Güterrecht nach
seinem eigenen Kollisionsrecht prüfen müsste, was zu unterschiedlichen Ergebnissen führen
könnte. Dadurch würde es an dem Entscheidungseinklang fehlen, den die EuErbVO in ihrem
Anwendungsbereich herbeiführen soll, und der gerade die Basis für die Vermutungswirkung und
den Gutglaubenschutz ist (Art. 69 Abs. 2 und 3 EuErbVO), die an die im Nachlasszeugnis
enthaltenen Eintragungen anknüpfen. Deshalb verbietet es sich nach Ansicht des Senats, das
güterrechtliche Ehegattenviertel des überlebenden Ehegatten im Nachlasszeugnis bei der Angabe
des Erbrechts generell zu berücksichtigen und den erhöhten Erbteil auszuweisen (so auch die
überwiegende Auffassung in der Literatur, die dieses Viertel deshalb nur informatorisch
aufnehmen will: Müller-Lukoscheck, Die neue EU-Erbrechtsverordnung, 2. Aufl., § 2 Rn. 335;
Mankowski, ZEV 2014 a.a.O., 126; Weber a.a.O., 439 f., Dörner a.a.O., 508; Nordmeier in Nomos
Kommentar BGB a.a.O., Art. 68 EuErbVO Rn. 20; für die Beschränkung auf ein gesetzliches
Erbrecht, vergleichbar einem Teilerbschein: Krauß in Groll, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung,
2015, X. Erbschein und Europäisches Nachlasszeugnis, Rn. 311, zitiert nach juris).
b) Der Senat ist jedoch der Ansicht, dass der aufgrund einer güterrechtlichen Regelung erhöhte
Erbteil jedenfalls dann im Europäischen Nachlasszeugnis mit angegeben werden kann, wenn der
Sachverhalt so liegt, dass sich das durch Art. 21/22 EuErbVO bestimmte Erbstatut und das
Güterstatut der Eheleute —unabhängig davon, welches Kollisionsrecht zur Anwendung kommt—
nach dem Recht desselben Mitgliedstaates bestimmen. Die Formulierungen in Art. 67 Abs. 1/69
Abs. 2 EuErbVO, wonach der zu bescheinigende Sachverhalt nach dem auf die Rechtsnachfolge
von Todes wegen anzuwendenden Recht „oder jedem anderen auf einen spezifischen Sachverhalt
anzuwendenden Recht" feststeht bzw. festgestellt wurde, könnten für diese Auslegung sprechen.
Gestützt wird diese Auslegung neben dem Erwägungsgrund (EG) 12 S. 2 auch durch den Sinn
und Zweck des Europäischen Nachlasszeugnisses, eine Vereinfachung und Beschleunigung der
Durchsetzung von Erbrechten mit grenzüberschreiendem Bezug zu fördern.
In der vorliegenden Fallkonstellation bestimmt sich das Erbstatut wie auch das Güterstatut der
Eheleute ausschließlich nach deutschem Recht:
Deutsches Erbrecht ist nach Art. 21 EuErbVO anwendbar, weil der Erblasser zur Zeit des Erbfalls
seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Berlin hatte;
Deutsches Güterrecht ist anwendbar, weil beide Eheleute zur Zeit der Eheschließung die deutsche
Staatsangehörigkeit besaßen und ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik hatten. Das gilt im Inland
nach Art. 14 Abs. 1 Ziff. 1, 15 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum BGB (EGBGB) und in
Schweden nach § 4 des Gesetzes über internationale Fragen betreffend das eheliche Güterrecht
und das Güterrecht Zusammenlebender vom 23. Mai 1990, (Bergmann/Ferid/Henrich,
Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Mai 2015, Schweden, S. 45).
Da aufgrund der Zweckbestimmung, die die Beteiligte zu 1.) im Antrag angegeben hat, die
Verwendung des Nachlasszeugnisses zudem auf den im Antrag genannten Einsatz in Schweden
beschränkt bleibt, befürwortet der Senat im vorliegenden Fall die Ausstellung des Europäischen
Nachlasszeugnisses mit den von der Beteiligten zu 1.) im Hauptantrag begehrten Quoten.
2. Nur wenn die Fragen zu 1. und 2. insgesamt verneint werden, müsste der Senat über den mit
der Beschwerde gestellten Hilfsantrag der Beteiligten zu 1.) entscheiden. Dann stellt sich die
Frage, ob Art. 68 lit. h) oder lit. I) EuErbVO in Verbindung mit dem Erwägungsgrund (EG) 12
eine „wenigstens" informatorische Aufnahme des erhöhten Erbteils nach § 1371 A.bs. 1 BGB
gestattet. Der Senat würde diese Frage verneinen wollen, weil eine solche „Information", der
ohnehin nicht die Vermutungswirkung und der Vertrauensschutz nach Art. 69 Abs. 2 und 3
EuErbVO zukommen könnte, dem Bestreben, mit dem Europäischen Nachlasszeugnis ein
Instrument mit einem formalisierten Inhalt (vgl. Art. 67 Abs. 1 S. 2 EuErbVO) zu schaffen, das
in jedem Mitgliedstaat unproblematisch verwendet werden kann, zuwider liefe.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

Kammergericht

Erscheinungsdatum:

25.10.2016

Aktenzeichen:

6 W 80/16

Rechtsgebiete:

Eheliches Güterrecht

Erschienen in:

MittBayNot 2017, 626-629
RNotZ 2017, 313-316
notar 2017, 139-142

Normen in Titel:

EUErbVO Artt. 1 Abs. 2 lit. d, 68 lit. l; BGB § 1371