OLG Düsseldorf 18. Oktober 2019
3 Wx 99/19
GBO §§ 18, 29, 35; BGB §§ 2087, 2205

Abgrenzung Erbeinsetzung und Vermächtnis

letzte Aktualisierung: 09.04.2020
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.10.2019 – 3 Wx 99/19

GBO §§ 18, 29, 35; BGB §§ 2087, 2205
Abgrenzung Erbeinsetzung und Vermächtnis

1. Hat der Erblasse in seinem privatschriftlichen Testament u. a. verfügt, dass das wertmäßig den
ganz überwiegenden Nachlass ausmachende Restvermögen seinem Stiefsohn „vermacht“ wird, so
führt dies unter Anwendung der gesetzlichen Auslegungsregel des § 2087 BGB – ungeachtet des
verwendeten Begriffes – zu dem Ergebnis einer Erbeinsetzung des Stiefsohns.

2. Eine nicht gegen § 2205 S. 3 BGB verstoßende und daher wirksame entgeltliche Verfügung eines
Testamentsvollstreckers liegt vor, wenn diese in Erfüllung einer letztwilligen Verfügung des
Erblassers vorgenommen wird. Ein entsprechender Nachweis kann auch durch ein dem
Grundbuchamt vorzulegendes und von diesem zu würdigendes privatschriftliches Testament
erbracht werden. (Leitsätze der DNotI-Redaktion)

G r ü n d e :

I.

Die derzeit als Alleineigentümerin des verfahrensgegenständlichen Grundbesitzes im
Grundbuch eingetragene Erblasserin verstarb im Jahr 2018. Zu ihrem Nachlass gehören
neben dem verfahrensgegenständlichen Grundbesitz Rechte an einem Unternehmen,
Bankguthaben sowie Forderungen gegen Dritte.

Mit privatschriftlichem Testament vom 31. Dezember 2015 setze die Erblasserin den
Beteiligten zu 1 zum Testamentsvollstrecker ein. Weiter verfügte sie folgendes:

„Mein Nießbrauch-Vermögen bei der Firma … soll im Fall meines Todes zu gleichen Teilen
(je 25%) auf die Enkel-Kinder meines verstorbenen Ehemanns … übertragen werden
(vererbt werden).

Mein restliches Vermögen vermache ich meinen Stiefsohn A. (Anm.: das ist der Beteiligte
zu 2) … und meinem Adoptiev-Enkel Dr. B. (Anm.: das ist der Beteiligte zu 1) … zu
gleichen Teilen.“

Unter dem 22. November 2018 trafen die Beteiligten zu 1 und 2 in einer als
„Vermächtniserfüllungs- und Übertragungsvertrag“ überschriebenen notariellen Urkunde
folgende Vereinbarungen: In einem ersten Schritt übertrug der Beteiligte zu 1 in seiner
Eigenschaft als Testamentsvollstrecker zum Zwecke der Vermächtniserfüllung den
verfahrensgegenständlichen Grundbesitz je zu ½-Anteil an sich selbst und an den
Beteiligten zu 2 als Vermächtnisnehmer. In einem zweiten Schritt übertrug der Beteiligte zu
2 seinen hälftigen Miteigentumsanteil an den Beteiligten zu 1.

Unter dem 6. Februar 2019 wurde dem Beteiligten zu 1 ein Testamentsvollstreckerzeugnis
erteilt. Ein Erbschein ist bislang nicht beantragt.

Mit notariellem Antrag vom 14. Februar 2019 beantragten die Beteiligten die
Umschreibung des Eigentums am verfahrensgegenständlichen Grundbesitz unmittelbar
auf den Beteiligten zu 1.

Mit Zwischenverfügung vom 22. Februar 2019 wies das Grundbuchamt darauf hin, dass
eine Zustimmung der Erben gemäß § 2205 Satz 3 BGB in der Form des § 29 GBO sowie
ein Erbnachweis, der durch Vorlage eines Erbscheins geführt werden könne, erforderlich
seien.

Der verfahrensbevollmächtigte Notar teilte mit Schreiben vom 14. März 2019 mit, die vom
Grundbuchamt verlangten Nachweise nicht für erforderlich zu halten, da der Beteiligte zu 1
als Testamentsvollstrecker im ersten Schritt des Übertragungsvertrages ausschließlich das
von der Erblasserin angeordnete Vermächtnis erfülle; das sei keine unentgeltliche
Verfügung im Sinne von § 2205 Satz 3 BGB.

Mit Schreiben vom 28. März 2019 teilte das Grundbuchamt mit, es bestünden Zweifel, ob
die im Testament getroffenen Anordnungen als Vermächtnis oder als Erbeinsetzung
auszulegen seien. Im Hinblick auf das Formerfordernis des § 29 GBO seien die
Zustimmung der Erben und der Erbnachweis angefordert worden. Deshalb bitte es um
Erledigung der Zwischenverfügung.

Der Rechtsauffassung des Grundbuchamtes trat der verfahrensbevollmächtigte Notar mit
seinem weiteren Schreiben vom 8. April 2019 entgegen.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Grundbuchamt erneut eine Zwischenverfügung
erlassen und die bereits mit der Verfügung vom 22. Februar 2019 verlangten Nachweise
angefordert. Es hat zur Begründung ausgeführt, es sei nicht zweifelsfrei erkennbar, ob es
sich bei der testamentarischen Anordnung „Mein restliches Vermögen vermache ich …“
tatsächlich um ein Vermächtnis handele. Auch nach freier Beweiswürdigung könne nicht
auf einen Erbnachweis verzichtet werden. Soweit die Beteiligten zu 1 und 2 Mitglieder
einer Erbengemeinschaft seien, wäre die Übertragung des Grundbesitzes eine
Erbauseinandersetzung und dann sei die Erbengemeinschaft stets in der Form von § 35
oder § 36 GBO nachzuweisen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1 vom 29. April 2019. Er meint,
schon die wörtliche Auslegung des Testaments führe zu dem Ergebnis, dass es sich bei
der Grundstücksübertragung durch ihn als Testamentsvollstrecker um die Erfüllung eines
Vermächtnisses handele; dafür benötige ein Testamentsvollstrecker keine Zustimmung der
Erben. Selbst wenn es sich um eine Erbeinsetzung handeln sollte, wäre eine Zustimmung
der Erben nicht notwendig, denn auch dann würde der Testamentsvollstrecker lediglich die
Anordnungen der Erblasserin erfüllen.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache mit weiterem
Beschluss vom 7. Mai 2019 dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung
vorgelegt.

Mit weiterer Eingabe vom 14. Mai 2019 wiederholt und vertieft der Beteiligte zu 1 seine
Ausführungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfahrensakte sowie den der
beigezogenen Akten des Nachlassgerichts (AG Mönchengladbach-Rheydt 12 VI 853/18
und 12 IV 568/18 und 12 VI 665/18) verwiesen.

II.
Die gemäß §§ 18 Abs. 1, 71 Abs. 1, 72, 73 GBO zulässige Beschwerde ist nach der vom
Grundbuchamt ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung
angefallen, § 75 GBO. Sie hat in der Sache schon deshalb Erfolg, weil die
Zwischenverfügung nicht hätte ergehen bzw. durch Nichtabhilfe hätte bestätigt werden
dürfen und daher aus formellen Gründen aufzuheben ist.

Die Zwischenverfügung ist inhaltlich unzulässig, weil die Beteiligten im Anschluss an die
erste Zwischenverfügung vom 22. Februar 2019 und an das gerichtliche Hinweisschreiben
vom 28. März 2019 durch ihre Ausführungen vom 14. März 2019 und vom 8. April 2019
ernsthaft und endgültig zu erkennen gegeben haben, dass sie nicht gewillt sind, die vom
Grundbuchamt gesehenen Eintragungshindernisse zu beseitigen. In diesem Fall geht das
mit Erlass einer Zwischenverfügung beabsichtigte Verbesserungsverfahren ins Leere. Das
Grundbuchamt hätte deshalb – auf der Basis seiner eigenen Rechtsauffassung – nicht
erneut durch Zwischenverfügung entscheiden bzw. diese aufrecht erhalten dürfen,
sondern über den Eintragungsantrag unmittelbar entscheiden müssen (vgl. Senat FGPrax
2013, 14; ZEV 2016, 707).

In der Sache sei – ohne Bindungswirkung – bemerkt:

Liegt – wie hier im ersten Schritt der notariellen Urkunde vom 22. November 2018 – eine
Verfügung eines Testamentsvollstreckers vor, hat das Grundbuchamt unter anderem auch
die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers zu prüfen. Gemäß § 2205 Satz 3
BGB sind dem Testamentsvollstrecker unentgeltliche Verfügungen untersagt. Daraus folgt
für das grundbuchrechtliche Verfahren, dass das Grundbuchamt auch die Entgeltlichkeit
der Verfügungen des Testamentsvollstreckers festzustellen hat. Da sich der Nachweis der
Entgeltlichkeit einer Verfügung häufig jedoch nicht durch öffentliche Urkunden (§ 29 GBO)
führen lässt, hat das Grundbuchamt dann im Wege freier Beweiswürdigung die
Entgeltlichkeit festzustellen. Insofern handelt es sich um einen Ausnahmefall von § 29
GBO (OLG München ZEV 2011, 197 ff. und RNotZ 2015, 359 ff.; Palandt-Weidlich, BGB,
76. Aufl. 2017, § 2205 Rn. 31 m.w.N.). Eine entgeltliche Verfügung eines
Testamentsvollstreckers liegt unter anderem dann vor, wenn die Verfügung in Erfüllung
einer letztwilligen Verfügung des Erblassers vorgenommen wurde. Der Nachweis, dass der
Testamentsvollstrecker gemäß der Erblasseranordnung gehandelt hat, wird durch Vorlage
des Testaments erbracht. Hierbei sind grundsätzlich auch privatschriftliche Testamente
vom Grundbuchamt zu würdigen (vgl. Senat BeckRS 2013, 15711; OLG München ZEV
2011, 197 ff. und RNotZ 2015, 359 ff.; BeckOK BGB/Lange, 51. Edition, Stand: 1. August
2019, § 2205 Rn. 70 ff. m.w.N.).

Die Ausnahme von § 29 GBO gilt insbesondere dann, wenn ein Nachweis in der Form der
§§ 29, 35 GBO nicht erbracht werden kann, etwa weil ein Erbschein die
Vermächtnisnehmereigenschaft nicht nachweist.

Eines gesonderten Nachweises in der Form des § 29 GBO bedarf es im übrigen auch
dann nicht, wenn der Testamentsvollstrecker deshalb in Erfüllung des Testaments handelt,
weil er mit der Übertragung eines Grundstücks oder eines Grundstücksrechtes eine
entsprechende Anordnung des Erblassers vollzieht. Es ist dann nämlich unerheblich, ob
der Gegenstand dem Empfänger als Erbe durch Teilungsanordnung (§ 2048 BGB), als
Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB) oder als (gewöhnliches) Vermächtnis (§ 2147 BGB)
zukommen soll. Im Testament muss nur hinreichend deutlich werden, dass der Bedachte
den Gegenstand in jedem Fall erhalten soll (OLG München ZEV 2011, 197 ff.; BayObLG
NJW-RR 1989, 587; vgl. auch OLG Karlsruhe NRW-RR 2005, 1097 ff.; Keim ZEV 2007,
470 ff.).

Hier stützt sich der Beteiligte zu 1 zum Nachweis seiner Verfügungsbefugnis als
Testamentsvollstrecker auf das privatschriftliche Testament der Erblasserin vom 31.
Dezember 2015. In welchem Sinne das ihm vorlegte Testament auszulegen ist, hat das
Grundbuchamt grundsätzlich in eigener Verantwortung festzustellen. Das gilt auch, wenn
es sich um die Klärung rechtlich schwieriger Fragen handelt. Eine Auslegung scheidet
indes aus, wenn das Grundbuchamt auf Grund der Eintragungsgrundlagen nicht zu einer
abschließenden Würdigung in der Lage ist (vgl. Demharter, GBO, 31. Aufl. 2018, § 35 Rn.
43 m.w.N.).

Hier sprechen nach Auffassung des Senats gute Gründe dafür, das privatschriftliche
Testament der Erblasserin vom 31. Dezember 2015 dahin auszulegen, dass die Beteiligten
zu 1 und 2 entgegen der von ihnen vertretenen Auffassung nicht als Vermächtnisnehmer
eingesetzt worden sind, sondern zu Miterben nach der Erblasserin bestimmt worden sind.

Entsprechendes rechtfertigt sich aufgrund einer Anwendung der gesetzlichen
Auslegungsregel des § 2087 BGB.

Gemäß § 2087 Abs. 1 BGB ist eine Verfügung, auch dann wenn der Bedachte nicht als
Erbe bezeichnet ist, als Erbeinsetzung zu verstehen, wenn der Erblasser dem Bedachten
sein Vermögen oder einen Bruchteil davon zuwendet. Wendet der Erblasser dem
Bedachten nur einzelne Gegenstände zu, ist nach § 2087 Abs. 2 BGB im Zweifel nicht
anzunehmen, dass er, auch wenn er als Erbe bezeichnet ist, Erbe sein soll. Es handelt
sich dann vielmehr in der Regel um eine Vermächtnisanordnung (vgl. Palandt-Weidlich,
BGB, a.a.O., § 2087 Rn. 8).

Im hier auszulegenden Testament hat die Erblasserin in Bezug auf ihre Rechte an dem
seinerzeitigen Unternehmen ihres vorverstorbenen Ehemannes verfügt, dass diese den
vier Enkeln ihres Ehemannes „übertragen werden (vererbt werden)“. Ihren gesamten
restlichen Nachlass hat sie den Beteiligten zu 1 und 2 zugewandt und ihre Zuwendung mit
den Worten „vermache ich“ bezeichnet. Ausweislich des zu den Nachlassakten gereichten
Wertermittlungsbogens beläuft sich der Wert der Rechte an dem Unternehmen auf
225.884,- € und der Wert der restlichen Nachlassaktiva auf insgesamt 1.373.087,- €. Hat
also die Erblasserin einerseits die vier Enkel ihres vorverstorbenen Ehemannes mit ihren
Rechten an dem Unternehmen des Ehemannes als bestimmt bezeichneten Bestandteil
ihres Nachlasses bedacht, ohne dass diese Rechte wertmäßig den Nachlass erschöpfen
oder ihn im wesentlichen bestimmen, und andererseits den Beteiligten zu 1 und 2 ihr
gesamtes restliches Vermögen, welches auch wertmäßig den ganz überwiegenden
Nachlass ausmacht, zugewandt, führt die Anwendung der gesetzlichen Auslegungsregel
des § 2087 BGB zu dem Ergebnis einer Einsetzung der Beteiligten zu 1 und 2 als Erben
und der vier Enkel als Vermächtnisnehmer. Die von der Erblasserin jeweils verwendeten
Bezeichnungen stehen diesem Ergebnis nicht entgegen.

Gleichwohl ist für das hiesige Eintragungsverfahren die Vorlage eines Erbscheins
entbehrlich, denn den testamentarischen Anordnungen der Erblasserin vom 31. Dezember
2015 lässt sich ohne weiteres entnehmen, dass die Beteiligten zu 1 und 2 abgesehen vom
den zum Nachlass gehörigen Unternehmensrechten alle übrigen Nachlassgegenstände –
mithin auch den zum Nachlass gehörigen, verfahrensgegenständlichen Grundbesitz –
jeweils zu gleichen Teilen erhalten sollten. Damit deckt sich die hier im ersten Schritt
erklärte Übertragung des verfahrensgegenständlichen Grundbesitzes durch den
Beteiligten zu 1 in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker an die Beteiligten zu 1
und 2 je zu ½-Anteil.

III.

Eine Kostenentscheidung durch den Senat ist nicht veranlasst, §§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1
GNotKG; deshalb erübrigt sich auch eine Wertfestsetzung. Die Voraussetzungen für eine
Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Düsseldorf

Erscheinungsdatum:

18.10.2019

Aktenzeichen:

3 Wx 99/19

Rechtsgebiete:

Testamentsvollstreckung
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Vermächtnis, Auflage
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Erbengemeinschaft, Erbauseinandersetzung

Erschienen in:

ZEV 2020, 123-124

Normen in Titel:

GBO §§ 18, 29, 35; BGB §§ 2087, 2205