VG Cottbus 17. März 2022
6 K 1617/18
BGB § 428; AO §§ 37 Abs. 2, 47, 125, 218, 228, 232; KAG BB §§ 8, 12; VwGO §§ 68, 74, 75

Erstattung eines Kanalanschlussbeitrages bei Eigentumswechsel

letzte Aktualisierung: 11.5.2022
VG Cottbus, Urt. v. 17.3.2022 – 6 K 1617/18

BGB § 428; AO § 37 Abs. 2, 47, 125, 218, 228, 232; KAG BB §§ 8, 12; VwGO §§ 68, 74, 75
Erstattung eines Kanalanschlussbeitrages bei Eigentumswechsel

1. Maßgeblich für die an die Eigentümerstellung anknüpfende persönliche Beitragspflicht ist allein
das Grundbuch. Es gilt der grundbuchrechtliche Eigentumsbegriff. Auch Eigenbesitz im Zeitpunkt
der Entstehung der Beitragsschuld, d. h. wenn der Erwerber eines Grundstücks die tatsächliche
Gewalt, also seinen Besitz ausgeübt hat, als sei er Eigentümer, ändert nichts an der Beitragspflicht
des Eigentümers. Dies gilt auch dann, wenn im Grundstückskaufvertrag vereinbart ist, dass der
Käufer den Beitrag zu entrichten hat. Maßgeblich ist allein die Eintragung ins Grundbuch, weil diese
für den Eigentumserwerb konstitutiv ist.

2. Ein Eigentumswechsel und die damit verbundene Einzelrechtsnachfolge im Eigentum lassen eine
einmal entstandene persönliche Beitragspflicht – wie auch die durch den Bescheid begründete
Beitragsschuld – unberührt; ein (gesetzlicher) Schuldnerwechsel ist hiermit nicht verbunden. Ist die
persönliche Beitragspflicht einmal in der Person eines Grundstückseigentümers entstanden, kann sie
nicht durch Veräußerung des Grundstücks auf den Erwerber übergehen. Denn durch den
erstmaligen Heranziehungsbescheid ist der Beitragsschuldner für die gesamte entstandene
Beitragsforderung bestimmt. Geht das Eigentum am Grundstück auf eine andere Person über, so
wird diese daher nicht erneut beitragspflichtig, obwohl der einmal entstandene Vorteil weiterbesteht.

3. Wie bei den anderen Vorfinanzierungsinstrumenten gilt auch für eine Ablösungsvereinbarung,
dass sie nur bis zur Entstehung der sachlichen Beitragspflicht abgeschlossen werden darf; auch die
weiter erforderliche, durch Zahlung erfolgende Ablösung selbst muss vor Entstehung der sachlichen
Beitragspflicht stattfinden. Ist für ein Grundstück die sachliche Beitragspflicht entstanden, ist für
den Abschluss einer Ablösungsvereinbarung wie auch für die Ablösung als solche kein Raum mehr.

4. Über einen Erstattungsanspruch gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) KAG i. V. m. § 37 Abs. 2 AO ist
nach § 12 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) KAG i. V. m. § 218 Abs. 2 AO durch Abrechnungsbescheid zu
entscheiden. Denn insoweit steht eine Erstattung eines geleisteten Beitrages inmitten.
Meinungsverschiedenheiten sollen mithin nicht sogleich vor Gericht durch eine Leistungsklage
ausgetragen, sondern in einem Verwaltungsverfahren geklärt werden. Statthafte Klageart ist daher
die Verpflichtungsklage.

5. Inhaber des Erstattungsanspruchs nach § 37 Abs. 2 AO ist nicht derjenige, für wessen Rechnung
oder mit wessen finanziellen Mitteln gezahlt worden ist, sondern derjenige, auf dessen
(vermeintliche) Rechnung bzw. Abgabenschuld die Zahlung nach dem Willen des Zahlenden, wie er
im Zeitpunkt der Zahlung der abgabenerhebenden Behörde unter Berücksichtigung der
Gesamtumstände gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, bewirkt worden ist, bzw. derjenige, dessen
Abgabenschuld nach dem erkennbaren Willen des Zahlenden getilgt worden ist. Wird danach von
dem Adressaten eines Beitragsbescheides oder von einem Dritten auf die Beitragsschuld des
Bescheidadressaten gezahlt, ist der frühere Grundstückseigentümer und Bescheidadressat derjenige,
auf dessen Rechnung gezahlt wurde. Der Leistende bestimmt im Sinne einer Tilgungsbestimmung
selbst, auf wessen oder auf welche Schuld er leisten möchte. Der Leistende bestimmt im Sinne einer
Tilgungsbestimmung selbst, auf wessen oder auf welche Schuld er leisten möchte.

6. Wird danach von dem Adressaten eines Beitragsbescheides oder von einem Dritten auf die
Beitragsschuld des Bescheidadressaten gezahlt, ist der frühere Grundstückseigentümer und
Bescheidadressat derjenige, auf dessen Rechnung gezahlt wurde. Hieran ändert sich nichts dadurch,
wenn bzw. weil sich das Beitragsschuldverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt
hat und ein anderer zum Zeitpunkt der Erstattung (Allein-)Eigentümer des Grundstücks geworden
ist.

Entscheidungsgründe

Die Kammer konnte gemäß § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) durch den Vorsitzenden als Einzelrichter entscheiden, da diesem der Rechtsstreit durch Beschluss vom 17. Dezember 2020 zur Entscheidung übertragen worden ist.

Die Klage hat weder mit dem Haupt- noch mit dem Hilfsantrag Erfolg.

Hinsichtlich des gegen den Beklagten gerichteten Hauptantrages ist die Klage als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO statthaft. Wie sich aus § 5 Abs. 2 und 3 sowie § 6 Abs. 3 Satz 2 der Satzung über die Abschaffung von Beiträgen für die zentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage der S .... sowie Erstattung bereits erhobener Kanalanschlussbeiträge (Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge) vom 30. November 2016 ergibt, ist über das hier ausweislich des Klageantrags allein streitgegenständliche Begehren auf Erstattung (vermeintlich) gezahlter Anschlussbeiträge durch Leistungsbescheid und damit durch Verwaltungsakt zu entscheiden.

Hinsichtlich des Ausgangsbescheides vom 10. Oktober 2017 war die Klage zunächst in Form einer Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig, da der Beklagte über den am 9. November 2017 eingegangenen Widerspruch des Klägers nicht innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 75 Satz 2 VwGO entschieden hatte. Ein zureichender Grund hierfür im Sinne von § 75 Satz 3 VwGO ist nicht erkennbar. War die Klage mithin zunächst als Untätigkeitsklage zulässig, konnte diese als gewöhnliche Verpflichtungsklage fortgeführt werden, nachdem der Widerspruchsbescheid vom 9. November 2018 ergangen war und durch Erklärung des Klägers im Schriftsatz vom 30. Januar 2019 wirksam in das Verfahren einbezogen wurde (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 12. März 2010 – 11 ZB 08.1495 –, juris Rn. 14; VG Hannover, Urteil vom 28. Juni 2011 – 13 A 626/10 –, juris Rn. 18; Kopp/Schenke, VwGO Komm., § 75 Rnrn. 26, 21). Der Zulässigkeit dieser Verpflichtungsklage steht auch nicht entgegen, dass der bereits im November 2018 zugestellte Widerspruchsbescheid vom Kläger nicht innerhalb der Klagefrist des § 74 VwGO in die anhängig gemachte Untätigkeitsklage einbezogen wurde. Denn bei einer - wie hier - ursprünglich zulässigen Untätigkeitsklage kann ein erst danach ergangener Widerspruchsbescheid auch ohne Einhaltung der Klagefrist des § 74 VwGO in das Verfahren einbezogen werden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. November 2018 – 10 B 4.16 –, juris Rn. 35; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. September 2012 – 9 S 2153/11 –, juris Rn. 7; Bayerischer VGH, Urteil vom 13. Mai 2005 – 22 A 96.40091 –, juris Rn. 48; VG Karlsruhe, Urteil vom 13. November 2014 – 2 K 1061/14 -, juris Rn. 41; VG Weimar, Urteil vom 10. Oktober 2001 - 6 K 2489/00.We -, LKV 2003, 40; Kopp/Schenke, a.a.O., § 75 Rnrn. 21 und 26; a. A. allerdings VG Hannover Urteil vom 28. Juni 2011 – 13 A 626/10 –, juris Rn. 17 ff.), wenn man eine solche ausdrückliche Einbeziehung überhaupt für notwendig erachtet. Ausgangs- und Widerspruchsbescheid konstituieren eine letztlich einheitliche Verwaltungsentscheidung (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 2010 – 2 C 22/09 –, juris Rn. 24; BVerwG, Beschluss vom 30. April 1996 - BVerwG 6 B 77.95 -, juris Rn. 6; Pietzcker in Schoch u.a., VwGO Kom., § 79 Rn. 3), bezüglich derer der Kläger mit der ursprünglichen Klageerhebung bereits zum Ausdruck gebracht hat, dass er den angefochtenen Bescheid nicht hinnehmen will, so dass grundsätzlich von einem fortbestehenden Abwehrwillen auszugehen ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. November 2018 – OVG 10 B 4.16 –, juris Rn. 35). Dem nachfolgend erlassenen Widerspruchsbescheid kommt insoweit keine eigenständige Bedeutung mehr zu. Vielmehr ist er schon bei seinem Erlass mit der anhängigen und zumindest ehemals zulässig gewesenen Klage behaftet gewesen.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung von 11.339 Euro nach Maßgabe der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge, vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren ist § 2 i. V. m. § 3 der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge.

Gemäß § 2 (Erstattungsgegenstand) der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge werden auf Grundlage bestandskräftiger Bescheide oder wirksamer Ablösevereinbarungen gezahlte Kanalanschlussbeiträge für die Herstellung, Anschaffung und Erweiterung der zentralen Schmutzwasserbeseitigungsanlage der S .... dem Berechtigten auf Antrag nach Maßgabe dieser Satzung erstattet. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge ist Berechtigter derjenige, gegenüber dem auf Grund eines Beitragsbescheides der Kanalanschlussbeitrag erhoben und auf dessen Beitragsschuld der Beitrag gezahlt wurde (Betroffener). Betroffener ist gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge darüber hinaus derjenige, der eine Beitragsschuld wirksam abgelöst hat. Gemäß § 3 Abs. 2 der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge sind mehrere Berechtigte Gesamtgläubiger im Sinne von § 428 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die Voraussetzungen für eine Erstattung liegen hiernach nicht vor.

Dies gilt zunächst, soweit der Kläger sein Erstattungsbegehren auf eine Zahlung auf der Grundlage des mit bestandskräftigem Bescheid vom 5. Oktober 2010 festgesetzten Kanalanschlussbeitrages stützt.

Es mag dahinstehen, ob dem Erstattungsbegehren des Klägers insoweit bereits kein tauglicher Erstattungsgegenstand im Sinne von § 2, 1. Alt. der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge zugrunde liegt, ob es also an einem auf der Grundlage eines bestandskräftigen Bescheides gezahlten Kanalanschlussbeitrag mangelt.

Denn jedenfalls ist der persönliche Anwendungsbereich i. S. d. § 3 Abs. 1 Satz 1 der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge nicht eröffnet. Der Kläger ist nicht erstattungsberechtigt im Sinne der Norm.

„Gegenüber dem“ Kläger wurde bereits kein Kanalanschlussbeitrag „aufgrund eines Beitragsbescheides“ erhoben (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1, 1. Vor. der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge).

Inhaltsadressatin des Beitragsbescheides vom 5. Oktober 2010 war allein die R .... . Dies entsprach § 8 Abs. 1 der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Satzung der S .... über die Erhebung eines Beitrages für die zentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage der S .... vom 1. Dezember 2008 (Kanalanschlussbeitragssatzung – KABS 2008) i.V.m. § 8 Abs. 2 Satz 2 Kommunalabgabengesetz (KAG), da die R .... zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses Eigentümerin des veranlagten Grundstücks und damit persönlich beitragspflichtig gewesen ist. Maßgeblich für die Eigentümerstellung ist insoweit allein das Grundbuch. Es gilt der grundbuchrechtliche Eigentumsbegriff. Auch Eigenbesitz im Zeitpunkt der Entstehung der Beitragsschuld, d.h. wenn der Erwerber eines Grundstücks – wie hier – die tatsächliche Gewalt, also seinen Besitz ausgeübt hat, als sei er Eigentümer, ändert nichts an der Beitragspflicht des Eigentümers. Dies gilt auch dann, wenn – wie hier der Fall – im Grundstückskaufvertrag vereinbart ist, dass der Käufer den Beitrag zu entrichten hat (vgl. dazu noch unten). Maßgeblich ist allein die Eintragung ins Grundbuch, weil diese für den Eigentumserwerb konstitutiv ist (vgl. OVG Nordrhein- Westfalen, Beschluss vom 27. Februar 1997 3 A 554/93 -, juris; VG Meiningen, Beschluss vom 25. Mai 1998 – 5 E 1316/97.Me -, juris, Rn. 15; Driehaus in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Komm., § 8 Rn. 58; Kraheberger in: Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 723; Petermann in: Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 1430; Möller in: Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 2022).

Soweit die Entstehung der persönlichen Beitragspflicht voraussetzt, dass auch die sachliche Beitragspflicht entstanden ist, liegen auch diese Voraussetzungen vor, da die Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 wirksam war (vgl. hierzu etwa Urteil der Kammer vom 14. April 2016 – 6 K 1160/15 -, juris) und der Kläger insoweit nichts dafür aufgezeigt hat, dass für das in Rede stehende Grundstück tatsächliche oder (sonstige) rechtliche Gründe einer Entstehung der sachlichen Beitragspflicht entgegengestanden haben könnten.

Eine abweichende Beurteilung der Frage, ob gegenüber dem Kläger ein Beitragsbescheid erlassen wurde, ergibt sich auch nicht dadurch, dass der Kläger am 5. November 2010, also nach Erlass des Beitragsbescheides, nach Vornahme der entsprechenden Grundbucheintragung das Eigentum an dem veranlagten Grundstück erlangt hat. Denn ein Eigentumswechsel und die damit verbundene Einzelrechtsnachfolge im Eigentum lassen eine einmal entstandene persönliche Beitragspflicht - wie auch die durch den Bescheid begründete Beitragsschuld – unberührt; ein (gesetzlicher) Schuldnerwechsel ist hiermit nicht verbunden.Ist die persönliche Beitragspflicht einmal in der Person eines Grundstückseigentümers entstanden, kann sie nicht durch Veräußerung des Grundstücks auf den Erwerber übergehen.Denn durch den erstmaligen Heranziehungsbescheid ist der Beitragsschuldner für die gesamte – nach oben genannten Maßgaben entstandene - Beitragsforderung bestimmt. Geht das Eigentum am Grundstück auf eine andere Person über, so wird diese daher nicht erneut beitragspflichtig, obwohl der einmal entstandene Vorteil weiterbesteht. Dem neuen Eigentümer kommt die Beitragsleistung des früheren Eigentümers zugute. Denn der Beitrag wird zwar vom Grundstückseigentümer persönlich geschuldet (vgl. dazu noch unten zur Zahlung), er dient aber dem Ausgleich eines andauernden grundstücksbezogenen Vorteils, der allen Rechtsnachfolgern im Grundstückseigentum gleichermaßen geboten wird (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 1. Oktober 2018 - 20 B 16.330 -, juris Rn. 33; OVG Sachsen, Urteil vom 20. Juni 2018 – 5 A 749/12 -, Rn. 46; OVG Nordrhein- Westfalen, Beschluss vom 5. Februar 2020 – 15 A 2642/09 -, juris, Rn. 6; Urteil vom 21. Februar 1991 - 2 A 2455/89 -, juris Rn. 28;Urteil vom 30. Mai 1989 - 2 A 2920/84 – NWVB. 1990, 99 (100); Urteil vom 13. Dezember 1982 - 2 A 1066/82 -, juris; Urteil vom 5. Februar 1980 – 2 A 922/79 -, juris, Rn. 52; Urteil vom 27. Juli 1976 - 2 A 805/75 -, DWW 1977, 65 = VwRSpr 28, 463; Urteil vom 2. März 1976 – II A 248/74 -, juris, Rn. 19 ff.; VG Halle, Urteil vom 19. Oktober 2012 – 4 A 400/10 -, juris, Rn. 53).

Nicht weiterführend für die Auslegung des § 3 Abs. 1 Satz 1 der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge ist auch die in der mündlichen Verhandlung sinngemäß geäußerte Auffassung der Klägerseite, beitragspflichtig sei nicht der Grundstückseigentümer, sondern das Grundstück als solches, auf dem die sachliche Beitragspflicht als öffentliche Last ruhe, so dass (auch) die Erstattung stets gegenüber dem jetzigen Grundstückseigentümer, nicht aber gegenüber dem seinerzeit zu einem Beitrag veranlagten Grundstückseigentümer zu erfolgen habe. Dies hat im Wortlaut des § 3 Abs. 1 der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge, auf den die Klägerseite ihr Begehren allein stützt, keinen Niederschlag gefunden, da es hiernach allein darauf ankommt, auf wessen Beitragsschuld der Beitrag gezahlt wurde.Die klägerische Auffassung wäre im übrigen auch im Anwendungsbereich des § 37 Abs. 2 AO unzutreffend (vgl. dazu noch unten).

Das Schreiben des Klägers an die S ...., Abteilung Finanzmanagement/Grundbesitzabgaben vom 10. Juni 2010 rechtfertigt keine andere rechtliche Bewertung. Mit diesem Schreiben wurde lediglich der „Wechsel des Grundbesitzes“, also die Veräußerung des veranlagten Grundstücks an den Kläger nach Maßgabe des notariellen Kaufvertrages vom 2. Dezember 2009 (vgl. dazu noch unten) angezeigt. Unabhängig davon, dass der Eigentumsübergang bei Eingang des Schreibens mangels Eintragung im Grundbuch noch nicht vollzogen war, sollte durch das Schreiben allein gewährleistet werden, dass die Grundsteuer sowie grundstücksbezogene Gebühren künftig vom Kläger als – nach Vollzug der entsprechenden Grundbucheintragung - neuem Grundstückseigentümer erhoben würden, wobei der Kläger offensichtlich davon ausging, dass die Eigentumsumschreibung im Grundbuch zeitnah erfolgen werde. Soweit in diesem Zusammenhang in dem Schreiben als Datum für eine solche künftige Grundsteuererhebung der 1. Januar 2011 genannt ist, liegt dieses nach dem Erlasszeitpunkt des hier in Rede stehenden Beitragsbescheides. Soweit für die Erhebung von Gebühren der 1. Mai 2010 bezeichnet wird, bleiben die für die die Erhebung eines – von grundstücksbezogenen Gebühren zu unterscheidenden - Kanalanschlussbeitrages, insbesondere für die Entstehung der persönlichen Beitragspflicht geltenden und mit Blick auf eine rechtmäßige Erhebung (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG) allein maßgeblichen gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorschriften hiervon unberührt. Der Erlass des Beitragsbescheides erfolgte insoweit, soweit es hierauf für das Erstattungsbegehren nach der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge überhaupt ankommt, gegenüber dem „richtigen“ Adressaten. Aus diesem Grund kommt auch dem Schreiben der R .... vom 2. Juli 2010 in Reaktion auf das Anhörungsschreiben des Beklagten vom 25. Juni 2010 für die Erstattungsberechtigung des Klägers keine Bedeutung zu, zumal dieses sachlich unzutreffend ist, da die R .... zum Zeitpunkt des Schreibens noch Grundstückseigentümerin war.

Auch der Erlass des Stundungsbescheides vom 9. November 2010 gegenüber dem Kläger unter dem gleichen Buchungszeichen, das auch der Beitragsbescheid vom 5. Oktober 2010 trägt, rechtfertigt es nicht, den Beitragsbescheid als (auch) gegenüber dem Kläger erlassen anzusehen oder einen durch behördliche Entscheidung vorgenommenen Wechsel in der Beitragsschuld anzunehmen.

Der Stundungsbescheid vom 9. November 2010 stellt vielmehr einen gegenüber dem Beitragsbescheid vom 5. Oktober 2010 selbständigen, das Beitragsschuldverhältnis unberührt lassenden Verwaltungsakt dar, der keinerlei Aussagen zur (persönlichen) Beitragspflicht trifft, sondern mit dem (lediglich) der – ausdrücklich auf das Buchungszeichen des Beitragsbescheides Bezug nehmende - Stundungsantrag des Klägers vom 18. Oktober 2020 beschieden wurde und mit dem die Bedingungen für die Zahlung des Anschlussbeitrages für die R .... durch den Kläger auf die individuellen wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers nach Maßgabe seines Stundungsantrages angepasst wurden. Es liegt auf der Hand, dass insoweit das Buchungszeichen des Beitragsbescheides Verwendung fand. Eine persönliche (erstmalige) Beitragspflicht des Klägers bzw. ein Schuldnerwechsel sollte damit ersichtlich nicht begründet werden, was sich – neben der Verwendung des Buchungszeichens des gegenüber der R .... ergangenen Bescheides – gerade auch daraus ergibt, dass der Kläger mit seinem Stundungsantrag den notariellen Kaufvertrag vom 2. Dezember 2009 beim Beklagten eingereicht hatte, der lediglich die zivilrechtliche Verpflichtung des Klägers zur Tragung etwaiger Kanalanschlussbeiträge enthielt (vgl. dazu noch unten), so dass der Beklagte davon ausgehen musste, der Kläger wolle (lediglich) die Beitragsschuld der R .... für diese tilgen (vgl. auch dazu noch unten). Alles andere widerspräche zudem den dargestellten gesetzlichen und satzungsmäßigen Regelungen zur persönlichen Beitragspflicht, weshalb ein durch den Stundungsbescheid bewirkter Schuldnerwechsel mit Blick auf die rechtsstaatlichen Bindungen des Beklagten gemäß Art. 20 Abs. 3 GG nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden kann.

Unabhängig von vorstehenden Ausführungen fehlt es auch an den weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge, nämlich, dass auf die Beitragsschuld desjenigen, gegenüber dem der Beitrag erhoben wurde („dessen Beitragsschuld“), der Beitrag gezahlt wurde.

Da gegenüber dem Kläger kein Beitragsbescheid erlassen wurde, bestand ihm gegenüber keine Beitragsschuld, auf die er hätte zahlen können. Im Einzelnen gilt hierzu Folgendes:

Die Vorschrift des § 3 Absatz 1 Satz 1 der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge ist ersichtlich an die Regelung des § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) angelehnt. Insoweit kann für die Auslegung und Anwendung der in Rede stehenden, ebenfalls – wie im Fall der Steuerschuld - ein Abgabenschuldverhältnis betreffenden Satzungsvorschrift auf die Rechtsprechung und Kommentarliteratur zu § 37 Abs. 2 AO zurückgegriffen werden.

Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO hat, wenn eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden ist, derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags (Satz 1). Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt (Satz 2).

Soweit es in § 37 Abs. 2 Satz 1 AO heißt „auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist“, während § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge darauf abstellt, „auf wessen Beitragsschuld der Beitrag gezahlt“ worden sei, ergeben sich hieraus keine sachlichen Unterschiede. Denn es ist anerkannt, dass die Vorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 1 AO missverständlich formuliert ist. Es kommt nicht darauf an, für wessen Rechnung oder mit wessen finanziellen Mitteln, sondern auf wessen Schuld gezahlt worden ist (vgl. Ratschow in: Klein, AO Komm., 15. Aufl. 2020, § 37 Rn. 61; ständige Rspr. der Kammer, vgl. etwa Urteil vom 25. März 2021 – 6 K 1112/18 -, juris, Rn. 28 ff.). Zwar setzt der Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO voraus, dass eine Schuld gerade nicht besteht oder weggefallen ist (vgl. dazu noch sogleich). Abzustellen ist danach aber auf die vermeintliche Schuld. Berechtigt im Sinne des § 37 Abs. 2 AO ist also, auf wessen vermeintliche Schuld gezahlt worden ist (vgl. BFH, Urteil vom 30. September 2008 – VII R 18/08 -, BStBl. 2009, 38). Auch soweit es insofern in § 3 der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge an einer ausdrücklichen Normierung des Tatbestandsmerkmals „ohne rechtlichen Grund“ i. S. d. § 37 Abs. 2 Satz 1 AO fehlt, ist dies für die Auslegung und Anwendung des § 3 der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge nach Maßgabe der Rechtsprechung und Kommentarliteratur zu § 37 AO ohne Relevanz. Denn gemäß § 1 der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge wird die Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben. Damit wird quasi – auch ohne Aufhebung der bestandskräftigen Bescheide (bzw. selbst bei wirksamen Ablösevereinbarungen) – für den hier interessierenden Zusammenhang gewissermaßen fingiert, dass etwaige Zahlungen (bzw. Ablösungen) ohne Rechtsgrund erfolgt sind oder jedenfalls eine dem § 37 Abs. 2 AO vergleichbare Situation besteht und insoweit ein Anspruch „sui generis“ begründet (vgl. hierzu Urteile der Kammer vom 27. Januar 2022 – 6 K 1722/18 und 6 K 1723/18 -, jew. juris).

Inhaber des Erstattungsanspruchs nach § 37 Abs. 2 AO und damit auch des Anspruchs aus § 3 Abs. 1 Satz 1 der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge ist mithin derjenige, auf dessen (vermeintliche) Rechnung bzw. Abgabenschuld die Zahlung nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung der abgabenerhebenden Behörde unter Berücksichtigung der Gesamtumstände gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, bewirkt worden ist bzw. derjenige, dessen Abgabenschuld nach dem erkennbaren Willen des Zahlenden getilgt worden ist. Wird danach von dem Adressaten eines Beitragsbescheides oder von einem Dritten auf die Beitragsschuld des Bescheidadressaten gezahlt, ist der frühere Grundstückseigentümer und Bescheidadressat derjenige, auf dessen Rechnung gezahlt wurde. Der Leistende bestimmt im Sinne einer Tilgungsbestimmung selbst, auf wessen oder auf welche Schuld er leisten möchte (vgl. BFH, Beschluss vom 20. Februar 2017 – VII R 22/15 –, juris Rn. 8; Urteil vom 15. November 2005 – VII R 16/05 –, juris Rn. 9; Urteil vom 23. August 2001 - VII R 94/99 -, juris Rn. 17; Urteil vom 25. Juli 1989 – VII R 118/87 –, juris Rn. 9; zum Beitragsrecht: OVG Thüringen, Beschluss vom 2. April 2007 – 4 ZKO 196/07 -, juris; ständige Rspr. der Kammer, vgl. etwa VG Cottbus, Urteil vom 5. März 2020 – 6 K 849/17 -, juris, Rn. 35 m.w.N.; Urteil vom 18. Mai 2020 – 6 K 905/17 -, juris, Rn. 18; Urteil vom 25. März 2021 – 6 K 1121/18 -, juris, Rn. 30 ff., 43).

Gemessen hieran fehlt es im Falle des Klägers – wie ausgeführt – schon an einer (vermeintlichen) Beitragsschuld, da der Heranziehungsbescheid vom 5. Oktober 2010 allein an die R .... gerichtet war. Unabhängig davon mangelt es auch an einer Zahlung auf eine Beitragsschuld des Klägers. Vielmehr ist auf die Beitragsschuld der R .... gezahlt worden. Gegenüber dem Kläger bestand keine abgabenrechtliche Verbindlichkeit, auf die dieser hätte zahlen können und wollen.

So ging die ratenweise Zahlung des Beitrags durch den Kläger nach Maßgabe des Stundungsbescheides vom 9. November 2010 offensichtlich auf die Regelung in § 5 Abs. 3 des zwischen dem Kläger und der R .... geschlossenen Grundstückskaufvertrages zurück. Dort ist – soweit hier von Interesse - geregelt, dass, sollten Kanalanschlussbeiträge für das hier in Rede stehende Grundstück ergehen, diese vom Käufer, d.h. vom Kläger, zu tragen sind (Satz 1). Diesem sei bekannt, dass derartige Bescheide auch für umlegungsfähigen Aufwand aus früherer Zeit ergehen könnten (Satz 2). Die Begleichung des Beitrags durch den Kläger erfolgte allein mit Blick auf diese privatrechtliche Vereinbarung und stellt sich insoweit als Zahlung auf eine fremde Beitragsschuld dar. Dass die Beitragszahlung im Rahmen einer dem Kläger vom Beklagten zuvor gewährten Stundung erfolgte, führt zu keiner anderen Bewertung. Denn die Stundung hatte – wie bereits ausgeführt – lediglich den Zweck, die Bedingungen für die Zahlung des Anschlussbeitrages auf die individuellen wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers nach Maßgabe seines Stundungsantrages anzupassen. Die Stundung änderte jedoch nichts an dem Umstand, dass die Zahlung des Klägers ihre Wirkungen allein im Verhältnis zwischen der R .... als Beitragsschuldnerin und der S .... als Beitragsgläubigerin entfaltete und zu einer Erfüllung der Beitragsschuld derselben führte. Dass der Kläger mit der Zahlung des Beitrags auch eigene Motive verfolgte, nämlich die Erfüllung seiner privatrechtlichen Verpflichtung zur Übernahme der Beitragszahlung aus dem mit der R .... geschlossenen notariellen Grundstückskaufvertrag, ändert an der eigentlichen Zweckbestimmung der erbrachten Beitragszahlung, nämlich der Erfüllung der öffentlich- rechtlichen Abgabenforderung des Beklagten gegen die R ...., nichts, was sich auch daraus erhellt, dass der Kläger in seinem Stundungsantrag ausdrücklich auf den Beitragsbescheid gegenüber der R .... Bezug nimmt und nicht von einer eigenen Beitragsverbindlichkeit ausgeht. Aus vorstehenden Gründen kann – wie ausgeführt - auch nicht davon ausgegangen werden, der Kläger sei in das Beitragsschuldverhältnis der R .... im Wege des Schuldnerwechsels eingetreten.

Soweit der Kläger geltend macht, er habe den Beitrag wirksam abgelöst, mangelt es
gleichfalls an einem Erstattungsanspruch nach Maßgabe der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge.

Es ist bereits nicht von einem Erstattungsgegenstand gemäß § 2, 2. Alt der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge auszugehen, da es am Vorliegen einer (wirksamen) Ablösevereinbarung fehlt.

Eine Ablösungsvereinbarung ist dadurch gekennzeichnet, dass die Vertragsparteien vor Entstehen der sachlichen Beitragspflichten einen im Wege der Prognose geschätzten Betrag vereinbaren, den der Schuldner "zur Ablösung" der Beitragsschuld zu zahlen hat. Anders als im Erschließungsbeitragsrecht, das in § 133 Abs. 3 Satz 5 Baugesetzbuch (BauGB) die „Ablösung des Erschließungsbeitrags“ erwähnt, findet sich in § 8 KAG zwar keine Andeutung auf die Möglichkeit einer Ablösung des Beitrags. Dies steht allerdings einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung nicht entgegen. Die vertragliche Ablösung des Beitrags ist vielmehr ein von der Rechtsprechung seit langem anerkanntes Instrument zur Vorfinanzierung von beitragsfähigen Maßnahmen auch im Bereich der leitungsgebundenen Ent- oder Versorgung. Eine Ablösungsvereinbarung wird z.B. im Zusammenhang mit der Durchführung von Erschließungsmaßnahmen im Rahmen eines Erschließungsvertrages getroffen, um den Erschließungsträger hinsichtlich der Entstehung einer künftigen Beitragspflicht zu entlasten (vgl. zum Ganzen etwa BVerwG, Urteil vom 10. August 2011 – 9 C 6/10 –, juris, Rn. 16; OVG Nordrhein- Westfalen, Urteil vom 27. September 1988 – 2 A 2433/86 –, KStZ 1989 S. 196; VG Cottbus, Urteil vom 18. Januar 2022 – 6 K 2077/18 -, juris, Rn. 46; Beschluss vom 19. Juni 2012 - 6 L 137/12 -, juris, Rn. 28; Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 152 m. w. N.; Becker in: Becker u.a., KAG Bbg, Komm., § 8 Rn. 376).

Anders als der Kläger meint, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Begriff der „Ablösungsvereinbarung“ in § 2 der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge in einem hiervon abweichenden Sinne zu verstehen sein könnte. Vielmehr liegt es im System der Einrichtungsfinanzierung, dass in der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge Beitragszahlung und Ablösung als Vorfinanzierungsinstrument nebeneinandergestellt werden, so wie das auch in der Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 der Fall war, die die Möglichkeit der Beitragsablösung ausdrücklich vorsah (vgl. § 10) und die durch § 1 der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge ausdrücklich aufgehoben wird.

Es ist gemessen hieran aber nichts dafür ersichtlich, dass vorliegend zwischen dem Kläger und der S .... vor Entstehung der sachlichen Beitragspflicht ein im Wege der Prognose geschätzter Betrag vereinbart worden wäre, den der Kläger als Schuldner "zur Ablösung" der Beitragsschuld zu zahlen (gehabt) hätte. Die Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der R .... über die Verpflichtung des Klägers zur Beitragszahlung sind rein privatrechtlicher Natur und daher von vornherein unerheblich. Die Auffassung des Klägers, dass es mit der Zahlung der Beitragsschuld durch ihn im Zuge der Durchführung des Stundungsverfahrens rein faktisch zu einer Ablösung der Beitragsschuld der R .... gekommen sei, geht insoweit am Wesen einer Ablösungsvereinbarung als Vorfinanzierungsinstrument vorbei. Wie bei den anderen Vorfinanzierungsinstrumenten gilt im Übrigen auch für eine Ablösungsvereinbarung, dass sie nur bis zur Entstehung der sachlichen Beitragspflicht abgeschlossen werden darf; auch die weiter erforderliche, durch Zahlung erfolgende Ablösung selbst muss vor Entstehung der sachlichen Beitragspflicht stattfinden. Ist für ein Grundstück die sachliche Beitragspflicht entstanden, ist für den Abschluss einer Ablösungsvereinbarung wie auch für die Ablösung als solche kein Raum mehr (vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 3. Januar 2003 – 5 TG 3094/02 –, S. 3 f. des E. A.; VG Cottbus, Urteil vom 18. Januar 2022, a.a.O., Rn. 48; Driehaus, a. a. O., § 8 Rn. 153a f.; Becker, a.a.O., § 8 Rn. 377 f.). Umgekehrt schließt eine Ablösung eine anschließende Entstehung der sachlichen Beitragspflicht aus, sie tilgt gleichsam die Beitragspflicht „vorneweg“ (vgl. VG Cottbus, Urteil vom 25. März 2021 – 6 K 1112/18 -, juris, Rn. 4; Driehaus in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Komm., § 8 Rn. 154; Becker in: Becker u.a., KAG Bbg, Komm., § 8 Rn. 378). Im Jahre 2010 war hiernach keine Ablöse(vereinbarung) mehr möglich, da – wie bereits ausgeführt - davon auszugehen ist, dass zu diesem Zeitpunkt die sachliche Beitragspflicht für das Grundstück wegen des wirksamen Anschlussbeitragssatzungsrechts des Beklagten bereits entstanden war.Der Kläger hat insoweit nichts dafür aufgezeigt, dass für das Grundstück tatsächliche oder rechtliche Gründe einer Entstehung der sachlichen Beitragspflicht entgegengestanden haben könnten. Umgekehrt hätte, wenn eine Ablösung stattgefunden hätte, gar kein Beitragsbescheid mehr ergehen dürfen, was ebenfalls gegen eine Ablösung des Beitrages durch den Kläger spricht.

Auch von einer Erstattungsberechtigung des Klägers gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge ist nicht auszugehen. Es mangelt – wie ausgeführt - bereits an einer (wirksamen) Ablösevereinbarung, aufgrund derer eine Ablösung hätte erfolgen können.

Der gegen den Beklagten gerichtete Hilfsantrag, über den zu entscheiden ist, nachdem der Nichterfolg des Hauptantrages gegen den Beklagten feststeht, hat ebenfalls keinen Erfolg.

Statthafte Klageart für das vom Kläger geltend gemachte Erstattungs-/Zahlungsbegehren ist die Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO. Über den streitigen Anspruch ist gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) KAG i.V.m. § 218 Abs. 2 AO, da er einen Erstattungsanspruch nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) KAG i.V.m. § 37 Abs. 2 AO betrifft, durch Abrechnungsbescheid zu entscheiden. Denn insoweit steht eine Erstattung eines geleisteten Beitrages inmitten (vgl. VG Cottbus, Urteil vom 5. März 2020 – 6 K 849/17 -, juris, Rn. 26; VG Schwerin, Urteil vom 7. März 2016 – 4 A 152/15 -, juris, Rn. 45 und Rn. 51; VG München, Urteil vom 28. September 2006 – M 10 K 05.6221 -, juris, Rn, 25; VG Regensburg, Urteil vom 28. Februar 2001 – RN 3K 00.894 -, juris, Rn.20 ). Meinungsverschiedenheiten sollen mithin nicht sogleich vor Gericht durch eine Leistungsklage ausgetragen, sondern in einem Verwaltungsverfahren geklärt werden (vgl. Rüsken, in: Klein, AO, Komm., § 218 Rn. 10)

In seiner am selben Tag beim Beklagten eingegangenen Widerspruchsbegründung vom 29. Dezember 2017 zum Widerspruch vom 9. November 2017 gegen die Ablehnung seines Antrages auf Erstattung nach Maßgabe der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge hat der Kläger insoweit bei sachgerechter Auslegung sinngemäß auch einen Erstattungsanspruch nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) und Abs. 2 KAG i.V.m. § 37 Abs. 2 AO geltend gemacht. Nach den auch im öffentlichen Recht geltenden Rechtsgrundsätzen (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) über die Auslegung von Willenserklärungen kommt es nicht auf den inneren Willen der erklärenden Partei, sondern darauf an, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtungsweise zu verstehen ist. Dabei tritt der Wortlaut hinter Sinn und Zweck der Erklärung zurück. Maßgebend ist der geäußerte Wille des Erklärenden, wie er aus der Erklärung und den sonstigen Umständen für den Erklärungsempfänger erkennbar wird. Maßgeblich für den Inhalt eines Antrages oder Rechtsbehelfs ist daher, wie die Behörde ihn unter Berücksichtigung aller ihr erkennbaren Umstände nach Treu und Glauben zu verstehen hat. Dabei muss sich die Auslegung auf den Schriftsatz in seiner Gesamtheit und das mit ihm erkennbar verfolgte Rechtsschutzziel beziehen. Bei der Ermittlung des wirklichen Willens ist nach anerkannter Auslegungsregel zu Gunsten des Bürgers davon auszugehen, dass er denjenigen Rechtsbehelf einlegen bzw. Antrag stellen will, der nach Lage der Dinge seinen Belangen am ehesten entspricht und der eingelegt werden muss, um den erkennbar angestrebten Erfolg zu erreichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2001 – 8 C 17/01 –, juris Rn. 40). Kann hiernach der Betroffene nach dem Dargelegten eine Leistungsklage nicht unmittelbar erheben und bedarf es bei Meinungsverschiedenheiten der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens, dessen alleiniger Gegenstand der Erlass eines Abrechnungsbescheides sein kann, so bestimmt dieser Umstand auch das Verständnis des an die Abgabenbehörde heran getragenen Ansinnens (vgl. VG Cottbus, Urteil vom 5. März 2020, a.a.O., Rn. 26; Urteil vom 24. September 2018 – 6 K 85/14 –, juris Rn. 26; Urteil vom 27. Januar 2014 – 6 K 802/13 –, juris Rn. 21). Zwar führt der Kläger in der Widerspruchsbegründung - systematisch unzutreffend - insoweit aus, er habe einen „Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung“. Dies lässt sich aber ausweislich der weiteren Begründung des Schreibens ohne weiteres als Erstattungsbegehren im Sinne des § 37 Abs. 2 AO begreifen. Über dieses hat der Beklagte ohne zureichenden Grund bis zum heutigen Tag, also für einen nicht mehr als angemessen anzusehenden Zeitraum von über 4 Jahren nicht entschieden, so dass die Klage gemäß § 75 VwGO ohne ablehnende Bescheidung und Durchführung eines Vorverfahrens gemäß §§ 68 ff. VwGO zulässig ist.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erlass eines Abrechnungsbescheides mit dem begehrten Inhalt, vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Zahlung des Kanalanschlussbeitrags durch den Kläger ist nicht i.S.d. § 37 Abs. 2 AO ohne rechtlichen Grund erfolgt. Darüber hinaus ist der Kläger nicht erstattungsberechtigt i.S.d. Norm.Dahinstehen kann, ob unabhängig davon ein etwaiger Erstattungsanspruch durch Verjährung erloschen wäre, falls ein Rechtsgrund für die Zahlung nicht oder nicht mehr vorhanden war und der Kläger erstattungsberechtigt wäre.

Der begehrte Abrechnungs- bzw. Erstattungsbescheid wäre nur zu erlassen, wenn die Voraussetzungen des auch im Beitragsrecht gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) KAG entsprechend anwendbaren § 37 Abs. 2 AO vorliegen würden. Dieser steuerrechtliche bzw. abgabenrechtliche Erstattungsanspruch geht als lex specialis dem gewohnheitsrechtlich anerkannten allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, auf den der Kläger sich sinngemäß (auch) berufen hat, wenn er von einem „bereicherungsrechtlichen Anspruch“ ausgeht, vor (vgl. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Komm., § 37 AO Rn.. 26).

Nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) KAG i. V. m. § 37 Abs. 2 AO hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrages, wenn die Abgabe ohne rechtlichen Grund gezahlt worden (§ 37 Abs. 2 Satz 1 AO) oder der rechtliche Grund für die Zahlung später weggefallen ist (§ 37 Abs. 2 Satz 2 AO).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Zwar ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Kläger den geltend gemachten Betrag in Höhe von 11.339 Euro tatsächlich an den Beklagten gezahlt hat. Der Beklagte ist auch als Empfänger dieser Zahlung anzusehen.

Jedoch ist vorliegend der in Rede stehende Anschlussbeitrag weder ohne rechtlichen Grund gezahlt worden bzw. ist der Rechtsgrund für die Zahlung später weggefallen noch ist die Zahlung auf Rechnung des Klägers bewirkt worden. Im Einzelnen gilt hierzu Folgendes:

Den rechtlichen Grund für die Zahlung des Anschlussbeitrages durch den Kläger kann vorliegend nur ein wirksamer Bescheid darstellen. Um einen solchen wirksamen Bescheid - und damit um eine Rechtsgrundlage für die Zahlung - handelt es sich bei dem Beitragsbescheid des Beklagten vom 5. Oktober 2020. Demgegenüber kommt dem Stundungsbescheid vom 9. November 2010 keine gegenüber dem Beitragsbescheid rechtlich selbständige Bedeutung zu. Denn die Stundung hatte – wie bereits ausgeführt – lediglich den Zweck, die Bedingungen für die Zahlung des Anschlussbeitrages auf die individuellen wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers nach Maßgabe seines Stundungsantrages anzupassen, ist als solcher aber nicht die Rechtsgrundlage für die Beitragsleistung, da er – wie dargelegt – das Beitragsschuldverhältnis unberührt ließ. Der Kläger leistete insoweit mit Blick auf seine durch den Kaufvertrag begründete zivilrechtliche Verpflichtung.

Entgegen der scheinbaren Auffassung des Klägers sind keine Gründe für eine Nichtigkeit des Beitragsbescheides vom 5. Oktober 2020 gemäß § 125 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG ersichtlich. Dies gilt insbesondere, soweit der Kläger der Auffassung zu sein scheint, der in Rede stehende Beitrag habe wegen „hypothetischer Festsetzungsverjährung“ nicht erhoben werden dürfen.

Die Anwendung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG n.F. verstößt zwar in Fällen, in denen Beiträge nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. nicht mehr erhoben werden konnten bzw. hätten erhoben werden können, gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. November 2015 - 1 BvR 2961/14 -, - 1 BvR 3051/14 -, juris Rz. 39) mit der Folge, dass es insoweit bei der Regelung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. verbleibt (sog. „ hypothetische Festsetzungsverjährung“, vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. April 2019 – 9 S 1.19 -, S. 4 ff. des E.A.; Urteil vom 11. Februar 2016 – 9 B 1.16 -, juris Rn. 30). Eine Fallgestaltung der hypothetischen Festsetzungsverjährung ist - zusammenfassend – anzunehmen, wenn ein potentiell beitragspflichtiger Grundstückseigentümer nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. in der Auslegung, die die Vorschrift durch das Oberverwaltungsgericht Brandenburg (vgl. Urteil vom 8. Juni 2000 – 2 D 29/98.NE -, juris, Rn. 43 ff.) erfahren hat, aufgrund eines unwirksamen ersten Satzungsversuchs des zuständigen Einrichtungsträgers darauf vertrauen konnte, dass ein weiterer, nunmehr wirksamer Satzungsversuch zwar die Beitragspflicht zur Entstehung bringen würde, diese aber im gleichen Moment verjährt wäre. Das trifft – wegen § 12 Abs. 1 Nr. 4 b) KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1, § 170 Abs. 1 AO – auf Satzungen zu, die vom zuständigen Einrichtungsträger spätestens im Jahre 1999 erlassen worden sind beziehungsweise bestimmten, dass die sachliche Beitragspflicht spätestens im Jahre 1999 entstehen sollte, wobei die satzungsmäßige Vorteilslage im Sinne einer rechtlich gesicherten tatsächlichen Anschlussmöglichkeit ebenfalls spätestens im Jahre 1999 gegeben sein musste (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Februar 2016 – 9 B 1.16 –, juris, Rn. 29 ff.).

Selbst wenn man aber unterstellte, dass die genannte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für das hier in Rede stehende Grundstück überhaupt einschlägig wäre und dies dementsprechend die Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides zur Folge hätte, führte dies nicht zur Nichtigkeit des Bescheides.

Gemäß § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Indes ist hier keines der Tatbestandsmerkmale des § 125 Abs. 1 AO erfüllt.

Wäre die Erhebung des Beitrages durch den Bescheid vom 5. Oktober 2010 aufgrund rückwirkender Normanwendung wegen Verstoßes gegen das verfassungsrechtlich garantierte Rückwirkungsverbot rechtswidrig, stellte dies keinen besonders schwerwiegenden Fehler dar. Die Voraussetzungen der Nichtigkeit sind nur ausnahmsweise gegeben; in der Regel ist ein rechtswidriger Verwaltungsakt lediglich anfechtbar. Um das Anfechtungserfordernis im Interesse der Rechtssicherheit nicht zu beeinträchtigen, nimmt die Rechtsprechung einen besonders schwerwiegenden Fehler nur an, wenn dieser die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem so hohen Maße verletzt, dass von niemandem erwartet werden kann, den ergangenen Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, vgl. BFH, Beschluss vom 1. Oktober 1981 - IV B 13/81 -, BFHE 134, 223; Urteil vom 11. Juli 1986 - VI R 105/83 -, BFHE 147, 113; Urteil vom 22. November 1988 - VII R 173/85 -, BFHE 155, 24; Beschluss vom 14. April 1989 - III B 5/89 -, BFHE 156, 376; Urteil vom 20. Dezember 2000 – I R 50/00 –, BFHE 194, 1).

Der Fehler der „hypothetischen Festsetzungsverjährung“, unter dem der Beitragsbescheid vom 5. Oktober 2010 – unterstellt – leiden könnte, wäre hiernach nicht einmal besonders schwerwiegend. Denn letztlich hätte der Kanalanschlussbeitrag aufgrund der genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung hier nur deshalb nicht festgesetzt werden dürfen, weil er infolge der Nichtanwendbarkeit einer neueren Norm bereits (hypothetisch) verjährt gewesen wäre. Verkennt aber eine Behörde, dass eine Norm verfassungskonform ausgelegt werden muss oder auch nur, dass ein Beitrag bereits verjährt ist, so führt dies nicht zu einem besonders schwerwiegenden Fehler. Vielmehr stellen sich beide Konstellationen als regelmäßig auftretende Fehler dar, deren Gewicht sogar – jedenfalls soweit es die Verkennung der Verjährung betrifft – eher als leicht betrachtet werden dürfte. Der Verstoß eines Verwaltungsaktes gegen materielles Recht begründet insoweit in der Regel keine Nichtigkeit, auch nicht ein Verstoß gegen höherrangiges Recht (vgl. vorgenannte Zitate des BFH; ferner ausdrücklich zu einem Verstoß gegen hypothetische Festsetzungsverjährung VG Cottbus, Urteil vom 5. September 2018 – 4 K 1700/17 -, juris, Rn. 38 ff.). Ein Verwaltungsakt ist auch nicht ohne Weiteres nichtig, wenn er bestandskräftig ist und sich aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herausstellt, dass er auf einer verfassungswidrigen gesetzlichen Grundlage oder Auslegung beruht (vgl. VG Cottbus, a.a.O., Rn. 42; Klein/Ratschow, AO Komm., § 125 Rn. 12-13; BeckOK AO, Komm., § 125 Rn. 20-26). Vielmehr muss nach seinem Ausmaß und seiner Schwere der Fehler den Verwaltungsakt als schlechterdings unerträglich erscheinen lassen, d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der (Abgaben-)Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.2.1985 - 8 C 107/83-, NJW 1985, 2658; ähnlich BFH, Beschluss vom 30. November 1987 - VIII B 3/87-, BStBl. II 1988, 183/185; Urteil vom 18. September 2010 - V R 57/09 -, BStBl. II 2011, 151; Beschluss vom 21. Juni 2010 - VII R 27/08, BStBl. II 2011, 331; Koenig/Fritsch, AO Komm., § 125 Rn. 4-22, beck-online). Eine Nichtigkeit liegt insbesondere nicht vor, wenn der Verwaltungsakt – wie hier möglicherweise der Fall – auf einer nach seinem Erlass für verfassungswidrig erklärten Norm bzw. für verfassungswidrig erklärten Auslegung einer Norm beruht (vgl. BFH, Urteil vom 28. Juni 2006 - III R 13/06 -, BFH/NV 2006, 2204; Kopp/Ramsauer, VwVfG Komm., § 44 Rz. 30; Koenig/Fritsch, a.a.O., § 125 Rn. 4-22).

Erst Recht mangelt es an der Offenkundigkeit eines – schon nicht vorliegenden - besonders schwerwiegenden Fehlers.

Offenkundig ist ein Fehler, wenn jeder verständige Dritte, dem die Kenntnis aller in Betracht kommenden Umstände unterstellt werden kann, in der Lage ist, den Fehler in seiner besonderen Schwere zu erkennen (vgl. BFH, Urteil vom 13. Februar 1996 - VII R 43/95 -, BFH/NV 1996, 530; Urteil vom 23. August 2000 – X R 27/98 –, BFHE 193, 19, BStBl II 2001, 662, Rn. 27).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Bei der Rechtsfigur der hypothetischen Festsetzungsverjährung handelt es sich um eine Einschätzung, die auf komplexen rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen fußt. In diesen Fällen stellen sich regelmäßig schwierige und umfangreiche Fragen, deren Beantwortung im Rahmen eines komplizierten Subsumtionsvorganges maßgeblich dafür ist, ob ein Fall hypothetischer Festsetzungsverjährung überhaupt vorliegt (vgl. VG Cottbus, Urteil vom 5. September 2018, a.a.O., Rn. 44 ff.). Dass diese Überlegungen offenkundig seien und dem Bescheid quasi „auf der Stirn“ stünden, kann nicht vertreten werden.

Der Beitragsbescheid vom 5. Oktober 2010 ist auch nicht aufgehoben worden und dadurch als Rechtsgrund für die Zahlung des Klägers nachträglich weggefallen. Denn mit der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge wurde lediglich die Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 aufgehoben, während die bestandskräftig gewordenen Beitragsbescheide gerade unberührt blieben. Auch bleibt die Wirksamkeit eines Abgabenbescheides gemäß § 125 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG wie auch diejenige anderer Verwaltungsakte gemäß § 43 VwVfG vom Wegfall der Rechtsgrundlage, auf deren Grundlage er erlassen wurde, unberührt, soweit das Gesetz – hier die Satzung - nicht ausdrücklich etwas anderes anordnet, was hier nicht der Fall ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG Komm., § 43 Rn. 42b; Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, Komm., § 43 Rn. 32). Auch der Stundungsbescheid ist im Übrigen nach wie vor wirksam, wenn man diesen – entgegen der hier vertretenen Auffassung -als Rechtsgrund für die Zahlung des Klägers ansehen wollte.

Unabhängig von vorstehenden Ausführungen wäre bei einer Zahlung ohne Rechtsgrund der Kläger auch nicht Gläubiger eines Erstattungsanspruchs. Vielmehr hat der Kläger mit der auf den Beitragsbescheid vom 5. Oktober 2010 erfolgten Zahlung auf eine fremde Schuld geleistet mit der Folge, dass nicht er, sondern die als Schuldnerin ausgewiesene Person, nämlich die R .... erstattungsberechtigt (gewesen) ist, was der Beklagte auch zutreffend erkannt hat, als er dieser gegenüber auf deren Antrag einen Erstattungsbescheid erließ und den Erstattungsbetrag in der Folge auskehrte. Denn nach § 37 Abs. 2 AO ist – wie bereits oben im Zusammenhang mit der Erstattungsberechtigung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge ausgeführt - erstattungsberechtigt derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, nicht derjenige, auf dessen Kosten bzw. aus wessen Vermögen die Zahlung erfolgt ist. Es kommt also nicht darauf an, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt worden ist, sondern nur darauf, wessen (vermeintliche) Abgabenschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung der abgabenerhebenden Behörde gegenüber erkennbar bei objektiver Betrachtungsweise hervorgetreten ist, getilgt werden sollte. Dies ist – wenn so wie hier keine anderen Anhaltspunkte bestehen - derjenige, der in dem der Zahlung zugrundeliegenden Abgabenbescheid als Schuldner ausgewiesen ist (vgl. BFH, Beschluss vom 20. Februar 2017 – VII R 22/15 –, juris Rn. 8; Urteil vom 15. November 2005 – VII R 16/05 –, juris Rn. 9; Urteil vom 23. August 2001 - VII R 94/99 -, juris Rn. 17; Urteil vom 25. Juli 1989 – VII R 118/87 –, juris Rn. 9; OVG Thüringen, Beschluss vom 2. April 2007 – 4 ZKO 196/07 -, juris, Rn. 6, VG Cottbus, Urteil 5. März 2020, a.a.O., Rn. 35; Urteil vom 25. März 2021, a.a.O., Rn. 30, 43; Klein, a.a.O, § 37 Rn. 62). Gemessen hieran hat der Kläger vorliegend lediglich – wie bereits oben zu einem etwaigen Erstattungsanspruch nach der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge ausgeführt – in Erfüllung einer zivilrechtlichen Verpflichtung aus dem Grundstückskaufvertrag auf die Beitragsschuld der R .... gezahlt. Ob der Kläger ggf. gegen diese aus zivilrechtlichen Gründen einen Erstattungsanspruch hat, bedarf hier keiner Entscheidung.

Die in der mündlichen Verhandlung sinngemäß geäußerte Auffassung der Klägerseite, beitragspflichtig sei nicht der Grundstückseigentümer, sondern das Grundstück als solches, auf dem die sachliche Beitragspflicht als öffentliche Last ruhe, so dass (auch) die Erstattung stets gegenüber dem jetzigen Grundstückseigentümer, nicht aber gegenüber dem seinerzeit zu einem Beitrag veranlagten Grundstückseigentümer zu erfolgen habe, ist nicht nur für den Anspruch nach § 3 der Aufhebungs- und Erstattungssatzung Kanalanschlussbeiträge (vgl. dazu bereits oben), sondern auch im Anwendungsbereich des § 37 Abs. 2 AO unzutreffend. Es kommt – wie ausgeführt - nur darauf an, wessen (vermeintliche) Abgabenschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung der abgabenerhebenden Behörde gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte. Wird danach von dem Adressaten eines Beitragsbescheides oder von einem Dritten auf die Beitragsschuld des Bescheidadressaten gezahlt, ist der frühere Grundstückseigentümer und Bescheidadressat derjenige, auf dessen Rechnung gezahlt wurde. Hieran ändert sich nichts dadurch und ist der Kläger nicht deshalb Gläubiger des Erstattungsanspruchs geworden, wenn bzw. weil sich das Beitragsschuldverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hat und der Kläger zum Zeitpunkt der Erstattung (Allein-)Eigentümer des Grundstücks geworden ist. Zwar ist ein Anspruch auf Erstattung von Abgaben übergangs- bzw. rechtsnachfolgefähig, insbesondere kann er abgetreten werden (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) KAG i. V. m. § 46 Abs. 1 AO 1977). Aus § 8 Abs. 10 KAG, wonach der Beitrag als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht, lässt sich aber kein Übergangstatbestand bzw. keine Rechtsnachfolge herleiten. Bei diesem Argument lässt die Klägerseite unberücksichtigt, dass zwischen der persönlichen und der sachlichen Beitragspflicht zu unterscheiden ist. Nur die sachliche Beitragspflicht ruht als öffentliche Last auf dem Grundstück. Sie begründet keine persönliche Schuldnerschaft des jeweiligen Grundstückseigentümers, sondern hat den Inhalt, dass das Grundstück auch dann für die Beitragsschuld haftet, wenn der Grundstückseigentümer nicht persönlich beitragspflichtig ist, z. B. weil er das Grundstück von einem Voreigentümer erworben hat (vgl. OVG Thüringen, Beschluss vom 20. Dezember 2001 - 4 ZEO 867/99 -, NVwZ-RR 2002, S. 774). Wenn das Grundstück veräußert und der neue Eigentümer ins Grundbuch eingetragen wurde, dann ist damit, dass die öffentliche Last auch unter den neuen Eigentumsverhältnissen auf dem Grundstück ruht, noch nichts über die persönliche Beitragsschuld gesagt. Diese trifft nach wie vor den ursprünglich beitragspflichtig gewordenen Voreigentümer, sofern sie nicht ihrerseits im Wege der Rechtsnachfolge auf eine andere Person übergegangen ist, wie dies beispielsweise bei der Gesamtrechtsnachfolge von Todes wegen der Fall ist. Entsprechendes gilt für die Kehrseite der persönlichen Beitragspflicht, den Erstattungsanspruch aus § 37 Abs. 2 AO (vgl. OVG Thüringen, Beschluss vom 2. April 2007 – 4 ZKO 196/07 -, juris, Rn. 6 f.). Ein Fall der Gesamtrechtsnachfolge ist hier aber nicht gegeben.

Im Übrigen spricht vieles dafür, ohne dass dies einer abschließenden Entscheidung bedürfte, dass beim Fehlen eines Rechtsgrundes für die erfolgte Beitragszahlung und Annahme einer Erstattungsberechtigung des Klägers ein etwaiger Erstattungsanspruch jedenfalls hinsichtlich aller vor Ablauf des Jahres 2011 geleisteter Raten durch Verjährung erloschen (§§ 47, 232 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) und Nr. 5 lit. a) KAG) wäre.Nach § 228 Satz 2 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) KAG verjähren Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis, zu denen auch der Erstattungsanspruch gehört, in fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist (§ 229 Abs. 1 Satz 1 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) KAG). Das dürfte im Streitfall der Ablauf des Jahres 2011 sein, was die ersten drei Ratenzahlungen des Klägers in Höhe von insgesamt 8.504,25 Euro anbetrifft, weil der Beitrag – was zwischen den Beteiligten, auch ausweislich der vom Kläger eingereichten Kontoauszüge, unstreitig ist - in diesem Umfang mit der Leistung der dritten Rate gemäß Stundungsbescheid vom 9. November 2010 und den darin festgesetzten neuen Fälligkeiten gezahlt worden ist und bei einer Zahlung ohne anfänglichen Rechtsgrund der sich daraus ergebende Erstattungsanspruch bereits mit der von vornherein rechtsgrundlosen Zahlung entsteht (vgl. BFH, Urteil vom 7. Februar 2002 – VII R 33/01 -, juris Rn. 24; Urteil vom 9. Juli 1996 – VII R 136/95 –, juris Rn. 23 f.; Beschluss vom 7. Mai 2013 – VII B 199/12 -, BFH/NV 2013, 1378; Koenig, a.a.O., § 37 Rn. 61; Klein, a.a.O., § 37 Rn. 50). Der Erstattungsanspruch wäre daher unter dieser Annahme in Höhe von 8.504,25 Euro mit Ablauf des Jahres 2016 und damit im Zeitpunkt der Stellung des Erstattungsantrags, die mit der Begründung des Widerspruchs vom 9. November 2017 durch am gleichen Tag beim Beklagten eingegangenes Schreiben vom 29. Dezember 2017 erfolgte, (bereits) verjährt gewesen. Dem dürfte auch § 229 Abs. 1 Satz 2 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) KAG nicht entgegenstehen, weil sich der hier in Betracht kommende Erstattungsanspruch ohne seine vorherige Festsetzung im Sinne des § 220 Abs. 2 Satz 2 AO und ohne Aufhebung einer etwa entgegenstehenden Abgabenfestsetzung allein daraus ergibt, dass der Kläger den Beitrag gezahlt hat (vgl. BFH, Urteil vom 9. Juli 1996 – VII R 136/95 -, juris Rn. 23; Beschluss vom 29. Juli 1998 - II R 64/95 -, juris Rn. 6). Der Erlöschenstatbestand der Zahlungsverjährung ist ferner vom Gericht vorab in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen, ohne dass es einer diesbezüglichen Geltendmachung bedürfte (vgl. BFH, Urteile vom 18. November 2003 – VII R 5/02 -, juris Rn. 10 und vom 24. April 1996 – II R 37/93 -, juris Rn. 18). Da eine Erstattungsberechtigung des Klägers aus den genannten Gründen ausscheidet, bedürfen diese Fragen aber keiner abschließenden Klärung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 Abs. 1 und 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

VG Cottbus

Erscheinungsdatum:

17.03.2022

Aktenzeichen:

6 K 1617/18

Rechtsgebiete:

Allgemeines Schuldrecht
Sonstiges Steuerrecht

Normen in Titel:

BGB § 428; AO §§ 37 Abs. 2, 47, 125, 218, 228, 232; KAG BB §§ 8, 12; VwGO §§ 68, 74, 75