BGH 21. April 2023
V ZR 86/22
WEG §§ 44, 46 a. F.; ZPO § 945

Einstweilige Verfügung zur Aussetzung eines Beschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft; Schadensersatzansprüche bei Aufhebung der Verfügung

letzte Aktualisierung: 30.6.2023
BGH, Urt. v. 21.4.2023 – V ZR 86/22

WEG §§ 44, 46 a. F.; ZPO § 945
Einstweilige Verfügung zur Aussetzung eines Beschlusses der
Wohnungseigentümergemeinschaft; Schadensersatzansprüche bei Aufhebung der
Verfügung

1. Hat ein Wohnungseigentümer im Wege der einstweiligen Verfügung die vorübergehende Aus
setzung eines Beschlusses erwirkt, so können die übrigen Wohnungseigentümer, gegen die die
einstweilige Verfügung unter der Geltung des bis zum 30. November 2020 anwendbaren Rechts
ergangen ist, den der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durch die Beschlussaussetzung
entstandenen Schaden aufgrund eines Anspruchs aus § 945 ZPO im Wege der
Drittschadensliquidation ersetzt verlangen.
2. Seit Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes am 1. Dezember 2020 ist eine
auf Suspendierung eines Wohnungseigentümerbeschlusses abzielende einstweilige Verfügung gegen
die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten. Damit ist diese auch selbst Inhaberin eines
Anspruchs aus § 945 ZPO.
3. Ein der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in ihrem Verwaltungsvermögen entstandener
Schaden entfällt nicht dadurch, dass der Schadensbetrag in die Jahresabrechnung eingestellt und auf
die einzelnen Wohnungseigentümer nach dem im Innenverhältnis unter ihnen geltenden
Kostenverteilungsschlüssel verteilt wird.

Entscheidungsgründe:

I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts haben diejenigen Kläger, deren
Klage zulässig ist, gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz
in Höhe von 11.198,69 an die GdWE. Inhaber eines hier allein in
Betracht kommenden Anspruchs aus § 945 ZPO seien diejenigen, gegen die sich
eine einstweilige Verfügung gerichtet habe, hier also die einzelnen Wohnungseigentümer
und nicht die GdWE. Die von der Beklagten erwirkte einstweilige Verfügung
sei von Anfang an unrechtmäßig gewesen. Der Beklagten habe nämlich
kein Verfügungsanspruch nach § 21 Abs. 4 WEG aF zugestanden, weil der Beschluss
zur Balkonsanierung ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen habe.

Auf die Frage, ob eine im Verfügungsverfahren ergangene Entscheidung im Hinblick
auf den sich anschließenden Schadensersatzprozess nach § 945 ZPO materielle
Rechtskraft entfalte, komme es deshalb nicht an.

Die Kläger könnten nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation
den Schaden der GdWE geltend machen, der dieser durch die Vollziehung der
einstweiligen Verfügung entstanden sei. Es liege ein zufälliges Auseinanderfallen
von Anspruchstatbestand und Schaden vor. Nach dem zum Zeitpunkt der Klageerhebung
geltenden Recht seien einstweilige Verfügungen wie auch Hauptsacheklagen
nicht unmittelbar gegen die GdWE zu richten gewesen, sondern gegen
die übrigen Wohnungseigentümer, obwohl materiell die GdWE betroffen gewesen
sei. Der Schaden der GdWE liege darin, dass von einem ihrer Konten die
geforderten Mehrbeträge gezahlt worden seien. Die Kläger hätten auch hinreichend
dargelegt und bewiesen, dass die Mehrkosten ohne den Baustopp nicht
angefallen wären. Ein Mitverschulden der Verwaltung hinsichtlich der Schadensentstehung
sei nicht ersichtlich. Zinsen könnten die Kläger erst ab Rechtshängigkeit
beanspruchen.

II.
Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Rahmen
des beschränkten Umfangs der Revisionszulassung stand, so dass die Revision
zurückzuweisen ist.

1. Die Revision ist unzulässig, soweit ihre Angriffe außerhalb des Rahmens
der auf den Anspruchsgrund beschränkten Revisionszulassung liegen.

a) Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision, worauf die Erwiderung
zutreffend hinweist, wirksam auf den Anspruchsgrund beschränkt.

aa) Einer solchen Beschränkung steht nicht entgegen, dass die Entscheidungsformel
des Berufungsurteils keinen Zusatz enthält, der die dort ausgesprochene
Zulassung der Revision einschränkt. Die Beschränkung der Rechtsmittelzulassung
kann sich auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Es ist anerkannt,
dass der Tenor im Lichte der Entscheidungsgründe auszulegen und deshalb
von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich dies
aus den Gründen klar ergibt. Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich
die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehenen Fragen nur für
einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellen (vgl.
Senat, Urteil vom 11. März 2022 - V ZR 35/21, NJW 2022, 2685 Rn. 7 mwN).

bb) So liegt es hier. Ausweislich der Begründung für die Zulassung der
Revision möchte das Berufungsgericht durch den Bundesgerichtshof geklärt wissen,
wer Anspruchsinhaber nach § 945 ZPO im Falle eines einstweiligen Verfügungsverfahrens
gegen die einzelnen Wohnungseigentümer ist, wenn in der Sache
die GdWE betroffen ist. Gehe man davon aus, dass die Wohnungseigentümer
Anspruchsinhaber seien, stelle sich die weitere Frage, ob und unter welchen
Voraussetzungen die Grundsätze der Drittschadensliquidation anwendbar seien.
Bei beiden Fragen geht es darum, ob den Klägern der mit der Klage geltend gemachte
Schadensersatzanspruch überhaupt zustehen kann, so dass der Anspruchsgrund
in Rede steht. Hierauf wollte das Berufungsgericht die Zulassung
der Revision erkennbar beschränken.

cc) Diese Beschränkung ist wirksam. Die Zulassung der Revision kann
nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf den Anspruchsgrund
beschränkt werden (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 1982 - VIII ZR 259/81,
NJW 1982, 2380; Urteil vom 16. September 2009 - VIII ZR 243/08, BGHZ 182,
241 Rn. 11). Denn das Berufungsgericht hätte gemäß § 304 ZPO vorab durch
Zwischenurteil über den Grund entscheiden und dafür die Revision zulassen können,
so dass das Revisionsgericht auf die Prüfung dieses Teils des Streits beschränkt
gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 1982 - VIII ZR 259/81,
NJW 1982, 2380).

b) Hiernach ist die Revision unzulässig, soweit sie Einwendungen erhebt,
die durch Erlass eines Grundurteils zulässigerweise in das Betragsverfahren hätten
verwiesen werden können.

aa) Dies gilt zunächst für den von der Beklagten erhobenen Einwand eines
Mitverschuldens. Ein solcher Einwand gehört zwar grundsätzlich zu dem Anspruchsgrund.
Wenn allerdings feststeht, dass die geltend gemachte Verletzung
der Schadensminderungspflicht nicht zum Haftungsausschluss führt, sondern jedenfalls
ein Anspruch des Geschädigten bleibt, darf die Entscheidung darüber
dem Betragsverfahren vorbehalten werden (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 1999
- VIII ZR 121/98, NJW 1999, 2440, 2441). So liegt es hier, weil die Beklagte mit
ihrem Mitverschuldenseinwand den Anspruch der Kläger nicht insgesamt zu Fall
bringen, sondern lediglich eine Anspruchsreduzierung erreichen möchte.
bb) In das Betragsverfahren hätten zudem die Einwendungen der Beklagten
gegen die Höhe des der GdWE entstandenen Schadens bzw. gegen die Kausalität
des Baustopps für die Schadenspositionen im Einzelnen verwiesen werden
können. Für den Erlass eines Grundurteils ist erforderlich, aber auch ausreichend,
dass der Anspruch auch unter Berücksichtigung der Einwendungen gegen
ihn mit Wahrscheinlichkeit zumindest teilweise besteht (vgl. BGH, Urteil vom
8. Dezember 2011 - VII ZR 12/09, NJW-RR 2012, 880 Rn. 13 mwN). Ebenso
genügt es im Hinblick auf die Kausalität, dass eine Wahrscheinlichkeit für die
kausale Entstehung zumindest irgendeines Schadens besteht (vgl. BGH, Urteil
vom 16. Januar 1991 - VIII ZR 14/90, NJW-RR 1991, 599, 600). Dies ist hier der
Fall, weil die Beklagte - abgesehen von der den Anspruchsgrund betreffenden
Frage, ob die Kläger überhaupt einen Schaden der GdWE geltend machen können
- in der Revision lediglich Einwendungen gegen die von der Fa. Bö. der
GdWE in Rechnung gestellten Mehraufwendungen erhebt, während die Ursächlichkeit
eines der Fa. Bo. durch den Baustopp eingetretenen Mehraufwands
(616,51

cc) Schließlich wird von der wirksamen Beschränkung der Zulassung der
Revision auf den Anspruchsgrund der von der Beklagten erhobene Einwand gegen
die Zuerkennung des Zinsanspruches erfasst. Zinsansprüche können nämlich
dem Betragsverfahren überlassen werden, wenn die Rechtslage - wie etwa
bei Anwendung der §§ 288, 291 BGB - einfach ist (vgl. BGH, Urteil vom 29. April
1985 - II ZR 167/84, WM 1985, 1166 f.; vgl. auch Zöller/Feskorn, ZPO,
34. Aufl., § 304 Rn. 19). So verhält es sich hier, weil sich die Beklagte lediglich
gegen den Zeitpunkt des Beginns der zugesprochenen Rechtshängigkeitszinsen
wendet.

2. Soweit die Revision zulässig ist, ist sie unbegründet.

a) Das Berufungsgericht legt seiner Entscheidung zutreffend zugrunde,
dass die klagenden Wohnungseigentümer Inhaber eines Schadenersatzanspruchs
gemäß § 945 ZPO sein können, sie also aktivlegitimiert sind, auch wenn
der Schaden nicht bei ihnen, sondern bei der GdWE eingetreten sein sollte. Erweist
sich die Anordnung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung als
von Anfang an ungerechtfertigt, so ist die Partei, welche die Anordnung erwirkt
hat, nach § 945 ZPO verpflichtet, dem Gegner unter anderem den Schaden zu
ersetzen, der ihm aus der Vollziehung der angeordneten Maßregel entsteht.
Diese strenge Haftung besteht grundsätzlich nur gegenüber dem Antragsgegner
selbst, nicht jedoch gegenüber Dritten (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 1993
- IX ZR 32/93, NJW 1994, 1413, 1416 - insoweit in BGHZ 124, 237 nicht abgedruckt).
Ob und für welche Fälle hiervon Ausnahmen zu machen sind, braucht
nicht allgemein entschieden zu werden (vgl. Zöller/G. Vollkommer, ZPO,
34. Aufl., § 945 Rn. 13; Stein/Jonas/Bruns, ZPO, 23. Aufl. § 945 Rn. 12 ff. - jeweils
mwN zum Streitstand). Jedenfalls besteht kein Anlass, abweichend von
dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift eine GdWE als aktivlegitimiert anzusehen,
wenn es um eine einstweilige Verfügung geht, die ein Wohnungseigentümer
unter der Geltung des bisherigen Rechts im Zusammenhang mit der Suspendierung
eines Wohnungseigentümerbeschlusses gegen die übrigen Wohnungseigentümer
erwirkt hat (vgl. § 46 WEG aF), während der Schaden bei der GdWE
eingetreten ist (aA - soweit ersichtlich - nur MüKoZPO/Drescher, 6. Aufl., § 945
Rn. 20).

b) Jedenfalls im Ergebnis zutreffend ist auch die von dem Senat - weil den
Anspruchsgrund betreffend - zu überprüfende Annahme des Berufungsgerichts,
dass sich die Anordnung der einstweiligen Verfügung als i.S.d. § 945 ZPO von
Anfang an ungerechtfertigt erweist. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob die Ausführungen
des Berufungsgerichts zu der Rechtmäßigkeit des Sanierungsbeschlusses
vom 17. November 2014, dessen Suspendierung die Beklagte mit der
einstweiligen Verfügung erwirkt hatte, in der Sache zutreffend sind. Auch kann
dahinstehen, ob sich die Rechtmäßigkeit des Beschlusses aus der Rechtskraft
der in dem einstweiligen Verfügungsverfahren zum Nachteil der Beklagten ergangenen
Entscheidungen ergibt. Dass es an einem Verfügungsanspruch der
Beklagten fehlte und sich die Anordnung der einstweiligen Verfügung von Anfang
an als ungerechtfertigt erweist, folgt - wie die Erwiderung zu Recht geltend macht
- zumindest aus der Bindungswirkung der Hauptsacheentscheidung für den
Schadensersatzprozess.

aa) Bei der Beurteilung, ob die Anordnung der einstweiligen Verfügung
von Anfang an ungerechtfertigt i.S.d. § 945 Fall 1 ZPO war, ist das Gericht, das
über einen Anspruch nach dieser Vorschrift zu entscheiden hat, an eine Entscheidung
in der Hauptsache im Umfang ihrer Rechtskraft gebunden (vgl. nur BGH,
Urteil vom 28. November 1991 - I ZR 297/89 - Roter mit Genever, NJW-RR 1992,
998, 999 mwN). Diese Bindungswirkung beruht auf der materiellen Rechtskraft
der Hauptsacheentscheidung nach § 322 Abs. 1 ZPO.

bb) Eine solche Hauptsacheentscheidung liegt auch hier vor.

(1) Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien im Revisionsverfahren
hat die Beklagte gegen den Sanierungsbeschluss vom 17. November
2014 eine Beschlussanfechtungsklage erhoben, die rechtskräftig als unbegründet
abgewiesen worden ist. Diese Tatsache kann der Senat als Revisionsgericht
berücksichtigen. Zwar ist gemäß § 559 Abs. 1 ZPO Prozessstoff der Revisionsinstanz
grundsätzlich nur das aus dem Berufungsurteil oder den Sitzungsprotokollen
ersichtliche Parteivorbringen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
ist § 559 Abs. 1 ZPO aber einschränkend dahingehend auszulegen,
dass aus prozessökonomischen Gründen solche neu vorgetragenen Tatsachen
zu berücksichtigen sind, die unstreitig sind und für die Entscheidung materiell-
rechtliche Bedeutung haben, sofern schützenswerte Belange der Gegenseite
nicht entgegenstehen. Das gilt insbesondere, wenn es sich dabei um behördliche
Akte oder - wie hier - gerichtliche Entscheidungen handelt (vgl. Senat,
Urteil vom 3. April 1989 - V ZR 143/97, NJW-RR 1998, 1284 mwN).

(2) Damit steht zwischen den Parteien rechtskräftig fest, dass der Beschluss
über die Sanierungsarbeiten vom 17. November 2014 insgesamt wirksam
war und ein Verfügungsanspruch der Beklagten in dem Verfahren vor dem
Amtsgericht von Anfang an nicht bestand. Soweit die Beklagte einwendet, dass
sich die Hauptsacheentscheidung mit bestimmten Einwendungen nicht auseinandersetze
und Beweisantritten nicht nachgegangen worden sei, kann sie hiermit
nicht mehr gehört werden. Mit Eintritt der Rechtskraft der Sachentscheidung
in einem Beschlussmängelverfahren steht fest, ob der Beschluss Rechtswirkungen
entfaltete oder nicht. Ob einzelne Gründe, die zur Nichtigkeit oder zur Anfechtbarkeit
führen können, tatsächlich geltend gemacht und geprüft worden
sind, ist für den Eintritt der Rechtskraft unerheblich (vgl. Senat, Urteil vom 26. Oktober
2012 - V ZR 7/12, ZWE 2013, 49 Rn. 8). Dies gilt unabhängig davon, ob
bisheriges oder neues Recht Anwendung findet (vgl. hierzu Senat, Urteil vom
13. Januar 2023 - V ZR 43/22, juris Rn. 11).

c) Zutreffend geht das Berufungsgericht weiter davon aus, dass die Kläger
dem Grunde nach einen der GdWE in Folge der Vollziehung der einstweiligen
Verfügung entstandenen Schaden - nur hierauf ist die Klageforderung gestützt -
nach den Grundsätzen einer so genannten Drittschadensliquidation geltend machen
können.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Vertragspartner
aufgrund einer Vertragsverletzung einen Schaden nur insoweit geltend
machen, als er bei ihm selbst eingetreten ist. In besonders gelagerten Fällen lässt
die Rechtsprechung allerdings eine Drittschadensliquidation zu, bei der der Vertragspartner
den Schaden geltend machen kann, der bei dem Dritten eingetreten
ist, der selbst keinen Anspruch gegen den Schädiger hat. Für die Zulassung einer
Drittschadensliquidation ist der Gesichtspunkt maßgebend, dass der Schädiger
keinen Vorteil daraus ziehen soll, wenn ein Schaden, der eigentlich bei dem Vertragspartner
eintreten müsste, zufällig aufgrund eines zu dem Dritten bestehenden
Rechtsverhältnisses auf diesen verlagert ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 14. Januar
2016 - VII ZR 271/14, NJW 2016, 1089 Rn. 27 mwN).

bb) Eine Drittschadensliquidation ist auch in der hier in Rede stehenden
Konstellation möglich. Hat ein Wohnungseigentümer im Wege der einstweiligen
Verfügung die vorübergehende Aussetzung eines Beschlusses erwirkt, so kön-
nen die übrigen Wohnungseigentümer, gegen die die einstweilige Verfügung unter
der Geltung des bis zum 30. November 2020 anwendbaren Rechts ergangen
ist, den der GdWE durch die Beschlussaussetzung entstandenen Schaden aufgrund
eines Anspruchs aus § 945 ZPO im Wege der Drittschadensliquidation ersetzt
verlangen.

(1) Dass unter der Geltung des bisherigen Rechts Inhaber eines möglichen
Anspruchs aus § 945 ZPO die Wohnungseigentümer waren, beruht darauf,
dass ein Antrag, mit dem ein Wohnungseigentümer die vorläufige Außervollzugsetzung
eines Beschlusses im Wege der einstweiligen Verfügung erstrebte,
ebenso wie eine Anfechtungsklage (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG aF) gegen die
übrigen Wohnungseigentümer zu richten war (vgl. LG München I, ZWE 2014,
371; Bärmann/Roth, WEG, 14. Aufl., § 46 Rn. 148 mwN). Wenn eine solche einstweilige
Verfügung - wie dies typischerweise bei einem Baustopp der Fall ist -
dadurch vollzogen wird, dass die beschlossenen Maßnahmen nicht weiter durchgeführt
werden können und beauftragte Unternehmen gegenüber der GdWE Verzögerungsschäden
geltend machen, treten diese Schäden aber nicht bei den Antragsgegnern
des Verfügungsverfahrens, sondern bei der GdWE ein. Diese ist
nämlich im Außenverhältnis zu den beauftragten Unternehmen zur Zahlung verpflichtet.
Aus Sicht des Wohnungseigentümers, der die einstweilige Verfügung
erwirkt hat, die später aufgehoben worden ist, stellt es einen Zufall dar, bei wem
der Schaden eintritt. Es wäre unbillig, wenn er nur deshalb nicht der Haftung aus
§ 945 ZPO unterliegen würde, weil Anspruch und Schaden auseinanderfallen (so
im Ergebnis auch LG Frankfurt a.M., ZWE 2018, 133 Rn. 9 mit zustimmender
Anmerkung von Dötsch, jurisPR-MietR 10/2018 Anm. 1). Inzwischen kann es allerdings
zu einer solchen zufälligen Schadensverlagerung nicht mehr kommen,
weil Beklagter einer Anfechtungsklage nunmehr die GdWE ist (§ 44 Abs. 1 Satz 2
WEG). Deshalb ist seit Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungs-
gesetzes am 1. Dezember 2020 nach ganz überwiegender und zutreffender Ansicht
eine auf Suspendierung eines Wohnungseigentümerbeschlusses abzielende
einstweilige Verfügung gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
zu richten (vgl. Bärmann/Göbel, WEG, 15. Aufl., § 44 Rn. 187 mwN). Damit ist
diese auch selbst Inhaberin eines Anspruchs aus § 945 ZPO (vgl. BeckOK
BGB/Zschieschack/Orthmann [1.8.2022], WEG § 44 Rn. 84).

(2) Soweit die Revision auf Stimmen in der Literatur verweist, wonach eine
Drittschadensliquidation im Anwendungsbereich des § 945 ZPO abzulehnen sei
(vgl. Stein/Jonas/Bruns, ZPO, 23. Aufl., § 945 Rn. 13; Schuschke/Walker/Kessen/
Thole/Walker/Kessen, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 7. Aufl.,
§ 945 Rn. 38; Kindl/Meller-Hannich/Haertlein, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung,
4. Aufl., § 945 Rn. 3), folgt hieraus nichts Anderes, weil diese sich auf
die Vollstreckung in schuldnerfremde Sachen beziehen, um die es hier nicht geht.

cc) Nicht zu überzeugen vermögen auch die weiteren Überlegungen, die
nach Auffassung der Revision einen Ausschluss der Drittschadensliquidation zur
Folge haben sollen. Sie meint, es fehle im Verhältnis zwischen GdWE und Wohnungseigentümern
deshalb an einer zufälligen Schadensverlagerung, weil die
GdWE gemäß § 9a Abs. 5 WEG nicht insolvenzfähig sei und die Wohnungseigentümer
verpflichtet seien, die GdWE mit ausreichenden Finanzmitteln auszustatten.
Ein eventueller Schaden verbleibe deshalb nie endgültig bei der GdWE.
Hier komme ergänzend hinzu, dass die Sanierungskosten bereits vollständig gegenüber
den Wohnungseigentümern abgerechnet und von diesen Sonderzahlungen
geleistet worden seien. Spätestens seit den Beschlussfassungen über die
Jahresabrechnungen 2015 und 2016 habe bei der GdWE ein Schaden nicht mehr
vorgelegen. Geschädigt seien nur die einzelnen Wohnungseigentümer.

(1) Der Umstand, dass die GdWE nicht insolvenzfähig ist (§ 9a Abs. 5
WEG bzw. § 11 Abs. 3 WEG aF), hat zwar zur Folge, dass die Wohnungseigentümer
zu der Erbringung von Nachschüssen verpflichtet sind. Dies ändert aber
nichts daran, dass jedenfalls solange, wie diese Nachschüsse noch nicht eingefordert
und tatsächlich geleistet wurden, der GdWE ein Schaden entstanden ist,
wenn sie gegenüber Dritten, mit denen sie im Vertragsverhältnis stand, Zahlungen
zur Erfüllung von Schadenersatzansprüchen geleistet hat.

(2) Unabhängig davon ist ein Schaden der GdWE in dem hier interessierenden
Zusammenhang aber auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die von der
GdWE aufgewandten Kosten bereits vollständig gegenüber den Wohnungseigentümern
abgerechnet und auch tatsächlich gezahlt wurden. Allerdings wird die
Frage, welchen Einfluss die Zahlung der Wohnungseigentümer im Rahmen der
Jahresabrechnung auf einen Schaden der GdWE hat, nicht einheitlich beantwortet.

(a) Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass der GdWE kein Schaden
entstanden ist, wenn von ihr an den Vertragspartner im Rahmen von Schadensersatzverpflichtungen
Zahlungen geleistet wurden, die von den Wohnungseigentümern
ausgeglichen wurden. Dies folge aus der sog. Differenzhypothese (vgl.
AG Köln, ZMR 2017, 1016 f.; Hogenschurz, NZM 2018, 733, 741).

(b) Nach der zutreffenden Gegenauffassung entfällt ein der GdWE in
ihrem Verwaltungsvermögen entstandener Schaden nicht dadurch, dass der
Schadensbetrag in die Jahresabrechnung eingestellt und auf die einzelnen Wohnungseigentümer
nach dem im Innenverhältnis unter ihnen geltenden Kostenverteilungsschlüssel
verteilt wird (vgl. KG, MDR 2010, 435; LG Berlin, ZWE 2019,
135; im Ausgangspunkt auch Jacoby, ZWE 2019, 120, 122). Soweit der Senat
diese Ansicht, ohne die Frage entscheiden zu müssen, als zweifelhaft bezeichnet
hat (vgl. Urteil vom 8. Februar 2019 - V ZR 153/18, NJW 2019, 3446 Rn. 10; vgl.
dazu (Vorinstanz) Abramenko, ZfIR 2019, 25, 30), hält er daran nicht fest. Da die
GdWE über eigenes Vermögen verfügt (vgl. § 9a Abs. 3 WEG bzw. § 10 Abs. 7
WEG aF), tritt bei Vermögensabflüssen in ihrem Vermögen ein Schaden ein. Die
Frage, ob und in welchem Umfang die insoweit angefallenen Kosten im Rahmen
der Jahresabrechnung auf die Wohnungseigentümer gemäß § 16 Abs. 2 WEG
bzw. dem in der Gemeinschaft geltenden Kostenverteilungsschlüssel umgelegt
wurden, betrifft lediglich das Innenverhältnis der GdWE zu den Wohnungseigentümern
und lässt die Entstehung des Schadens im Außenverhältnis zu einem
möglichen Schädiger unberührt (vgl. zu der Unterscheidung zwischen dem Außenverhältnis
und dem Innenverhältnis für die Frage der Entstehung eines nach
§ 945 ZPO verlangten Schadens im Zusammenhang mit sog. Gewinnabführungsverträgen
auch BGH, Beschluss vom 10. November 2011 - IX ZR 106/09,
juris Rn. 6 f.). Bei einer anderen Betrachtung käme es zudem zu Abwicklungsschwierigkeiten
insbesondere bei zwischenzeitlichen Veräußerungen einzelner
Einheiten.

(c) Die Annahme eines Schadens bei der GdWE entspricht schließlich den
allgemeinen Grundsätzen der Vorteilungsausgleichung (so im Ergebnis auch
Jacoby, ZWE 2019, 120, 122). Eine solche kommt nur in Betracht, wenn zwischen
dem schädigenden Ereignis und dem Vorteil ein adäquater Kausalzusammenhang
besteht und die Anrechnung des Vorteils dem Zweck des Schadensersatzes
entspricht, das heißt, sie darf den Geschädigten nicht unzumutbar belasten
und den Schädiger nicht unbillig entlasten (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom
18. Oktober 2018 - III ZR 497/16, NJW 2019, 215 Rn. 17 mwN). Letzteres wäre
aber der Fall, wenn sich der Schädiger auf das Innenverhältnis zwischen der
GdWE und den Wohnungseigentümern und auf die in diesem Verhältnis bestehenden
Beitragspflichten berufen und damit die Verpflichtung zum Schadensersatz
vermeiden könnte.

d) Die weiteren Voraussetzungen des den Klägern zugesprochenen Schadensersatzanspruchs
einschließlich des Zinsanspruchs werden von der Zulassung
der Revision - wie oben ausgeführt - nicht erfasst. Von ihrem Vorliegen ist
deshalb für das Revisionsverfahren auszugehen, so dass die Revision zurückzuweisen
ist.

III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

21.04.2023

Aktenzeichen:

V ZR 86/22

Rechtsgebiete:

Allgemeines Schuldrecht
WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Normen in Titel:

WEG §§ 44, 46 a. F.; ZPO § 945