Kammergericht 30. Juni 2015
9 W 103/14
KostO a.F. § 145 Abs. 1 S. 1; BNotO §§ 19 Abs. 1 S. 1, 24; GNotKG §§ 119, 129 Abs. 1, 130 Abs. 3 S. 1

Entstehung einer Entwurfsgebühr und Amtspflicht des Notars zur Aufklärung über voraussichtliche Kosten im Rahmen einer planenden Beratung

DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 27.10.2015
KG, 30.6.2015 - 9 W 103/14

KostO a.F. § 145 Abs. 1 S. 1; BNotO §§ 19 Abs. 1 S. 1, 24; GNotKG §§ 119, 129 Abs. 1, 130
Abs. 3 S. 1
Entstehung einer Entwurfsgebühr und Amtspflicht des Notars zur Aufklärung über
voraussichtliche Kosten im Rahmen einer planenden Beratung

1. Für die Entstehung der Entwurfsgebühr nach § 145 Abs. 1 Satz 1 KostO (jetzt: Vorbem 2.4.1.
Abs. 1 Satz 1 GV-GNotKG) kommt es nicht darauf an, für welche Zwecke (hier: für
Informationszwecke) der Kostenschuldner den Entwurf angefordert hat. Auch ein noch nicht alle
Einzelheiten enthaltender Standardentwurf einer Urkunde kann einen Entwurf im Sinne des § 145
KostO (jetzt: § 119 GNotKG, Hauptabschnitt 4, Abschnitt 1 GV-GNotKG) darstellen.
2. Im Rahmen der sog. planenden Beratung als selbstständiger Betreuungstätigkeit nach § 24
BNotO kann der Notar verpflichtet sein, über die Kosten der ins Auge gefassten Beurkundungen
zu informieren. Wissen die Beteiligten nicht einmal, ob eine Beurkundung (hier: eines
gemeinsamen Testaments) für sie zweckmäßig ist, ist das Ansinnen des Notars im Rahmen der
planenden Beratung, ihnen einen – kostenpflichtigen – Entwurf zukommen zu lassen,
amtspflichtwidrig im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO, wenn er die Beteiligten nicht über die
dafür entstehenden Kosten informiert hat.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten im Notarkostenbeschwerdeverfahren um die Berechtigung einer
Kostenberechnung des Kostenschuldners für den Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments.
Der Kostengläubiger besprach mit den Kostenschuldnern die Frage, ob sie ein notariell
beurkundetes Ehegattentestament errichten sollten. Ohne dass diese Frage beantwortet war und
ohne zu erwähnen, dass hierfür Kosten in Höhe von 852,69 Euro anfallen würden, übersandte er
ihnen mit ihrem Einverständnis einen Testamentsentwurf. Die Kostenschuldner meinen, keinen
Entwurf in Auftrag gegeben zu haben und die geltend gemachten Kosten jedenfalls nicht zu
schulden, weil sie hierüber nicht belehrt worden waren.
II.
Die gemäß § 129 Abs. 1 GNotKG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere nach §
130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG in Verbindung mit den §§ 63 Abs. 1 und 3, 65 Abs. 1 FamFG formund
fristgerecht eingelegte Beschwerde der Kostenschuldner ist begründet. Die beanstandete
Kostenberechnung des Kostengläubigers war aufzuheben, weil sich aus ihr im Hinblick auf den
entgegenstehenden und von den Kostenschuldnern auch aufgerechneten Notarhaftungsanspruch
gleicher Höhe aus § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO keine Kostenforderung mehr herleiten lässt.
1. Allerdings ist der von dem Kostengläubiger mit seiner von den Kostenschuldnern
beanstandeten Kostenberechnung geltend gemachte Gebührenanspruch gemäß § 145 Abs. 1 Satz
1 KostO entstanden.
Auch wenn es sich so verhalten haben sollte, wie die Kostenschuldner vortragen, besteht an der
Erteilung eines Entwurfsauftrags kein Zweifel. Daran würde auch der von den Kostenschuldnern
behauptete Umstand, der Kostengläubiger habe die Entwürfe zu dem Zweck übersenden wollen,
dass sie sich informieren können, nichts ändern. Denn für die Entstehung der Gebühr kommt es
nicht darauf an, für welche Zwecke der Entwurf angefordert wird. Anders als die
Kostenschuldner meinen, handelt es sich bei dem ihnen von dem Kostengläubiger übersandten
dreiseitigen Testamentstext um einen Entwurf im Sinne des § 145 KostO, auch wenn es sich um
einen Standardentwurf handelt, in dem noch nicht alle Einzelheiten aufgenommen waren. Denn,
dass ein Entwurf noch an die jeweiligen Besonderheiten des Falls anzupassen ist, entspricht
seinem Wesen.
2. Dem Kostenanspruch des Kostengläubigers steht ein Notarhaftungsanspruch der
Kostenschuldner aus § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO in entsprechender Höhe entgegen, den sie auch
gegenüber dem Anspruch aus der Kostenrechnung aufgerechnet haben. Ein solcher Anspruch
kann im Notarkostenbeschwerdeverfahren der Kostenforderung entgegengehalten werden, wenn
er die abgerechnete Tätigkeit selbst betrifft oder aus typischen mit der Notartätigkeit
zusammenhängenden Tatbeständen erwächst, wobei es bei dem Einwand der
Amtspflichtverletzung ohne Bedeutung ist, ob die Pflichtwidrigkeit des Notars in einer
unrichtigen Sachbehandlung oder in einem sonstigen der Beurkundungstätigkeit vorgehenden
pflichtwidrigen Verhalten des Notars liegt (Sikora in: Korintenberg, GNotKG, 19. Auflage 2015,
§ 127 GNotKG Rn. 36 m.w.N.). Hier ergibt sich der der Kostenforderung entgegenstehende
Notarhaftungsanspruch nicht aus der der Kostenberechnung selbst zugrunde liegenden Tätigkeit,
der Anfertigung eines Testamentsentwurfs, sondern der diesem Auftrag vorgelagerten
beratenden Tätigkeit des Kostengläubigers.
a) Die Anfertigung von Urkundsentwürfen fällt unter die selbständigen Betreuungstätigkeiten
des Notars nach § 24 BNotO (Ganter in: Handbuch der Notarhaftung, 3. Auflage 2014, Rn.
2064). Inhalt und Umfang der Betreuungspflicht richten sich nach dem übernommenen Auftrag,
insbesondere auch danach, ob der Notar über die § 17 BeurkG analog geschuldete Aufklärung
und Beratung hinaus auch - wie es hier vorliegend unstreitig gewesen ist - zu einer Beratung
verpflichtet ist (BGH, Urteil vom 5. November 1992 - IX ZR 260/91 -, juris Rn. 21). Zu
unterscheiden ist sodann zwischen planender und gestaltender Beratung. Eine planende Beratung
wird dem Notar übertragen, wenn die Ansuchenden noch nicht genau wissen, wie und mit
welchem Inhalt sie die Angelegenheit regeln wollen; demgegenüber steht bei der sog.
gestaltenden Beratung das Ziel fest und sind sich die Beteiligten nur über den einzuschlagenden
Weg noch nicht schlüssig (Ganter, a.a.O., Rz. 964).
Der Kostengläubiger hat hier eine sog. planende Beratung geschuldet. In diesem Rahmen hatte er
darüber zu unterrichten, dass schon die Anfertigung des Entwurfs eines Testaments erhebliche
Kosten verursacht, da die Kostenschuldner sich - nach der Beratung - nicht einmal darüber im
Klaren waren, ob sie überhaupt ein gemeinschaftliches Testament benötigen würden. Selbst bei
der gestaltenden Beratung ist anerkannt, dass der Notar im Einzelfall, insbesondere bei hohen
Kosten und eingeschränkter wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit der Beteiligten, über den
Kostenfaktor informieren muss, da dieser für die Wahl der Gestaltungsmöglichkeit erheblich
sein kann (Ganter, a.a.O., Rn. 975 m.w.N.). Wissen die Beteiligten nicht einmal, ob ein notariell
beurkundetes Testament für sie zweckmäßig ist, ist das Ansinnen des Notars im Rahmen der
planenden Beratung, ihnen einen - kostenpflichtigen - Entwurf zukommen zu lassen,
amtspflichtwidrig, wenn er die Beteiligten nicht über die dafür entstehenden Kosten informiert
hat. Das folgt vorliegend auch daraus, dass der von dem Kostengläubiger übersandte Entwurf
den Kostenschuldnern bei der Klärung der Frage, ob sie überhaupt ein gemeinsames
Ehegattentestament brauchen, in keiner Weise helfen konnte. Soweit der Kostengläubiger darauf
verweist, dass der Notar im Rahmen seiner Amtstätigkeit nicht über deren Kosten zu belehren
habe, ist dies - jedenfalls grundsätzlich - richtig (Senat, Beschluss vom 21. Oktober 2010 - 9 W
195/10 -, juris Rn. 19 m.w.N.). Darum geht es hier jedoch nicht, sondern um eine
Beratungstätigkeit im Sinne von § 24 BNotO, in deren Rahmen der Notar, wie vorstehend
ausgeführt, durchaus auch über die Kostenseite einer etwaigen notariellen Tätigkeit zu
informieren hat.
b) Die aufgezeigten amtspflichtwidrigen Mängel bei der Beratung der Kostenschuldner waren
schuldhaft - der Kostengläubiger musste wissen, dass er im Rahmen seiner Beratungstätigkeit
nach § 24 BNotO über die Kosten der von den Kostenschuldnern erwogenen Tätigkeit
aufzuklären hatte - und haben die Kostenschuldner dazu bewegt, von ihm in Unkenntnis der
dabei entstehenden Kosten einen Urkundsentwurf anzufordern. Hätte der Kostengläubiger sie auf
die Kosten hierfür hingewiesen, hätten die Kostenschuldner aufgrund des geringen Bedürfnisses
für ein notarielles Testament und ihrer angespannten finanziellen Lage davon abgesehen, einen
dreiseitigen Entwurf eines Standard-Testaments für 852,69 Euro anzufordern. Der Schaden
besteht darin, dass sie sich der Kostenforderung des Kostengläubigers aus der angefochtenen
Kostenberechnung ausgesetzt sehen. Anrechenbare Vorteile hatten die Kostenschuldner aus der
Übersendung des für sie unbrauchbaren Entwurfs nicht. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 19
Abs. 1 Satz 1 BNotO für einen dem Kostenanspruch des Kostengläubigers in gleicher Höhe
entgegenstehenden Notarhaftungsanspruch sind mithin gegeben.
III.
Die Kostenentscheidung folgt für beide Instanzen aus § 130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG in
Verbindung mit § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Es entspricht in gerichtlichen Verfahren in
Notarkostensachen regelmäßig der Billigkeit gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG, die
Kostenentscheidung jedenfalls dann, wenn die Kostenberechnung einer gerichtlichen
Überprüfung nicht stand hält, grundsätzlich am Obsiegen bzw. Unterliegen der Beteiligten zu
orientieren (Senat, Beschluss vom 25. März 2015 - 9 W 42-46/14 -, juris Rn. 29). Das gilt umso
mehr, wenn die Kostenberechnung, wie hier, im Hinblick auf eine Amtspflichtverletzung und
den sich daraus ergebenden Notarhaftungsanspruch aufzuheben war.
Die Rechtsbeschwerde war nach § 130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG in Verbindung mit § 70 Abs. 1
und 2 FamFG nicht zuzulassen.
Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 61 Abs. 1 GNotKG.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

Kammergericht

Erscheinungsdatum:

30.06.2015

Aktenzeichen:

9 W 103/14

Rechtsgebiete:

Kostenrecht
Notarielles Berufsrecht
Beurkundungsverfahren

Erschienen in:

notar 2016, 131-133

Normen in Titel:

KostO a.F. § 145 Abs. 1 S. 1; BNotO §§ 19 Abs. 1 S. 1, 24; GNotKG §§ 119, 129 Abs. 1, 130 Abs. 3 S. 1