OLG München 03. November 2022
34 Wx 426/22
GBO §§ 19, 22, 29 Abs. 1

Grundbuchberichtigung wg. unerkannter Geschäftsunfähigkeit des Veräußerers bei zwischenzeitlich erfolgten Eintragungen

letzte Aktualisierung: 25.11.2022
OLG München, Beschl. v. 3.11.2022 – 34 Wx 426/22

GBO §§ 19, 22, 29 Abs. 1
Grundbuchberichtigung wg. unerkannter Geschäftsunfähigkeit des Veräußerers
bei zwischenzeitlich erfolgten Eintragungen

1. Gegen die Ablehnung eines Antrags auf Grundbuchberichtigung ist die unbeschränkte
Beschwerde nach § 71 Abs. 1 GBO statthaft, wenn die Berichtigung auf der Grundlage einer
Bewilligung nach § 19 GBO betrieben wird.

2. Die Grundbuchberichtigung durch Wiedereintragung des tatsächlichen Eigentümers nach § 22
GBO erfordert nicht die Bewilligung des Inhabers einer zwischenzeitlich eingetragenen
Auflassungsvormerkung nach § 19 GBO .

3. Der Nachweis der Vertretungsmacht des Betreuers bei der Erteilung einer Vollmacht zur
Stellung des Berichtigungsantrags nach § 13 GBO ist in der Form des § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO zu
führen.

4. Die Zustimmung des Eigentümers nach § 22 Abs. 2 GBO bedarf der Form des § 29 Abs. 1
Satz 1 GBO.

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 1 begehrt seine Eintragung im Grundbuch als Eigentümer von Grundbesitz im Wege der
Grundbuchberichtigung.

Ursprünglich war der Beteiligte zu 1 selbst als Eigentümer des verfahrensgegenständlichen Grundbesitzes
eingetragen. Diesen überließ er mit notariellem Vertrag vom 9.1.2019 seiner Ehefrau, der Beteiligten zu 2.
Die Umschreibung im Grundbuch erfolgte am 1.2.2019. Am 20.12.2019 wurden zugunsten von A. L. drei
Grundschulden und am 9.6.2020 zugunsten von R. V. eine Auflassungsvormerkung eingetragen.

Mit Schreiben vom 25.11.2021 beantragte die Beteiligte zu 2 die Grundbuchberichtigung zugunsten des
Beteiligten zu 1. Laut ihrer beigefügten, notariell beglaubigten Zustimmung und Berichtigungsbewilligung
ergebe sich aus einem ärztlichen Gutachten, dass der Beteiligte zu 1 seit dem Jahr 2009 geschäftsunfähig
sei. Damit sei der Überlassungsvertrag vom 9.1.2019 nichtig. Dieser Antrag wurde bislang nicht
verbeschieden.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 28.4.2022 beantragte der durch eine Betreuerin vertretene Beteiligte zu 1
seinerseits unter Vorlage notariell beglaubigter Bewilligungen der Beteiligten zu 2 und des A. L., das
Grundbuch dahingehend zu berichtigen, dass er wieder als Eigentümer eingetragen und die Grundschuld Nr.
3 gelöscht werde. Mit weiterem Anwaltsschriftsatz vom 24.5.2022 wurden eine diesbezügliche, durch die
Betreuerin des Beteiligten zu 1 ausgestellte Vollmacht sowie eine Kopie von deren Betreuerausweis
eingereicht und ersucht, das Grundbuch dahingehend zu berichtigen, dass der Beteiligte zu 1 wieder als
Eigentümer eingetragen werde, und die Grundschuld zugunsten von A. L. zu löschen. Den Antrag auf
Löschung der Grundschuld stellte der Beteiligte zu 1 dann mit Anwaltsschriftsatz vom 21.6.2022 zurück.
Am 4.7.2022 erließ das Grundbuchamt eine Zwischenverfügung. Eine grundbuchrechtliche Rückabwicklung
sei anhand der eingereichten Unterlagen nicht möglich, da bereits am 18.5.2020 ein weiterer
Grundstückskaufvertrag geschlossen und eine Auflassungsvormerkung eingetragen worden sei. Dieser
Vertrag müsse zuerst notariell rückabgewickelt werden, bevor die Rückabwicklung der Auflassung an die
Beteiligte zu 2 im Grundbuch vollzogen werden könne. Die Auflassungsvormerkung und die Grundschuld
müssten also zuerst gelöscht werden. Dazu würden ein formgerechter Antrag der derzeit eingetragenen
Eigentümerin und die Bewilligung der R. V. benötigt.

Dem widersprach der Beteiligte zu 1 mit Anwaltsschriftsatz vom 29.7.2022. Die Zustimmung und die
Berichtigungsbewilligung der Beteiligten zu 2 lägen vor. Die Geschäftsunfähigkeit des Beteiligten zu 1 sei
ebenfalls bekannt.

Das Grundbuchamt wies mit Beschluss vom 3.8.2022 die „Anträge vom 28.04.2022 und 23.05.2022“ unter
Wiederholung der Ausführungen in der Zwischenverfügung zurück. Ergänzend führte es aus, für die
Berichtigung des Eigentümers habe der Beteiligte zu 1 die Bewilligung der Beteiligten zu 2 vorgelegt. Die
Unterlagen seien nur ausreichend, sofern das Grundbuchamt eine Abschrift der Vollmacht erhalte. Der
Umfang der Vollmacht sei vom Grundbuchamt zu prüfen. Wie mitgeteilt, bedürfe es immer noch der
Bewilligung der R. V. Diese habe gutgläubig erworben und könne nicht einfach vom Grundbuchamt wissend
übergangen werden.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 10.10.2022 hat der Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den
Beschluss aufzuheben. Die Geschäftsunfähigkeit des Beteiligten zu 1 sei bekannt, alle zur Korrektur der
formalen Eigentümerstellung notwendigen Voraussetzungen lägen vor. Damit sei die Berichtigung im
Grundbuch vorzunehmen. Dies beeinträchtige die Rechte der R. V. und deren Auflassungsvormerkung nicht.
Wenn R. V. eine Auflassungsvormerkung gutgläubig erworben habe, verbleibe diese im Grundbuch und R. V.
müsse sich dann gegebenenfalls mit dem tatsächlichen Eigentümer auseinandersetzen, ob und unter
welchen Voraussetzungen diese gelöscht werden könne oder ob aufgrund der Vormerkung R. V.
Eigentümerin werden könne. Das seien materiell-rechtliche Fragen, die nichts mit der entscheidenden Frage
zu tun hätten, dass nämlich das Grundbuch unrichtig und zu berichtigen sei.

Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 13.10.2022 nicht abgeholfen und dabei zur Begründung auf den
Zurückweisungsbeschluss Bezug genommen. R. V. sei seit 9.6.2020 als Berechtigte einer
Auflassungsvormerkung eingetragen. Sie sei somit mittelbar betroffen von der beantragten
Grundbuchberichtigung und in das Verfahren einzubeziehen. Mittelbar Betroffene hätten einer
Grundbuchberichtigung zuzustimmen. Andernfalls wäre zunächst die Auflassungsvormerkung
rückabzuwickeln. Die Bewilligung zur Löschung der Grundschuld sei vorgelegt worden, jedoch fehle es
diesbezüglich nun am notwendigen Antrag. Zu den Grundschulden Nr. 1 und 2 seien bisher keine Unterlagen
vorgelegt worden. Ob diese auch zunächst rückabgewickelt werden müssten, sei offengeblieben. Aufgrund
der verworrenen Umstände bleibe zu befürchten, dass durch eine Teilberichtigung des Grundbuchs
Verwirrung im Grundbuchblatt erzeugt werde und eine Teilunrichtigkeit bestehen bleiben könnte.

II.

Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache zumindest vorläufig Erfolg.

1. Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist der Antrag vom 24.5.2022, der den vom 28.4.2022 einschließt.
Soweit das Grundbuchamt einen Antrag vom 23.5.2022 zurückweisen wollte, ist offensichtlich derjenige vom
24.5.2022 gemeint.

2. Die Beschwerde ist zulässig.

a) Gegen die Ablehnung des Berichtigungsantrags ist die unbeschränkte Beschwerde nach § 71 Abs. 1 GBO
statthaft, die Beschränkung gemäß Abs. 2 der Vorschrift greift vorliegend nicht. Betreibt - wie hier - der
Antragsteller eine Berichtigung auf der Grundlage einer Bewilligung nach § 19 GBO, so gilt bei Ablehnung
des Antrags nichts anderes als bei Zurückweisung eines Eintragungsantrags (KG Rpfleger 1965, 232;
Demharter GBO 32. Aufl. § 71 Rn. 28; Hügel/Kramer GBO 4. Aufl. § 71 Rn. 148).

b) Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt ist gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG zulässig.

3. Das Rechtsmittel erweist sich als begründet.

a) Gemäß § 19 GBO erfolgt eine Eintragung, wenn derjenige sie bewilligt, dessen Recht von ihr betroffen
wird. In Betracht kommen nur dingliche Rechte, die dem numerus clausus der Sachenrechte angehören.
Vormerkungen sind ihnen gleichgestellt (Demharter § 19 Rn. 45; Hügel/Holzer § 19 Rn. 67). Betroffen ist das
Recht, wenn es durch die vorzunehmende Eintragung rechtlich und nicht nur wirtschaftlich beeinträchtigt wird
oder werden kann (BGH NJW 2000, 3643; BayObLG Rpfleger 1985, 355; KG ZfIR 2015, 719/720;
Demharter § 19 Rn. 49; Hügel/Holzer § 19 Rn. 68).

aa) Nach dieser Maßgabe stellt die zugunsten von R. V. eingetragene Auflassungsvormerkung zwar ein
Recht i.S.v. § 19 GBO dar. Sie ist aber von der beantragten Grundbuchberichtigung nicht betroffen. Deren
unmittelbarer Gegenstand ist die Person des Eigentümers des verfahrensgegenständlichen Grundstücks.
Zwar würde grundsätzlich auch eine lediglich mittelbare Beeinträchtigung der Vormerkung durch die
Grundbuchberichtigung ausreichen. Eine solche ist jedoch ebensowenig gegeben. Die Vormerkung sichert
gemäß § 883 Abs. 1 Satz 1 BGB den Erwerb des Eigentums durch R. V. am Grundstück, indem nach Abs. 2
der Vorschrift eine Verfügung, die nach der Eintragung der Vormerkung über das Grundstück getroffen wird,
insoweit unwirksam ist, als sie den Übereignungsanspruch der R. V. vereiteln oder beeinträchtigen würde.
Diese allgemeine Rechtswirkung der Vormerkung besteht unabhängig davon, wer als Eigentümer des
Grundstücks eingetragen ist. Darüber hinaus setzt sich nach ganz herrschender Meinung eine nach § 892
BGB gutgläubig erworbene Vormerkung sogar gegenüber einer nachträglichen Berichtigung des Grundbuchs
durch und macht ebenso eine nachträgliche Kenntniserlangung des Gläubigers von der Nichtberechtigung
des Schuldners für den Erwerb des vorgemerkten Rechts unschädlich (BGH NJW 1981, 446; OLG
Schleswig FGPrax 2004, 264/265; OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 445/446; Grüneberg/Herrler BGB 81. Aufl.
2022 § 885 Rn. 13; MüKoBGB/Kohler, 8. Aufl. 2020, § 883 Rn. 53; Staudinger/Kesseler BGB Neubearb.
2020 § 883 Rn. 263). Folglich wird vorliegend die Auflassungsvormerkung zugunsten von R. V. durch die
Eintragung des Beteiligten zu 1 anstelle der Beteiligten zu 2 nicht beeinträchtigt, wenn - wofür hier alles
spricht - R. V. sie gutgläubig erworben hat. Sollte Letzteres nicht der Fall sein, ist die Vormerkung mangels
Bewilligungsberechtigung der Beteiligten zu 2 gemäß § 885 Abs. 1 Satz 1 BGB bereits nicht wirksam
entstanden und kann schon allein aus diesem Grund ebenfalls nicht zum Erfordernis einer Bewilligung der
Grundbuchberichtigung durch R. V. nach § 19 GBO führen.

bb) Die nach der genannten Bestimmung einzig notwendige Bewilligung ist somit die der Beteiligten zu 2.
Diese liegt in der nach § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO erforderlichen Form vor.

b) Wird die Grundbuchberichtigung auf der Grundlage der Bewilligungen der davon Betroffenen nach § 19
GBO begehrt, so bedarf es darüber hinaus keines Nachweises der Unrichtigkeit nach § 22 GBO, sondern nur
deren schlüssiger Darlegung (KG ZfIR 2015, 719; Senat NJOZ 2013, 252; OLG Frankfurt a.M. NJW-RR
1996, 14; Demharter § 22 Rn. 20; Hügel/Holzer § 22 Rn. 17). Dem wird das Antrags- bzw.
Beschwerdevorbringen gerecht, indem es auf die dem Grundbuchamt bekannte Geschäftsunfähigkeit des
Beteiligten zu 1 verweist und sich dabei erkennbar auf das Schreiben der Beteiligten zu 2 vom 25.11.2021
bezieht, das nähere Angaben hierzu enthält.

c) Warum darüber hinaus eine Löschung der in der Zwischenzeit eingetragenen Grundschulden oder auch

der Auflassungsvormerkung erforderlich sein sollte, erschließt sich nicht. Deren Bestand ist selbstständig zu
beurteilen und bestimmt sich insbesondere nach der Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs gemäß § 892
BGB. Der der Bestellung der Vormerkung zugrundeliegende Vertrag begründet lediglich schuldrechtliche
Ansprüche und hat keinen Einfluss auf die dem Grundbuch zu entnehmende dingliche Rechtslage.

Verwirrung ist insoweit nicht zu befürchten. Unabhängig davon könnte dies kein Grund sein, die
Grundbuchberichtigung an zusätzliche, im Gesetz nicht vorgesehene Voraussetzungen zu knüpfen.

4. Gleichwohl ist jedenfalls derzeit die beantragte Berichtigung nicht möglich, weil es an anderen
Nachweisen fehlt, deren Beibringung das Grundbuchamt dem Beteiligten zu 1 im Wege der
Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 1 GBO aufzugeben haben wird.

a) Mit dem Antrag vom 24.5.2022 liegt zwar grundsätzlich die nach § 13 Abs. 1 Satz 1 GBO erforderliche
verfahrenseinleitende Erklärung vor. Sie wurde aber nicht durch den gemäß Satz 2 der Vorschrift
antragsberechtigten Beteiligten zu 1 selbst abgegeben, sondern durch einen Rechtsanwalt, der durch die
Betreuerin des Beteiligten zu 1 bevollmächtigt worden war. Zwar ist eine Vertretung durch einen
Rechtsanwalt im Grundbuchverfahren gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG zulässig und der Antrag selbst
ebenso wie der Nachweis der Bevollmächtigung formfrei möglich (Senat NZFam 2017, 78; Demharter § 30
Rn. 5 bzw. 8). Der Form des § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO bedarf jedoch der Nachweis der gesetzlichen
Vertretungsbefugnis der Betreuerin bei Erteilung der Vollmacht (Demharter § 30 Rn. 10). Bislang wurde indes
nur eine einfache Kopie des Betreuerausweises eingereicht.

b) Wird - wie hier - die Berichtigung des Grundbuchs durch Eintragung eines Eigentümers beantragt, so darf,
wenn nicht - was vorliegend beides nicht in Betracht kommt - ein Fall des § 14 GBO gegeben ist oder die
Unrichtigkeit nachgewiesen wird, gemäß § 22 Abs. 2 GBO die Berichtigung nur mit Zustimmung des
Eigentümers erfolgen. Als zur Eintragung erforderliche Erklärung ist diese Zustimmung in der Form des § 29
Abs. 1 Satz 1 GBO nachzuweisen (Senat NJOZ 2013, 252/253; Demharter § 29 Rn. 8; Hügel/Otto § 29 Rn.
63). Selbst wenn man in dem Berichtigungsantrag zugleich eine konkludente Zustimmung i.S.v. § 22 Abs. 2
GBO sehen wollte (vgl. Hügel/Holzer § 22 Rn. 84), wäre diese somit nicht formgerecht.

5. Eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist nicht veranlasst, da der Beteiligte zu 1
als Rechtsmittelführer diese zunächst gemäß § 22 Abs. 1 GNotKG schon von Gesetzes wegen trägt und
seine diesbezügliche Haftung aufgrund des Erfolgs der Beschwerde gemäß § 25 Abs. 1 GNotKG wiederum
von Gesetzes wegen erloschen ist. Daher bedarf es auch keiner Geschäftswertfestsetzung.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

03.11.2022

Aktenzeichen:

34 Wx 426/22

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Vormerkung
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

GBO §§ 19, 22, 29 Abs. 1