OLG Hamm 04. Juli 2024
22 U 26/24
BGB §§ 305, 434

Asbesthaltige Dachziegel als Sachmangel; Sachmangelausschluss; von Notaren wiederholt verwendete Klauseln als Allgemeine Geschäftsbedingungen; kein Stellen von Vertragsbedingungen durch eine der Vertragsparteien; Unbekanntheit versteckter Mängel

letzte Aktualisierung: 23.9.2024
OLG Hamm, Beschl. v. 4.7.2024 – 22 U 26/24

BGB §§ 305, 434
Asbesthaltige Dachziegel als Sachmangel; Sachmangelausschluss; von Notaren wiederholt
verwendete Klauseln als Allgemeine Geschäftsbedingungen; kein Stellen von
Vertragsbedingungen durch eine der Vertragsparteien; Unbekanntheit versteckter Mängel

1. Es kann nach den stets zu prüfenden Umständen des Einzelfalls keinen Sachmangel im Sinne von
§ 434 BGB darstellen, wenn asbesthaltige Dachschindeln auf dem Mansardendach eines
Bestandsgebäudes verbaut sind und weder eine Beschaffenheitsvereinbarung noch
Beschaffenheitserwartung eine Asbestfreiheit begründen (Anschluss an BGH, Urteil vom 27. März
2009 – V ZR 30/08 –)
2. Von Notaren wiederholt verwendete, nicht von einer Vertragspartei vorgegebene Vertragsklauseln
in notariellen Kaufverträgen über mit Bestandsimmobilien bebaute Grundstücke stellen regelmäßig
keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen dar, weil keine Vertragspartei diese Vertragsbedingungen
gem. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB gestellt hat.
3. Die Versicherung des Verkäufers in einem notariellen Vertrag, dass ihm versteckte Mängel nicht
bekannt seien, stellt keine Beschaffenheitsvereinbarung oder Garantie dar. Sie verändert bei einem
vereinbarten Gewährleistungsausschluss auch nicht die Darlegungs- und Beweislast für eine Arglist
des Verkäufers (§ 444 BGB), die der Käufer trägt.

Gründe:

I.
Die Klägerin und ihr Ehemann, der Zeuge J., kauften von den Beklagten mit notariellem
Kaufvertrag vom 19.01.2021 das streitgegenständliche Hausgrundstück Gemarkung Z.,
Flur N01, Flurstück N02, V.-straße 00 in Z. unter Ausschluss der Gewährleistung (vgl. § 5
des notariellen Kaufvertrages). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Kaufvertrag
Bezug genommen (Bl. 10 ff. der erstinstanzlichen Akte, im Folgenden d.A.).
Die Klägerin hat ihre Schadensersatzforderung auf drei Umstände gestützt. Sie hat
gemeint, die Beklagten hätten über die asbesthaltige Mansardendacheindeckung aufklären
müssen. Zudem hätten die Beklagten über die unstreitige Entfernung einer nach ihrer
Behauptung tragenden Wand im Wohnzimmer aufklären müssen. Sie hat hierzu
behauptet, eine Aufklärung über die vorgenannten Umstände (Asbest und Wand) durch die
Beklagten sei vor Abschluss des Kaufvertrages nicht erfolgt. Schließlich hätten die
Beklagten einen schon länger bestehenden Wasserschaden im Dachbereich arglistig
verschwiegen
Die Beklagten haben eine Kenntnis vom Wasserschaden bestritten und behauptet, die
Klägerin, zum Teil über ihren Ehegatten, über den Asbestgehalt der Dachschindeln und
den Wanddurchbruch informiert zu haben. Sie seien davon ausgegangen, dass die
entfernte Wand keine tragende gewesen sei.

Das Landgericht hat nach Vernehmung des Zeugen J. und Anhörung der Parteien die
Klage abgewiesen. In Bezug auf die asbesthaltigen Dachschindeln liege bereits kein
offenbarungspflichtiger Mangel vor. Von den nicht sanierungsbedürftigen Dachschindeln
gehe nur eine abstrakte Gefahr aus. Eine ernsthafte Gefahr, dass im Rahmen der üblichen
Nutzung des Wohngebäudes Asbest austrete, sei nicht gegeben. Selbst wenn ein
offenbarungspflichtiger Mangel unterstellt werde, könnten sich die Beklagten auf den
Gewährleistungsausschluss berufen. Der Gewährleistungsausschluss sei wirksam. Dieser
sei keine allgemeine Geschäftsbedingung. Es handele sich nicht um gestellte
Bedingungen. Die Klägerin habe nicht bewiesen, dass der Beklagte die Klägerin nicht über
die asbesthaltigen Dachschindeln aufgeklärt habe. Ersatzfähig könnten zudem nur
asbestbedingt zusätzlich erforderliche Sicherungs- und Entsorgungsmaßnahmen sein. Die
Klägerin habe auch nicht bewiesen, dass der Beklagte arglistig das Entfernen einer
tragenden Wand verschwiegen habe. Deswegen sei die Fristsetzung zur
Mangelbeseitigung nicht entbehrlich gewesen. Die Klägerin habe den Mangel aber bereits
beseitigt. In Bezug auf den Wasserschaden habe die Klägerin bereits nicht schlüssig
vorgetragen, warum der Beklagte von diesem Schaden Kenntnis gehabt haben soll. Auch
insoweit habe die Klägerin den Beklagten vor der Sanierung nicht zur Nacherfüllung
aufgefordert.

Wegen der weiteren tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts inkl. der Anträge
sowie der Begründung im Einzelnen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug
genommen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge vollständig weiter. Das
Landgericht habe nicht zwischen Gewährleistungsansprüchen und
Schadensersatzansprüchen aus der Verletzung von Aufklärungspflichten differenziert. Die
Beklagten hätten versichert, dass ihnen versteckte Mängel nicht bekannt seien. Sie habe
vorgetragen, dass das Haus mit Asbestfasern belastet sei. Die Versicherung, dass den
Beklagten versteckte Mängel nicht bekannt gewesen seien, sei sowohl im Hinblick auf die
asbesthaltigen Platten als auch im Hinblick auf die Herausnahme der tragenden Wand
falsch. Zudem sei im Hinblick auf die Asbestplatten zu berücksichtigen, dass diese in der
Mansardeneindeckung verbaut seien und damit direkt neben den (Gauben-)Fenstern. Das
Landgericht habe die Darlegungs- und Beweislast für die Aufklärung verkannt. Ferner
habe das Gericht verkannt, dass der Gewährleistungsausschluss gegen § 309 Nr. 7 BGB
verstoße und deswegen unwirksam sei. Die Beklagten hafteten auch nicht nur für die
Zusatzkosten der mit dem Asbest verbundenen Sicherungs- und Entsorgungskosten. Das
Haus sei mit der asbesthaltigen Mansarde mindestens 25.000,00 € weniger wert als ohne.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, unter Abänderung des am 22.01.2024
verkündeten Urteils des Landgerichts Siegen, Az. 8 O 327/23, an die Klägerin 30.346,42 €
nebst Zinsen i.H. von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem
11.01.2023 sowie 1.626,49 € Rechtsanwaltsgebühren für die vorgerichtliche Tätigkeit, zu
zahlen.

Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie haben in der Sache noch nicht Stellung genommen.

II.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 22.01.2024 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer
des Landgerichts Siegen (8 O 327/23) ist gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da das
Rechtsmittel nach dem einstimmigen Votum des Senats keine Aussicht auf Erfolg hat, der
Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des
Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Berufungsgerichts erfordern. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die
Berufung ist nicht geboten.

Die zulässige Berufung verspricht in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Das
angefochtene Urteil des Landgerichts weist keine Rechtsfehler auf und die gemäß §§ 529,
531 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen auch keine andere – für die
Klägerin günstigere – Entscheidung. Im Einzelnen:

1.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 433, 434 a.F., 437, 280,
281 BGB. Das Landgericht hat zu Recht und mit einer überzeugenden Begründung
Ansprüche wegen Sachmängeln in Höhe von 30.346,42 € als unbegründet erachtet. Die
hiergegen gerichteten Berufungsangriffe geben zu einer Abänderung der angefochtenen
Entscheidung keinen Anlass.

a.
Wegen der Asbestbelastung der Dachschindeln liegt bereits kein Sachmangel vor.

aa.
Das Landgericht hat, was die Klägerin akzeptiert, zutreffend erkannt, dass keine
Beschaffenheitsvereinbarung i.S. von § 434 Abs. 1 S. 1 a.F. BGB getroffen wurde.

bb.
Der Senat teilt auf der Grundlage der überzeugenden Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (Urteil vom 27. März 2009 – V ZR 30/08, juris) die Auffassung des
Landgerichts, wonach die im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 a.F. BGB berechtigte
Beschaffenheitserwartung bei einem Haus mit dem Baujahr des streitgegenständlichen
nicht dahin geht, dass die Dacheindeckung in jedem Fall kein Asbest enthält. Denn auch
ein mit asbesthaltigen Dachschindeln gedecktes Haus ist für die gewöhnliche Verwendung
als Wohnhaus geeignet.

Dem steht nicht entgegen, dass nach mittlerweile gesicherter Auffassung, die dem Senat
aufgrund zahlreicher eingeholter Gutachten bekannt ist, Asbest ein abstraktes
Gefährdungspotential hat. Entscheidend ist, ob die ernsthafte Gefahr besteht, dass Stoffe
mit einem erheblichen gesundheitsgefährdenden Potential im Rahmen der üblichen
Nutzung des Kaufobjekts austreten. Dabei liegt eine erhebliche Einschränkung der
Nutzbarkeit eines Wohngebäudes auch dann vor, wenn übliche Umgestaltungs-,
Renovierungs- oder Umbaumaßnahmen nicht ohne gravierende Gesundheitsgefahren
vorgenommen werden können. Das gilt jedenfalls für solche Arbeiten, die üblicherweise
auch von Laien und nicht nur von mit dem Umgang gefährlicher Baustoffe vertrauten
Betrieben des Fachhandwerks vorgenommen werden. In solchen Bereichen muss ein
verständiger Verkäufer in Rechnung stellen, dass Heimwerker mit
gesundheitsgefährdenden Stoffen in Berührung kommen, ohne die zur Abwehr von
Gesundheitsgefahren notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, wenn sie nicht wissen, dass
die verbauten Materialien gefährliche Stoffe enthalten, vgl. BGH a.a.O. – juris Rn. 9.
Eine solche Gefahr besteht bei der Mansardendacheindeckung nicht. Diese befindet sich
im 2. Obergeschoss (vgl. Bl. 27 der erstinstanzlichen Akte, im Folgenden d.A.). Im 2.
Obergeschoss ist bei der allgemeinen Verkehrserwartung entsprechenden Heimwerkern
mit keinen Arbeiten an den Dachschindeln zur rechnen. Denn das Mansardendach ist
letztlich nur mit einem Gerüst oder einem Hubwagen verkehrssicher zu erreichen. Das
Anbringen eines Hakens oder einer Außenlampe als Beispiele von Heimwerkerarbeiten,
die eine Freisetzung von Asbest nach sich ziehen könnten, ist nicht zu erwarten. Denn
solche Arbeiten wären wegen der Neigung des Mansardendaches im Hinblick auf den
vorbeschriebenen Aufwand und einen nicht gegebenen ideellen oder praktischen Nutzen
völlig atypisch.

Soweit die Klägerin behauptet, dass eine erhöhte Asbestfaserbelastung im Haus besteht,
handelt es sich um eine unbeachtliche Behauptung ins Blaue hinein. Aus der Anlage K 5
(Bl. 44 d.A.) ergibt sich nur, dass Asbest mit einem Masseanteil von etwa 5 % bis 20 % in
den Platten vorhanden ist. Eine Asbestbelastung im Haus ergibt sich daraus aber nicht.
Asbest in Eternitplatten ist – aufgrund von zahlreichen eingeholten Gutachten
senatsbekannt – stark gebunden. In dieser Form ist Asbest, was dem Senat aufgrund von
zahlreichen eingeholten Gutachten ebenfalls bekannt ist, erst dann gesundheitlich kritisch,
wenn die Asbestfasern durch eine mechanische Beanspruchung gelöst werden, wie z.B.
Bohren, Flexen, Zerschlagen der Platten etc. Dies ist auch allgemeinkundig (vgl. etwa das
Asbest-Merkblatt der Stadt Oberhausen https://www.oberhausen.de/de/index/rathaus/
verwaltung/soziales-gesundheit-wohnen-und-recht/gesundheit/hygiene-umweltmedizin/
broschueren-und-informationsblaetter/material_broschueren_informationsblaetter/
asbestmerkblatt_version_2019_pixelio.pdf; Information der Senatsverwaltung Berlin:
https://www.berlin.de/sen/wohnen/wissen-fuer-vermieter/asbest-in-gebaeuden/allgemeineinformationen-
und-hinweise/).

Vortrag, dass aufgrund einer mechanischen Beanspruchung Asbestfasern bei der
streitgegenständlichen Immobilie tatsächlich gelöst wurden und deswegen ins Haus
gelangt sind, fehlt. Allein das Öffnen von Fenstern, was die Klägerin anspricht, ist mithin
nicht problematisch. Auch ein schlichtes Berühren der Schindeln mit der Hand ist
unkritisch, was ebenfalls offenkundig ist.

Da gerade kein Sachmangel vorliegt, ist auch die Versicherung im Kaufvertrag in § 5 Abs.
2, dass versteckte Mängel nicht bekannt sind, in Bezug auf die asbesthaltigen Platten
zutreffend.
b.
Aber selbst wenn ein Sachmangel in Bezug auf die asbesthaltigen Dachschindeln
unterstellt würde, griffe der zwischen den Parteien vereinbarte
Gewährleistungsausschluss.

aa.
Entgegen der Ansicht der Klägerin bestehen vor dem Hintergrund der
Wirksamkeitskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen keine Bedenken gegen die
Wirksamkeit des vereinbarten Gewährleistungsausschlusses. Dabei kann unterstellt
werden, dass der beurkundende Notar diese Klausel für eine Vielzahl von Verträgen
verwendet hat und verwendet. Die Klägerin hat aber nicht dargetan, dass die Beklagten
diese Klausel gestellt haben und die vorformulierten Vertragsbedingungen mehrfach
einsetzen wollten.

Als Verwender ist derjenige anzusehen, auf dessen Veranlassung die Einbeziehung der
Formularklausel in den Vertrag zurückgeht. Sind Formularklauseln von einem Dritten
formuliert, ist entscheidend, ob eine der Vertragsparteien sie sich zurechnen lassen muss.
Eine solche Zurechnung kann zu Lasten derjenigen Vertragspartei erfolgen, die den Dritten
vorab mit der Formulierung der Vertragsklausel beauftragt hatte, auf dessen Veranlassung
die Klausel später in die Verträge aufgenommen wurde. Bei Bedingungen, die von einem
neutralen Dritten – wie von einem Notar (vgl. § 14 Abs. 1 BNotO) – formuliert worden sind,
kann eine Zurechnung zu Lasten einer der Vertragsparteien ganz entfallen. Der Vorschlag
des beurkundenden Notars begründet eine Verwendung durch eine Vertragspartei nicht,
auch wenn die entsprechende Vertragsklausel von dem Notar immer wieder verwendet
wird (vgl. zum Vorstehenden: BGH, Urteil vom 27. Januar 2017 – V ZR 130/15 –, Rn. 10
ff.; vom 1. März 2013 – V ZR 31/12-, Rn. 17; vom 13. September 2001 – VII ZR 487/99 -,
Rn. 25; vom 12. Juni 1992 – V ZR 106/91 -, Rn. 10; vom 16. November 1990 – V ZR
217/89 -, Rn. 12, jeweils juris). Dementsprechend sieht der Senat in ständiger
Rechtsprechung im Regelfall in notariellen Verträgen enthaltene Klauseln über
Bestandsimmobilien nicht als gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von §
305 Abs. 1 BGB an. Ein Vortrag der Klägerin, der ausnahmsweise eine hiervon
abweichende Bewertung begründen könnte, wie dies zum Beispiel bei Verbraucher- oder
Bauträgerverträgen der Fall sein kann (vgl. hierzu etwa Walter, MDR 2018, 186), ist nicht
zu verzeichnen.

bb.
Die Klägerin hat überdies nicht bewiesen, dass die Beklagten arglistig eine erforderliche
Aufklärung nicht vorgenommen haben, mit der Folge, dass diese sich gem. § 444 BGB
nicht auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen können, vgl. BGH, Urteil
vom 12. November 2010 – V ZR 181/09 – juris Rn. 12.

(I)
Entgegen der Ansicht der Klägerin führt die – übliche – Klausel in § 5 Abs. 2 des
notariellen Kaufvertrages nicht zu einer Änderung der vorangehend angeführten
Darlegungs- und Beweislast. Auch hiernach muss die Klägerin beweisen, dass die
Versicherung, dass nicht offenbarte versteckte Mängel dem Verkäufer nicht bekannt sind,
falsch war. Aufgabe dieser Formulierung („Arglistprobe“) ist es lediglich, dem Verkäufer vor
Augen zu führen, dass er den Käufer über nicht ohne weiteres erkennbare Mängel von
Gewicht aufklären muss (vgl. Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf, 11. Aufl., Rn. 1137 ff.).

(II)
Selbst wenn ein aufklärungsbedürftiger Mangel unterstellt wird, hat die Klägerin nicht
bewiesen, dass die Beklagten sie nicht aufgeklärt haben.
Das Landgericht hat auf der Grundlage einer intensiven Parteianhörung und
zeugenschaftlichen Einvernahme des Ehemanns der Klägerin sowie umfassenden, den
vorgetragenen Sachverhalt erschöpfend behandelnden Beweiswürdigung für den Senat
bindend festgestellt, dass die Klägerin nicht bewiesen hat, dass die Beklagten sie über die
Asbestbelastung der Dachschindeln nicht aufgeklärt haben.

(a)
Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die vom erstinstanzlichen
Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel
an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen
begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte,
welche die Bindung des Berufungsgerichts an diese Feststellungen entfallen lassen,
können sich aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem erstinstanzlichen Gericht bei der
Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind. Ein solcher Verfahrensfehler liegt vor,
wenn die Beweiswürdigung nicht den Anforderungen genügt, die von der Rechtsprechung
zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind. Dies ist der Fall, wenn sie unvollständig oder
in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze
verstößt. Gleiches gilt, wenn das erstinstanzliche Gericht Tatsachenvortrag der Parteien
übergangen oder von den Parteien nicht vorgetragene Tatsachen verwertet hat (BGH,
Urteil vom 12. März 2004 – V ZR 257/03 -, juris). Zweifel an der Richtigkeit und
Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen können sich schließlich auch aus der
Möglichkeit unterschiedlicher Wertung ergeben, insbesondere daraus, dass das
Berufungsgericht das Ergebnis einer erstinstanzlichen Beweisaufnahme anders würdigt als
die Vorinstanz. Besteht aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse –
nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür, dass im Fall der
Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, ist es zu
einer erneuten Tatsachenfeststellung verpflichtet (BGH, Urt. vom 11.Oktober 2016, Az. VIII
ZR 300/15, Rn. 24 m.w.N, juris).

(b)
Die Beklagten haben entsprechend der sie treffenden Obliegenheit, die von ihnen
behauptete Aufklärung in räumlicher und zeitlicher Sicht präzisiert, vgl. hierzu BGH, Urteil
vom 12. November 2010 – V ZR 181/09 –, juris Rn. 12. Diese behauptete Aufklärung hat
die Klägerin nicht widerlegt. Vielmehr hat das Landgericht mit einer überzeugenden
Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, ein
sog. non liquet festgestellt, das zu einer Entscheidung nach der Beweislast führen muss.
Gegen die Beweiswürdigung erinnert die Berufung nichts.

c.
Die Entfernung der – unterstellt – tragenden Wand durch die Beklagten rechtfertigt
ebenfalls keine kaufvertraglichen Gewährleistungsansprüche der Klägerin. Es ist nicht
dargetan, dass die Beklagten diesen – unterstellten Mangel – arglistig verschwiegen
haben.

(I)
Das Landgericht hat überzeugend dargelegt, dass eine Arglist der Beklagten bezüglich der
– behaupteten – statischen Funktion der Wand nicht bewiesen ist.
Es ist unstreitig, dass der Beklagte die Wand im Jahr 2004 entfernt hat. Ferner ist
unstreitig, dass es in der Folgezeit in über 15 Jahren keine Auffälligkeiten in Bezug auf die
entfernte Wand gegeben hat, wie z.B. Risse oder ähnliches. Wie das Landgericht
zutreffend ausgeführt hat, hat die Klägerin den Vortrag der Beklagten nicht widerlegt,
wonach der Beklagte seinen Onkel als fachkundige Person bezüglich der Frage, ob eine
tragende Wand vorliege, konsultiert und dieser daraufhin die Wand als nicht statisch
relevant eingestuft habe. Entgegen der Auffassung der Berufung war der Onkel des
Beklagten (N.) nicht zu vernehmen, weil dieser nicht durch die beweispflichtige Klägerin
zur Widerlegung der Behauptung der Beklagten benannt worden ist.

Ein Wissensvorsprung des Beklagten als Dachdecker gegenüber der Klägerin, die
immerhin Architektin ist, steht nicht fest. Überdies ist wenig wahrscheinlich, dass der
Beklagte eine Einsturzgefährdung mit entsprechenden Folgen für die in seinem Haus
lebenden Eltern in Kauf genommen hat.

(II)
Zudem hat das Landgericht für den Senat gem. §§ 529, 531 ZPO bindend und von der
Klägerin auch nicht angegriffen mit überzeugenden Erwägungen, auf die Bezug
genommen wird, festgestellt, dass sie die von den Beklagten behauptete Aufklärung über
die Wandentfernung nicht widerlegt hat.

d.
In Bezug auf den Wasserschaden kann gleichfalls vollumfänglich auf die Ausführungen
des Landgerichts verwiesen werden, die die Klägerin nicht konkret angreift. Es ist weder
schlüssig dargetan noch ersichtlich, warum die Beklagten von diesem – unstreitig
verdeckten – Wasserschaden Kenntnis gehabt haben sollten.

2.
Soweit die Klägerin meint, das Landgericht habe nicht hinreichend zwischen
kaufrechtlichem Gewährleistungsrecht und einer Aufklärungspflichtverletzung
unterschieden, führt diese Meinung nicht zu einem Erfolg der Berufung.
Die Klägerin verkennt, dass das kaufrechtliche Gewährleistungsregime in seinem
Anwendungsbereich eine Haftung aus vorvertraglicher Pflichtverletzung nach der
ständigen Rechtsprechung des BGH nach Gefahrübergang verdrängt, es sei denn, der
Käufer hat arglistig gehandelt, BGH, Urteil vom 27. März 2009 – V ZR 30/08 –, juris Rn. 19
ff. Auch unter diesem Gesichtspunkt muss die Klägerin ein arglistiges Handeln
nachweisen, was ihr nicht gelungen ist.
Ferner müsste die Klägerin beweisen, dass die Beklagten sie pflichtwidrig nicht aufgeklärt
haben. Im Hinblick auf die Asbestbelastung und die Entfernung der tragenden Wand hat
sie die Nichtaufklärung – wie vorangehend dargelegt - nicht bewiesen.

3.
Mangels Hauptforderung hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Zinsen und
vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten.

III.
Auf die Kostenprivilegierung für den Fall der Rücknahme der Berufung (KV GKG- 1222)
wird hingewiesen.
Mit Beschluss vom 03.09.2024 ist die Berufung zurückgewiesen worden.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Hamm

Erscheinungsdatum:

04.07.2024

Aktenzeichen:

22 U 26/24

Rechtsgebiete:

Notarielles Berufsrecht
Allgemeines Schuldrecht
AGB, Verbraucherschutz
Kaufvertrag
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB §§ 305, 434