OLG Stuttgart 02. November 2008
17 UF 155/08
EGBGB Art. 17

Zahlung der Morgengabe bei Scheidung nach iranischem Recht

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Dokumentnummer: 17uf155_08
letzte Aktualisierung: 3.12.2009
OLG Stuttgart, 3.11.2008 - 17 UF 155/08
EGBGB Art. 17
Zahlung der Morgengabe bei Scheidung nach iranischem Recht
Die Brautgabe (mahr) ist wesentlicher Bestandteil der islamischen Eheschließung. Außer im Fall
der sog. „Loskaufscheidung“ oder der einvernehmlichen Ehescheidung bleibt der Anspruch auf
die Brautgabe in vollem Umfang erhalten.Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.


Tenor
1. Dem Beklagten wird die Gewährung von Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug
versagt.
2. Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1
ZPO zurückzuweisen. Es wird Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Frist: bis 20. November
2008.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 30.000,- EUR.
Gründe
I.
Die Parteien, iranische Staatsangehörige und geschiedene Eheleute, streiten um die Zahlung
einer Morgengabe durch den Beklagten. Die Klägerin stützt sich insoweit auf vertragliche
Abreden, die die Eheleute anlässlich ihrer Eheschließung am 25. Juni 2000 vor dem
Heiratsnotariat in T. getroffen hatten (Heiratsurkunde der Islamischen Republik Iran, Justizamt
der Islamischen Republik Iran, Heiratsnotariat-Nr. .. in T., Bl. 4 d.A.). Danach hatte sich der
Ehemann verpflichtet, der Ehefrau auf ihre Forderung einen Koran, einen Spiegel und ein Paar
Kerzenträger, Gold, Juwelen sowie … 214 Bahar Azadi Goldmünzen auszuzahlen. In dieser
Vereinbarung war außerdem geregelt, unter welchen Voraussetzungen die Ehefrau berechtigt
sei, ihrerseits die Scheidung der Ehe zu beantragen.
Der auf die genannte Vereinbarung gestützten Klage gab das Familiengericht statt und
verurteilte den Beklagten, der Klägerin 214 Goldmünzen Bahar Azadi zu Eigentum zu
übergeben. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er macht geltend, die
Ehefrau habe die Scheidung der Ehe beantragt, wodurch sie ihren auf Zahlung der Morgengabe
gerichteten Anspruch ganz oder teilweise verwirkt habe. Denn sie sei im Zuge einer
sogenannten „Loskaufscheidung“ verpflichtet, sich in Höhe der Morgengabe freizukaufen. Im
Übrigen sei geltend zu machen, dass die seinerzeit durch die Parteien getroffene Vereinbarung
sittenwidrig und nichtig sei.
II.
Nach Vorberatung des Senats bietet die Berufung keine Aussicht auf Erfolg. Zu Recht und mit
im einzelnen zutreffender Begründung hat das Familiengericht den Beklagten verurteilt, der
Klägerin die durch die Parteien vereinbarte Morgengabe, bestehend aus 214 Goldmünzen
Bahar Azadi, zu übereignen.
Bei einer Brautgabe handelt sich um ein Rechtsinstitut, das dem islamischen Rechtskreis
entspringt und im Gegensatz zu früheren Zeiten heute oftmals aus traditionellen Gründen
anlässlich der Eheschließung von Muslimen vereinbart wird, auch wenn diese in westlichen
Rechtsordnungen heiraten. Ist die Brautgabe nicht anlässlich der Eheschließung gezahlt
worden, richtet sich ihr weiteres Schicksal und die aus ihr abzuleitenden Ansprüche der
Ehefrau nach dem Ehewirkungsstatut, im Scheidungsfall dementsprechend nach dem
Scheidungsstatut (Senat, FamRZ 2008, 1756 = FamRBint 2008, 49 f. [ Mörsdorf-Schulte ];
OLG Zweibrücken, FamRZ 2007, 1555). Subsumiert man die Auslegung des Rechtsinstituts
der Morgengabe also als allgemeine Ehewirkung unter Art. 14 EGBGB, so ist iranisches Recht
Staatsangehörigkeit besaßen (OLG Köln, FamRZ 2006, 1380, 1382 f.).
Zwar weist der Beklagte darauf hin, die Morgengabe werde als Gegenleistung für die
geschlechtliche Hingabe der Braut versprochen (vgl. OLG Hamburg, FamRZ 2004, 459, 460).
Indes stehen Gesichtspunkte des deutschen ordre public (Art. 6 EGBGB) einer Anwendung der
iranischen Vorschriften über die Morgengabe nicht entgegen. Denn es kommt nicht darauf an,
ob das iranische und das deutsche Recht auf widerstreitenden Prinzipien beruhen, sondern
allein darauf, ob das konkrete Ergebnis der Anwendung des iranischen Rechts aus Sicht des
deutschen Rechts zu missbilligen ist (BGH, FamRZ 2004, 1952, 1955 m. Anm. Henrich ). Das
jedoch ist nicht der Fall (OLG Köln, a.a.O.). Die Brautgabe (mahr) ist wesentlicher Bestandteil
der islamischen Eheschließung ( Wurmnest, FamRZ 2005, 1878; Yassari , FamRBint 2005, 87,
90). In der heutigen Zeit liegt ihr primärer Zweck in der finanziellen Sicherung der Ehefrau für
den Zeitraum nach Auflösung der Ehe ( Wurmnest, a.a.O.). Gegen den deutschen ordre public
verstößt das nicht.
Der Anspruch auf die Morgengabe im Zusammenhang mit einer Scheidung hängt nach
iranischem Recht von der Form der Auflösung der Ehe ab (OLG Köln, a.a.O.). Das iranische
Scheidungsrecht trennt zwischen der Scheidung durch den Mann, die ohne Angabe von
Gründen beantragt werden kann, der Scheidung auf Antrag der Ehefrau, der ein
Scheidungsgrund (Bedrängnis, Verletzung ehelicher Unterhaltspflichten) zur Seite stehen
muss, und der so genannten einverständlichen Scheidung ("Loskaufscheidung"), die in Form
der khul'a-Scheidung (bei der die Ehefrau das Scheidungsverfahren initiiert) oder der mobaratScheidung (bei der beide Eheleute einvernehmlich die Scheidung betreiben) vorkommen kann.
Bei den beiden zuerst genannten Scheidungsformen bleibt der Anspruch auf Zahlung der
Brautgabe in voller Höhe bestehen (Wurmnest , FamRZ 2005, 1878, 1883; OLG Köln, a.a.O.;
zu den in Betracht kommenden Scheidungsformen s. BGH, FamRZ 2004, 1952, 1954 m. Anm.
Henrich ).
So liegt es hier. Entgegen der Auffassung des Beklagten handelt es sich nicht um eine khul’a(auch: khol-, qoll-) oder eine mobarat-Scheidung nach Art. 1146 bzw. Art. 1147 des iranischen
ZGB. Gemäß Art. 1130 des iranischen ZGB kann die Frau vielmehr für den Fall, dass die
Fortführung der Ehe eine schwere Not für sie begründen würde, beim religiösen Richter
vorsprechen und die Scheidung beantragen, [und] sollte die betreffende Notlage vor Gericht
bewiesen werden, kann das Gericht den Ehemann zur Scheidung zwingen und falls kein
Zwang möglich ist, wird die Ehefrau mit Bewilligung des religiös zuständigen Richters
geschieden (Übersetzung bei Bergmann/Ferid, Länderteil Iran, 158. Lieferung; sog. osr wa
haraj -Scheidung, vgl. eingehend BGH, a.a.O., Seite 1957; Yassari, FamRZ 2002, 1088,
1091). Für die Einleitung eines solchen Scheidungsantrags standen der Klägerin die bereits
anlässlich der Eheschließung getroffenen vertraglichen Vereinbarungen zur Seite (Art. 1119
des iranischen ZGB), wonach sie in Vertretung des Mannes handeln können und etwa dann
antragsberechtigt sein sollte, falls seine „Aufführung und sein Umgang“ unerträglich wird, so
dass das Eheleben nicht fortgesetzt werden kann (Heiratsurkunde der Islamischen Republik
Iran, Justizamt der Islamischen Republik Iran, Heiratsnotariat-Nr. ... in T., Bl. 4 d.A.).
Auf ihren hierauf gestützten Antrag hat das Familiengericht die Ehe der Parteien geschieden.
Wie sich aus den durch den Senat beigezogenen Akten des Amtsgerichts - Familiengericht Ulm - 2 F 1633/07 - ergibt, ist das am 10. Juni 2008 verkündete Scheidungsurteil seit dem 24.
Die Gewährung von Prozesskostenhilfe war mangels Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung zu
verweigern. Der Streitwert war, der ersten Instanz folgend und nach überschlägiger Schätzung
von Gegenwerten und Wechselkursen, auf 30.000,- EUR festzusetzen.
Der Senat regt an, dass der Kläger sein Rechtsmittel zurücknimmt.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Stuttgart

Erscheinungsdatum:

02.11.2008

Aktenzeichen:

17 UF 155/08

Erschienen in:

NJW-RR 2009, 585-586

Normen in Titel:

EGBGB Art. 17