Voraussetzungen des Beitragstatbestands einer Straßenerneuerung
letzte Aktualisierung: 05.03.2020
OVG NRW, Beschl. v. 20.12.2019 – 15 B 1627/19
KAG NRW § 8 Abs. 2 S. 1
Voraussetzungen des Beitragstatbestands einer Straßenerneuerung
1. Für die Annahme eines Erneuerungsbedarfs kommt es nicht darauf an, dass jeder Quadratmeter
der auszubauenden Straße verschlissen ist, sondern nur darauf, dass die Straße in ihrer Gesamtheit
erneuerungsbedürftig ist.
2. Die Ursache der Verschlissenheit einer ausgebauten Anlage – etwa das Unterlassen einer
ordnungsgemäßen Unterhaltung und Instandsetzung – hat im Rahmen des § 8 Abs. 2 S. 1 KAG
NRW grundsätzlich keine eigenständige Bedeutung, wenn die übliche Nutzungszeit abgelaufen ist.
Steht die Erneuerungsbedürftigkeit in einem solchen Fall fest, ist es ermessensgerecht, die
nochmalige Herstellung vorzunehmen. Lediglich eine vorzeitige, also eine vor Ablauf der normalen
Nutzungszeit erforderlich werdende Erneuerung einer Anlage infolge von Baumängeln bei einer
früheren Herstellung rechtfertigt eine Beitragserhebung nicht.
3. Das Ausbaumotiv – bzw. wer oder was den Anstoß zu dem Ausbau gegeben hat – hat auf die
Beitragsfähigkeit keinen Einfluss. Erheblich ist dafür allein, dass die Merkmale des § 8 Abs. 2 KAG
NRW objektiv vorliegen.
G r ü n d e :
Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage der Antragstellerin vom 16. April 2019
gegen den Bescheid der Antragsgegnerin über die Erhebung eines Beitrags für die
straßenbauliche Maßnahme X.-------straße von Am T. bis X.-------straße 1 / Am
T. 55 in der Fassung des Widerspruchsbescheids der Antragsgegnerin vom9. April
2019 anzuordnen,
zu Recht abgelehnt.
Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat
gemäß
angefochtenen Entscheidung.
Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass die Rechtmäßigkeit des
streitbefangenen Beitragsbescheids im Sinne von § 80 Abs. 4 Satz 3 Alt. 1 VwGO
ernstlich zweifelhaft ist.
Die Beschwerde legt nicht dar, dass der Beitragstatbestand der Erneuerung im Sinne des
§ 8 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW nicht erfüllt ist.
Vgl. zu dessen Voraussetzungen zuletzt auch OVG NRW, Beschluss vom 16. Juli 2018 -
15 B 616/18 -, juris Rn. 37 ff., m.w.N.
Für die Annahme eines Erneuerungsbedarfs kommt es nicht darauf an, dass jeder
Quadratmeter der auszubauenden Straße verschlissen ist, sondern nur darauf, dass die
Straße in ihrer Gesamtheit erneuerungsbedürftig ist.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16. Juli 2018- 15 B 616/18 -, juris Rn. 45, vom 23.
November 2016 - 15 A 2582/15 -, juris Rn. 19, und vom 7. September 2009 - 15 B
1247/09 -, juris Rn. 6; Dietzel/Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 des
Kommunalabgabengesetzes NRW, 8. Aufl. 2013, Rn. 73.
Die Ursache der Verschlissenheit einer ausgebauten Anlage - etwa das Unterlassen einer
ordnungsgemäßen Unterhaltung und Instandsetzung - hat im Rahmen des § 8 Abs. 2 Satz
1 KAG NRW grundsätzlich keine eigenständige Bedeutung, wenn die übliche Nutzungszeit
abgelaufen ist. Steht die Erneuerungsbedürftigkeit in einem solchen Fall fest, ist es
ermessensgerecht, die nochmalige Herstellung vorzunehmen. Lediglich eine vorzeitige,
also eine vor Ablauf der normalen Nutzungszeit erforderlich werdende Erneuerung einer
Anlage infolge von Baumängeln bei einer früheren Herstellung rechtfertigt eine
Beitragserhebung nicht.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16. Juli 2018- 15 B 616/18 -, juris Rn. 47, vom 23.
November 2016 - 15 A 2582/15 -, juris Rn. 21, vom 15. Juli 2011 - 15 A 398/11 -, juris Rn.
21, und vom 2. Mai 2011 - 15 A 782/11 -, juris Rn. 5 ff.
Mit Blick darauf dringt die Antragstellerin weder mit der Rüge durch, insbesondere der
Straßenabschnitt vor ihrem Haus X.-------straße 1 sei intakt gewesen, noch mit dem
Vorbringen, die Flickstellen und sowie die Absackung vor dem Haus X.-------straße 9 seien
auf eine undichte Hauptwasserleitung zurückzuführen. Ungeachtet dessen war die übliche
Nutzungsdauer für die in den Jahren 1961 und 1962 hergestellte X.-------straße im Jahr
2016 abgelaufen und lässt sich deren Erneuerungsbedürftigkeit anhand der in der
Gerichtsakte des Klageverfahrens befindlichen Lichtbilder - z. B. auch auf den von der
Beschwerde genannten Bildern 5, 6 und 7 - nachvollziehen.
Im Übrigen steht der Gemeinde bezüglich der Art und Weise sowie des Umfangs des
Ausbaus ein weites Ausbauermessen zu. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, im Rahmen
der Beitragserhebung zu prüfen, ob die Gemeinde die sinnvollste und zweckmäßigste
Ausbaumaßnahme gewählt hat. Aufgabe des Gerichts ist nur die Prüfung, ob die konkret
vorgenommene Ausbaumaßnahme im Ergebnis noch das gesetzliche Beitragsmerkmal
erfüllt und ob die Maßnahme noch vom Grundsatz der Erforderlichkeit gedeckt ist, das
heißt sich noch im Rahmen des sachlich Vertretbaren bewegt.
Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Dezember 2019 - 15 B 1444/19 -, juris Rn. 32,
vom 10. Oktober 2019 - 15 A 808/17 -, juris Rn. 32, vom 16. Juli 2018 - 15 B 616/18 -, juris
Rn. 51, und vom 23. November 2016 - 15 A 2582/15 -, juris Rn. 25.
Das Ausbaumotiv - bzw. wer oder was den Anstoß zu dem Ausbau gegeben hat - hat auf
die Beitragsfähigkeit keinen Einfluss. Erheblich ist dafür allein, dass die Merkmale des § 8
Abs. 2 KAG NRW objektiv vorliegen.
Vgl. dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 20. Juni 2018 - 15 A 1619/17 -, juris Rn. 18, vom
26. September 2017 - 15 B 825/17 -, juris Rn. 28, und vom 17. August 2016 - 15 B 652/16
-, juris Rn. 47.
Deswegen kann die Antragstellerin schon im Ansatz nicht mit Erfolg einwenden, die
Antragsgegnerin habe den Ausbau nur vorgenommen, um der RWW entgegenzukommen,
die eine marode Wasserleitung habe erneuern müssen. Dass die Antragsgegnerin eine
etwaige Kostenersparnis aufgrund der parallel durchgeführten Baumaßnahmen nicht
angerechnet habe,
vgl. insofern OVG NRW, Beschluss vom 4. Juni 2002 - 15 B 745/02 -, juris Rn. 12,
trägt die Antragstellerin nicht substantiiert vor. Auch sonst geht aus der Beschwerde nicht
hervor, dass die Antragsgegnerin ihr Ausbauermessen überschritten hätte.
Dass die Anlieger der X.-------straße 1 bis 9 ebenso wie der Eigentümer des Hauses Am
T. 61 mit der Erneuerung nicht einverstanden gewesen seien, ist für die
Beitragserhebung unerheblich. Da auch diese Grundstücke von der erneuerten Anlage
erschlossen werden, haben sie ebenfalls einen maßnahmebedingten, beitragsrelevanten
Vorteil im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG NRW.
Die Kostenentscheidung folgt aus
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2
GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (
Satz 3 GKG).
Entscheidung, Urteil
Gericht:OVG Münster
Erscheinungsdatum:20.12.2019
Aktenzeichen:15 B 1627/19
Rechtsgebiete:Sonstiges Öffentliches Recht
Normen in Titel:KAG NRW § 8 Abs. 2 S. 1