Kein Wegfall der Hofeigenschaft durch Bewirtschaftung im Wege der Verpachtung an Verwandte und/oder Löschung des Hofvermerks im Grundbuch
DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 15.4.2016
OLG Celle, 29.10.2015 - 7 W 40/15 (L)
HöfeO §§ 1, 5
Kein Wegfall der Hofeigenschaft durch Bewirtschaftung im Wege der Verpachtung an Verwandte
und/oder Löschung des Hofvermerks im Grundbuch
1. Lässt ein Hofeigentümer, der trotz abgeschlossener landwirtschaftlicher Ausbildung einen
landwirtschaftsfremden Beruf ergriffen hat, den Betrieb jahrzehntelang durch eine verwandte, im
selben Dorf ansässige Familie im Wege der Verpachtung bewirtschaften und setzt er den
derzeitigen Betriebsführer testamentarisch zum Hoferben ein, spricht das gegen eine Auflösung
der Betriebseinheit und damit gegen einen Wegfall der Hofeseigenschaft außerhalb des
Grundbuchs.
2. Löscht das Landwirtschaftsgericht aufgrund fehlerhafter Ermittlung des Wirtschaftswertes
durch das Finanzamt von Amts wegen den Hofvermerk, steht das der Hofeseigenschaft nicht
entgegen. Es gibt nämlich keine Vermutung dafür, dass eine Besitzung ohne oder mit gelöschtem
Hofvermerk nicht Hof sei.
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1 und 2 streiten um die Hofeigenschaft einer ursprünglich im Eigentum des am 28.09.2014
verstorbenen A. B. stehenden landwirtschaftlichen Besitzung, verzeichnet im Grundbuch von P., Blatt ...3. Für die
Besitzungen des Verstorbenen war seit dem 20.03.1949 ein Hofvermerk eingetragen. Dieser Hofvermerk ist in dem
Verfahren 5 Lw 70/05 des Amtsgerichtes Danneberg (Elbe) auf Ersuchen des Landwirtschaftsgerichtes gelöscht
worden. Dieses erfolgte von Amts wegen aufgrund einer Mitteilung des Finanzamtes L., wonach der Wirtschaftswert
auf 4.178,79 Euro gesunken sein sollte. Diese Mitteilung erfolgte offensichtlich aufgrund von falschen Tatsachen. Im
Rahmen eines Flurbereinigungsverfahrens wurde eine Ackerfläche fälschlicherweise als Gehölz bewertet. Der wahre
Wirtschaftswert beträgt 6.237,00 Euro. Das Finanzamt L. hat die dahingehenden Feststellungen aus dem
Privatgutachten des Sachverständigen M. H. gegenüber dem Landwirtschaftsgericht als richtig bestätigt. Der
steuerlich gesondert geführte Einheitswert für das Hofgrundstück (Hof- und Gebäudefläche) beträgt 6.749,06 €. Der
Grundbesitz ist schuldenfrei.
Der im Grundbuch von P. Blatt ...3 verzeichnete Grundbesitz weist eine Fläche von 42,4973 ha auf, bestehend aus
18,5131 ha Ackerland, 0,1596 ha Grünland und 0,3577 ha Gebäudeflächen, sowie 20,2698 ha Wald und 3,1972 ha
Brach-, Sumpf- und Teichfläche.
Der Beteiligte zu 1 ist aufgrund eines notariellen Testamentes vom 03.07.1980 Testaments- und Hoferbe des
verstorbenen A. B. Der verstorbene A. B. setzte den Beteiligten zu 1 als alleinigen Erben und zugleich als
Hofeserben ein. Der Beteiligte zu 1 ist ausgebildeter Landwirt und bewirtschaftete einen zu den Besitzungen des
verstorbenen A. B. benachbarten Hof, den er mittlerweile an seinen Sohn zur Bewirtschaftung übertragen hat. Der
Beteiligte zu 2 ist der nichteheliche Sohn des Verstorbenen. Die streitgegenständlichen Besitzungen gehörten
ursprünglich dem gemeinsamen Großvater des Beteiligten zu 1 und des Verstorbenen, dem Landwirt He. B. Der
Mutter des verstorbenen A. B., E. B., wurde 1940 der Hof durch Übergabevertrag vom 1.11.1940, umgeschrieben im
Grundbuch am 9.8.1941, übertragen in zeitlichem Zusammenhang mit der Geburt des Erblassers am 2.12.1940.
Über die Herkunft und Identität des Vaters des Verstorbenen - vermutlich ein Zwangsarbeiter aus Po. - ist bis heute
nichts bekannt. Der Großvater des Beteiligten zu 1 verunglückte 1943 oder 1944 bei einem Unfall mit einem
Pferdegespann tödlich. Daraufhin wurden die streitgegenständlichen Besitzungen an den Vater des Beteiligten zu 1
verpachtet, da Frau E. B. zu einer Bewirtschaftung alleine nicht in der Lage war. Der verstorbene A. B. selbst hat
eine landwirtschaftliche Ausbildung abgeschlossen. Er selbst arbeitete danach in verschiedenen Stellungen, zuletzt
bis zu seiner Verrentung im Jahr 2005 etwa 20 Jahre in der Senatsverwaltung in Ha. Er selbst war stets ledig und
hatte auch keine weiteren Kinder als den Beteiligten zu 2. Er erlitt Ende 2008 einen schweren Schlaganfall; bis zu
seinem Tod war dann der Beteiligte zu 1 als Betreuer bestellt.
Der Beteiligte zu 2 ist der am 31.03.1994 geborene nichteheliche Sohn des Verstorbenen. Die Vaterschaft des
Verstorbenen wurde aufgrund eines Blutgutachtens bewiesen und durch das zuständige Gericht festgestellt. Der
Verstorbene zahlte seit der Vaterschaftsfeststellung regelmäßig Unterhalt für den Beteiligten zu 2. Der Beteiligte zu 2
besuchte den Verstorbenen später einige Male in P.
Der Beteiligte zu 2 hat einen Realschulabschluss erworben und besitzt eine abgeschlossene Berufsausbildung zum
Fachlageristen. Diesen Beruf kann er jedoch aufgrund einer bestehenden Drogenabhängigkeit nicht regelmäßig
ausüben. Momentan befindet er sich in der Psychiatrie in U. zur Behandlung. Der Beteiligte zu 2 hat das notarielle
Testament des Verstorbenen angefochten.
Die Beteiligten zu 3 - 6 sind Ersatzvermächtnisnehmer aufgrund des notariellen Testaments vom 03.07.1980 des
Verstorbenen. Diese sollen als Vermächtnis 30 Prozent des Wertes des Grundbesitzes in bar erhalten. Hierzu ist
nach dem Willen des Verstorbenen ein Wertgutachten bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen anzufertigen.
Eine Hofstelle ist in der … in P., Ortsteil Lo. vorhanden. Das Hofhaus steht seit 2008 leer, ist jedoch in einem
bewohnbaren Zustand. Auf der Hofstelle befindet sich zudem eine Scheune, welche durch den Sohn des Beteiligten
zu 1 auch heute noch als Unterstellmöglichkeit für den Maschinenpark genutzt wird. Die Ackerflächen sind mit
Pachtvertrag vom 21.12.2000 erneut an den Betrieb Hei. verpachtet worden (verlängert am 30.09.2012 bis zum
30.9.2014); angebaut werden dort Kartoffeln, Zuckerrüben, Roggen, Triticale, Silomais und auch auf besseren
Standorten Weizen. Der zu den Besitzungen gehörende Wald wird durch die Forstbetriebsgemeinschaft
bewirtschaftet. Es handelt sich um einen Kiefern- und Eichenwald.
Der Beteiligte zu 1 hat die Ansicht vertreten, dass die Löschung des Hofvermerkes aufgrund falscher Tatsachen
erfolgt sei, und diese Löschung für die Beurteilung des Vorliegens der Hofeseigenschaft zum Zeitpunkt des Todes
des Verstorbenen nicht heranzuziehen sei. Es habe stets dem Willen des Verstorbenen entsprochen den Hof als
solchen zu erhalten. Aus diesem Grund sei auch eine Verpachtung an den Beteiligten zu 1 erfolgt, durch welche die
Existenz des Hofes, gerade auch aufgrund der engen familiären Verbundenheit, gesichert werden sollte.
Der Beteiligte zu 1 hat beantragt,
festzustellen, dass der im Grundbuch von P. Blatt …3 verzeichnete Grundbesitz am 28.09.2014 ein Hof im Sinne
der Höfeordnung war.
Der Beteiligte zu 2 hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Beteiligte zu 2 ist der Ansicht, dass der Einheitswert der Besitzungen sich allein anhand des Bescheides des
Finanzamtes L. zu orientieren habe, und demnach weniger als 5.000 Euro betrage. Es habe keine Wertänderungen
gegeben, welche zu einer Veränderung des Einheitswertes bzw. Wirtschaftswertes geführt hätten.
Das Landwirtschaftsgericht ist nach Anhörung des Beteiligten zu 1 zu dem Ergebnis gelangt, die Besitzung sei im
Zeitpunkt des Hoferbfalls kein Hof im Sinne der Höfeordnung mehr gewesen. Die am 15.12.2005 erfolgte Löschung
des Hofvermerkes wegen Minderung des Wirtschaftswertes sei konstitutiv und hätte nur durch Neufestsetzung durch
das Finanzamt abgeändert werden können. Das Landwirtschaftsgericht sei bei seiner Entscheidung an diese
Festsetzung durch das Finanzamt gebunden, eigene Feststellungen dürfe das Gericht nicht treffen. Es bleibe
demnach bei dem Einheitswert vom 14. Oktober 2004, welcher in Rechtskraft erwachsen sei und demnach auch für
die Beurteilung der Hofeseigenschaft am 28.09.2014 maßgeblich sei.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beteiligte zu 1 mit seiner Beschwerde und macht geltend, dass die
Annahme des Landwirtschaftsgerichtes, dass allein der durch das Finanzamt L. am 14.10.2004 festgesetzte
Wirtschaftswert für die Beurteilung der Hofeseigenschaft maßgeblich sei, verfehlt sei. Der Wirtschaftswert sei
aufgrund einer fehlerhaften Bezeichnung von Ackerflächen als Gehölz festgesetzt worden. Dieses belegt auch das
Gutachten des Sachverständigen H. Das Gericht sei bei seiner Entscheidung gerade nicht an die Festsetzung
gebunden, sondern könne frei von den Festsetzungen des Finanzamtes entscheiden, ob am 28.09.2014 ein Hof im
Sinne der Höfeordnung vorlag.
Der Beteiligte zu 1 beantragt,
unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung festzustellen, dass es sich bei dem im Grundbuch von P.
Blatt …3 verzeichneten Grundbesitz am 28.09.2014 um einen Hof im Sinne der Höfeordnung gehandelt hat.
Der Beteiligte zu 2 beantragt,
die Beschwerde des Beteiligten zu 1 zurückzuweisen.
Folgende Akten lagen dem Senat zu Informationszwecken vor und waren Gegenstand der mündlichen Erörterungen:
5 Lw 70/05, 3 XVII B 638, 3 XVII B 488 Band 1 - 3, 5 VI 499/14, 5 IV 203/80, 3 VII B 659 Band 1 und 2, Grundakten
Grundbuch von P., Blatt ...3, alle Amtsgericht Dannenberg, Einheitswertakte Lo. Blatt …4 des Finanzamts L.,
Vormundschaftsakte des Landkreises L.-D. betreffend T. B. sowie 12 C 608/94 Amtsgericht Lüneburg,
II.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist zulässig und begründet.
1. Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 1 ist nach § 9 LwVG i. V. m.
Beschwerdefrist nach
Beteiligte zu 1 zählt als notariell bestimmter Allein- bzw. Hofeserbe des Erblassers zu dem antragsberechtigten
Personenkreis, der nach § 11 Abs. 1 Buchst. a) HöfeVfO im Wege eines besonderen Feststellungsverfahrens
entscheiden lassen kann, ob im Zeitpunkt des Erbfalls ein Hof im Sinne der Höfeordnung vorgelegen hat.
2. Der Grundbesitz P. Blatt …3 erfüllt formal die Kriterien eines Hofes i. S. d.
Hofes beträgt 6.237,00 Euro. Der Wirtschaftswert beträgt weniger als 10.000 Euro, aber mehr als 5.000 Euro. Für die
Besitzung wurde am 20.03.1949 der Hofvermerk eingetragen. Damit ist der Grundbesitz 1976 Hof im Sinne der
HöfeO geblieben (
Allein die Löschung des Hofvermerkes durch das Verfahren des Amtsgerichts Dannenberg kann die
Hofeseigenschaft nicht entfallen lassen. Die Festsetzung des Wirtschaftswertes auf weniger als 5.000 Euro durch
das Finanzamt L. erfolgte aufgrund einer fehlerhaften Bewertung des Flurstückes 30/0 nach der Beendigung eines
vor Ort durchgeführten Flurbereinigungsverfahrens. Das Landwirtschaftsgericht ist bei seiner Bewertung nicht an die
Feststellung des Finanzamtes gebunden (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 19.06.2012, Az 10 W 6/12 und BGH
Beschluss vom 15.04.2011,
Wirtschaftswert die Grundbesitzungen haben. Das Gutachten des Sachverständigen H. legt dar, dass die
Festsetzung des Wirtschaftswertes durch das Finanzamt aufgrund einer falschen Annahme erfolgte. Die Löschung
erfolgte demnach rechtsfehlerhaft. Gegenüber dem Landwirtschaftsgericht hat das Finanzamt L. bestätigt, dass der
Wirtschaftswert des Gutachtens der richtige ist. Damit hat kein Absinken des Wirtschaftswertes unter 5.000 €
stattgefunden mit der Folge, dass die Amtslöschung des Hofvermerks unrichtig war. Die weiteren Voraussetzungen
des Hofesbegriffs aus § 1 Höfe (Vorhandensein einer Hofstelle, Alleineigentum einer natürlichen Person) waren im
Zeitpunkt des Erbfalls erfüllt. Dass der Hofvermerk zum Zeitpunkt des Erbfalls aufgrund des Irrtums bei der
zwischenzeitlichen Neufestsetzung des Wirtschaftswertes tatsächlich - wenn auch zu Unrecht - von Amts wegen
gelöscht war, steht der Hofeseigenschaft nicht entgegen. Denn es gibt keine Vermutung dafür, dass eine Besitzung
ohne oder mit gelöschtem Hofvermerk nicht Hof sei (Lüdtke-Handjery/v.Jeinsen, HöfeO, 11. Aufl. 2015,
Rn. 9).
3. Die Hofeseigenschaft ist auch nicht außerhalb des Grundbuchs entfallen durch endgültige Auflösung der
Betriebseinheit.
a) Ein Wille des Eigentümers zur Löschung des Hofvermerkes lag nicht vor. Das Vorliegen eines solchen
vermeintlichen Willens des Herrn A. B. wird durch das Gericht nicht erkannt. Es ist kein Wille des Erblassers zu
erkennen, welcher zum Ausdruck bringt, dass dieser seine Besitzungen nicht als Hof führen wollte. Vielmehr hat der
Erblasser mehrfach gegenüber seinen Verwandten erklärt, dass die Besitzungen ein Hof bleiben sollen. Auch die
Bewirtschaftung des Waldes wurde völlig unabhängig von den Feldarbeiten, welche der Beteiligte zu 1 durchführte,
fortgesetzt. Bis zu dem Todestag des Erblassers wurden Landwirtschaftskammerbeiträge durch den Erblasser
geleistet, darüber hinaus findet sich in den betriebswirtschaftlichen Auswertungen bis zuletzt eine Versicherung für
einen Traktor. Ferner spricht der Erblasser auch in seinem Testament von seinem Erben und Hofeserben. Eine
Abänderung des Testamentes erfolgte, auch nach Bekanntwerden der Vaterschaft zu dem Beteiligten zu 2, nicht.
Vielmehr wurde gegenüber dem Beteiligten zu 1 gerade mehrfach betont, dass aufgrund des Vorliegens der
Hofeseigenschaft gerade keine erbrechtlichen Veränderungen zu erwarten seien.
Dem Willen des Erblassers stehen auch keine objektiven Tatsachen entgegen, die dem Vorliegen eines Hofes
widersprechen.
b) Die landwirtschaftliche Besitzung hat ihre Hofeseigenschaft, auch nicht dadurch verloren, dass die
landwirtschaftlichen Flächen seit 1944 an die verwandte Familie Hei. verpachtet sind.
Die wirtschaftliche Betriebseinheit des Hofes wurde nicht aufgelöst. Von landwirtschaftlichen Besitzungen kann dann
gesprochen werden, wenn und solange über den Bestand einzelner landwirtschaftlicher Grundstücke hinaus noch
eine wirtschaftliche Betriebseinheit vorhanden ist oder jedenfalls ohne weiteres wiederhergestellt werden kann (OLG
Köln, Beschluss vom 05.11.2012, Az: 23 WLw 7/12, Jurisdokument, Rdnr. 10). Für eine solche Betriebseinheit sind
nicht nur die notwendigen (statischen) Betriebsmerkmale erforderliche, wie Wohn- und Wirtschaftsgebäude,
landwirtschaftliche Einrichtungen und sonstiges Zubehör. Vielmehr muss dieses auch zu einer Organisationseinheit
zusammengefasst sein oder zumindest - ohne weiteres - ggfs. nach entsprechender Wiedereinrichtung und
Ergänzung wieder zu einer Organisationseinheit zusammenzuführen sein. Wenn der landwirtschaftliche Betrieb als
potentiell leistungsfähige Wirtschaftseinheit in der Lebenswirklichkeit nicht mehr existiert und es keine Anhaltspunkte
dafür gibt, dass der Eigentümer eine funktionsfähige Betriebseinheit in absehbarer Zeit wiederherstellen kann oder
will, ist ein Hof im Sinne der Höfeordnung nicht mehr vorhanden (OLG Oldenburg, Beschluss vom 27.09.2005, Az:
10 W 31/04, Jurisdokument, Rdnr. 29). Maßgeblich ist damit, ob die Betriebseinheit im Zeitpunkt des Erbfalls bereits
auf Dauer aufgelöst war (BGH, Beschluss vom 29.11.2013, Az.: BLw 4/12, Jurisdokument, Rdnr. 39).
Die Beantwortung der Frage der Hofeigenschaft bedarf einer umfassenden Gesamtwürdigung und Bewertung aller in
Betracht kommender Tatsachen wie z. B. das Vorhandensein von einsetzbaren lebenden und toten Inventars,
geeigneten Wirtschaftsgebäuden und landwirtschaftlichen Flächen, das Vorhandensein eines geeigneten
Hofnachfolgers sowie Art und Weise und vor allem Grund der Aufgabe der Bewirtschaftung sowie die Prüfung der
Frage, ob aus betriebswirtschaftlicher Sicht unter Berücksichtigung des erforderlichen Kapitaleinsatzes die
Wiederinbetriebnahme des Hofes aus den Erträgnissen des Hofes bezahlt werden kann, ohne dessen Existenz in
Frage zu stellen (OLG Celle, Urteil vom 16.06.2008, Beschluss vom 16.06.2008, Az.: 7 W 105/07 (L), Jurisdokument
Rdnr. 25). Maßgebliche Bedeutung kommt darüber hinaus auch dem geäußerten, ggf. an Kriterien festzumachenden
Willen des Hofeigentümers zu, da die endgültige Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebes naturgemäß von
seinem Willen getragen sein muss. Dabei ist jedoch der Wunsch des Hofeigentümers, die Betriebseinheit zu
erhalten, dann unbeachtlich, wenn sämtliche objektive Kriterien gegen die tatsächliche Durchführbarkeit dieser
Absicht sprechen (BGH, Beschluss vom 29.11.2013 Az.: BLw 4/12, a. a. O., Rdnr. 45; OLG Celle, Beschluss vom
21.10.2002, Az: 7 W 27/02 (L), Jurisdokument, Rdnr. 27; OLG Celle, Beschluss vom 21.03.2011, Az: 7 W 126/10 (L),
Jurisdokument, Rdnr. 47; OLG Köln, Beschluss vom 05.11.2012, Az: 23 WLw 7/12, Jurisdokument, Rdnr. 10).
Bei Übertragung dieser Grundsätze ist die Hofeigenschaft nicht entfallen.
Der Senat ist bei einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände zu der Überzeugung gelangt, dass der
Erblasser weder die feststellbare Absicht gehabt hat, die Betriebseinheit der landwirtschaftlichen Besitzungen
aufzulösen, noch entsprechend eindeutig Fakten geschaffen hat. Die Tatsache, dass bereits im Jahr 1944 die
Ackerflächen vollständig an die Familie des Beteiligten zu 1 verpachtet wurden, reicht angesichts dessen, dass
weiterhin Wohn- und Wirtschaftsgebäude in einem nutzbaren Zustand vorhanden sind, sowie aufgrund dessen, dass
ein nicht erheblicher Teil an Kiefern- und Eichenwald weiterhin bewirtschaftet wurde, sowie aufgrund der Tatsache,
dass der Erblasser mehrfach zum Ausdruck gebracht hat, dass seine Besitzungen einen Hof darstellen sollen, als
Indiz für eine Aufgabe nicht aus.
Der Erblasser hat mehrfach gegenüber seinen Verwandten zum Ausdruck gebracht, dass die Besitzungen einen Hof
darstellen sollen. Ferner hat dieser auch in seinem notariellen Testament den Beteiligten zu 1 explizit als Alleinerben
und als Hofeserben eingesetzt. Auch nach Bekanntwerden, dass der Beteiligte zu 2 der nichteheliche Sohn des
Erblassers ist, hat der Erblasser sein Testament nicht geändert oder angepasst. Hierin kann eine konkludente
Bestätigung seines ursprünglichen Willens, welchen er in dem notariellen Testament festgelegt hat, gesehen werden
(vgl. Staudinger/Otte, BGB, Neubearbeitung 2012, § 2079 Rdnr. 21, § 2080 Rdnr. 26).
Bis zuletzt zahlte der Erblasser die Beiträge der Landwirtschaftskammer und unterhielt eine Versicherung für einen
Traktor.
Für das Vorliegen eines Aufgabewillens des Erblassers spricht auch nicht, dass kein wirtschaftsfähiger Hoferbe
vorhanden war. Der Sohn des Erblassers, der Beteiligte zu 2, hatte zwar regelmäßigen Kontakt zu dem Erblasser
und besuchte diesen auch einige Male, jedoch verfügt dieser nicht über eine landwirtschaftliche Ausbildung.
Der Erblasser hatte sich selbst bereits früh aus der Landwirtschaft zurückgezogen, obwohl er über eine
entsprechende erfolgreich abgeschlossene Lehre verfügte, und hat eine Laufbahn in der Verwaltung eingeschlagen.
Die Besitzungen waren jedoch schon damals an die Familie des Beteiligten zu 1 verpachtet. Dieses erfolgte
insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Identität des Vaters des Erblassers bis heute ungeklärt ist und seine
Mutter nach dem Krieg ohne Mann lebte, welcher den Betrieb hätte bewirtschaften können. Die familiären
Verflechtungen zwischen dem Erblasser und dem Beteiligten zu 1 sind eng, es handelt sich um Cousins. Die
Besitzungen stammen von dem gemeinsamen Großvater des Erblassers und des Beteiligten zu 1, dieser hatte den
Betrieb der Mutter des Erblassers überschrieben, da diese 1941 als einzige seiner Töchter bereits einen Sohn
geboren hatte.
Aufgrund dieser engen Verflechtungen sah der Erblasser sich selbst nicht in der Pflicht, die Verpachtung an den
Beteiligten zu 1 aufzulösen und die Ackerflächen des Betriebes selbst zu bewirtschaften, insbesondere auch vor dem
Hintergrund, dass er selbst unverheiratet und lange Zeit kinderlos war. Der wirtschaftsfähige Hofeigentümer ist unter
dem Regime der Höfeordnung nicht zu Eigenbewirtschaftung gehalten, er muss lediglich zur Eigenbewirtschaftung
befähigt sein. Vor dem Hintergrund der engen familiären Verbindungen setzte der Erblasser sodann auch seinen
Vetter, den Beteiligten zu 1, als Hofeserben ein. Ein endgültiger Aufgabewille des Erblassers lässt sich auch hier
nicht erkennen.
c) Letztendlich ist der Senat - insbesondere aufgrund der Sachkunde seiner ehrenamtlichen Besitzer - zu dem
Schluss gelangt, dass auch eine eigenständige Wiederinbetriebnahme des landwirtschaftlichen Betriebes möglich
ist.
Das vorhandene Wohnhaus ist auch heute noch bewohnbar. Dem steht auch nicht entgegen, dass es nicht den
neuesten Ansprüchen an die Wärmedämmung entspricht.
Zudem gehört zu den Besitzungen eine Scheune, welche zum Unterstellen von Maschinen und Anbaugeräten
geeignet ist. Hierzu wird sie momentan durch den Sohn des Beteiligten zu 1 als Pächter genutzt.
Der Senat geht davon aus, dass ein Wiederanspannen des Betriebes als Nebenerwerbsbetrieb durch die
Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Nutzflächen im Nebenerwerb erfolgversprechend ist. Die
Wiederanspannung als Nebenerwerbsbetrieb ist für die Anerkennung als Hof i. S. der Höfeordnung ausreichend. Der
Senat hat keine Zweifel daran, dass der Betrieb in dieser Weise auch aus eigenen Mitteln wiederangespannt werden
kann.
Der Hof verfügt über eine ausreichend große Hofstelle sowie über 42,497 ha, davon 18,51 ha Ackerland und 20,26
ha werthaltigen und nachhaltig bewirtschafteten Wald.
Dass hinsichtlich der fehlenden landwirtschaftlichen Maschinen Investitionen erfolgen müssen, steht einem
Wiederanspannen nicht entgegen, da diese vom finanziellen Umfang überschaubar sind und durch eine
Kreditaufnahme finanziert werden können. Die Besitzungen sind bis dato schuldenfrei.
Nach Auffassung der ehrenamtlichen Richter ist zudem eine Vollmechanisierung für den vorliegenden Betrieb mit
seiner Flächenstruktur nicht notwendig bzw. lohnenswert. Der Ankauf von landwirtschaftlichen Maschinen kann auf
das nötigste begrenzt werden, wobei auch der Kauf von gebrauchten Maschinen ausreichend ist. Im Übrigen könnte
auch mit anderen ansässigen Landwirten kooperiert werden oder der Anschluss an einen Maschinenring erfolgen.
Auch die Arbeitserledigung durch Lohnunternehmer ist in Erwägung zu ziehen.
Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass ein Hof der vorliegenden Größenordnung, welcher schuldenfrei ist, den
erforderlichen Investitionsaufwand aufbringen kann und zugleich in der Lage ist ohne weiteres wirtschaftlich
ertragreich und mit Gewinn im Nebenerwerb bewirtschaftet werden kann. Auf den landwirtschaftlichen Ackerflächen
kann eine vielfältige Fruchtfolge angebaut werden, der Anbau von Kartoffeln, Zuckerrüben, Silomais, Triticale,
Roggen ist ohne weiteres möglich. Auf den besseren Standorten kann auch der Anbau von Weizen in die Fruchtfolge
integriert werden. Die Flächen liegen nur 12 km von der Elbe entfernt und verfügen über einen relativ hohen
Grundwasserspiegel. Der Ar. ist ebenfalls nur 6 km Luftlinie entfernt. Die Beregnung der Flächen im Bedarfsfall ist
möglich.
Der zu den Besitzungen gehörende Wald ist 20,26 ha groß und verfügt über einen Kiefern- und Eichenbestand. Der
Wald wurde stets fach- und ordnungsgemäß durch die Forstbetriebsgemeinschaft bewirtschaftet.
Nach alledem sind die Aussichten und Möglichkeiten bei dem Wiederaufbau des Hofbetriebes als
Nebenerwerbsbetrieb als günstig anzusehen.
III.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus §§ 44, 45 Abs. 1 LwVG. Der Senat hat es für sachgerecht erachtet, für beide
Instanzen die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zwischen den Beteiligten zu 1 und 2 zu teilen und die
Erstattung der außergerichtlichen Auslagen nicht anzuordnen.
Die Entscheidung über den Geschäftswert beruht auf
sich nach dem Vierfachen des für den Grundbesitz festgesetzten Einheitswertes (Wirtschaftswertes) für die
Stückländereien (6.237 Euro) und für das Hofgrundstück (6.749,06 €) in Höhe von insgesamt 12.986,06 € und
beläuft sich damit auf 24.948 Euro.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Celle
Erscheinungsdatum:29.10.2015
Aktenzeichen:7 W 40/15
Normen in Titel:HöfeO §§ 1, 5