Zur Bewertung eines GmbH-Geschäftsanteils
letzte Aktualisierung: 7.7.2021
FG Münster, Urt. v. 15.4.2021 – 3 K 3724/19 F
BewG §§ 11 Abs. 2, 151
Zur Bewertung eines GmbH-Geschäftsanteils
1. Der Substanzwert nach
2. Dies gilt auch für die Geltendmachung der Ableitung des gemeinen Wertes durch den Steuerpflichtigen aus Verkäufen unter fremden Dritten i. S. d.
(Leitsätze der DNotI-Redaktion)
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Bescheide über die einheitliche bzw. die gesonderte und einheitliche Feststellung des
Wert des Anteils an einer Kapitalgesellschaft nach
17.10.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.11.2019 sind rechtmäßig und
verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
1. Der Beklagte hat den gemeinen Wert des Anteils der Erblasserin an der Klägerin zu 1.
zutreffend anhand des Substanzwerts der Gesellschaft nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG
ermittelt.
Nach
von Anteilen an Kapitalgesellschaften im Sinne des
Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse und der Wertverhältnisse zum
Bewertungsstichtag gesondert festzustellen, wenn der Wert für die Erbschaftsteuer oder
eine andere Feststellung im Sinne dieser Vorschrift von Bedeutung ist. Gemäß § 179
Abs. 2 Satz 2 Abgabenordnung (- AO -) wird die gesonderte Feststellung gegenüber
mehreren Beteiligten einheitlich vorgenommen, wenn dies gesetzlich bestimmt ist oder der
Gegenstand der Feststellung mehreren Personen zuzurechnen ist.
Nach
Kapitalgesellschaft mit dem gemeinen Wert zu bewerten. Nach Satz 2 ist der gemeine
Wert vorrangig aus Verkäufen unter fremden Dritten abzuleiten, die am Stichtag weniger
als ein Jahr zurückliegen. Sofern sich der gemeine Wert der Anteile nicht aus solchen
Verkäufen ableiten lässt, ist er unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der
Kapitalgesellschaft oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen
Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode zu ermitteln; dabei ist die
Methode anzuwenden, die ein Erwerber der Bemessung des Kaufpreises zu Grunde legen
würde. Satz 3 der Vorschrift regelt, dass der Substanzwert der Gesellschaft, definiert als
die Summe der gemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter
und sonstigen aktiven Ansätze abzüglich der zum Betriebsvermögen gehörenden
Schulden und sonstigen Abzüge, nicht unterschritten werden darf. Dabei sind § 99 (für
Betriebsgrundstücke) und § 103 (für Schulden und sonstige Abzüge) BewG anzuwenden.
Schließlich normiert
Ertragswertverfahren in §§ 199 bis 203 BewG zu berücksichtigen sind.
Nach Auffassung des Senats sprechen durchaus Gründe dafür, zumindest für den Fall
einer freiwilligen Einziehung eines (Teil-)Geschäftsanteils, einen verkaufsähnlichen
Vorgang anzunehmen. Es liegt grundsätzlich im freien Ermessen eines einziehungswilligen
Gesellschafters, das bis auf Widerruf bestehende Angebot der Gesellschaft zu Einziehung
zum Einziehungskurs von 400 Prozent anzunehmen, sofern er dies für marktgerecht hält
und er einen stets zulässigen Verkauf an Mitgesellschafter oder einen
zustimmungsbedürftigen Verkauf an Dritte zu besseren Konditionen nicht erzielen kann
oder er einen solchen für nicht erzielbar erachtet. Der Umstand, dass der Einziehungskurs
nicht für jeden Fall der Einziehung einzeln ausgehandelt und über Jahre aufgrund des
unveränderten Ausschüttungsverhalts der Klägerin zu 1. unverändert angewandt wurde,
ohne die veränderten Vermögensverhältnisse der Gesellschaft und ihrer
Beteiligungsgesellschaften zu berücksichtigen, kann aus Sicht des Senats in den
Hintergrund treten, sofern – wofür vorliegend keine Gründe sprechen – eine Zwangslage
nicht erkennbar ist. Die Kläger haben nachvollziehbar vorgetragen, dass die freiwillige
Einziehung von Geschäftsanteilen unter Verwendung der frei verfügbaren Eigenmittel der
Klägerin zu 1. gegenüber der beurkundungspflichtigen Abtretung eines zu bildenden
Teilgeschäftsanteils an einen Mitgesellschafter oder Dritten die vorzugswürdige Art der
Übertragung darstellen kann. Dass der eingezogene Teilgeschäftsanteil an alle
Gesellschafter verhältniswahrend verteilt wird, steht der Annahme eines Verkaufs insofern
nicht entgegen, als vorliegend die Gesellschafter den Einziehungen einstimmig
zugestimmt haben; mithin war kein Gesellschafter gegen seinen Willen an den
Einziehungen beteiligt. Die Beschlussfassung über die Einziehung knapp 11 Wochen nach
dem maßgeblichen Stichtag könnte zudem die Voraussetzung für die Anerkennung eines
nach dem Stichtag liegenden Verkaufs nach der Rechtsprechung des BFH, wonach bei
vorheriger Einigung über den Kaufpreis der Vertragsabschluss "kurz" nach dem
Bewertungsstichtag erfolgt sein muss, worunter eine nach Wochen zu bemessende
Zeitspanne zu verstehen ist (vgl. BFH, Beschluss vom 16.03.2003 II B 50/02, BFH/NV
2003, 1150 mit weiteren Nachweisen), noch erfüllen.
Vorliegend kann jedoch dahinstehen, ob die aufgrund der Unterredung vom 17.11.2014 in
der Gesellschafterversammlung der Klägerin zu 1. am 07.02.2015 beschlossenen
Einziehungen von Teilen der Geschäftsanteile der beiden Gesellschafterinnen Frau Z. Z.
und Frau S. H. im Umfang von jeweils 52.000 Euro zu einem Einziehungskurs von 400
Prozent als Verkäufe unter fremden Dritten im Sinne des
Folge angesehen werden können, dass der gemeine Wert des hier zu bewertenden Anteils
der Erblasserin an der Klägerin zu 1. aus diesen Einziehungen mit einem Kurs von 400
Prozent abzuleiten wäre.
Jedenfalls ist – auch wenn die Einziehungen maßgebliche Verkäufe unter fremden Dritten
im Sinne des
der Substanzwert stets als Mindestwert anzusetzen. Der Substanzwert bildet bei der
Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften die untere Grenze (BFH, Urteil vom
27.09.2017 II R 15/15,
wenn der Steuerpflichtige die Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen unter fremden
Dritten geltend macht (entgegen R B 11.3 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011, entsprechend für
nach dem Stichtag liegende Zeiträume in R B 11.3 Abs. 2 Satz 3 und R B 11.5 Abs. 1
ErbStR 2019).
Zwar wird auch in der Literatur unter Verweis auf die Verwaltungsauffassung vertreten,
dass sich der tatsächlich erzielte Kaufpreis nachweislich am Markt gebildet habe und
daher den gemeinen Wert abbilde, sodass der Ansatz des Substanzwerts als Mindestwert
ausgeschlossen sei (vgl. Eisele in: Rössler/Troll, BewG, 32. Lieferung September 2020,
§ 11 Rn. 39 mit weiteren Nachweisen; Immes in: Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG,
111. Lieferung Januar 2021,
Bewertungsrecht, 154. Lieferung März 2021,
Viskorf/Schuck/Wälholz, ErbStG/BewG, 5. Auflage 2017,
2008, 745). Diese Ansicht wird teilweise damit begründet, dass es keine Fälle geben dürfe,
in welchen der aus Verkäufen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr abgeleitete Preis
unterhalb des Substanzwerts liege, wenn der Steuerpflichtige – wie es die
Gesetzesbegründung (Bundestags-Drucksache 16/7918, Seite 38) postuliere – am Markt
stets mindestens den Substanzwert erzielen könne (Kreutziger/Jacob in:
Kreutziger/Schaffner/Stephany, BewG, § 11 Rn. 90).
Diese Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG ergibt sich
jedoch weder aus dem Wortlaut der Norm noch aus der Systematik des Gesetzes (vgl.
auch Krumm in: Leingärtner, Besteuerung der Landwirte, Kap. 94 Rz. 40; Wollny, DStR
2012, 766; offen gelassen FG Düsseldorf, Urteil vom 03.04.2019, 4 K 2524/16 F, EFG
2019, 1163).
Sofern teilweise vertreten wird, die Nichtanwendbarkeit des § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG auf
das vereinfachte Ertragswertverfahren nach den §§ 199 bis 203 BewG, welches (erst) in
Satz 4 in Bezug genommen werde, ergebe sich aus systematischen Gründen (Lorenz,
Verhältnis von Satz 2 und 3 der Vorschrift übertragbar.
Auch mit der Gesetzesbegründung lässt sich eine entsprechende einschränkende
Auslegung nach Ansicht des Senats nicht begründen. Der Gesetzgeber hat dort
unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass „Untergrenze […] stets der
Substanzwert als Mindestwert [ist], den ein Steuerpflichtiger am Markt erzielen könnte“
(Bundestags-Drucksache 16/7918, Seite 38). Eine Einschränkung im Sinne der
Verwaltungsauffassung, wonach der Substanzwert nicht als Untergrenze zu
berücksichtigen sei, sofern der Steuerpflichtige einen (niedrigeren) Preis am Markt
tatsächlich erzielt hat, ist dem nicht zu entnehmen. Vielmehr wird durch das Wort „stets“
nach Ansicht des Senats hinreichend deutlich, dass der Gesetzgeber den
Substanzwertansatz in allen Fällen als Untergrenze angewandt wissen wollte. Bleibt der
tatsächlich erzielte Preis hinter dem Substanzwert zurück, könnte mit der
Gesetzesbegründung vielmehr in Frage gestellt werden, ob der Preis im gewöhnlichen
Geschäftsverkehr zustande gekommen ist.
Gegen die einschränkende Auslegung des Anwendungsbereichs des § 11 Abs. 2 Satz 3
BewG spricht ferner, dass es nach Auffassung des Senats keinen Unterschied macht, ob
ein tatsächlich unterhalb des Substanzwerts erzielter Kaufpreis vorliegt oder ein solcher
lediglich unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Gesellschaft oder einer
anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche
Zwecke üblichen Methode ermittelt wurde. Das Gesetz regelt in § 11 Abs. 2 Satz 2
Halbsatz 2 BewG ausdrücklich, dass die Wertermittlung im zweiten Fall anhand einer
Methode zu erfolgen hat, die ein Erwerber der Bemessung des Kaufpreises zugrunde
legen würde, und orientiert sich daher an dem Preis, der am Markt erzielbar wäre. Aus
Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung kann es dabei keinen Unterschied machen,
ob der erzielbare Preis tatsächlich erzielt oder lediglich anhand der vom potentiellen
Käufer verwendeten Ermittlungsmethode (theoretisch) ermittelt wurde. Für beide Fälle,
also für den erzielten oder den erzielbaren Kaufpreis, schreibt das Gesetz vor, dass der
Substanzwert jedenfalls nicht unterschritten werden darf.
Gegen die Ermittlung des Substanzwertes, die im Wesentlichen auf den Berechnungen
des steuerlichen Beraters der beteiligten Gesellschaften vom 25./26.04.2019 beruht,
haben die Kläger keine substantiierten Einwendungen erhoben. Der Senat hält die
Bewertung für zutreffend. Insbesondere sind für die von der Klägerin zu 1. gehaltenen
Anteile an Kapitalgesellschaften die auf den Bewertungsstichtag gesondert festgestellten
Werte anzusetzen (vgl. Immes in: Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, 111. Lieferung
Januar 2021,
2. Die Kostenentscheidung beruht auf
3. Die Revision wird gemäß
Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts zugelassen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:FG Münster
Erscheinungsdatum:15.04.2021
Aktenzeichen:3 K 3724/19 F
Rechtsgebiete:Sonstiges Steuerrecht
Normen in Titel:BewG §§ 11 Abs. 2, 151