Berechtigtes Sicherungsinteresse für Notaranderkonto
DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 1w472_01
letzte Aktualisierung: 05.08.2004
KG, 25.05.204 - 1 W 472/01
Berechtigtes Sicherungsinteresse für Notaranderkonto
Gründe:
A. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Kostenberechnung des Notars vom
18. Januar 1999 betreffend die Verwahrung von Geldern (Hebegebühren aus Werten
von 430.000,- DM und 170.000,- DM in Höhe von insgesamt 1.914,00 DM).
I. Mit Vertrag vom 22. April 1998 verkauften Dr. R__ R____ und G___ R_____
(nachfolgend: Verkäufer) eine Eigentumswohnung zum Preis von 600.000,- DM an den
Beteiligten Dr. B__ . Nach § 3 des Kaufvertrages sollte der Beteiligte den Kaufpreis in
zwei Raten (430.000,- DM bis zum 30. September 1998, 170.000,- DM bis zum 31.
Dezember 1998) beim Notar hinterlegen; dieser sollte den Kaufpreis nach Maßgabe der
Regelung in § 3 Absatz 4 des Vertrages an die Verkäufer weiterleiten. Übergabe sollte
am 1. Oktober 1998 sein. § 7 Abs. 1 des Vertragstextes lautet: „Die Kosten dieses
Vertrages, seiner Durchführung, die Hebegebühr, die Grunderwerbssteuer trägt
Erwerber, sofern nicht Verkäufer Kosten nach diesem Vertrag zu tragen hat“.
Der Notar richtete bei der B____ B__ AG ein Anderkonto mit der Bezeichnung B__ /
R____ ein, auf das die Kaufpreisraten in Höhe von 430.000,- DM (finanziert über die
M___ V_____ eG, gesichert durch eine Grundschuld) und 170.000,- DM eingezahlt und
der Restbetrag nach Maßgabe des Kaufvertrages, insbesondere nach Ablösung einer
Grundschuld in Höhe von 320.000,- DM zugunsten der B_____ Ve____ , an die
Verkäufer weitergeleitet wurde.
Mit der streitgegenständlichen Rechnung macht der Notar Hebegebühren in Höhe von
1.914,00 DM für die Abwicklung der Zahlungen über das Notar-Anderkonto geltend. Der
Beteiligte erhebt hiergegen Einwendungen.
II. Das Landgericht hat auf Antrag des Notars dessen Kostenrechnung bestätigt: Ihm sei
weder eine unrichtige Sachbehandlung i.S.d.
haftungsbegründende Amtspflichtsverletzung vorzuwerfen, aus der ein Wegfall der
Pflicht zur Zahlung der Hebegebühren abzuleiten sei. Wegen der Einzelheiten wird auf
den angefochtenen Beschluss verwiesen.
III. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten. Er rügt unter Bezug
auf die erstinstanzlichen Schriftsätze des Beteiligten vom 3. Juni 1999 und vom 23.
September 1999, das Landgericht habe den Umfang der Belehrungspflicht des Notars
im Zusammenhang mit der Abwicklung der Kaufpreiszahlung über ein Notaranderkonto
verkannt. In weiten Teilen der Bundesrepublik werde in vergleichbaren Fällen die
Abwicklung über ein Notar-Anderkonto als sachwidrig angesehen, sofern nicht die
Beteiligten ausdrücklich eine solche Vertragsgestaltung wünschten. Zudem hätten die
Vertragsbeteiligten den Notar ausdrücklich davon in Kenntnis gesetzt, dass sie die
aufwandsloseste und kostengünstigste Abwicklung wünschten, weil sie befreundet seien
und sich gegenseitig in finanziellen Dingen uneingeschränkt vertrauten. Bei
pflichtgemäßer Information durch den Notar hätten die Vertragspartner von der
Abwicklung über das Notar-Anderkonto abgesehen mit der Folge, dass die mit der
Kostenrechnung vom 18. Januar 1999 verlangten Gebühren nicht entstanden wären.
Der Notar entgegnet, die von ihm gewählte Vertragsgestaltung entspreche dem
sei die Einrichtung des Anderkontos sinnvoll gewesen. Die Behauptung des Beteiligten,
sie hätten ihn über ihren Wunsch nach aufwandsloser und kostengünstiger Abwicklung
informiert, sei zudem falsch. Der Beteiligte selbst habe im Schriftsatz vom 23.
September 1999 eingeräumt, sich nicht mehr an den Wortlaut seiner Erklärung erinnern
zu können.
B. Die weitere Beschwerde des Beteiligten ist erfolglos.
I. Zwar ist sie zulässig. Insbesondere ist sie – wie nach
erforderlich – vom Landgericht zugelassen worden, und die Notfrist von einem Monat
nach
Eingang der Beschwerde bei Gericht am 16. August 2001).
II. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Notar
angesichts der Umstände des Wohnungskaufvertrages vom 22. August 1998 die
Abwicklung der Kaufpreiszahlung über ein Notaranderkonto vorgeschlagen hat. Anlass,
die Vertragsparteien auf die Möglichkeit einer kostengünstigeren Abwicklung
hinzuweisen, hatte der Notar nicht. Folglich ist die Zahlungspflicht des Beteiligten weder
unter dem Gesichtpunkt einer Amtshaftung des Notars (
unrichtiger Sachbehandlung (
Ergebnis zutreffend ausgeführt.
1) Der Beteiligte kann den vom Notar verlangten Hebegebühren keine gegenläufigen
Amtshaftungsansprüche nach
a) Ein Notar hat bei der Ausführung der ihm übertragenen Geschäfte den Grundsatz des
sichersten Weges zu beachten, muss also grundsätzlich die Maßnahmen vorschlagen
und ergreifen, die zum materiellen Rechtserfolg führen (Schippel, Bundesnotarordnung,
7. Aufl. 2000, § 17 Rn. 12 ff.). Zugleich hat der Notar, dem bei einer Amtstätigkeit oder
auf dem Gebiet vorsorgender Rechtspflege die Gestaltung des Rechtsgeschäfts
überlassen worden ist, darauf Bedacht zu nehmen, möglichst den billigsten Weg zu
wählen und die Entstehung unnützer Kosten zu vermeiden. Stehen verschiedene
Gestaltungsmöglichkeiten zur Wahl, muss der Notar grundsätzlich auf den billigeren
Weg hinweisen, wenn dieser eine für die Erreichung des gewollten Erfolges
angemessene und zumindest in gleicher Weise sichere und zweckmäßige rechtliche
Form darstellt (Senat,
Rn. 7 m.w.N.).
Vor dem Hintergrund dieses Spannungsfeldes zwischen Sicherheit und
kostengünstigstem Weg konkretisiert
1998, in Kraft seit dem 8. September 1998) die Amtspflichten des Notars im
Zusammenhang mit der finanziellen Abwicklung von Verträgen so, dass ein Notar Geld
zur Verwahrung nur entgegennehmen darf, wenn hierfür ein berechtigtes
Sicherungsinteresse der am Verwahrungsgeschäft beteiligten Personen besteht.
Ob ein berechtigtes Sicherheitsinteresse vorliegt, bestimmt sich nach objektiven
Kriterien und steht nicht zur Disposition der Vertragsparteien (Regierungsbegründung
Zugehör/Ganter/Hertel, Handbuch der Notarhaftung, 2004, Rn. 1582 ff., 1584;
Schlüter/Knippenkötter, Die Haftung des Notars, 2004, Rn. 405, jeweils m.w.N.). Ein
berechtigtes Sicherungsinteresse i.S.d.
nicht das Geschäft nach objektiven Kriterien ebenso gut durch andere Mittel als die
Verwahrung abgesichert werden kann (Senat, Beschluss vom 15. August 2003 - 1 W
321/02). Bereits vor Inkrafttreten des
2 DONot a.F. zu der Prüfung verpflichtet, „ob der Inhalt des Treuhandauftrages sowohl
den Bedürfnissen einer korrekten Geschäftsabwicklung als auch dem
Sicherungsinteresse der am Verwahrungsgeschäft beteiligten Personen genügt“.
Die Bundesnotarkammer, auf deren Vorschlag die Neuregelung des
Jahre 1998 zurückgeht, hat hierzu mit Rundschreiben Nr. 1/1996 vom 11. Januar 1996
Fallkonstellationen vorgeschlagen, in denen typischerweise ein berechtigtes
Sicherungsinteresse vorliegen soll, das die Einrichtung eines Notaranderkontos
rechtfertigen kann; mit Rundschreiben Nr. 31/2000 vom 4. September 2000 hat die
Bundesnotarkammer diese Vorschläge erneut bekräftigt. Danach soll ein berechtigtes
Sicherungsinteresse i.S.d.
Koordinationsbedarf bei rangrichtiger Eintragung von Finanzierungsgrundpfandrechten
und Ablösung bestehender Grundpfandrechte Dritter besteht, insbesondere bei
Beteiligung mehrerer kaufpreisfinanzierender Banken (Rundschreiben Nr. 1/1996, III. 1.
a)).
Die vorstehenden Grundsätze hatte der Notar bei der ab September 1998
vorgesehenen Durchführung des Verwahrungsgeschäfts und folglich auch bei der den
Verwahrungsantrag enthaltenden Beurkundung vom 22. April 1998 zu beachten.
Verstößt ein Notar schuldhaft gegen Amtspflichten, die ihn gegenüber seinem
Auftraggeber treffen, hat er ihm gemäß
entstehenden Schaden zu ersetzen. Im Verfahren nach
Auftraggeber seiner Pflicht zur Zahlung der Notarvergütung einen derartigen dasselbe
Geschäft
betreffenden
Schadensersatzanspruch
entgegenhalten
(Hartmann,
Kostengesetze, 32. Aufl. 2003,
b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist nicht zu beanstanden, dass der Notar im
Vertragsentwurf eine Zahlung über ein Notaranderkonto vorgesehen und die
Vertragspartner nicht auf die theoretische Möglichkeit hingewiesen hat, das
Grundstücksgeschäft auch ohne die Zahlungsabwicklung über das Notaranderkonto
durchzuführen.
(1) Auf Grundlage der Informationen, die dem Notar bei Formulierung des Vertrages
vom 22. April 1998 und während seiner nachfolgenden Durchführung vorlagen, war die
Abwicklung der Kaufpreiszahlung über ein Notaranderkonto durch ein berechtigtes
Sicherungsinteresse i.S.d.
Es handelte sich entgegen der Auffassung des Beteiligten nicht lediglich um ein
Austauschgeschäft „Wohnungseigentum gegen Geld“ ohne jede Besonderheit. Vielmehr
ging es um einen überwiegend bankfinanzierten Kauf mit Sicherung des
Grundschuld zugunsten einer anderen Bank vorhanden, die aus dem Kaufpreis
abzulösen war. Die Verkäufer benötigten die Valuta ihrerseits zur Finanzierung eines am
31. März 1998 vor dem Notar Dr. T__ zur UR-Nr. T _____ - me abgeschlossenen
Kaufvertrages über das Objekt F________ 13 in B___ .
Bei dieser Konstellation waren die Sicherungsinteressen nicht nur der unmittelbaren
Vertragsparteien zu bedenken, sondern auch diejenigen der beteiligten Banken, von
deren Einverständnis mit der vorgesehenen Vertragsabwicklung der Eintritt des
erstrebten rechtlichen Erfolges abhing. Insofern geht der Hinweis des Beteiligten fehl,
die Vertragsparteien hätten zu Beginn der Vertragsprozedur gegenüber dem Notar zum
Ausdruck gebracht, sie vertrauten einander und wünschten die Vertragsgestaltung mit
den wenigsten eingebauten „Sicherungen“ und Komplikationen. Die Frage der
gebotenen Sicherungen war nicht allein von den Vertragspartnern zu beantworten: Von
der M___ V____ als kaufpreisfinanzierender Bank hing es ab, unter welchen
Bedingungen sie zur Auszahlung des Kaufpreises bereit war; die Konditionen, nach
denen die bestehende Grundschuld abzulösen war, hingen wiederum von den
Absprachen mit deren Inhaberin, der H__ V_____ in München, ab, die zugleich
finanzierende Bank des von Verkäuferseite erworbenen Objekts war. Bei der Verfolgung
des sichersten Weges waren diese Umstände zu berücksichtigen, weil ohne die
Berücksichtigung dieser Umstände der Vertrag offensichtlich nicht durchführbar war.
Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass die M____ V_____ bereit gewesen wäre, das
Kaufpreisdarlehen schon vor Sicherstellung der Grundschuldeintragung direkt an die
Verkäufer oder deren Bank zu zahlen, bestanden bei Vertragsschluss und bis zum
Abschluss der Vertragsabwicklung nicht. Vielmehr hat die M____ V____ noch mit
Schreiben vom 6. Oktober 1998 an den Notar zunächst als Voraussetzung für die
Verfügung des Notars über die geleistete Treuhandzahlung in Höhe von 430.000,- DM
gefordert, die Grundschuld zu ihren Gunsten müsse eingetragen sein; erst mit
Schreiben vom 8. Oktober 1998 hat sie sich mit der Sicherstellung der
Grundschuldeintragung begnügt.
Ebensowenig war eine Bereitschaft der H__ V_____ erkennbar, vorab einer Löschung
ihrer erstrangigen Grundschuld zuzustimmen, um den Weg für die Sicherung des
Finanzierungsdarlehens frei zu machen.
Damit entsprach es dem Gebot des „sichersten Weges“, zur Koordination von Löschung
und Eintragung von Grundschulden ein Notar-Anderkonto einzurichten. Die Auffassung
des Beteiligten im Schriftsatz vom 23. September 1999, S. 2, die Abwicklung über das
Notaranderkonto sei „rechtlich wie wirtschaftlich unsinnig“ gewesen, trifft nicht zu.
Auf die nachträglich erhobene Behauptung des Beteiligten, die Mainzer Volksbank wäre
„ohne weiteres“ bereit gewesen, den Darlehensbetrag direkt an die Verkäufer oder
deren Bank zu zahlen, kommt es für die Beurteilung des Pflichtverstoßes nicht an.
Selbst wenn dies zutreffen sollte, ist das jedenfalls für den Notar im Verlauf der
Vertragsformulierung und – abwicklung nicht erkennbar geworden, so dass ihm nicht
vorzuwerfen ist, dies nicht berücksichtigt zu haben. Der Beteiligte übersieht zudem, dass
auch die Verkäufer und deren Bank ein vom Notar zu beachtendes Sicherungsinteresse
hatten, da die Kaufpreiszahlung eine auf dem Objekt F_______ 13 zu bestellende
(2) Dem Notar ist auch nicht der Vorwurf zu machen, den Beteiligten nicht auf die
Möglichkeit einer billigeren Vertragsabwicklung ohne Notaranderkonto hingewiesen zu
haben.
Die Möglichkeit, Grundstücksverträge auch ohne Notaranderkontenvereinbarungen zu
schließen, war dem Beteiligten nach eigener Darstellung bekannt, so dass eine
Belehrungsbedürftigkeit nicht ersichtlich ist. In seinem Schriftsatz vom 3. Juni 1999, dort
S. 7, führt er aus: „Ich habe schon mehrfach mit der Mainzer Volksbank
Grundstücksfinanzierungen durchgeführt, und die Verträge, die vor Dr. B___ in M___
geschlossen
wurden,
enthielten
selbstverständlich
solche
Notaranderkontenvereinbarungen nicht“. Bei dieser Vorgeschichte ist der Vorwurf des
Beteiligten nicht nachvollziehbar, der Notar habe ihn insoweit schadensursächlich
unzureichend belehrt, denn er hat den streitgegenständlichen Vertrag mit der Klausel
über das Notaranderkonto trotz seiner Vorerfahrungen mit Grundstückskaufverträgen
ohne eine solche Klausel geschlossen. Dass bei der Abwicklung über ein
Notaranderkonto Hebegebühren entstehen würden, war aus der Kostenregelung in § 7
des Vertrages ersichtlich. Eines ausdrücklichen Hinweises des Notars bedurfte es daher
nicht.
Der Notar war auch nicht – ohne Bezug zum konkreten Vertragsschluss – gehalten, den
Vertragspartnern die regional unterschiedliche Handhabung der Anderkonten
darzustellen (vgl. Zugehör/Ganter/Hertel, a.a.O., Rn. 1587).
Zwar kommt je nach Fallgestaltung eine Direktzahlung beim Grundstückserwerb
durchaus in Betracht (vgl. die Darstellung im Schreiben der BNotK vom 11. Januar
1996, II. Nr. 1). Dies setzt jedoch die Bereitschaft nicht nur der Vertragsparteien,
sondern auch sämtlicher beteiligter Banken voraus, so zu verfahren. Dafür bestanden
für den Notar keine Anhaltspunkte; auch der Beteiligte hat dies nicht behauptet.
2) Der Anspruch des Notars auf Zahlung der Hebegebühren ist nicht nach §§ 141, 16
Abs. 1 KostO wegen unrichtiger Sachbehandlung entfallen.
a) Eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne von
überwiegender und vom Senat geteilter Ansicht vor, wenn dem Notar ein offen zutage
tretender Verstoß gegen eindeutige gesetzliche Normen oder ein offensichtliches
Versehen unterlaufen ist; die darin liegende Beschränkung der Beurteilung auf
eindeutige Sachverhalte soll das Kostenerhebungsverfahren von rechtlich oder
tatsächlich zweifelhaften Fragen freihalten. Als Folge der unrichtigen Sachbehandlung
werden diejenigen Kosten nicht erhoben, die bei richtiger Sachbehandlung nicht
entstanden wären; dagegen sind Kosten, die auch bei richtiger Sachbehandlung
entstanden wären, auch hier zu erheben (vgl. Senat, KGR 2002, 145 m.w.N.).
b) Diese Voraussetzungen einer unrichtigen Sachbehandlung hat das Landgericht
zutreffend verneint. Ergänzend wird auf die vorstehenden Ausführungen zu II. 1)
verwiesen: Dem Notar ist kein Pflichtverstoß vorzuwerfen, erst recht kein offensichtlicher
Fehler.
Entscheidung, Urteil
Gericht:Kammergericht
Erscheinungsdatum:25.05.2004
Aktenzeichen:1 W 472/01
Rechtsgebiete:Notaranderkonto/notarielle Verwahrung
Erschienen in: Normen in Titel:BeurkG § 54a II Nr. 1